VwGH vom 26.05.2011, 2011/16/0076

VwGH vom 26.05.2011, 2011/16/0076

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des L in K, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Singerstraße 12/9, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/3452- W/07, betreffend Familienbeihilfe ab Oktober 2007, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am für seine am geborene Tochter K Familienbeihilfe ab Oktober 2007.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag mit der Begründung ab, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe vorerst wegfalle, wenn ein Studium nach dem dritten inskribierten Semester gewechselt werde, und ein Anspruch auf Familienbeihilfe erst wieder bestehe, wenn im neuen Studium ebenso viele Semester absolviert würden, wie in dem Studium vor dem schädigenden Wechsel.

Dagegen berief der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom . Seine Tochter K habe im Wintersemester 2005/2006 an der medizinischen Universität W Humanmedizin nach der neuen Studienordnung zu studieren begonnen. Der erste der drei Studienabschnitte umfasse zwei Semester. Die Prüfungen der ersten Diplomprüfung würden nunmehr durch die erfolgreiche Teilnahme an den vorgeschriebenen Lehrveranstaltungen mit immanentem Prüfungscharakter, durch Lehrveranstaltungsprüfungen sowie durch die vorgeschriebenen Gesamtprüfungen abgelegt. Dabei sehe das Curriculum zwei unterschiedliche Formen von Gesamtprüfungen vor, nämlich formative integrierte Prüfungen (FIP) sowie summative integrierte Prüfungen (SIP). Summative integrierte Prüfungen seien Gesamtprüfungen, in denen die Lerninhalte der jeweiligen Studienabschnitte geprüft würden. Für Gesamtprüfungen seien mindestens drei Prüfungstermine je Semester vorgesehen, und zwar am Beginn, in der Mitte und am Ende des Semesters.

Ordnungsgemäß habe K nach erfolgreichem Absolvieren der erforderlichen Pflichtlehrveranstaltungen und nach Bestehen der FIP 1 sich zur SIP 1 angemeldet. Die Prüfung im Juni 2006 habe sie nicht positiv abschließen können. Sie habe sich für die Termine September und Dezember 2006 nochmals zur Prüfung angemeldet, habe diese jedoch nicht bestehen können. Um zu den Prüfungen im September und Dezember 2006 überhaupt zugelassen zu sein, habe sie weiter auf der medizinischen Universität inskribiert bleiben müssen. Da jedem Studenten insgesamt fünf Prüfungsantritte bei dieser Teilprüfung zustünden, hätte K nun noch zweimal zur SIP 1 antreten können. Jedoch sei im Dezember 2006 bereits festgestanden, dass sie selbst wenn sie die nächste Prüfung im April 2007 positiv absolviert hätte, auf Grund einer langen Warteliste mindestens ein Jahr nicht hätte weiter studieren können, sodass sie frühestens mit Beginn des Wintersemesters 2008/2009 das Studium hätte fortsetzen können. Aus diesem Grund habe K das Diplomstudium Humanmedizin beendet und mit Beginn des Wintersemesters 2007/2008 Lehramt mit Biologie, Sport und Spanisch inskribiert.

Ein Studienwechsel, der durch ein unabwendbares Ereignis ohne Verschulden des Studierenden zwingend herbeigeführt worden sei, gelte nicht als für die Familienbeihilfe schädlicher Studienwechsel. Der Gesetzgeber habe ganz bewusst bestimmte Fälle des Studienwechsels vom Verlust der Familienbeihilfe ausnehmen wollen. Somit sollten Studienwechsel, die ohne Zutun des Studierenden und ohne dessen Verschulden herbeigeführt worden seien, nicht zu einem Verlust der Familienbeihilfe führen. Nach der ratio legis könne Gleiches für den Beschwerdefall gelten. Der Gesetzgeber habe nicht bezweckt, dass all jene Studierenden die Familienbeihilfe verlieren sollten, die am Ende des letztmöglichen Semesters seitens der Universität noch nicht erfahren hätten, ob sie die erforderliche Prüfung positiv hätten abschließen können, und denen ein Weiterstudieren einzig und allein infolge langer Wartelisten, die allein seitens der Universität herbeigeführt worden seien, für zumindest ein Jahr unmöglich sei und die daher zu einem Studienwechsel gezwungen seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Die Tochter des Beschwerdeführers habe ihr Diplomstudium Humanmedizin nach dem dritten inskribierten Semester gewechselt. Eine bloße Kausalität eines Ereignisses für einen Studienwechsel reiche nicht aus, es müsse ein qualifizierter Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung bestehen. Dieser sei im Beschwerdefall jedoch nicht gegeben. Der Beschwerdeführer habe nicht dargelegt, dass es seiner Tochter grundsätzlich aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen unmöglich gewesen wäre, ihr erstbetriebenes Studium weiter zu absolvieren. Nach den Behauptungen des Beschwerdeführers hinsichtlich langer Wartelisten könnte es zu von K unverschuldeten zeitlichen Verzögerungen im Ausbildungsfortgang gekommen sein, für welche Fälle ein Familienbeihilfenanspruch verlängert werden könnte, wenn die Universität mittels eines amtlichen Vordruckes bestätige, dass es dem Studierenden ohne sein Verschulden unmöglich gemacht worden sei, einen Studienabschnitt in der vorgesehenen Zeit zu absolvieren. Derartige Umstände - sollten sie im Beschwerdefall tatsächlich in der angeführten Form bestanden haben - würden lediglich eine gegebenenfalls längere Studiendauer bewirken, aber keine zwingende Herbeiführung eines Studienwechsels.

