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VwGH vom 21.11.2013, 2011/15/0188

VwGH vom 21.11.2013, 2011/15/0188

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser und die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des J S als Insolvenzverwalter im Konkurs über das Vermögen der E GmbH in R, vertreten durch Dr. Maria Weidlinger, Rechtsanwalt in 4910 Ried/Innkreis, Roßmarkt 1, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , Zl. RV/1398-L/10, betreffend Abrechnung und Rückzahlung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Masseverwalter (Insolvenzverwalter) im Konkurs über das Vermögen der S-GmbH. Der Konkurs ist mit Gerichtsbeschluss vom eröffnet worden, sodass die Konkursordnung in der Fassung vor dem IRÄG 2010, BGBl. I Nr. 29/2010 Anwendung findet (vgl. § 273 Abs. 1 IO).

Mit Eingabe vom hatte der Beschwerdeführer vorgebracht, die der S-GmbH zustehende Bildungsprämie von 434,94 EUR und die ihr zustehenden Lehrlingsausbildungsprämien (je 1.000 EUR für die Lehrlinge Gisela E und Udo S) seien Masseforderungen der Insolvenzmasse gegenüber der Abgabenbehörde. Eine Verrechnung mit Steuerschulden der S-GmbH sei daher ausgeschlossen. Die Prämien (2.434,94 EUR) seien daher auszuzahlen.

Gegen den Abweisungsbescheid des Finanzamtes brachte der Beschwerdeführer Berufung ein. Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge und sprach aus, es werde festgestellt, dass die Verrechnung der Gutschrift aus der Bildungsprämie 2009 in Höhe von 434,94 EUR mit der Umsatzsteuer 2008 rechtmäßig gewesen sei. Weiters sei die Verrechnung der Gutschrift aus den Lehrlingsausbildungsprämien in Höhe von 2000 EUR mit der Umsatzsteuer 2008 im Ausmaß von

1.964 EUR rechtmäßig gewesen, aber im Ausmaß von 36 EUR zu Unrecht erfolgt. Im Ausmaß von 36 EUR sei die Umsatzsteuer 2008 nicht getilgt.

In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, gemäß § 216 BAO habe die Abgabenbehörde im Falle von Meinungsverschiedenheiten, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen sei, über Antrag darüber zu entscheiden. Da strittig sei, ob eine Kompensation der Gutschrift aus der Verbuchung der Bildungsprämie und der Lehrlingsausbildungsprämien - diese Prämien habe das Finanzamt mit Bescheid vom zugesprochen - mit Konkursforderungen des Finanzamtes zulässig sei, zumal andernfalls ein Rückzahlungsanspruch der Masse zu Recht bestünde, lägen die Voraussetzungen eines Abrechnungsbescheides iSd § 216 BAO vor.

Im gegenständlichen Fall sei zu prüfen, ob eine konkursrechtliche Verrechnungsbestimmung zur Anwendung gelange. Im Konkurs- oder Ausgleichsverfahren komme nämlich den Aufrechnungsvorschriften von Konkurs- und Ausgleichsordnung Vorrang gegenüber den Verrechnungsvorschriften des § 214 BAO zu.

Gemäß § 20 Abs. 1 erster Satz KO sei die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Konkursgläubiger erst nach der Konkurseröffnung Schuldner der Konkursmasse geworden oder wenn die Forderung gegen den Gemeinschuldner erst nach der Konkurseröffnung erworben worden sei.

Gemäß § 51 KO seien Konkursforderungen die Forderungen von Gläubigern, denen zur Zeit der Konkurseröffnung vermögensrechtliche Ansprüche an den Gemeinschuldner zustünden. Gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 KO seien Masseforderungen u.a. alle mit der Erhaltung, Verwaltung und Bewirtschaftung der Masse verbundenen Auslagen einschließlich der die Masse treffenden Steuern, Gebühren, Zölle, Beiträge zur Sozialversicherung und anderen öffentlichen Abgaben, wenn und soweit der die Abgabepflicht auslösende Sachverhalt während des Konkursverfahrens verwirklicht werde. Aus § 46 Abs. 1 Z 2 KO ergebe sich, dass es für die konkursrechtliche Einordnung von Abgabenschulden als Konkurs- oder Masseforderungen darauf ankomme, wann der die Abgabepflicht auslösende Sachverhalt verwirklicht worden sei.

