VwGH vom 26.05.2011, 2011/16/0057
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. Peter Philipp, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Graben 17, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/0438-W/08, betreffend Familienbeihilfe für den Zeitraum vom bis zum , zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Unter Verwendung eines mit datierten Formblattes "Beih 1" beantragte der Beschwerdeführer für seinen am geborenen Sohn M, der vom bis zum den Grundwehrdienst im Bundesheer abgeleistet hatte, Familienbeihilfe ab "wegen Studium/und § 2 Abs. 1 lit. e FLAG".
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt diesen Antrag für den Zeitraum März bis September 2007 mit der Begründung ab, dass M erst mit dem Wintersemester 2007/2008 und nicht mit dem Sommersemester 2007 inskribiert habe.
Dagegen berief der Beschwerdeführer und brachte vor, M habe ursprünglich den Bachelorstudiengang für Unternehmensführung-Entrepreneurship an der Fachhochschule W (kurz FH) belegen wollen. Ein Studienbeginn sei dabei erst zu Beginn des Wintersemesters am möglich gewesen. Weiters sei es an der FH erforderlich, sich mittels eines Bewerbungsbogens zu bewerben, was M am getan habe. Im Anschluss an das Einlangen des Bewerbungsbogens werde ein schriftlicher Aufnahmetest an der FH durchgeführt, den M am absolviert habe. Wenn dieser Test positiv absolviert worden sei, werde der Bewerber zu einem mündlichen Gespräch eingeladen, welches am erfolgt sei. Am sei M über den "Endstatus" über einen der 68 möglichen Studienplätze verständigt worden und es sei "leider eine Absage" erfolgt. Somit sei es M nicht möglich gewesen, sich "für ein Sommersemester 2007" anzumelden, sondern er habe "sofort an der WU W" inskribiert.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab, weil das Ablegen von Aufnahmsprüfungen keine Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes darstelle und M in der Zeit vom 1. März bis "voll beschäftigt" gewesen sei.
Im dagegen eingebrachten Vorlageantrag führte der Beschwerdeführer aus, M habe beabsichtigt, das Studienfach "Unternehmensführung - Entrepreneurship" an der Fachhochschule W zu belegen. Diese Studienrichtung sei "relativ neu" und werde nur an der FH W angeboten, der Studienbeginn sei nur zu Beginn des Wintersemesters möglich. Also sei dies der frühestmögliche Zeitpunkt zwischen Ende des Präsenzdienstes und Studienbeginn, den M mit Abgabe der Bewerbung wenige Tage nach Ende des Präsenzdienstes wahrgenommen habe. Da M jedenfalls eine Fortsetzung seiner Berufsausbildung angestrebt habe, habe sich nach Ablehnung durch die Fachhochschule erst nach Ende des Sommersemesters 2007 die Möglichkeit ergeben, für das Wintersemester 2007 zu inskribieren. Im Übrigen habe es sich entgegen den Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung nicht um eine Aufnahmeprüfung gehandelt, sondern um eine Bewerbung um einen Studienplatz mit Beginn des Wintersemesters 2007, was erklärlich wäre, wenn bei rund 300 bis 500 Bewerbern nur 68 Vollzeitstudienplätze zu vergeben seien. Wenn ein Studium der gewählten Studienrichtung erst ab dem Wintersemester möglich sei, müsse der angehende Student nicht irgendetwas studieren, damit die "Kontinuität zwischen Ende des Präsenzdienstes und Studienbeginn" gegeben sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.