Es sei erkennbar, dass die vom Beschwerdeführer ausschließlich dem universitären Umfeld angelasteten zeitlichen Verzögerungen nicht nur im Verantwortungsbereich der Universitätsstruktur angesiedelt sein hätten können, sondern nicht zuletzt auch auf mangelnde Prüfungserfolge zurückzuführen gewesen seien.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich der Beschwerdeführer im Recht auf Gewährung von Familienbeihilfe ab Oktober 2007 verletzt erachtet.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte eine Gegenschrift ein, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 2 Abs. 1 lit. b des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 - FLAG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 23/1999 lautet:

"§ 2. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

...

b) für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. …....... Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden nachgewiesen wird. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß."

§ 17 Abs. 1 und 2 des Studienförderungsgesetzes 1992 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 76/2000 lautet:

"§ 17. (1) Ein günstiger Studienerfolg liegt nicht vor, wenn der Studierende


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
das Studium öfter als zweimal gewechselt hat oder
2.
das Studium nach dem jeweils dritten inskribierten Semester (nach dem zweiten Ausbildungsjahr) gewechselt hat oder
3.
...

(2) Nicht als Studienwechsel im Sinne des Abs. 1 gelten:

…….

2. Studienwechsel, die durch ein unabwendbares Ereignis ohne Verschulden des Studierenden zwingend herbeigeführt wurden, .....

3. ....."

Der Gesetzgeber verlangt mit der Wendung "zwingend herbeigeführt" in § 17 Abs. 2 Z 2 Studienförderungsgesetz einen qualifizierten Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung, der über eine "bloße Kausalität" hinausgeht, und es muss trotz zwingender Aufgabe des bisherigen Studiums die Durchführung eines anderen Studiums möglich sein (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2003/10/0290, und vom , Zl. 2005/10/0071). Als Beispiele werden in der Rechtsprechung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/12/0371) eine gravierende Handverletzung genannt, die zwar das Studium eines Musikinstruments ausschließt, nicht aber ein geisteswissenschaftliches Studium, sowie eine Beeinträchtigung des Bewegungsapparates, die zwar die Weiterführung eines sportwissenschaftlichen Studiums unmöglich macht, nicht aber etwa ein rechtswissenschaftliches Studium .

Unstrittig ist, dass die Tochter des Beschwerdeführers das von ihr zunächst betriebene Studium der Humanmedizin nach dem dritten Semester gewechselt hat.

Der Beschwerdeführer wiederholt in der Beschwerde annähernd wortgetreu seine Ausführungen in der Berufung. Er stützt sich damit auf § 17 Abs. 2 Z 2 des Studienförderungsgesetzes in der erwähnten Fassung und sieht den Studienwechsel seiner Tochter als durch ein unabwendbares Ereignis ohne Verschulden seiner Tochter zwingend herbeigeführt.

Die belangte Behörde verweist darauf, dass die im inneruniversitären Bereich gelegenen Wartefristen zu einer Verlängerung der Studiendauer im Sinn des Studienförderungsgesetzes und damit zu einer Verlängerung des Familienbeihilfenanspruches hätten führen können.

Die Tochter des Beschwerdeführers hat nach dreimaligem Nichtbestehen einer für das Studium erforderlichen Prüfung und im Zusammenhang mit der Wartezeit auf eine vierte Prüfungsmöglichkeit infolge der dadurch bereits für den ersten Studienabschnitt erfolglos verbrachten Zeit von einer Fortsetzung des Studiums abgesehen und das Studium gewechselt. Dass die Tochter des Beschwerdeführers einen Wechsel des Studiums für zweckmäßiger oder ihren persönlichen Vorstellungen angemessener gehalten hat, bedeutet aber nicht, dass sie zum Studienwechsel gezwungen gewesen wäre, weil - wie die belangte Behörde zutreffend ausführt - aus den Ausführungen des Beschwerdeführers nicht hervorgeht, dass es seiner Tochter aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen unmöglich gewesen wäre, das Studium der Humanmedizin weiter zu betreiben (vgl. auch Wimmer in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG,§ 2 Rz 103).

Im Beschwerdefall kann dahingestellt bleiben, ob auf Grund der sich für die Tochter des Beschwerdeführers ergebenden Verlängerung des Studiums durch die inneruniversitäre Wartezeit auf Wiederholungsprüfungen nicht auch durch ein dreimaliges Nichtbestehen einer Prüfung die Tochter des Beschwerdeführers ein Verschulden getroffen habe.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am