VwGH vom 26.05.2011, 2011/16/0002
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde der R in R, vertreten durch die Radel Stampf Supper Rechtsanwälte OG in 7210 Mattersburg, Brunnenplatz 5b, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/2523-W/10, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Darstellung des Verwaltungsgeschehens wird zunächst in sinngemäßer Anwendung des § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2011/16/0001, betreffend den Antrag des dortigen Beschwerdeführers als kaufende Partei des Kaufvertrages vom auf Abänderung (Rückerstattung) der für diesen Erwerb festgesetzten Grunderwerbsteuer verwiesen.
In ihrem "Antrag auf Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer" vom beantragte die Beschwerdeführerin als erwerbende Partei der Auflösungsvereinbarung vom 2. d.M., für die Auflösungsvereinbarung Grunderwerbsteuer nicht festzusetzen, weil die Vertragsteile mit dieser den Kaufvertrag vom zur Vermeidung eines Rechtsstreites aufgelöst hätten.
Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien gegenüber der Beschwerdeführerin für den Auflösungsvertrag vom Grunderwerbsteuer mit EUR 175,-- fest, weil - so die Begründung - die Vereinbarung, die zur Rückgängigmachung führe, nicht zwischen denselben Vertragsparteien abgeschlossen worden sei, zwischen denen der seinerzeitige Erwerbsvorgang vereinbart worden sei. Im Fall der Gesamtrechtsnachfolge seien Rechtsvorgänger nicht als ident anzusehen.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vertrat die Beschwerdeführerin zusammengefasst die Ansicht, der Verwaltungsgerichtshof habe sich darüber, ob eine Gesamtrechtsnachfolge zu einer Änderung der Parteienidentität führe, nicht geäußert. Eine diesbezügliche "oberstgerichtliche" Aussage liege, soweit ersichtlich, nicht vor. Das Grunderwerbsteuergesetz enthalte zu dieser Frage keine ausdrückliche Regelung, sodass die allgemeinen Grundsätze gälten. Nach den klaren (und im Sinn des § 19 BAO anzuwendenden) Bestimmungen des bürgerlichen Rechts ergebe sich jedenfalls ein Anspruch des Gesamtrechtsnachfolgers im Erbweg, den Erwerbsvorgang auf Grund eines Rechtsanspruches rückgängig zu machen, wenn eine Vertragsbestimmung nicht erfüllt werde. Im Sinne dieser Ausführungen seien auch die "Bemerkungen Fellners zu verstehen (Rz 10 zu § 17 GrEStG)".
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies die Abgabenbehörde erster Instanz diese Berufung als unbegründet ab. Dem Gesetzeswortlaut des § 17 Abs. 2 GrEStG sei - so die Begründung dieses Bescheides - entgegen dem Vorbringen der Berufung eindeutig zu entnehmen, dass, wenn zur Durchführung einer Rückgängigmachung eines Erwerbsvorganges eine Vereinbarung getroffen werden müsse, diese Vereinbarung zwischen dem seinerzeitigen Veräußerer und dem seinerzeitigen Erwerber abgeschlossen werden müsse. Der Gesetzgeber ziele mit der gewählten Bezeichnung "seinerzeitigen" auf die physischen Personen des seinerzeitigen Erwerbsvorganges ab, die Personen, zwischen denen seinerzeit die Willensübereinstimmung zu Stande gekommen sei. Es müsse sich folglich um idente Personen handeln. Im Fall der Gesamtrechtsnachfolge seien Rechtsvorgänger und Rechtsnachfolger nicht als ident anzusehen. Werde die Vereinbarung zur Rückgängigmachung von identen Rechtspersonen des seinerzeitigen Rechtsvorganges abgeschlossen, so gehe das Antragsrecht gemäß § 17 GrEStG auf den Gesamtrechtsnachfolger über.