Entscheidend sei im Beschwerdefall somit, in welchem Zeitpunkt der Anspruch auf Bildungsprämie und Lehrlingsausbildungsprämie jeweils für das Jahr 2009 entstanden sei. Den Zeitpunkten der Beantragung der Prämien und der Erlassung und gebarungsmäßigen Erfassung der zur Steuergutschrift führenden Bescheide des Finanzamtes vom komme für die Beurteilung, wann der diesbezügliche Rückforderungsanspruch des Abgabepflichtigen aus insolvenzrechtlicher Sicht entstanden sei, keine entscheidende Bedeutung zu. Maßgeblich sei vielmehr, wann der diesen Rückforderungsanspruch unmittelbar auslösende Sachverhalt verwirklicht worden sei.

Gemäß § 108c Abs. 2 Z 2 EStG 1988 betrage die Bildungsprämie 6 % der Aufwendungen iSd § 4 Abs. 4 Z 8 EStG 1988. Es handle sich dabei um Aufwendungen, die dem Arbeitgeber von einer von ihm verschiedenen Aus- und Fortbildungseinrichtung in Rechnung gestellt würden. Ein Arbeitgeber, der bestimmte Aufwendungen für die Aus- und Fortbildung seiner Arbeitnehmer trage, erhalte 6 % davon als Bildungsprämie retourniert. Der Sachverhalt, an den die Bildungsprämie knüpfe, sei daher das Tragen bestimmter Aus- und Fortbildungskosten. Es könne als unbestritten angesehen werden, dass dieser Sachverhalt vor Konkurseröffnung realisiert worden sei.

Die Frage, welche Vermögenserstattungsansprüche zuzuordnen seien, bestimme sich nach den Regeln des Konkursrechtes. Danach komme es aber nicht auf den Zeitpunkt der Vollrechtsentstehung, sondern auf den Zeitpunkt an, in dem der den Rückforderungsanspruch unmittelbar auslösende Sachverhalt verwirklicht werde.

Diese Ausführungen fänden auch auf die Lehrlingsausbildungsprämie Anwendung. Nach § 108f Abs. 1 EStG 1988 könne, wenn Aufwendungen (Ausgaben) für die Lehrlingsausbildung als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abzuziehen seien, unter den Voraussetzungen des Abs. 2 bis 4 leg. cit. eine Lehrlingsausbildungsprämie geltend gemacht werden. Zu beachten sei allerdings, dass im gegenständlichen Fall die Lehrlinge nach Konkurseröffnung noch 5 Tage (von 1. bis ) bei der Gemeinschuldnerin beschäftigt gewesen seien. Insofern sei ein Teil des Sachverhaltes nach Konkurseröffnung verwirklicht worden. Die Lehrlingsausbildungsprämien seien daher aufzuteilen auf 273 Tage des Jahres 2009 (1. Jänner bis 30. September) bis zur Konkurseröffnung und auf 5 Tage nach der Konkurseröffnung. Teile man die Lehrlingsausbildungsprämien auf die 278 Tage im Jahr 2009 auf, an welchen die Gemeinschuldnerin Lehrlinge beschäftigt habe, so ergebe dies einen täglichen Anteil von 7,19 EUR. Der rechnerische Anteil von 36 EUR (für 5 Tage) stelle somit gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 KO eine Masseforderung dar. In diesem Ausmaß sei daher eine Aufrechnung mit einer Konkursforderung unzulässig. Der überwiegende Teil der Lehrlingsausbildungsprämien in Höhe von

1.964 EUR sei ebenso wie die Bildungsprämie vor Konkurseröffnung entstanden.

Zum Aufrechnungserfordernis der Fälligkeit der wechselseitigen Forderungen sei entscheidend, dass die aufgerechnete Konkursforderung des Abgabengläubigers (Umsatzsteuer 2008) bereits vor Konkurseröffnung (am ) fällig gewesen sei. Da Einwendungen gegen die sonstigen zivilrechtlichen Aufrechnungsvoraussetzungen nicht erhoben worden seien und auch keine sonstigen Anhaltspunkte in diese Richtung vorlägen, sei von der Gleichartigkeit und Richtigkeit der gegeneinander aufgerechneten Forderungen auszugehen.

