VwGH 22.12.2009, 2009/08/0088
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Norm | |
RS 1 | Die Regelung über die Geltendmachung des Anspruchs in § 46 AlVG geht vom Grundsatz aus, dass der Anspruch erst dann als geltend gemacht gilt, wenn die arbeitslose Person bei der regionalen Geschäftsstelle vorgesprochen und das ausgefüllte Antragsformular abgegeben hat. Aus § 46 Abs. 1 letzter Satz AlVG ergibt sich die Möglichkeit der regionalen Geschäftsstelle, dem Arbeitslosen eine Nachfrist zur Beibringung des ausgefüllten Antragsformulars oder sonstiger erforderlicher Unterlagen einzuräumen und bei Einhaltung der Nachfrist die Leistung ab dem "Ausgabedatum" des Antragsformulars anlässlich der ersten persönlichen Vorsprache des Arbeitslosen zuzuerkennen. Versäumt der Arbeitslose diese Nachfrist ohne triftigen Grund, gilt der Anspruch erst ab dem Tag als geltend gemacht, an dem die beizubringenden Unterlagen bei der regionalen Geschäftsstelle eingelangt sind. Im Gegenschluss ist daher - bei Vorliegen der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen - eine Leistungszuerkennung ab dem Ausgabedatum möglich, wenn die Frist zur Rückgabe aus triftigem Grund versäumt wird. Dies setzt allerdings voraus, dass die Abgabe des ausgefüllten Antragsformulars und der beizubringenden Unterlagen ohne unnötigen Aufschub unmittelbar nach dem Wegfall des triftigen Hinderungsgrundes erfolgt. Lässt sich der Arbeitslose nach Wegfall des Hinderungsgrundes noch einen Monat Zeit, um das ausgefüllte Antragsformular und die erforderlichen Unterlagen abzugeben, so kann nicht mehr von einer Fristversäumnis aus triftigem Grund gesprochen werden. |
Normen | |
RS 2 | Durch eine "Nachfrist" für die Abgabe des vollständig ausgefüllten Antragsformulars und der erforderlichen Unterlagen im Sinne des § 46 Abs. 1 AlVG wird dem Arbeitslosen eine Erstreckung der Frist für die Geltendmachung seines Anspruchs mit Wirkung zum Tag der Ausgabe des Antragsformulars eingeräumt; dies ändert aber nichts daran, dass es sich um eine materiell-rechtliche Frist zur Geltendmachung eines Anspruchs handelt, die einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 71 AVG nicht zugänglich ist. Von diesem Verständnis geht auch der Gesetzgeber aus, der in § 46 Abs. 1 AlVG eine ausdrückliche Regelung für den Fall der Fristversäumnis aus triftigem Grund getroffen hat; stünde gegen die Versäumung der Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu, wäre diese Regelung nicht erforderlich gewesen. |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
2009/08/0185
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerden des Dr. G R in Wien, vertreten durch Prof. Haslinger & Partner Rechtsanwälte in 4014 Linz, Kroatengasse 7, gegen die auf Grund von Beschlüssen des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheide der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 2008-0566-9-003671, betreffend Arbeitslosengeld, und vom , Zl. 2009-0566-9-001353, betreffend Zurückweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom wurde ausgesprochen, dass dem Beschwerdeführer Arbeitslosengeld ab dem gebühre. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer den "Antrag auf Arbeitslosengeld nicht innerhalb der festgesetzten Frist, sondern erst am eingebracht" habe.
2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom Berufung mit dem Antrag, den erstinstanzlichen Bescheid dahin abzuändern, dass ihm Arbeitslosengeld ab dem gewährt werde. Er habe am bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice "persönlich das Arbeitslosengeld beantragt."
