VwGH vom 28.06.2012, 2011/16/0148
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 5, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , Zlen. RV/1048- L/09 und RV/1052-L/09, betreffend Rechtsgebühren und Erhöhung (mitbeteiligte Partei: K GmbH in Liquidation in V), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Den vorgelegten Verwaltungsakten ist zu entnehmen, dass der Mitbeteiligten mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom die Bewilligung bis erteilt worden war, in ihrem Wettbüro mit der Bezeichnung "K" am Standort V, durch den gewerbsmäßigen Abschluss von Wetten die Tätigkeit als Buchmacher auszuüben. Die Bewilligung erstreckte sich auch auf Wettabschlüsse in von der Bewilligungsbehörde zur Kenntnis genommenen Annahmestellen unter Verwendung geeigneter Wettannahmeeinrichtungen und -geräte. Im Bescheid wurden weitere Bedingungen und Auflagen für diese Bewilligung auferlegt.
Weiters finden sich in den vorgelegten Verwaltungsakten Ablichtungen "Allgemeiner Wettbestimmungen" der Mitbeteiligten.
Unbestritten ist, dass die Mitbeteiligte keine Rechtsgebühren nach § 33 TP 17 GebG abgeführt hat. Ab erfolgte durch das Finanzamt Freistadt, Rohrbach, Urfahr eine Prüfung der Selbstberechnung der Gebühren nach § 33 TP 17 GebG, deren Ergebnis in einem dem Prüfungsbericht nach § 150 BAO vom angeschlossenen "Prüfungsfeststellungen" festgehalten ist.
Mit zwei Bescheiden vom setzte die Abgabenbehörde erster Instanz gegenüber der Mitbeteiligten für den Abschluss von Sportwetten im Jahr 2007 die Gebühr nach § 33 TP 17 GebG im Betrag von EUR 60.006,19 sowie eine Erhöhung im Betrag von EUR 18.001,00 und für das Jahr 2008 die Gebühr im Betrag von EUR 97.099,01 sowie eine Erhöhung im Betrag von EUR 29.129,00 fest. Die Bescheide begründen gleichlautend, die Festsetzung könne erfolgen, wenn kein selbstberechneter Betrag bekannt gegeben werde oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 Abs. 4 (BAO) die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen vorliegen würden. Im gegenständlichen Fall erfolge die Festsetzung gemäß § 201 Abs. 2 Z. 3 BAO, weil keine selbstberechneten Beträge bekannt gegeben worden seien. Bei der Ermessensübung (§ 20 BAO) sei dem Vorrang des Grundsatzes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (der Rechtsrichtigkeit) vor jenem der Rechtsbeständigkeit Rechnung getragen worden. Hinsichtlich der weiteren Begründung und der Bemessungsgrundlagen werde auf die Feststellungen im beigeschlossenen Prüfungsbericht vom verwiesen.
Gegen beide Bescheide erhob die Mitbeteiligte Berufung, in der sie unter Hinweis auf ihre allgemeinen Wettbestimmungen zusammengefasst vorbrachte, im vorliegenden Fall seien Wetten vom Ausland nach Österreich vermittelt worden. Es handle sich um Wetten, die im Ausland abgeschlossen worden seien und zu einem österreichischen Buchmacher vermittelt worden seien. Für derartige Wetten falle nach der derzeitigen Gesetzeslage in Österreich keinerlei Gebühr an. Entscheidend sei somit die Frage, ob die Wette im Inland zustande gekommen sei; nur dann könne sich daran eine Gebührenpflicht knüpfen. Die Wetten seien "immer nach demselben Schema" abgewickelt worden: Der Buchmacher habe zwar seinen Sitz in Österreich, der Kunde gehe jedoch in Deutschland in einen dortigen "Wettshop" und schließe dort die Wette mit dem "Vermittler" ab. Der Vermittler werde für den Buchmacher tätig. Es sei schon von vornherein klar, dass - zumindest mangels anderer ausdrücklicher Vereinbarung der Vertragsparteien - diese Wetten am tatsächlichen Abschlussort - dort, wo Kunde und Vermittler handelten - zustande kämen. Unrichtig sei die Rechtsmeinung der Abgabenbehörde, wonach der Ausdruck eines Wettscheines einen vorher abgeschlossenen Vertrag nur bestätige. Der Vertrag komme vielmehr durch den Ausdruck und die Übergabe des Wettscheines an den Kunden zustande.