Somit sei die vom Finanzamt am im Wege der Verrechnung vorgenommene Aufrechnung der Umsatzsteuerschuld 2008 von 2.434,94 EUR mit der Gutschrift aus Bildungsprämie und den Lehrlingsprämien 2009 im Ausmaß von 2.398,94 EUR zulässig und rechtmäßig gewesen sei. Im Ausmaß von 2.398,94 EUR sei die Umsatzsteuer 2008 getilgt. Hinsichtlich des Betrages von 36 EUR sei die Aufrechnung zu Unrecht erfolgt; insofern habe die Umsatzsteuer 2008 als nicht getilgt zu gelten und habe gemäß § 239 BAO eine Rückzahlung (der Prämie) zu erfolgen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 216 BAO hat die Abgabenbehörde auf Antrag einen Abrechnungsbescheid zu erlassen, wenn zwischen ihr und einem Abgabepflichtigen Meinungsverschiedenheiten bestehen, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist.

Der Abrechnungsbescheid dient somit ausschließlich der Entscheidung, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist. Wenngleich somit im Rahmen des Anrechnungsbescheides kein Raum besteht, etwa darüber abzusprechen, ob die strittigen Gutschriften Ansprüche der Masse oder Konkursgegenforderungen darstellen, so stellt sich die Frage nach der Verrechenbarkeit einer Abgabenforderung mit den strittigen Gutschriften als Vorfrage für die Entscheidung über das Bestehen eines (rückzahlbaren) Guthabens (vgl. mit zahlreichen weiteren Hinweisen das hg. Erkenntnis vom , 92/15/0012).

Im Beschwerdefall ist strittig, ob die aus der Bildungsprämie und den Lehrlingsausbildungsprämien resultierenden Gutschriften zur Tilgung von Konkursforderungen der Abgabenbehörde (Umsatzsteuer) verwendet werden durften.

Dabei kommt den Aufrechnungsvorschriften der KO (insbesondere §§ 19, 20 KO) der Vorrang vor den Verrechnungsregeln des § 214 BAO zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2005/15/0163).

Nach § 19 Abs. 1 KO brauchen Forderungen, die zur Zeit der Konkurseröffnung bereits aufrechenbar waren, im Konkurs nicht geltend gemacht zu werden. Gemäß § 19 Abs. 2 KO wird die Aufrechnung dadurch nicht ausgeschlossen, das die Forderung des Gläubigers oder des Gemeinschuldners zur Zeit der Konkurseröffnung noch bedingt oder betagt war. Gemäß § 20 Abs. 1 KO ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Konkursgläubiger erst nach der Konkurseröffnung Schuldner der Konkursmasse geworden ist.

Abgabenrückforderungsansprüche des Abgabepflichtigen sind "negative Abgabenansprüche". Solche Ansprüche entstehen (wie die Abgabenansprüche im engeren Sinn) kraft Gesetzes jeweils zu dem Zeitpunkt, in dem ein gesetzlicher Tatbestand, mit dessen Konkretisierung das Gesetz Abgabenrechtsfolgen verbindet, verwirklicht wird. Auf die Bescheiderlassung und die näheren Modalitäten der Geltendmachung der Ansprüche kommt es dabei nicht an. Mit dem Bescheid wird lediglich die Durchsetzung des Anspruchs gegenüber der Abgabenbehörde bewirkt, nicht aber das Entstehen des Anspruchs (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom ). Diese Ausführungen gelten entsprechend für die beschwerdegegenständlichen Ansprüche auf Bildungsprämie nach § 108c und Lehrlingsausbildungsprämie nach § 108f EStG 1988.