Da noch Unterlagen erforderlich gewesen seien, sei ihm aufgetragen worden, diese "innerhalb einer Frist von 2 - 3 Wochen" nachzureichen. Wegen einer langwierigen hartnäckigen Lungenentzündung sei es ihm nicht möglich gewesen, binnen der gesetzten Frist diese Unterlagen nachzureichen. Während der Zeit seiner Erkrankung habe er bei der regionalen Geschäftsstelle angerufen und mitgeteilt, dass er die erforderlichen Unterlagen von der Mutter seines Sohnes noch nicht bekommen habe. Es sei ihm die Auskunft gegeben worden, dass die Unterlagen unbedingt erforderlich seien und er erst mit Vollständigkeit der Unterlagen beim AMS wieder persönlich vorstellig werden solle. Er habe dies als unbefristete Fristerstreckung angesehen.
Für den Fall, dass ihm nicht bereits auf Grund der Berufung das Arbeitslosengeld ab dem gewährt werde, stellte der Beschwerdeführer zugleich mit seiner Berufung auch einen Eventualantrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG, da er durch ein unabwendbares Ereignis ohne Verschulden verhindert gewesen sei, die ihm gesetzte Frist einzuhalten.
3. Mit dem zur Zl. 2009/08/0088 angefochtenen Bescheid vom (im Folgenden: erstangefochtener Bescheid) wurde der Berufung keine Folge gegeben.
Begründend führte die belangte Behörde - nach Darlegung des Verfahrensganges - aus, dass der materiell-rechtliche Leistungsanspruch erst entstehe, wenn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien. Die Leistung könne jedoch erst dann gewährt werden, wenn sie beantragt worden sei. Der Beschwerdeführer habe als Grund für die verspätete Antragsrückgabe angeführt, dass er vom bis krank gewesen sei, Krankengeld bezogen habe und daher ein triftiger Grund für die Versäumung des Rückgabetermins vorliege. Dem sei entgegenzuhalten, dass in diesem Fall eine persönliche Abgabe des Antrages nicht erforderlich gewesen wäre und sich der Beschwerdeführer durch eine andere Person hätte vertreten lassen können.
Weiters habe der Beschwerdeführer als Grund für die verspätete Antragsrückgabe angeführt, dass sich die Vorlage der Bestätigungen über den Familienbeihilfenbezug und die Kopie der Geburtsurkunde seines Sohnes ohne sein Verschulden verzögert habe, da er diese von der Kindesmutter erst am erhalten habe. Dem sei entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer laut Antragsformular eine "Alimentationszahlungsbestätigung" nachreichen hätte sollen und daher die Erbringung eines Kontoauszugs, aus dem die tatsächliche Leistung von Unterhaltszahlungen an seinen Sohn ersichtlich sei, ausreichend gewesen wäre. Ein solcher Nachweis hätte nach allgemeiner Lebenserfahrung vom Beschwerdeführer ohne Mitwirkung der Kindesmutter innerhalb der Rückgabefrist bei seinem Bankinstitut beschafft werden können. Doch selbst wenn die Vorlage der geforderten Dokumente bis zum nicht möglich gewesen wäre, wäre der Antragsrückgabetermin einzuhalten gewesen bzw. hätte eine Terminverlängerung nur einvernehmlich mit dem Arbeitsmarktservice-Berater des Beschwerdeführers erfolgen können.
Als Grund für die verspätete Antragsrückgabe habe der Beschwerdeführer weiters angeführt, dass bei telefonischen Anfragen vom Arbeitsmarktservice die Auskunft erteilt worden sei, er solle erst, wenn die gesamten Unterlagen vorlägen, diese beibringen. Dem sei entgegenzuhalten, dass im Zeitraum zwischen dem und dem kein Anruf des Beschwerdeführers "vermerkt" worden sei und er überdies im Antragsformular schriftlich darauf aufmerksam gemacht worden sei, dass die Antragsrückgabe am erfolgen solle.
Die belangte Behörde stellte fest, dass das letzte Dienstverhältnis des Beschwerdeführers am durch Zeitablauf geendet habe. Der Beschwerdeführer habe am persönlich bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien Währinger Gürtel zur Beantragung von Arbeitslosengeld vorgesprochen. Auf dem ihm ausgefolgten Antragsformular sei auf der ersten Seite vermerkt worden, dass dieser Antrag am in der Zeit von 8 Uhr bis 10 Uhr persönlich abzugeben sei. Weiters sei auf Seite 2 des Formulars vermerkt worden, dass die Bestätigung für die Alimentationszahlung für den Sohn des Beschwerdeführers nachzureichen sei.