M habe seinen Präsenzdienst in der Zeit vom bis geleistet und sei in der Zeit vom 1. März bis als geringfügig beschäftigter Angestellter tätig gewesen. Ab dem Wintersemester 2007/2008 sei er als ordentlicher Studierender an der Wirtschaftsuniversität inskribiert. Daraus folge, dass M seine Berufsausbildung nach Beendigung des Präsenzdienstes am an der Wirtschaftsuniversität W begonnen habe und im strittigen Zeitraum vom März bis zum September 2007 keine gültige Inskription für das Sommersemester vorgelegen sei. Daher habe M seine Berufsausbildung, das Studium an der Wirtschaftsuniversität, nicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt (; gemeint wohl ) nach dem Ende des Präsenzdienstes begonnen. Das Bestreben des volljährigen Kindes, zum frühestmöglichen Zeitpunkt eine bestimmte Berufsausbildung zu beginnen, ohne diesen Plan infolge einer geforderten, jedoch erfolglosen Bewerbung in die Wirklichkeit umzusetzen, erfülle nicht die Voraussetzung der Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. e des Familienlastenausgleichsgesetzes. Der tatsächliche Beginn des Studiums an der Wirtschaftsuniversität im Wintersemester 2007/2008 sei angesichts der Möglichkeit, dort bereits im Sommersemester 2007 zu inskribieren, nicht frühestmöglich nach Ende des Präsenzdienstes gelegen. Die Bewerbung für die Fachhochschule W sei insoweit unerheblich, als der Beginn eines Studiums an der Wirtschaftsuniversität kein solches Aufnahmeverfahren voraussetze. Eine Bewerbung könne nicht als Berufsausbildung beurteilt werden. Die Ansicht des Beschwerdeführers, M habe erst nach Ablehnung durch die Fachhochschule am Ende des Sommersemesters 2007 die Möglichkeit gehabt, für das Wintersemester 2007/2008 zu inskribieren, sei für die belangte Behörde angesichts "der Vielzahl möglicher Doppelstudien" nicht nachvollziehbar. Den Ausführungen des Finanzamtes zur Beschäftigung Ms im strittigen Zeitraum füge die belangte Behörde hinzu, dass damit ein Familienanspruch nach § 2 Abs. 1 lit. f des Familienlastenausgleichsgesetzes nicht gegeben sei, weil M in diesem Zeitraum nicht beim Arbeitsmarktservice als arbeitssuchend vorgemerkt gewesen sei.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich der Beschwerdeführer im Recht auf Zuerkennung der Familienbeihilfe verletzt erachtet.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte eine Gegenschrift ein, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. e des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 - FLAG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung des Gesetzes über die Ausbildung von Frauen im Bundesheer - GAFB, BGBl. I Nr. 30/1998, hatten Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, für die Zeit zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes und dem Beginn oder der Fortsetzung der Berufsausbildung, wenn die Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes begonnen oder fortgesetzt wurde.
§ 2 Abs. 1 lit. e FLAG wurde durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 269/1980 geschaffen, wobei diese Fassung noch einen Familienbeihilfenanspruch für Kinder vorsah, die das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, und von Präsenz- und Zivildienst sprach (die Senkung des Höchstalters auf das 26. Lebensjahr erfolgte durch das Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201, die Aufnahme des Ausbildungsdienstes erfolgte durch das erwähnte GAFB). In der Regierungsvorlage des diesbezüglichen Gesetzesentwurfes (312 BlgNR, 15. GP) war die Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. e FLAG noch nicht vorgesehen. Diese Bestimmung entstammt einem Abänderungsantrag in der 36. Sitzung des Nationalrates, 15. GP, am . Den stenographischen Protokollen dieser Sitzung (StProt 15. GP, 3557 ff) ist jedoch keine Wortmeldung zu entnehmen, welche eine Begründung für diesen Abänderungsantrag betreffend § 2 Abs. 1 lit. e FLAG böte.
Der Tatbestand des § 2 Abs. 1 lit. e FLAG erfordert nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes die tatsächliche Fortsetzung oder den tatsächlichen Beginn der Berufsausbildung nach Ende des Präsenz-, Zivil- oder Ausbildungsdienstes.