Für den Beschwerdefall ist entscheidend, ob die gegenständlichen Prämienansprüche der Gemeinschuldnerin aus insolvenzrechtlicher Sicht in den Zeitraum vor (Konkursgegenforderung) oder nach Konkurseröffnung fallen und je nachdem mit Konkursforderungen des Finanzamts aufrechenbar sind oder nicht.

Gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 KO gehören zu den Masseforderungen öffentliche Abgaben, wenn und soweit der die Abgabepflicht auslösende Sachverhalt während des Konkursverfahrens verwirklicht wird. Entsprechendes muss für die zeitliche Abgrenzung der Forderungen der Gemeinschuldnerin auf Prämien nach § 108c und § 108f EStG 1988 gelten.

Die konkursrechtliche Einordnung der Prämienforderungen erfordert somit die Feststellung, ob der die Forderung auslösende Sachverhalt vor oder nach Konkurseröffnung verwirklicht wurde (vgl. nochmals das hg Erkenntnis vom ).

Nach § 108c EStG 1988 idF AbgÄG 2005 haben Steuerpflichtige Anspruch auf eine Bildungsprämie, die 6 % der Aufwendungen iSd § 4 Abs. 4 Z 8 EStG 1988 beträgt, wobei die Prämie nach Ablauf des Wirtschaftsjahres, spätestens aber bis zum Eintritt der Rechtskraft des betreffenden Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer oder Feststellungsbescheides geltend gemacht werden kann.

Aus § 108c EStG 1988 ergibt sich, dass der die Prämienforderung auslösende Sachverhalt in der Tätigung von Bildungsaufwendungen iSd § 4 Abs. 4 Z 8 EStG 1988 gelegen ist. Im Sachverhaltsbereich ist unbestritten, dass die Gemeinschuldnerin (GmbH) die Bildungsaufwendungen, die zur Bildungsprämie 2009 geführt haben, vor Konkurseröffnung getätigt hat, dass diese Aufwendungen also nach einkommensteuerlichen Grundsätzen dem Zeitraum vom 1. Jänner bis zuzuordnen sind. Solcherart ist es nicht als rechtwidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zum Ergebnis gelangt ist, dass der die Bildungsprämie auslösende Sachverhalt vor Konkurseröffnung verwirklicht worden ist. Auf die Modalitäten der Geltendmachung nach § 108c Abs. 3 und 4 EStG 1988 bzw. die Fälligkeit kommt es nicht entscheidend an.

Gemäß § 108f EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 82/2008 steht die Lehrlingsausbildungsprämie für ein Wirtschaftsjahr zu, wenn für dieses Wirtschaftsjahr Aufwendungen für die Lehrlingsausbildung aufgrund eines definitiven Lehrverhältnisses (nach Ablauf der Probezeit) als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden können. Ein definitives Lehrverhältnis von einem Tag begründet bereits die Lehrlingsausbildungsprämie von 1000 EUR pro Jahr; eine Aliquotierung ist im Gesetz nicht vorgesehen, sodass die volle Prämie auch zusteht, wenn das Lehrverhältnis nur einen Tag im Wirtschaftsjahr besteht ( Doralt , EStG7, § 108f Tz 2). Daraus ergibt sich, dass der die Forderung auf die Lehrlingsausbildungsprämien auslösende Sachverhalt bereits mit dem ersten Tag des Bestehens eines jeden der beiden Lehrverhältnisse im Wirtschaftsjahr (Kalenderjahr) 2009 gesetzt worden ist. Der Sachverhalt für die Lehrlingsausbildungsprämie ist sohin vollständig vor Konkurseröffnung verwirklich worden. Auf die Modalitäten der Geltendmachung nach § 108f Abs. 4 EStG 1988 bzw. die Fälligkeit kommt es nicht entscheidend an.

In dem als Beschwerdepunkt geltend gemachten Recht, dass die Prämien "zur Gänze als negative Masseabgabenforderungen" behandelt und ausbezahlt werden, ist der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid, der zumindest einen Teil der Lehrlingsausbildungsprämien als negative Masseforderung behandelt, nicht verletzt worden.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am