Anlässlich der persönlichen Vorsprache des Beschwerdeführers am sei auch eine Betreuungsvereinbarung geschlossen worden, in der ein Termin für den um 8 Uhr vorgesehen gewesen sei. Auch diese Betreuungsvereinbarung sei dem Beschwerdeführer ausgefolgt worden.
Am habe der Beschwerdeführer zwecks Abgabe des Leistungsantrags erneut beim Arbeitsmarktservice vorgesprochen. Weder auf Grund der Aktenlage noch aus den chronologisch geführten EDV-Eintragungen des Arbeitsmarktservice sei ersichtlich, dass eine telefonische Anfrage in der Zeit vom bis zum erfolgt sei.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass sich die Geltendmachung von Leistungsansprüchen nach der gesetzlichen Bestimmung des § 46 AlVG richte und mit der Einhaltung gewisser Formalvorschriften verbunden sei. Arbeitslosengeld gebühre grundsätzlich ab dem Antragsdatum. Der Beschwerdeführer habe am ein Antragsformular auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld erhalten. Die Geltendmachung des Anspruchs habe "persönlich und schriftlich unter Verwendung des hiefür bundeseinheitlich aufgelegten und vorgesehenen Antragsformulars" zu erfolgen. Die Antragstellung gelte erst als vollzogen, wenn der Antrag ausgefüllt in der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice übergeben worden sei. Habe der Arbeitslose die von der regionalen Geschäftsstelle festgesetzte Frist zur Abgabe des Antrags ohne triftigen Grund versäumt, so sei der Anspruch erst ab dem Tag zu beurteilen, an dem der Antrag bei der regionalen Geschäftsstelle abgegeben wurde.
Über die Wichtigkeit der Einhaltung dieser Frist für die Festsetzung des Leistungsbeginns sei der Beschwerdeführer explizit ebenfalls auf der ersten Seite des Antragsformulars unter dem Hinweis "wichtig" informiert worden. Dennoch habe er es unterlassen, das Arbeitsmarktservice bis spätestens zu informieren, dass er den Termin nicht einhalten könne, und unter Angabe dieser Gründe eine Verschiebung des Rückgabetermins zu erwirken. Dass der Beschwerdeführer eine andere telefonische Auskunft des Arbeitsmarktservice erhalten habe, habe nicht festgestellt werden können, "auch nicht das Vorliegen von triftigen Gründen für das Fristversäumnis."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die zur Zl. 2009/08/0088 protokollierte, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
4. Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom wurde der Eventualantrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unzulässig zurückgewiesen. Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung wurde mit dem zur Zl. 2009/08/0185 angefochtenen Bescheid vom (im Folgenden: zweitangefochtener Bescheid) abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.
Nach Darlegung des Verfahrensganges stellte die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer am persönlich bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien zur Beantragung von Arbeitslosengeld vorgesprochen habe. Auf dem ihm ausgefolgten Antragsformular sei auf der ersten Seite vermerkt worden, dass dieser Antrag am in der Zeit von 8 Uhr bis 10 Uhr persönlich abzugeben sei. Erst am habe der Beschwerdeführer zwecks Abgabe des Leistungsantrags erneut beim Arbeitsmarktservice vorgesprochen. Zu den Gründen für die Versäumung der Antragsrückgabefrist befragt, habe er angegeben, dass er krank gewesen sei und danach Termine bezüglich einer Ordinationsübernahme gehabt habe, weshalb er nicht beim Arbeitsmarktservice habe vorsprechen können. Auf der Niederschrift (vom ) habe der Beschwerdeführer handschriftlich vermerkt, dass er vor etwa zwei Wochen bei der Serviceline des Arbeitsmarktservice angerufen habe.
