VwGH vom 29.04.2013, 2011/16/0173
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger, Mag. Dr. Köller, Dr. Thoma und die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dkfm. Herbert F. Maier, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 1010 Wien, Kohlmarkt 8-10, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/0672-W/10, miterledigt RV/0687- W/10, betreffend Rückzahlung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid forderte die belangte Behörde im Instanzenzug vom Beschwerdeführer Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für dessen am geborenen Sohn M. für den Zeitraum Mai 2008 bis Juni 2009 zurück. Die belangte Behörde ging aufgrund von Auskunftsschreiben der Justizanstalten Josefstadt und Gerasdorf von der Sachverhaltsannahme aus, M. habe vom bis zum in der Justizanstalt Josefstadt und vom bis zum in der Justizanstalt Gerasdorf eine Strafhaft verbüßt.
Rechtlich folgerte die belangte Behörde daraus, dass M. während der Strafhaft nicht zum Haushalt des Beschwerdeführers gehört habe, selbst wenn M. den Willen gehabt habe, nach Verbüßung der Strafhaft wieder im Haushalt des Beschwerdeführers zu leben. M. sei ununterbrochen zumindest 2 ½ Jahre andauernd in Haft gewesen. Dieser Zeitraum könne wohl nicht als "vorübergehend" angesehen werden.
Nach § 31 StVG seien die Haftanstalten verpflichtet, für den Unterhalt der Gefangenen zu sorgen. Es handle sich dabei um die Leistung eines gesetzlichen Unterhalts. Sämtliche Leistungen des Beschwerdeführers an M. wie zB Taschengeld, Computer, Rechtsanwaltskosten usw. stellten freiwillige Leistungen dar. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer für seinen Sohn überwiegend den Unterhalt geleistet habe.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer sich in seinem Recht verletzt erachtet, dass Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge nicht zurückgefordert werden.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und reichte eine Gegenschrift ein, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 1 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 - FLAG lautet:
"§ 1. Zur Herbeiführung eines Lastenausgleiches im Interesse der Familie werden die nach diesem Bundesgesetz vorgesehenen Leistungen gewährt."
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a FLAG haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.
Anspruch auf Familienbeihilfe für ein solches Kind hat nach § 2 Abs. 2 FLAG die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.
Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG hat derjenige, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Gemäß § 33 Abs. 4 Z 3 lit. a EStG in der im Beschwerdefall für den Zeitraum bis zum geltenden Fassung des Euro-Steuerumstellungsgesetzes - EuroStUG 2001, BGBl. I Nr. 59, und gemäß § 33 Abs. 3 EStG in der im Beschwerdefall für den Zeitraum ab geltenden Fassung des Steuerreformgesetzes 2009, BGBl. I Nr. 26, steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des FLAG Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag in näher genannter Höhe für jedes Kind zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 FLAG anzuwenden.
Nach § 31 Abs. 1 des Strafvollzugsgesetzes - StVG - haben die Anstalten zum Vollzug von Freiheitsstrafen nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes für den Unterhalt der Strafgefangenen zu sorgen.
Die Familienbeihilfe will den Unterhaltsbelasteten entlasten und den Mindestunterhalt des Kindes sichern (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2004/15/0103, mwN).
In Verfolgung dieses familienpolitischen Zieles ist der Gesetzgeber frei und innerhalb des ihm zustehenden Gestaltungsspielraumes nur insofern durch das Gleichheitsgebot beschränkt, als es ihm verwehrt ist, Regelungen zu treffen, für die eine sachliche Rechtfertigung nicht besteht (vgl. in stRsp etwa das Erkenntnis des G 6/11, VfSlg 19.411). Als unsachlich hat der Verfassungsgerichtshof etwa angesehen, dass Eltern durch die Eheschließung eines Kindes, das aber nicht aus dem Hausverband ausschied, trotz gleich bleibender Belastung vom Anspruch auf Familienbeihilfe ausgeschlossen wurden (Erkenntnis des , VfSlg 8.793).
Das Familienbeihilfenrecht geht von typisierenden Sachverhalten aus, die den Anspruch auf Familienbeihilfe vermitteln. In diesem Zusammenhang gelten auch in verfassungsrechtlich zwingender Berücksichtigung der Unterhaltskosten als außergewöhnliche Belastung bei der Einkommensbesteuerung die Unterhaltsleistungen für ein Kind durch die Familienbeihilfe sowie gegebenenfalls den Kinderabsetzbetrag (§ 34 Abs. 7 Z 1 EStG) oder durch den Unterhaltsabsetzbetrag (§ 34 Abs. 7 Z 2 EStG) abgegolten. Die von der Verfassung geforderte steuerliche Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen erfolgt für den Regelfall durch diese Transferleistungen; die Berücksichtigung atypischer Aufwendungen ist in den durch § 34 EStG gezogenen Grenzen zusätzlich möglich (vgl. auch das Erkenntnis des , VfSlg 16.026). In diesem Zusammenhang muss der Gesetzgeber nicht auf die individuellkonkreten tatsächlichen Unterhaltsleistungen Bedacht nehmen, sondern darf von Durchschnittswerten ausgehen und jenen Unterhalt zu Grunde legen, der sich typischerweise ergibt (vgl. das Erkenntnis des , VfSlg 16.226).
Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber eine Reihe von Tatbeständen für den Familienbeihilfenanspruch formuliert, welche von der Unterhaltsleistung unabhängig sind:
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- | die absolute Beschränkung mit Erreichen einer Altersgrenze (zB § 2 Abs. 1 lit. b FLAG), welche verfassungsrechtlich zulässig ist (vgl. das erwähnte Erkenntnis des ); |
- | den Ausschluss der Familienbeihilfe bei ständigem Aufenthalt des Kindes im Ausland (§ 5 Abs. 3 FLAG), welcher verfassungsrechtlich zulässig ist (vgl. die Erkenntnisse des , VfSlg 16.542, und vom , B 2366/00, VfSlg 16.380); |
- | den Ausschluss der Familienbeihilfe, wenn eigenes Einkommen des Kindes einen bestimmten Geldbetrag im Kalenderjahr übersteigt (§ 5 Abs. 1 FLAG), wobei etwa bei hohem Einkommen im zweiten Halbjahr der Familienbeihilfenanspruch auch im ersten Halbjahr trotz damals bestehender Unterhaltspflicht und trotz allenfalls erfolgter Unterhaltsleistungen wegfällt. |
Vor allem beim sogenannten Eigenanspruch von Kindern, denen die Eltern nicht überwiegend Unterhalt leisten (§ 6 Abs. 5 FLAG), setzt der Anspruch auf Familienbeihilfe voraus, dass sich das Kind nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befindet. Hier leuchtet der Gedanke hervor, dass ein Anspruch auf Familienbeihilfe ausgeschlossen ist, wenn die öffentliche Hand überwiegend oder grundsätzlich für den Unterhalt des Kindes sorgt, auch wenn die Eltern zum Teil Unterhalt leisten. | |
Auch mit der Bestimmung des § 3 Abs. 4 FLAG, wonach der Anspruch auf Familienbeihilfe von Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, voraussetzt, dass sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten, hat der Gesetzgeber (verfassungsrechtlich unbedenklich - vgl. etwa den ) ausgedrückt, dass die Deckung der typischen Unterhaltsansprüche durch die öffentliche Hand den Anspruch auf Familienbeihilfe ausschließt. | |
In diesen rechtlichen Rahmen fällt auch die hg. Rechtsprechung zum Ausschluss der Familienbeihilfe für Kinder, die den Präsenzdienst, Ausbildungsdienst oder Zivildienst leisten (vgl. im Zusammenhang mit dem Grundwehrdienst das erwähnte hg. Erkenntnis vom , 2004/15/0103, und im Zusammenhang mit dem Zivildienst das hg. Erkenntnis vom , 2007/13/0120). | |
Im Beschwerdefall war der typischerweise anfallende Unterhalt des M. in Form von Unterkunft, Bekleidung und Verpflegung (jugendliche Straftäter sind nach § 58 Abs. 2 des Jugendgerichtsgesetzes - JGG - überdies ihrer körperlichen Entwicklung entsprechend reichlicher zu verpflegen) von der Bestimmung des § 31 Abs. 1 StVG erfasst (vgl. zur Abgrenzung von Untersuchungshäftlingen etwa den ). Die für einen Gefangenen in einer Strafhaft verbleibenden Restbedürfnisse, auch wenn sie vom Beschwerdeführer in Erfüllung seiner Unterhaltspflicht gedeckt worden sein mögen, ändern daran nichts. | |
Der Verwaltungsgerichtshof knüpft daher an seine Rechtsprechung zu Kindern an, deren typischer Unterhalt durch die öffentliche Hand gedeckt ist (vgl. die erwähnten hg. Erkenntnisse vom und vom ), und nimmt in teleologischer Reduktion des § 2 Abs. 1 lit. a FLAG an, dass bei Sachverhaltsgestaltungen wie im Beschwerdefall kein Anspruch auf Familienbeihilfe gegeben ist. Auf die Bestimmung des § 2 Abs. 2 FLAG braucht dabei nicht mehr eingegangen werden. | |
Im geltend gemachten Recht wurde der Beschwerdeführer somit nicht verletzt. | |
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. | |
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. | |
Wien, am |