In ihrem Vorlageantrag vom beantragte die Beschwerdeführerin die Entscheidung über ihre Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und brachte u.a. vor, die Begünstigung des § 17 Abs. 2 GrEStG bilde keinen eigenen Befreiungstatbestand und sei nur im Zusammenhang mit Abs. 1 zu sehen. Durch die Beschränkung der Anwendung des Abs. 2 auf die Rückgängigmachung durch die "seinerzeitigen" Vertragsteile werde lediglich klargestellt, dass der ursprüngliche Erwerbsvorgang beseitigt werden müsse, eine Einschränkung der Anwendung des § 19 BAO werde dadurch allerdings nicht bewirkt. Auch bei Rückgängigmachung durch den Gesamtrechtsnachfolger werde der ursprüngliche Rechtsvorgang rückgängig gemacht. Eine Verweigerung dieser Begünstigung bei Gesamtrechtsnachfolge würde mit dem Wesen der Grunderwerbsteuer als einer Verkehrsteuer im Widerspruch stehen. Die Ansicht des Finanzamtes führe zu von den Zufälligkeiten der Lebenssachverhalte abhängigen und sachlich in keiner Weise zu rechtfertigenden Ergebnissen. Wäre der zur Herausgabe Verpflichtete zwischenzeitig bereits verstorben, käme eine Steuerfreiheit nicht mehr in Betracht. Abschließend werde darauf hingewiesen, dass bereits der RFH diese Begünstigung auch dann habe gelten lassen, wenn nach dem Tod einer der ursprünglichen Vertragsparteien an die Stelle des Verstorbenen dessen Erbe als Gesamtrechtsnachfolger trete, der als Partei am Rückerwerb beteiligt sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Unter Darstellung des Verfahrensganges und Zitierung der von ihr angewendeten Bestimmungen des GrEStG 1987 erwog sie:
"Die Begünstigung des § 17 Abs. 2 GrEStG bildet keinen eigenständigen Befreiungstatbestand und ist nur im Zusammenhang mit Abs. 1 zu sehen. Das heißt, dass die Bestimmung gemäß § 17 Abs. 2 GrEStG nur dann angewendet werden kann, wenn der erste Erwerbsvorgang den Bestimmungen des Abs. 2 entsprechend korrekt rückgängig gemacht wird. § 17 Abs. 2 GrEStG begünstigt somit nur den steuerbaren Rückerwerb eines Grundstückes bei Aufhebung eines Erwerbsvorganges nach Maßgabe der Bestimmungen des Abs. 1 Z 1 und 2. …
Daher ist im vorliegenden Fall zunächst zu prüfen, ob die Rückgängigmachung des ersten Erwerbsvorganges aufgrund eines Rechtsanspruches wegen der Nichterfüllung von, im Kaufvertrag vom enthaltenen, Vertragsbestimmungen, erfolgt ist.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes … ist ein Erwerbsvorgang iSd § 17 Abs. 1 GrEStG dann rückgängig gemacht, wenn sich die Vertragspartner derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit der Verfügung nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt. Ein Erwerbsvorgang ist also nur dann rückgängig gemacht, wenn der Verkäufer jene Verfügungsmacht über das Grundstück, die er vor Vertragsabschluss innehatte, wieder erlangt hat.
Aufgrund der gegebenen Vertragsgestaltung liegt daher keine Rückgängigmachung im Sinne des § 17 Abs. 1 GrEStG vor. Die Bw. hat die Dissolutionsvereinbarung erst am , nach Abschluss des neuen Kaufvertrages vom , unterfertigt. Davon, dass die Bw. aufgrund dieser Vereinbarung wiederum die Möglichkeit erlangt hätte das Grundstück einen Dritten zu verkaufen, und somit als Gesamtrechtsnachfolgerin die ursprüngliche Rechtsstellung des Verkäufers erlangt hat, kann keine Rede sein. Wobei es bei der Beurteilung des Vorliegens einer Rückgängigmachung im Sinne des § 17 Abs. 1 GrEStG weder auf das Motiv der Dissolutionsvereinbarung noch auf die Frage, ob der Kaufvertrag vom bereits erfüllt war und der ursprüngliche Erwerber im Grundbuch eingetragen war ankommt. …
Aus der Aktenlage ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass der Kaufvertrag vom , auf die im Vertrag bedungene Weise wegen einer Verletzung der Vertragsbestimmungen nicht erfüllt worden war, und daher ein Rechtsanspruch auf Rückgängigmachung dieses Vertrages gegeben war. Laut diesem Vertrag ist bereits bei Vertragsunterfertigung das Grundstück vom Verkäufer ordnungsgemäß übergeben und der Kaufpreis vom ursprünglichen Erwerber in voller Höhe entrichtet worden, sowie die Zustimmung des Verkäufers zur Eintragung des Erwerbers im Grundbuch gegeben worden. Eine Verpflichtung des Erwerbers zu einer solchen Eintragung geht aus dem Vertragsinhalt nicht hervor.
Da somit die Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges vom nicht nach Maßgabe des § 17 Abs. 1 Z 2 GrEStG erfolgte, kann schon aus diesem Grunde die begünstigende Bestimmung des § 17 Abs. 2 GrEStG nicht angewendet werden - unbeschadet der Frage, ob der Bw, die, als Erbin des ursprünglichen Verkäufers, lediglich Vertragspartei der Dissolutionsvereinbarung war, ein Antragsrecht gemäß § 17 Abs. 2 GrEStG zuzubilligen ist. Selbst im Falle der Feststellung der Parteienidentität iSd § 17 Abs. 2 GrEStG könnte aus den aufgezeigten Gründen dem vorliegenden Antrag nicht stattgegeben werden."