Weder auf Grund der Aktenlage noch aus den chronologisch geführten EDV-Eintragungen des Arbeitsmarktservice sei ersichtlich, dass eine telefonische Anfrage in der Zeit vom bis zum erfolgt sei.
Laut ärztlicher Bescheinigung vom sei festgestellt worden, dass sich der Beschwerdeführer vom bis zum in Behandlung bei Dr. R. befunden habe. Art und Schwere der Erkrankung seien nicht ersichtlich, nach Angaben des Beschwerdeführers habe er an einer Lungenentzündung gelitten.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass das geltend gemachte "Hindernis", die Erkrankung, am weggefallen sei, sodass der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bis spätestens hätte gestellt werden müssen. Der mit datierte Antrag sei jedenfalls als verspätet zurückzuweisen gewesen.
Zudem handle es sich bei der Geltendmachung von Ansprüchen aus der Arbeitslosenversicherung um die Geltendmachung eines materiellrechtlichen Anspruchs. Gegen die Versäumung einer materiellrechtlichen Frist sei aber eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zulässig.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die zur Zl. 2009/08/0185 protokollierte, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:
1. § 46 Abs. 1 AlVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 82/2008 lautet:
"Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ist bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle persönlich geltend zu machen. Für die Geltendmachung des Anspruches ist das bundeseinheitliche Antragsformular zu verwenden. Das Arbeitsmarktservice hat neben einem schriftlichen auch ein elektronisches Antragsformular zur Verfügung zu stellen. Der Anspruch gilt erst dann als geltend gemacht, wenn die arbeitslose Person bei der regionalen Geschäftsstelle persönlich vorgesprochen und das ausgefüllte Antragsformular abgegeben hat. Hat die arbeitslose Person zum Zweck der Geltendmachung des Anspruches bereits persönlich vorgesprochen und können die Anspruchsvoraussetzungen auf Grund des eingelangten Antrages ohne weitere persönliche Vorsprache beurteilt werden, so kann die regionale Geschäftsstelle vom Erfordernis der persönlichen Abgabe des Antrages absehen. Eine persönliche Abgabe des Antrages ist insbesondere nicht erforderlich, wenn die arbeitslose Person aus zwingenden Gründen, wie Arbeitsaufnahme oder Krankheit, verhindert ist, den Antrag persönlich abzugeben. Die Abgabe (das Einlangen) des Antrages ist der arbeitslosen Person zu bestätigen. Hat die regionale Geschäftsstelle zur Beibringung des ausgefüllten Antragsformulars oder von sonstigen Unterlagen eine Frist bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gesetzt und wurde diese ohne triftigen Grund versäumt, so gilt der Anspruch erst ab dem Tag als geltend gemacht, ab dem die beizubringenden Unterlagen bei der regionalen Geschäftsstelle eingelangt sind."
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/08/0138) enthält § 46 AlVG eine umfassende Regelung der Rechtsfolgen fehlerhafter oder verspäteter Antragstellungen.
2. In seiner Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid macht der Beschwerdeführer geltend, er habe in der Berufung und in seinen Stellungnahmen gegenüber der belangten Behörde angegeben, dass er am beim Arbeitsmarktservice angerufen und bekannt gegeben habe, dass er erkrankt sei und es ihm wegen des Verhaltens der Kindesmutter, die ihm die erforderlichen Unterlagen nicht übermittelt habe, unmöglich sei, die Unterlagen in der gesetzten Frist beizubringen. Der Beschwerdeführer habe auf Grund der ihm telefonisch erteilten Auskunft, wonach er die Unterlagen jedenfalls beibringen müsse, davon ausgehen können, dass die Frist erstreckt worden sei. Die belangte Behörde hätte diesbezüglich näher ermitteln müssen und zumindest den Vater des Beschwerdeführers, der bei diesem Telefonat anwesend gewesen sei, einvernehmen müssen. Die belangte Behörde habe sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, die Frist sei erstreckt worden, nicht auseinander gesetzt. Bei richtiger Würdigung wäre die belangte Behörde zum Ergebnis gekommen, dass die Frist vom Arbeitsmarktservice auf unbestimmte Zeit erstreckt worden sei und die Beibringung der Unterlagen innerhalb dieser Frist erfolgt sei, sodass für den Beschwerdeführer bereits ab dem Anspruch auf Arbeitslosengeld bestehe.