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde den Berufungen Folge und hob die Bescheide vom auf. Im Rahmen ihrer Entscheidungsgründe gab die belangte Behörde zunächst die eingangs erwähnten "Prüfungsfeststellungen", sodann eine Stellungnahme des Rechtsfreundes der Mitbeteiligten im Abgabenverfahren sowie den Inhalt einer Besprechung der Prüfungsergebnisse bei der Mitbeteiligten und schließlich den weiteren Gang des Abgabenverfahrens, namentlich die Festsetzung der Rechtsgebühren samt Erhöhung sowie den Inhalt der Berufung wieder, um daran anschließend über diese zu erwägen:
"Gemäß § 33 TP 17 Abs. 1 Z 6 GebG unterliegen im Inland abgeschlossene Wetten anlässlich sportlicher Veranstaltungen (z.B. Wetten bei Pferderennen oder auf den Ausgang eines oder mehrerer Fußballspiele) der Gebühr in Höhe von 2 % des bedungenen Entgelts Ausgenommen von dieser Bestimmung sind Wetten im Rahmen des Totos. Eine Wette ist eine Verabredung, bei der über ein beiden Teilen noch unbekanntes Ereignis ein bestimmter Preis für denjenigen vereinbart wird, dessen Behauptung sich als richtige herausstellt (§ 1270 ABGB).
Eine Wette gilt auch dann als im Inland abgeschlossen, wenn sie vom Inland in das Ausland vermittelt wird. Als Vermittlung gilt jedenfalls die Annahme und die Weiterleitung von Wetteinsätzen sowie die Mitwirkung am Zustandekommen der Wette auf andere Art und Weise (siehe auch Rz 873 Gebührenrichtlinien).
Dies hat umgekehrt zur Folge, dass eine Wette als im Ausland geschlossen gilt, wenn sie vom Ausland in das Inland vermittelt wird; dies muss auch vielmehr gelten, wenn im Inland in Bezug auf den Vertragsabschluss keinerlei Tätigkeit entfaltet wird.
Das Finanzamt ging (in Bezug auf beide Verträge) bei Erlassung der Bescheide davon aus, dass die Urkunden im Ausland errichtet worden waren und begründete die Gebührenschuld jeweils damit, dass die Berufungswerberin ihren Sitz im Inland habe und dass jedenfalls, da in den Verträgen ein Erfüllungsort nicht genannt sei, nach bürgerlichem Recht der Sitz des Schuldners Erfüllungsort sei. Da die Berufungswerberin ihren Sitz im Inland habe, habe jeweils eine der Vertragsparteien auf Grund des Vertrages (der Verträge) eine Leistung im Inland zu erbringen bzw. sei ein Erfüllungsort in Österreich gelegen.
Der Umstand dass der Sitz der Berufungswerberin in Österreich gelegen ist, kann für sich alleine keine Gebührenpflicht begründen.
Der Ansicht des Finanzamtes, dass im Zusammenhang mit der abgabenbehördlichen Prüfung verschiedene Punkte in den Wettbestimmungen angepasst wurden, kann ebenfalls keine rechtliche Bedeutung beigemessen werden, weil diese Punkte dem Grunde nach nicht geändert worden sind, sondern nur eine Klarstellung erfolgt ist.
Die Aufhebung der Bescheide über die Festsetzung der Gebührenerhöhung ist (nur) eine Rechtsfolge."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Amtsbeschwerde des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Amtsbeschwerde sieht eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften zusammengefasst darin, entscheidungswesentlich sei nach § 33 TP 17 Abs. 1 Z. 6 GebG die Feststellung, ob eine Wette im Inland abgeschlossen worden sei. Diesbezüglich lasse der angefochtene Bescheid jegliche Auseinandersetzung und Sachverhaltsfeststellung zur Frage vermissen, durch welche Rechtshandlungen der beteiligten Personen und daraus resultierend, ob die Wettverträge im In- oder Ausland abgeschlossen worden seien. Damit mangle es der Berufungsentscheidung an einer entscheidungswesentlichen Sachverhaltsfeststellung, auf deren Grundlage eine abgabenrechtliche Würdigung erfolgen könne.
