VwGH vom 24.11.2011, 2011/16/0088

VwGH vom 24.11.2011, 2011/16/0088

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des Vereins "W" in H, vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 20, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom , Zl. RV/0391-I/09, betreffend Normverbrauchsabgabe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.326,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist ein Verein, dessen Aufgabe nach § 2 (Zweck des Vereins) der in den vorgelegten Verwaltungsakten enthaltenen Statuten darin liegt, "Menschen mit Behinderungen individuell und bedürfnisorientiert zu begleiten, sowie Hilfe und Unterstützung dort anzubieten, wo sie notwendig ist, gewünscht oder eingefordert wird." Der Tätigkeitsbereich des Vereines ist in § 1 Z 3 dieser Statuten wie folgt umschrieben: "Der Verein ist eine soziale Dienstleistungseinrichtung, welche Menschen mit Behinderungen im Jugendlichen- und Erwachsenenalter differenzierte Wohn- und Beschäftigungsmöglichkeiten, bietet."

Mit vier Bescheiden vom , 20. Juli und und wies das Finanzamt vier Anträge des Beschwerdeführers auf Vergütung der Normverbrauchsabgabe ab, welche dem Beschwerdeführer für vier von ihm angekaufte Kraftfahrzeuge "Ford Transit Connect", "Ford Transit Vario Bus FT 350M Trend", "Ford Tourneo Connect 220L Trend" und Ford Transit "Vario Bus Trend FT 280 M" vom Veräußerer der Kraftfahrzeuge in Rechnung gestellt worden war. Das Finanzamt begründete die Bescheide jeweils damit, dass die Kraftfahrzeuge "nicht für Zwecke der Krankenbeförderung bzw. der Beförderung von Verletzten" ausgerüstet seien.

Der Beschwerdeführer berief jeweils gegen diese Bescheide mit der Begründung, für die von ihm in Anspruch genommene Befreiung von der Normverbrauchsabgabe sei es erforderlich, dass die Kraftfahrzeuge für die Zwecke der Krankenbeförderung und im Rettungswesen verwendet werden. Auf die Ausrüstung des Fahrzeuges würde der Gesetzgeber nicht abstellen. Im Verein würden die Fahrzeuge zur Beförderung "unserer Klienten" verwendet werden.

Auf Anfrage der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer mit E-Mail vom bekannt, er verwende die Fahrzeuge "überwiegend für den Transport unserer BewohnerInnen, die alle an verschiedensten Erkrankungen (überwiegend psychischen, oft in Kombination mit somatischen) leiden". Fahrtenbücher würden selbstverständlich geführt. "Spezielle Einbauten (Rollstuhlrampe, Haltegriffe)" bestünden in drei Fahrzeugen, nämlich dann, wenn es auf Grund der körperlichen Situation der dieses Fahrzeug benützenden Bewohner notwendig sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufungen als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges und nach Zitat des § 3 Z 3 NoVAG führte die belangte Behörde aus, im Gesetz sei nicht näher ausgeführt, welche Anforderungen an die Beurteilung als Kraftfahrzeug gestellt würden, das "für Zwecke der Krankenbeförderung und im Rettungswesen" verwendet werde. Die Gesetzesmaterialien würden in diesem Zusammenhang jedoch erläutern, dass "Kranken- und Rettungsfahrzeuge des Roten Kreuzes und vergleichbarer Organisationen von der Normverbrauchsabgabe befreit werden sollen". Die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nach § 3 Z 3 NoVAG solle damit offenkundig jenen Organisationen vorbehalten sein, die grundsätzlich über die Eignung zur Besorgung von Aufgaben des öffentlichen Rettungsdienstes verfügten. Die Wahrnehmung der genannten Aufgaben erfordere zweifellos auch Rettungs- oder Krankentransportwagen, die für diese Zwecke entsprechend adaptiert und ausgestattet seien (z.B. Liegen, Spezialsitze, Rampen, Trittstufen, Haltestangen, Tragesessel, Notfalltasche, ...). Da die vom Beschwerdeführer angeschafften Kombinationskraftwagen die Voraussetzungen (unbestritten) nicht erfüllten, sei die Beurteilung als "Krankentransportfahrzeuge" im Sinne des § 3 Z 3 NoVAG zu verneinen.