Dem Beschwerdeführer ist einzuräumen, dass im erstangefochtenen Bescheid keine ausdrücklichen Feststellungen im Hinblick auf das vom Beschwerdeführer behauptete Telefonat vom getroffen wurden. Zwar dürften die Feststellungen, wonach kein Anruf des Beschwerdeführers "vermerkt" sei und weder "aufgrund der Aktenlage noch aus den chronologisch geführten EDV-Eintragungen" ersichtlich geworden sei, dass eine telefonische Anfrage in der Zeit vom bis erfolgt sei, sowie schließlich die Ausführungen im Zuge der rechtlichen Beurteilung, wonach nicht habe festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer eine andere telefonische Auskunft vom Arbeitsmarktservice erhalten habe, dahin zu verstehen sein, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend den Anruf vom nicht als glaubwürdig beurteilt wurde; ausdrückliche Ausführungen zur Beweiswürdigung enthält der erstangefochtene Bescheid diesbezüglich jedoch nicht (das Nachholen einer entsprechenden Beweiswürdigung in der Gegenschrift ist nicht möglich, vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2003/15/0073). Es kann dahingestellt bleiben, ob mit der erkennbaren Ableitung der Feststellungen aus den Eintragungen im Leistungsakt im Beschwerdefall den an die Beweiswürdigung zu stellenden Anforderungen entsprochen wird, da dem vom Beschwerdeführer geltend gemachten Verfahrensmangel keine Relevanz zukommt:
Die vom Beschwerdeführer behauptete telefonische Auskunft der "Serviceline" (laut Beschwerde: "er müsse die Unterlagen jedenfalls beibringen") ist nämlich nicht dahin zu verstehen, dass damit - abweichend vom Termin, den die regionale Geschäftsstelle bei Aushändigung des Antragsformulars gesetzt hatte - eine neue Terminvereinbarung getroffen worden wäre.
3. Soweit sich der Beschwerdeführer auf seine Krankheit als Begründung für die verspätete Rückgabe des Antragsformulars beruft, ist ihm entgegenzuhalten, dass eine Erkrankung auf Grund der vorgelegten ärztlichen Bestätigung nur bis zum festgestellt wurde, die Rückgabe des ausgefüllten Antragsformulars mit allen Unterlagen aber erst am erfolgte.
Der Beschwerdeführer war daher - davon geht offensichtlich auch die belangte Behörde aus - auf Grund seiner Krankheit aus triftigem Grund zwar an der persönlichen Abgabe des Antrags zum festgesetzten Termin am verhindert, hat es aber unterlassen, unverzüglich nach Wegfall der Verhinderung bei der regionalen Geschäftsstelle vorzusprechen und den Antrag mit den beizubringenden Unterlagen abzugeben.
