Suchen Hilfe
VwGH 25.03.2010, 2007/05/0255

VwGH 25.03.2010, 2007/05/0255

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
BauO NÖ 1996 §33 idF 8200-6;
BauRallg;
RS 1
Ein Baugebrechen im Sinne des § 33 BauO NÖ 1996 ist ein durch

a) Alter, Abnützung, Verwitterung oder Beschädigung (Verschlechterung) oder b)eine bewilligungsbedürftige, aber nicht bewilligte, oder anzeigepflichtige, aber nicht angezeigte, Abänderung oder das Fehlen eines unentbehrlichen Bauteils oder Zubehörs (Konsenswidrigkeit) verursachter Zustand eines Bauwerkes, der seine Standfestigkeit, sein Aussehen, den Brandschutz oder die Sicherheit von Personen und Sachen beeinträchtigt oder zu einer örtlich unzumutbaren Belästigung der Nachbarschaft führen kann (Hinweis auf Hauer/Zaussinger, Niederösterreichisches Baurecht7, 436).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2005/05/0177 E RS 1
Normen
BauO NÖ 1996 §33 Abs1;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
RS 2
Ein jedenfalls erst nach Bewilligung bzw. Ausführung eines Bauprojekts durch den Grenzkataster bestimmter Grenzverlauf kann zur Beurteilung der Konsenswidrigkeit des Bauwerkes nicht herangezogen werden (Hinweis E vom , 92/05/0122).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde 1. der H H und 2. des F H, beide in Eggendorf am Walde und vertreten durch Hirtzberger Sacha Katzensteiner Rechtsanwälte GmbH in 3500 Krems, Gartenaugasse 3, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1-BR-410/004-2007, betreffend Bauauftrag (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Maissau in 3712 Maissau, Franz Gilly Gasse 7), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit Bescheid vom erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde als Baubehörde I. Instanz den Beschwerdeführern als Eigentümern der Liegenschaft in Eggendorf am Walde Nr. 27, KG Nr. 09108, Grst. Nr. 85, EZ 191, gemäß § 33 Abs. 1 der NÖ Bauordnung 1996 (BO) den baupolizeilichen Auftrag "zur Behebung der in der Vermessensurkunde der ARGE-Vermessung, GZ 19495, vom festgehaltenen Überbauung der Grundgrenze wie folgt: Der planlich durch grün-strichlierte Linie dargestellte Übergang des Daches bzw. der Dachrinne ist zwischen den Vermessungspunkten 3134 und 3135 hinter die planlich dargestellte blaue Grundgrenze rückzuversetzen. Diese Maßnahme ist bis spätestens durchzuführen".

Begründend wurde ausgeführt, die ARGE-Vermessung sei von der mitbeteiligten Partei beauftragt worden, eine Bestandsaufnahme betreffend die Grundstücke Nr. 85 und Nr. 87 hinsichtlich eventueller Grenzüberragungen zu erstellen. In der genannten Vermessungsurkunde sei daraufhin planlich dargestellt worden, dass beide Grundstücke die im Grenzkataster befindliche Grundstücksgrenze überragen würden.

2. Die dagegen gerichtete Berufung der Beschwerdeführer wurde vom Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen.

Bei der Begründung wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass die mitbeteiligte Partei mit Schreiben vom die ARGE-Vermessung mit der Bestandsaufnahme der Außenkanten der beiden betroffenen Gebäude (Liegenschaften K und H) von Außenwand, Gesimse und Dachrinne im Bezug auf den Verlauf der rechtlich gesicherten Grundstücksgrenze laut Grenzkatasterplan GZ 15882 vom beauftragt habe. Die Naturaufnahme hiefür sei am u.a. im Beisein der durch ihren Sohn F Hr vertretenen Beschwerdeführer und J K erfolgt. Der in der Folge ausgearbeitete Plan (GZ 19495 vom ) sei den betroffenen Eigentümern zur Wahrung des Parteiengehörs mit Schreiben vom zur Kenntnis gebracht worden. Mit Schreiben vom habe der Vertreter der Beschwerdeführer mitgeteilt, dass es keinen Grund zur Beanstandung der Vermessung gebe. Die baupolizeiliche Überprüfung habe im Zug der Außendiensttätigkeit durch einen Amtssachverständigen des Gebietsbauamtes Korneuburg im Beisein des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde am 31. Mai 207 per Lokalaugenschein stattgefunden; diese Überprüfung habe keine neuen Erkenntnisse gebracht und im Wesentlichen die planlich (GZ 19495 vom ) dargestellten beiderseitigen Grenzüberragungen bestätigt.