Mit sei § 36 des Bundesbehindertengesetzes dahingehend geändert worden, dass nunmehr gemäß dessen Abs. 2 auch gemeinnützigen Vereinen mit Sitz im Bundesgebiet auf Antrag die Belastung abzugelten sei, die sich aus dem Normverbrauchsabgabegesetz 1991 ergebe, wenn der Nachweis erbracht werde, dass das Kraftfahrzeug überwiegend zur Beförderung von behinderten Menschen verwendet werde. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergebe, solle durch diese Regelung auch für Vereine die Möglichkeit geschaffen werden, bei Anschaffung eines Kraftfahrzeuges die Abgeltung der Normverbrauchsabgabe beantragen zu können. Wenn aber der Gesetzgeber hinsichtlich der oben genannten Fälle (Kraftfahrzeuge, die für Zwecke des Behindertentransportes verwendet werden) einen Regelungsbedarf gesehen habe und gemeinnützigen Vereinen die Möglichkeit der Antragstellung auf eine Abgeltung der Normverbrauchsabgabe nach § 36 Abs. 2 Bundesbehindertengesetz eingeräumt habe, so könne daraus nur der Schluss gezogen werden, dass diese Fahrzeuge nicht von der Befreiungsbestimmung des § 3 Z 3 NoVAG erfasst seien.

Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der vor ihm gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom , B 1616/10-3, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abgetreten.

In dem die Beschwerde ergänzenden Schriftsatz vom erachtet sich der Beschwerdeführer im Recht auf Befreiung von der Leistung der Normverbrauchsabgabe gemäß § 3 Z 3 Normverbrauchsabgabegesetz verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte eine Gegenschrift ein, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit dem Abgabenänderungsgesetz 1991, BGBl. Nr. 695, wurde das Normverbrauchsabgabegesetz (NoVAG) geschaffen und in dessen § 1 Z 1 die Lieferung von bisher im Inland nicht zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeugen, welche in § 2 des Gesetzes näher definiert werden, sowie von Vorführkraftfahrzeugen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführte, ausgenommen hier nicht interessierende Lieferungen, der Normverbrauchsabgabe unterworfen.

Von der Normverbrauchsabgabe waren nach § 3 Z 3 NoVAG Vorgänge in Bezug auf u.a. Kraftfahrzeuge, die ohne Absicht auf die Erzielung eines Gewinnes für Zwecke der Krankenbeförderung und des Rettungswesens verwendet wurden, im Wege einer Vergütung befreit. Voraussetzung war, dass der begünstigte Verwendungszweck auf Grund des Zulassungsverfahrens nachgewiesen wurde.

In den Materialien (351 BlgNR 18. GP, 3) wird dazu angeführt, "auch Kranken- und Rettungsfahrzeuge des Roten Kreuzes und vergleichbarer Organisationen sollen von der Normverbrauchsabgabe befreit werden."

Mit dem Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl. I Nr. 142/2000, wurde § 3 Z 3 NoVAG u.a. dahingehend geändert, dass die Voraussetzung für die Steuerbefreiung entfiel, die Fahrzeuge, die für Zwecke der Krankenbeförderung und des Rettungswesens verwendet werden, müssten ohne Absicht auf die Erzielung eines Gewinnes verwendet werden. Die Gesetzesmaterialien (311, BlgNR, 21. GP, 179f) enthalten dazu keine Erläuterungen.

Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2004, BGBl. I Nr. 180, wurde § 3 Z 3 NoVAG dahingehend geändert, dass die Voraussetzung für die Steuerbefreiung seither lediglich ist, dass der begünstigte Verwendungszweck nachgewiesen wird. Die Materialien (686, BlgNR, 22. GP, 29) erläutern dazu, dass ein Teil der Befreiungen, die in § 3 Z 3 genannt werden, im Zulassungsverfahren nicht nachzuweisen seien, sondern nur auf Grund anderer Nachweisführung. Die geänderte Formulierung trage diesem Umstand Rechnung. Im Zuge des Vergütungsantrages an das Finanzamt sei daher eine entsprechende Nachweisführung zu erbringen, wobei neben der bisher im Gesetz genannten ("auf Grund des Zulassungsverfahrens") auch andere Nachweise zulässig seien.

Mit dem Budgetbegleitgesetz 2007, BGBl. I Nr. 24, wurde § 3 Z 3 erster Satz geändert, wobei die Befreiungsbestimmung nunmehr durch "Vorgänge in Bezug auf ….. Kraftfahrzeuge, die für Zwecke der Krankenbeförderung und im Rettungswesens verwendet werden" formuliert ist.