Die Regelung über die Geltendmachung des Anspruchs in § 46 AlVG geht vom Grundsatz aus, dass der Anspruch erst dann als geltend gemacht gilt, wenn die arbeitslose Person bei der regionalen Geschäftsstelle vorgesprochen und das ausgefüllte Antragsformular abgegeben hat. Aus § 46 Abs. 1 letzter Satz AlVG ergibt sich die Möglichkeit der regionalen Geschäftsstelle, dem Arbeitslosen eine Nachfrist zur Beibringung des ausgefüllten Antragsformulars oder sonstiger erforderlicher Unterlagen einzuräumen und bei Einhaltung der Nachfrist die Leistung ab dem "Ausgabedatum" des Antragsformulars anlässlich der ersten persönlichen Vorsprache des Arbeitslosen zuzuerkennen. Versäumt der Arbeitslose diese Nachfrist ohne triftigen Grund, gilt der Anspruch erst ab dem Tag als geltend gemacht, an dem die beizubringenden Unterlagen bei der regionalen Geschäftsstelle eingelangt sind. Im Gegenschluss ist daher - bei Vorliegen der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen - eine Leistungszuerkennung ab dem Ausgabedatum möglich, wenn die Frist zur Rückgabe aus triftigem Grund versäumt wird. Dies setzt allerdings voraus, dass die Abgabe des ausgefüllten Antragsformulars und der beizubringenden Unterlagen ohne unnötigen Aufschub unmittelbar nach dem Wegfall des triftigen Hinderungsgrundes erfolgt. Lässt sich der Arbeitslose - wie im Beschwerdefall - nach Wegfall des Hinderungsgrundes noch einen Monat Zeit, um das ausgefüllte Antragsformular und die erforderlichen Unterlagen abzugeben, so kann nicht mehr von einer Fristversäumnis aus triftigem Grund gesprochen werden.
4. Wenn der Beschwerdeführer schließlich behauptet, dass es ihm unmöglich gewesen sei, vor dem "die entsprechenden Unterlagen von der Kindesmutter zu erlangen", ist ihm entgegenzuhalten, dass nach dem erstangefochtenen Bescheid eine "Alimentationszahlungsbestätigung" beizubringen war, für die die Vorlage eines Kontoauszuges, aus dem die tatsächliche Leistung von Unterhaltszahlungen an den Sohn des Beschwerdeführers ersichtlich ist, ausreichend gewesen wäre (aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer am tatsächlich eine Bestätigung seines Bankinstituts über einen von ihm eingerichteten Dauerauftrag für Unterhaltszahlungen zu Gunsten seines Sohnes vorgelegt hat).
Der Beschwerdeführer legt in seiner Beschwerde nicht dar, dass diese Ausführungen im erstangefochtenen Bescheid unzutreffend wären. Vor diesem Hintergrund kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie das bereits im Berufungsverfahren vorgebrachte Argument des Beschwerdeführers, er habe erforderliche Unterlagen erst am von der Mutter seines Sohnes erhalten, als nicht geeignet angesehen hat, das Vorliegen eines triftigen Grundes für die Versäumung der Frist zu belegen.
5. Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung der Manuduktionspflicht geltend, da es die (erstinstanzliche) Behörde unterlassen habe, ihn ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass bei nicht rechtzeitiger Vorlage der Unterlagen der Antrag als nicht gestellt gelte.
Abgesehen davon, dass auch eine allfällige Verletzung der Anleitungspflicht durch die erstinstanzliche Behörde nichts daran ändern würde, dass der Bezug von Arbeitslosengeld an die Geltendmachung geknüpft ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/08/0179) und diese durch Abgabe des ausgefüllten Antragsformulars im Beschwerdefall erst am erfolgt ist, vermag dieses Vorbringen auch schon deshalb keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, da auf dem vom Beschwerdeführer gelesenen und unterzeichneten Formular, das ihm bei seiner Vorsprache ausgehändigt wurde, gerade die von ihm vermisste Belehrung deutlich - unter Voranstellung des Wortes "Wichtig:" in Fettdruck -
angegeben ist.
6. Der Beschwerdeführer rügt auch einen Verstoß gegen § 72 Abs. 3 AVG, da auf die Erledigung der Berufung erst einzugehen sei, wenn der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen sei.
Zu diesem Vorbringen reicht es, auf den klaren Gesetzeswortlaut der vom Beschwerdeführer angesprochenen Bestimmung hinzuweisen, nach dem ein Zuwarten mit der Berufungsentscheidung nur dann vorgeschrieben ist, wenn "eine Partei Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der mündlichen Verhandlung beantragt und gegen den Bescheid Berufung eingelegt" hat. Die beschwerdegegenständliche Säumnis (siehe dazu noch unter Punkt 8.) bezog sich hingegen auf die Frist zur Vorlage des ausgefüllten Antragsformulars und bestimmter Unterlagen, nicht auf eine mündliche Verhandlung im Sinne des AVG.