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin "in ihrem, in § 17 Abs. 2 iVm § 17 Abs. 1 Z. 2 GrEStG verankerten Recht auf Nichtfestsetzung der Steuer, nämlich für die Auflösungsvereinbarung vom verletzt, da dieser Rechtsvorgang für die Durchführung einer Rückgängigmachung eines zwischen dem seinerzeitigen Veräußerer und dem seinerzeitigen Erwerber abgeschlossenen Erwerbsvorganges, nämlich den Kaufvertrag vom , erforderlich war, wodurch dieser Erwerbsvorgang auf Grund eines Rechtsanspruches rückgängig gemacht wurde, weil Vertragsbestimmungen (des Kaufvertrages vom ), nämlich die Verpflichtung zur Übereignung des veräußerten Grundstückes, nicht erfüllt worden sind". Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zur Darstellung der im Beschwerdefall maßgebenden Rechtslage kann zunächst wiederum gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das bereits zitierte Erkenntnis vom heutigen Tag verwiesen werden.
Gegenstand des im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheides ist die Festsetzung von Grunderwerbsteuer für die Auflösungsvereinbarung vom . Die belangte Behörde sieht darin einerseits einen steuerpflichtigen Erwerbsvorgang im Sinn des § 1 GrEStG erfüllt, andererseits die Voraussetzungen des Begünstigungstatbestandes des § 17 Abs. 2 leg. cit. schon deshalb als nicht gegeben, weil keine Rückgängigmachung im Sinn des § 17 Abs. 1 leg. cit. vorliege: Die Beschwerdeführerin habe auf Grund der Dissolutionsvereinbarung vom nicht die Möglichkeit erlangt, das Grundstück an einen Dritten zu verkaufen, und somit als Gesamtrechtsnachfolgerin nicht die ursprüngliche Rechtsstellung des Verkäufers erlangt. Aus der Aktenlage ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kaufvertrag vom auf die im Vertrag bedungene Weise wegen einer Verletzung einer Vertragsbestimmung nicht erfüllt worden wäre und daher ein Rückanspruch auf Rückgängigmachung dieses Vertrages gegeben gewesen wäre.
Nach dem bisher (schon im zitierten Erkenntnis vom heutigen Tag näher) Gesagten sind nach § 17 GrEStG 1987 folgende Fälle voneinander zu unterscheiden: Im Fall des § 17 Abs. 1 leg. cit. wird der ursprüngliche Erwerbsvorgang - vor oder nach Eintragung des Eigentumsrechts des Erwerbers im Grundbuch - mit der Folge rückgängig gemacht, dass für diesen Erwerbsvorgang keine Grunderwerbsteuer festgesetzt wird. Die Bestimmung des Abs. 2 begünstigt dagegen die Fälle des für eine Rückgängigmachung notwendigen Eigentumsrückerwerbs. Im Fall des Abs. 2 stellt der "Rückerwerb" selbst einen Erwerbsvorgang nach § 1 GrEStG 1987 dar. Allerdings stellt die Rückgängigmachung eines bloß obligatorischen Übereignungsanspruches keinen Erwerbsvorgang im Sinn des § 1 GrEStG 1987 dar. Sie unterliegt daher auch nicht der Grunderwerbsteuer (vgl. die zur vergleichbaren Rechtslage nach § 20 Abs. 2 GrEStG 1955 ergangenen hg. Erkenntnisse vom , Zl. 16/1235, 1379, 1380/80, und vom , Zl. 84/16/0196).
Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass die kaufende Partei des Kaufvertrages vom niemals als Eigentümer im Grundbuch einverleibt wurde. Nachdem die verfahrensgegenständliche Liegenschaft auf Grund des weiteren Kaufvertrages vom an die Zweitkäufer auch übereignet, d.h. die Zweitkäufer als Eigentümer im Grundbuch eingetragen worden waren, war die Erfüllung des ersten Kaufvertrages vom (nachträglich) unmöglich geworden, woraus der kaufenden Partei des ersten Kaufvertrages schon von Gesetzes wegen, nämlich nach § 920 ABGB und ohne dass es dazu noch einer eigenen vertraglichen Bestimmung bedurft hätte, ein Anspruch auf "Rückgängigmachung" zukam (vgl. das zitierte Erkenntnis vom heutigen Tag sowie etwa Aicher in Rummel , Kommentar zum ABGB, I3, Rz. 10 f zu § 1053 mwN). Unter Zugrundelegung der wiedergegebenen Rechtsprechung stellte jedoch die Rückgängigmachung des bloß obligatorischen Übereignungsanspruches aus dem Kaufvertrag vom keinen Erwerbsvorgang im Sinn des § 1 GrEStG 1987 dar, weshalb schon aus diesem Grund die Festsetzung von Grunderwerbsteuer für diesen Rechtsvorgang rechtswidrig war; die Anwendung der Befreiungsbestimmung des § 17 Abs. 2 GrEStG 1987 war daher nicht mehr zu prüfen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am