Nach § 36 Abs. 1 des Bundesbehindertengesetzes, BGBl. Nr. 283/1990, konnten zuletzt aus dem Unterstützungsfonds für Menschen mit Behinderung bei der Lieferung von Kraftfahrzeugen für behinderte Menschen Zuwendungen zur Abgeltung der Belastung gewährt werden, die sich nach dem Normverbrauchsabgabegesetz ergab, bis mit dem Budgetbegleitgesetz 2005, BGBl. I Nr. 136/2004, § 36 des Bundesbehindertengesetzes neu gefasst wurde und dessen Abs. 2 Folgendes vorsah:

"(2) Gemeinnützigen Vereinen mit Sitz im Bundesgebiet ist auf Antrag die Belastung, die sich aus dem Normverbrauchsabgabegesetz 1991 ergibt, abzugelten, wenn der Nachweis erbracht wird, dass das Kraftfahrzeug überwiegend zur Beförderung von behinderten Menschen verwendet wird."

Dies wurde in den Materialien (649, BlgNR, 22. GP, 27) damit begründet, dass Menschen mit Behinderung ein Rechtsanspruch auf Abgeltung der NoVA eingeräumt werden sollte und dass auch für gemeinnützige Vereine künftig die Möglichkeit der Abgeltung der Normverbrauchsabgabe bestehen soll, wenn das erworbene Kraftfahrzeug überwiegend der Beförderung von Menschen mit Behinderung diene.

Die belangte Behörde zieht aus den Gesetzesmaterialien zum Normverbrauchsabgabegesetz, wonach "Kranken- und Rettungsfahrzeuge des Roten Kreuzes und vergleichbarer Organisationen" von der Normverbrauchsabgabe befreit werden sollten, den Schluss, dass die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung offenkundig jenen Organisationen vorbehalten sein solle, die über die Eignung zur Besorgung von Aufgaben des öffentlichen Rettungsdienstes verfügten. Dem ist zum einen entgegenzuhalten, dass die Materialien (351, BlgNR, 18. GP, 3) ausdrücklich das Wort "auch" verwenden und "auch" diese Fahrzeuge von der Normverbrauchsabgabe befreit werden sollten, weshalb daraus nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht der Schluss zu ziehen ist, dass die

Befreiung diesen Fahrzeugen "offenkundig ... vorbehalten" wäre.

Vor allem aber lässt der Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung eine derartige Einschränkung nicht zu.

Der von der belangten Behörde daraus weiter gezogene Schluss, dass die Wahrnehmung der Aufgaben dieser Organisationen Rettungs- und Krankentransportwagen erfordere, die für diese Zwecke entsprechend adaptiert und ausgestattet seien, dass nur solcherart ausgestattete Fahrzeuge von der Normverbrauchsabgabe befreit wären, ist aus den gesetzlichen Bestimmungen nicht nachvollziehbar. Zu Recht hat der Beschwerdeführer bereits im Verwaltungsverfahren dagegen, dass die von ihm angeschafften Kombinationskraftwagen diese Voraussetzungen nicht erfüllten, eingewendet, dass es nicht auf die Ausstattung, sondern auf die Verwendung der Fahrzeuge ankomme.

Indem die belangte Behörde auf die Ausstattung der in Rede stehenden Fahrzeuge abgestellt hat, hat sie die Rechtslage verkannt und deshalb keine Feststellungen über die Verwendung der Fahrzeuge getroffen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Für das fortzusetzende Verfahren sei bemerkt, dass zu prüfen sein wird, ob die in Rede stehenden Fahrzeuge für Zwecke der Krankenbeförderung verwendet wurden. Der Gesetzgeber hat weder die Worte "ausschließlich" noch "überwiegend" noch "weitgehend" verwendet, weshalb nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes für die Steuerbegünstigung eine fast ausschließlich begünstigte Verwendung zugrunde zu legen sein wird, das heißt, die Verwendung zur Krankenbeförderung im Sinne des Gesetzes muss, von völlig untergeordneten anderweitigen Verwendungen abgesehen, fast ausschließlich zur Krankenbeförderung erfolgen.

Im Zusammenhang der gesetzlichen Bestimmung, dass Fahrzeuge zur Verwendung zur Krankenbeförderung und im Rettungswesen begünstigt sein sollen, mit dem von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid insoweit zu Recht erwähnten Umstand, dass der Gesetzgeber mit dem Budgetbegleitgesetz 2005 in § 36 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes eine Abgeltung der Normverbrauchsabgabe vorgesehen hat, ist nicht jede Beförderung eines kranken Menschen zwischen zwei Orten als Krankenbeförderung im Sinn des § 3 Z 3 NoVAG anzusehen. Als Krankenbeförderung im Sinne dieser Bestimmung sieht der Verwaltungsgerichtshof die Beförderung einer Person, weil sie krank ist, also eine durch die Krankheit bedingte besondere Beförderung.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am