Die Möglichkeit, eine bestimmte gewünschte Berufsausbildung zu einem bestimmten (frühen) Zeitpunkt zu beginnen, war auch im Jahr 1980 zur Zeit der Schaffung des § 2 Abs. 1 lit. e FLAG bereits fallweise von einer Bewerbung, von einem Auswahlverfahren und von einer Zulassung zur Ausbildung oder von einer Aufnahme in eine Ausbildungseinrichtung abhängig. Beschränkungen des Zugangs zu einer Berufsausbildung - auch bei Erfüllen der von der Ausbildungseinrichtung geforderten Leistung im Zuge eines Aufnahme- oder Bewerbungsverfahrens - durch die Zahl der zu vergebenden Ausbildungsplätze mögen zwar im Streitzeitraum des Jahres 2007 weit mehr verbreitet gewesen sein als im Jahr 1980, waren aber auch aus der Sicht des Gesetzgebers des Jahres 1980 bereits vorhersehbar und nicht auszuschließen. Fälle, in denen zwar der gewünschte und angestrebte Beginn der frühestmögliche nach dem Ende des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes ist, der tatsächliche Beginn der Berufsausbildung aber wegen der erwähnten Beschränkung später erfolgt, oder Fälle, in denen die iSd § 2 Abs. 1 lit. e FLAG frühestmögliche Berufsausbildung zwar gewünscht und angestrebt wird, aber dieser Wunsch nach einem Aufnahme- oder Bewerbungsverfahren tatsächlich nicht oder nicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt umgesetzt werden kann, bilden daher keine planwidrige Lücke, die durch Ausdehnen des Tatbestandes des § 2 Abs. 1 lit. e FLAG auch auf jene Fälle (durch Analogie) geschlossen werden müsste.
Soweit der Beschwerdeführer die von seinem Sohn angestrebte Ausbildung an der Fachhochschule ins Treffen führt, ist der belangten Behörde im Ergebnis Recht zu geben, dass einer tatsächlichen Ausbildung vorangehende Schritte einer Bewerbung einschließlich eines Tests und eines Bewerbungsgespräches noch keine Ausbildung darstellen und im Falle des Unterbleibens der Ausbildung (weil der Bewerber nicht aufgenommen wurde - wobei es unerheblich ist, ob mangels hinreichender Qualifikation etwa auf Grund eines negativen Testergebnisses bei der Bewerbung oder "lediglich infolge Platzmangels" -) diese Berufsausbildung eben nicht iSd § 2 Abs. 1 lit. e FLAG begonnen wird.
Das Risiko, für einen begehrten Ausbildungsplatz nach einer zeitlich vorgestaffelten Bewerbung nicht aufgenommen zu werden, ist Berufsausbildungen, welche keinen unbeschränkten Zugang haben, immanent. Die von der belangten Behörde angesprochene Möglichkeit, eine andere als die bevorzugte Ausbildung zu beginnen, für welche keine solche Beschränkung besteht, im Beschwerdefall etwa bereits mit dem Sommersemester 2007 an der Wirtschaftsuniversität zu inskribieren, wäre nur eine von mehreren Möglichkeiten gewesen, einem solchen Risiko zu begegnen. Die andere als die bevorzugte Ausbildung erst dann zu beginnen, nachdem sich eine solche Beschränkung als schlagend erwiesen hatte und das Risiko verwirklicht war, stellt lediglich eine weitere Möglichkeit dar, auf solch ein Risiko zu reagieren.
Im Beschwerdefall wurde die tatsächliche Berufsausbildung jedenfalls mit der Inskription an der Wirtschaftsuniversität mit dem Wintersemester 2007/2008 begonnen. Diese Berufsausbildung wäre im Beschwerdefall bereits mit dem Sommersemester 2007 möglich gewesen, weshalb der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden kann, dass sie den Tatbestand des § 2 Abs. 1 lit. e FLAG als nicht erfüllt ansah, weil diese Berufsausbildung nicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt begonnen wurde.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am