Schon damit ist die Amtsbeschwerde im Recht.
In Ansehung des Spruches des angefochtenen Bescheides ist davon auszugehen, dass die belangte Behörde die erstinstanzlichen Abgabenbescheide im Rahmen einer meritorischen Entscheidung nach § 289 Abs. 2 BAO ersatzlos aufhob, sodass in der vorliegenden Sache auch keine weitere Entscheidung mehr in Betracht käme (vgl. etwa Ritz , Kommentar zur BAO4, Rz. 33 f. zu § 289 BAO). Dem könnte nur dann nicht entgegen getreten werden, wenn in der vorliegenden Sache die Festsetzung einer Rechtsgebühr nach § 33 TP 17 Abs. 1 Z. 6 GebG (samt Erhöhung) schlechthin ausgeschlossen wäre. Der Begründung des angefochtenen Bescheides ist zu entnehmen, dass die belangte Behörde ihrerseits die Ansicht der Abgabenbehörde erster Instanz, der Tatbestand nach § 33 TP 17 Abs. 1 Z. 6 GebG sei durch im Inland abgeschlossene Wettverträge erfüllt, nicht teilte.
Nach § 33 TP 17 Abs. 1 Z. 6 des Gebührengesetzes 1957, BGBl. Nr. 267 - GebG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung durch das Ausspielungsbesteuerungsänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 105/2005 - ABÄG (sohin vor der Glücksspielgesetz-Novelle 2008, BGBl. I Nr. 54/2010), beträgt die Rechtsgebühr für im Inland abgeschlossene Wetten anlässlich sportlicher Veranstaltungen, außer im Rahmen des Totos 2 vH vom Wert des bedungenen Entgelts. Eine Wette gilt auch dann als im Inland abgeschlossen, wenn sie vom Inland in das Ausland vermittelt (§ 28 Abs. 3) wird.
Nach § 28 Abs. 3 GebG in der Fassung durch das ABÄG sind zur Entrichtung der Gebühr bei Wetten anlässlich sportlicher Veranstaltungen die Vertragsteile und der Vermittler der Wetten und bei Glücksspielen (§ 1 Abs. 1 GSpG) die Vertragsteile sowie die Veranstalter, die Glücksspiele organisieren, zur ungeteilten Hand verpflichtet. Bei Wetten und Glücksspielen hat der Veranstalter und der Vermittler die Gebühr unmittelbar zu entrichten (§ 31 Abs. 3). Als Vermittlung im Sinne dieser Bestimmung gilt jedenfalls die Annahme und die Weiterleitung von Wetteinsätzen sowie die Mitwirkung am Zustandekommen der Wette auf andere Art und Weise.
Während die Abgabenbehörde erster Instanz - offensichtlich unter Zugrundelegung von Ergebnissen der Außenprüfung der Mitbeteiligten - davon ausging, dass die der Festsetzung der Rechtsgebühr zugrunde gelegten Wetten im Inland abgeschlossen worden seien, teilte die belangte Behörde diese Ansicht nicht, sondern zog vielmehr aus § 33 TP 17 Abs. 1 Z. 6 zweiter Satz GebG den Umkehrschluss, dass eine Wette als im Ausland geschlossen gelte, wenn sie vom Ausland in das Inland vermittelt werde.
Weder den Abgabenbescheiden erster Instanz noch dem angefochtenen Bescheid sind - von der Behörde nachvollziehbar begründete - Sachverhaltsfeststellungen über das Zustandekommen der gegenständlichen Wetten zu entnehmen, womit auch die Rechtsansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand nach § 33 TP 17 Abs. 1 Z. 6 GebG keinesfalls erfüllt sei, einer Grundlage entbehrt, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften nach § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben ist.