7. Der Beschwerdeführer regt schließlich an, einen Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen, da die Bestimmung des § 17 Abs. 2 AlVG, wonach für die Arbeitslosmeldung das bundeseinheitliche Meldeformular zu verwenden ist, gleichheitswidrig sei, weil im Verwaltungsverfahren grundsätzlich nach § 13 Abs. 1 AVG die Formfreiheit des Anbringens gelte und "in beinahe allen anderen Rechtsgebieten des Verwaltungsverfahrens" eine mündliche Antragstellung ausreiche.
Der Verwaltungsgerichtshof hegt aus Anlass des vorliegenden Beschwerdefalls keine Bedenken ob der Sachlichkeit des § 17 Abs. 2 AlVG, die ihn zur Stellung eines Gesetzesprüfungsantrags an den Verfassungsgerichtshof bewegen würden. Insbesondere angesichts der Möglichkeit, für das vollständige Ausfüllen und für die Beibringung erforderlicher Unterlagen eine Nachfrist festzusetzen, kann der Verwaltungsgerichtshof nicht erkennen, dass die verpflichtende Verwendung des Antragsformulars die Antragsstellung in unsachlicher Weise erschweren würde.
8. In seiner Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid macht der Beschwerdeführer geltend, dass es sich bei der von ihm versäumten Frist - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - nicht um eine materiell-rechtliche, sondern um eine verfahrensrechtliche Frist handle. § 46 Abs. 1 AlVG überlasse die Fristsetzung dem Ermessen des Arbeitsmarktservice. Das Versäumen einer derartigen Frist, die gesetzlich nicht ausreichend bestimmt sei, müsse einem Rechtsmittel, insbesondere einem Wiedereinsetzungsantrag, zugänglich sein, zumal es um den Verlust eines existenzsichernden Anspruches gehe.
Beim Anspruch auf Arbeitslosengeld handelt es sich um einen materiell-rechtlichen Leistungsanspruch, für dessen Geltendmachung § 46 AlVG bestimmte Voraussetzungen festlegt (vgl. im Hinblick auf die Geltendmachung des Fortbezugs nach § 46 Abs. 5 AlVG das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/08/0330).
Durch eine "Nachfrist" für die Abgabe des vollständig ausgefüllten Antragsformulars und der erforderlichen Unterlagen im Sinne des § 46 Abs. 1 AlVG wird dem Arbeitslosen eine Erstreckung der Frist für die Geltendmachung seines Anspruchs mit Wirkung zum Tag der Ausgabe des Antragsformulars eingeräumt; dies ändert aber nichts daran, dass es sich um eine materiell-rechtliche Frist zur Geltendmachung eines Anspruchs handelt, die einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 71 AVG nicht zugänglich ist. Von diesem Verständnis geht auch der Gesetzgeber aus, der in § 46 Abs. 1 AlVG eine ausdrückliche Regelung für den Fall der Fristversäumnis aus triftigem Grund getroffen hat; stünde gegen die Versäumung der Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu, wäre diese Regelung nicht erforderlich gewesen.
9. Vor diesem Hintergrund ist eine Auseinandersetzung mit dem weiteren Beschwerdevorbringen zum zweitangefochtenen Bescheid, das vom Versäumen einer verfahrensrechtlichen Frist ausgeht, nicht erforderlich. Auch auf die vom Beschwerdeführer vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den seiner Ansicht nach nicht ausreichend bestimmten letzten Satz des § 46 Abs. 1 AlVG braucht nicht näher eingegangen werden, zumal nicht dargelegt wurde, dass die im Beschwerdefall zur Beibringung des Nachweises über Unterhaltszahlungen und Abgabe des vollständig ausgefüllten Antragsformulars eingeräumte "Nachfrist" von zwei Wochen unangemessen kurz gewesen wäre.
10. Die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid war, da bereits ihr Inhalt erkennen ließ, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 17811 A/2009 |
Schlagworte | Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2009:2009080088.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
TAAAE-89733