3. In der dagegen gerichteten Vorstellung der Beschwerdeführer vom wird u.a. vorgebracht, dass ein erst später durch den Grenzkataster bestimmter Grenzverlauf zur Beurteilung der Konsenswidrigkeit als Voraussetzung für einen Bauantrag nicht herangezogen werden dürfe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde gemäß § 61 Abs. 4 NÖ Gemeindeordnung 1973 diese Vorstellung als unbegründet ab und setzte die Erfüllungsfrist mit neu fest.

Begründend wurde insbesondere Folgendes ausgeführt: Von der Baubehörde sei am eine Besichtigung vor Ort in Eggendorf am Walde durchgeführt worden. Aus der daraufhin verfassten Niederschrift gehe hervor, dass die Grundstücksgrenze in einem Abstand von 35 cm zum Gebäude auf Grundstück Nr. 85 der Beschwerdeführer und in einem Abstand von 26 cm zum Gebäude auf Grundstück Nr. 87 (des J K) verlaufe. Dies sei im Lage- und Höhenplan in blauer Farbe dargestellt. Weiters gehe aus dem Plandokument hervor, dass im vorderen zur Straße gerichteten Reihenbereich die Dachrinnen der Beschwerdeführer um 5 cm und im rückwärtigen Bereich um 8 cm die Grundstücksgrenze überragten. Ebenfalls überrage die Dachrinne vom Gebäude des Grundstückes Nr. 87 die Grundstücksgrenze im vorderen Bereich um 18 cm und im rückwärtigen Bereich um 21 cm. Beide Dachrinnen seien als Hängerinnen ausgeführt. Der Rückbau der Dachrinnen sei aus technischer Sicht möglich und (wie näher dargestellt) ausführbar.

Baugebrechen seien unter anderem dann zu beheben, wenn durch sie die äußere Gestaltung beeinträchtigt werde. Unter der äußeren Gestaltung seien nicht nur äußerliche Schäden zu verstehen, vielmehr gebe § 33 leg. cit. auch die Rechtsgrundlage zur Behebung von teilweisen Abweichungen von bewilligten Bauprojekten ab. Die gegenständlichen Gebäude seien baubehördlich bewilligt, es sei aber weder nach der NÖ Bauordnung 1976 noch in der jetzt in Geltung stehenden Bauordnung zulässig, ohne Zustimmung des Nachbarn Grundstücksgrenzen zu überbauen. Dies bedeute, dass eine solche Überbauung niemals bewilligt worden sei. Der Vorwurf, die Baubehörde greife in den rechtskräftigen Konsens ein, gehe daher ins Leere. Tatsache sei, dass auf Grund des nunmehr geltenden Grenzkatasters und der ARGE-Vermessung vom sowohl die Beschwerdeführer als auch der Nachbar K die rechtlich gesicherte Grundstücksgrenze jeweils mit ihrem Dach bzw. ihren Regenrinnen überragten. Da eine nachbarliche Einigung nicht möglich sei, sei von der Baubehörde der Rückbau der überragenden Dachrinne hinter die Grundstücksgrenze anzuordnen. Bei der Überbauung der Grundstücksgrenze handle es sich um eine teilweise Abweichung von einem bewilligten Bauprojekt. Die Überbauung der Grundstücksgrenze durch die Beschwerdeführer stelle ein Baugebrechen dar, welche das Aussehen des Projekts beeinträchtige.

Der Einwand, der baupolizeiliche Auftrag sei nicht präzise genug, könne angesichts der Beschreibungen im Spruchteil des Bescheids der Baubehörde I. Instanz nicht nachvollzogen werden. Das Vorbringen, die Maßnahme sei für die Beschwerdeführer nicht durchführbar, weil oberhalb ihrer Dachrinne die Dachrinne des Nachbarn K überstehe, sei verfehlt, zumal zwischen den beiden Dachrinnen ungefähr 1 m Abstand sei, sodass es technisch möglich sei, den darunter liegenden Teil der Beschwerdeführer zu entfernen und zurückzubauen.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

5. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 33 NÖ BauO 1996 in der Fassung LGBl. 8.200-6 (BO) lautet:

"§ 33

Vermeidung und Behebung von Baugebrechen

(1) Der Eigentümer eines Bauwerks hat dafür zu sorgen, dass dieses in einem der Bewilligung (§ 23) oder der Anzeige (§ 15) entsprechenden Zustand ausgeführt und erhalten wird. Er hat Baugebrechen, durch welche


Tabelle in neuem Fenster öffnen
*
die Standsicherheit,
*
die äußere Gestaltung,
*
der Brandschutz,
*
die Sicherheit von Personen und Sachen beeinträchtigt werden oder die
*
zu unzumutbaren Belästigungen (§ 48) führen können, zu beheben.

(2) Kommt der Eigentümer eines Bauwerks seiner Verpflichtung nach Abs. 1 nicht nach, hat die Baubehörde nach Überprüfung des Bauwerks, unter Gewährung einer angemessenen Frist, die Behebung des Baugebrechens zu verfügen.

Die Baubehörde darf in diesem Fall


Tabelle in neuem Fenster öffnen
*
die Überprüfung durch Sachverständige durchführen lassen
*
die Vornahme von Untersuchungen und
*
die Vorlage von Gutachten anordnen.

(3) Den Organen der Baubehörde und den beauftragten Sachverständigen ist der Zutritt zu allen Teilen der Bauwerke an Werktagen zur Tageszeit, bei Gefahr im Verzug auch an Sonn- und Feiertagen sowie während der Nachtzeit zu gestatten. Wenn nötig, ist dem Eigentümer mit Bescheid diese Verpflichtung aufzutragen."

Ein Baugebrechen im Sinne dieses Gesetzes ist ein durch a) Alter, Abnützung, Verwitterung oder Beschädigung (Verschlechterung) oder b) eine bewilligungsbedürftige, aber nicht bewilligte, oder anzeigepflichtige, aber nicht angezeigte, Abänderung oder das Fehlen eines unentbehrlichen Bauteils oder Zubehörs (Konsenswidrigkeit) verursachter Zustand eines Bauwerkes, der seine Standfestigkeit, sein Aussehen, den Brandschutz oder die Sicherheit von Personen und Sachen beeinträchtigt oder zu einer örtlich unzumutbaren Belästigung der Nachbarschaft führen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/05/0177, mwH).

In der Beschwerde wird u.a. vorgebracht, dass - was die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift nicht in Abrede stellt - das Gebäude der Beschwerdeführer im 18. Jahrhundert bewilligt worden sei, dass hierfür eine schriftliche Baubewilligung nicht vorliege und daher das Gebäude als "alter Bestand" die Vermutung der Rechtmäßigkeit im Sinne eines vermuteten Konsens für sich habe. Ferner wird eingewendet, dass der erst später durch den Grenzkataster bestimmte Grenzverlauf zur Beurteilung der Konsenswidrigkeit nicht herangezogen werden könne.

Mit diesem Einwand zeigt die Beschwerde im Ergebnis eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Auf dem Boden der hg. Rechtsprechung kann ein jedenfalls erst nach Bewilligung bzw. Ausführung eines Bauprojekts durch den Grenzkataster bestimmter Grenzverlauf zur Beurteilung der Konsenswidrigkeit des Bauwerkes nicht herangezogen werden (vgl. das diesbezüglich einschlägige hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/05/0122). Dies hat die belangte Behörde verkannt, wenn sie meint, dass für den vorliegenden Bauauftrag die jedenfalls erst später im Grenzkataster fixierte Grenze maßgeblich sei. Daran vermag der Hinweis der belangten Behörde in der Gegenschrift nichts zu ändern, dass auch nach der Bauordnung für Niederösterreich aus dem Jahr 1883 eine Überbauung von Grundstücksgrenzen nicht möglich gewesen sei. Dass die Dachrinnen erst nach Eintragung der Grundstücksgrenze in den Grenzkataster angebracht worden wären, wurde weder von den Behörden festgestellt noch von den Parteien behauptet.

Der bekämpfte Bescheid war daher von einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
BauO NÖ 1996 §33 Abs1;
BauO NÖ 1996 §33 idF 8200-6;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete
Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten
Baugebrechen Instandhaltungspflicht Instandsetzungspflicht
BauRallg9/3
Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten
Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2010:2007050255.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
TAAAE-90163