Für das fortzusetzende Verfahren ist folgendes festzuhalten:
Nach § 33 TP 17 Abs. 1 Z. 6 GebG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung des ABÄG unterliegen im Inland abgeschlossene Wetten (anlässlich sportlicher Veranstaltungen) der dort genannten Rechtsgebühr. Eine Wette gilt auch dann als im Inland abgeschlossen, wenn sie vom Inland in das Ausland vermittelt (§ 28 Abs. 3) wird. Der zweite Satz leg. cit. enthält damit die Fiktion eines Wettabschlusses im Inland für den Fall, dass die Wette zwar im Ausland abgeschlossen wurde, dem jedoch eine Vermittlung im Sinne des § 28 Abs. 3 GebG vom Inland in das Ausland zu Grunde liegt. Aus dieser eine Erweiterung der Gebührenpflicht begründenden Fiktion kann jedoch nicht der von der belangten Behörde gezogene Umkehrschluss abgeleitet werden, dass eine Vermittlung von Wetten vom Ausland in das Inland keinen Abschluss der Wette im Inland zur Folge haben könnte.
Nach dem ersten Satz des § 33 TP 17 Abs. 1 Z. 6 GebG ist maßgeblich, dass die Wette im Inland abgeschlossen wurde. Abgesehen von dem Fall, dass die Parteien des Glücksvertrages ihre die Wette begründenden Willenserklärungen (Anbot und Annahme) im Inland abgeben und damit der Abschluss im Inland erfolgt, hängt die Beantwortung der Frage des Ortes des Abschlusses bei Vertragsparteien, die ihre rechtsgeschäftlichen Erklärungen einerseits im Inland, andererseits im Ausland abgeben, davon ab, an welchem Ort die Vertragserklärung, die die beiderseitige Vertragsbindung bewirkt (sohin die Annahmeerklärung), dem Empfänger zugeht (vgl. die E des ). Maßgeblich ist beschwerdefallbezogen damit der Ort, an dem die die Wette begründende Annahmeerklärung dem Offerenten zugeht.
An dieser an die rechtsgeschäftlichen Erklärungen anknüpfenden Betrachtung ändert - abgesehen von der Fiktion des § 33 TP 17 Abs. 1 Z. 6 zweiter Satz GebG - die Beiziehung eines Vermittlers nichts.
Dem Vorbringen der Mitbeteiligten im Abgabenverfahren zufolge seien aber die gebührengegenständlichen Wetten "immer nach demselben Schema" abgewickelt worden, dass der Kunde die Wette mit dem in Deutschland ansässigen "Vermittler" abgeschlossen habe. In Ansehung dieses Vorbringens, dass die Wette wirksam zwischen Kunden und "Vermittler" im Ausland abgeschlossen worden sei, wäre im Zuge des fortzusetzenden Verfahrens daher primär zu prüfen, ob die in Deutschland ansässigen "Vermittler" lediglich die die Wette begründenden Erklärungen zwischen Kunden und Buchmacher vermittelten, d.h. weiterleiteten, oder, wie von der Mitbeteiligten behauptet, in Vertretung der Mitbeteiligten die Wetten mit den Kunden in Deutschland bereits abschlossen (zur Abgrenzung des Boten vom Bevollmächtigten vgl. etwa Strasser in Rummel , Kommentar zum ABGB, 1. Band3, Rz. 53 zu § 1002, sowie die in Dittrich / Tades , MGA ABGB36, unter E 92 ff zu § 1002 ABGB wiedergegebene zivilgerichtliche Judikatur).
Sollte den in Deutschland ansässigen "Vermittlern" allerdings tatsächlich nur die Rolle zugekommen sein, die rechtsgeschäftlichen Erklärungen der Vertragsparteien weiterzuleiten, liegt nach dem Gesagten ein Abschluss der Wette im Inland vor, weil die Annahmeerklärung des Kunden dem Buchmacher im Inland zugeht.
Würde dagegen ein Kunde in Deutschland das Offert auf Abschluss der Wette stellen und daraufhin eine Annahmeerklärung des Buchmachers im Wege des "Vermittlers" dem Kunden in Deutschland zugehen, läge nach allgemeinen rechtsgeschäftlichen Grundsätzen ein Abschluss im Ausland vor, der von der Fiktion des § 33 TP 17 Z. 6 iVm § 28 Abs. 3 letzter Satz GebG, der lediglich von der Annahme und der Weiterleitung von Wetteinsätzen (d.h. des Wettpreises) spricht, nicht erfasst ist. Anderes mag nach § 33 TP 17 Abs. 2 GebG idF der Glückspielgesetz-Novelle 2008 gelten.
Wien, am