VwGH vom 29.01.2015, 2011/15/0169
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer-Jenkins, über die Beschwerde 1. des W A in T sowie 2. bis 349. der weiteren ehemaligen atypisch stillen Gesellschafter der Vogel Noot Landmaschinenfabrik AG atypisch stillen Gesellschaft laut angeschlossener Liste, alle vertreten durch die TPA Horwath Wirtschaftstreuhand und Steuerberatung GmbH in 1020 Wien, Praterstraße 62-64, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , Zl. RV/0166- G/07, betreffend u.a. die Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO für das Jahr 1997, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO für das Jahr 1997 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die A GmbH, Geschäftsherrin einer aus ihr und der X GmbH bestehenden atypisch stillen Gesellschaft, wurde mit Vertrag vom als übertragende Körperschaft rückwirkend zum Stichtag auf die B AG, welche kurz zuvor von einer GmbH in eine AG umgewandelt worden war (formwechselnde Umwandlung), als übernehmende Körperschaft verschmolzen. Dabei wurde die atypisch stille Gesellschaft aufrechterhalten, weshalb der Vorgang dem Finanzamt gemäß § 24 UmgrStG ab Zusammenschluss der A GmbH atypisch stille Gesellschaft mit der B AG gemeldet wurde. In weiterer Folge schloss die X GmbH, die ihrerseits Treuhänderin mehrerer Anleger war, einen Einbringungsvertrag mit der B AG ab, mit dem sie einen Teil ihrer atypisch stillen Gesellschaftseinlage (64.750.000 S von 69.110.000 S) rückwirkend zum Stichtag in die B AG ohne Kapitalerhöhung (§ 19 Abs. 2 Z 2 UmgrStG) für die Treugeber einbrachte. Die in § 13 UmgrStG vorgesehene Meldung der Einbringung eines atypisch stillen Gesellschaftsanteils (Einbringung nach Art. III UmgrStG) an das Finanzamt erfolgte mit Eingabe vom . Der Meldung waren der zwischen der X GmbH und der B AG abgeschlossene Einbringungsvertrag vom 20./ sowie eine Bilanz der B AG atypisch stille Gesellschaft zum Stichtag beigelegt.
Anlässlich einer die Jahre 1997 und 1998 umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung der B AG atypisch stille Gesellschaft vertrat der Prüfer die Auffassung, dass eine steuerneutrale Einbringung des atypisch stillen Gesellschaftsanteiles mangels einer Bilanz der Mitunternehmerschaft zum Einbringungsstichtag nicht möglich sei. Es liege zwar eine so bezeichnete Bilanz zum vor, dabei handle es sich aber nur um die Zusammenfassung der "Verschmelzungsbilanz" der B AG atypisch stille Gesellschaft zum und der beim Firmenbuch eingereichten Umwandlungsbilanz der B AG (formalwechselnde Umwandlung). Die in § 12 Abs. 2 Z 2 UmgrStG normierte Anwendungsvoraussetzung des Vorliegens einer Bilanz der Mitunternehmerschaft zum Einbringungsstichtag sei demnach nicht erfüllt, weshalb der Vorgang nicht unter das UmgrStG falle. Die Einbringung sei als Tausch gemäß § 6 Z 14 lit. b EStG 1988 im Jahr 1997 der Einkommensteuer zu unterwerfen und das negative Kapitalkonto der atypisch stillen Gesellschafter nachzuversteuern.
Das Finanzamt folgte dem Prüfer und erließ u.a. einen entsprechenden Feststellungsbescheid nach § 188 BAO für das Jahr 1997.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde u. a. Berufungen gegen den im Gefolge der Betriebsprüfung ergangenen Feststellungsbescheid 1997 als unbegründet ab.
Zur - im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof noch strittigen - Frage, ob im Streitfall eine Einbringung im Sinne des UmgrStG (Art. III) vorliege, führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, § 12 Abs. 2 UmgrStG setze bei der Einbringung eines Mitunternehmeranteiles das Erstellen einer Bilanz (§ 4 Abs. 1 EStG 1988) der Mitunternehmerschaft auf den Einbringungsstichtag voraus. Dem Gesetzestext sei eindeutig zu entnehmen, dass die Bilanz zum Einbringungsstichtag und nicht zu einem anderen Stichtag zu erstellen sei. Der Hinweis auf § 4 Abs. 1 EStG 1988 bringe u.a. zum Ausdruck, dass sich das Erstellen der Bilanz nicht auf einen bloßen Status beziehe, sondern dass alle für das Aufstellen einer Regelbilanz erforderlichen Maßnahmen (Inventur, Ansätze, Bewertung, Abgrenzung) erforderlich seien. Eine Einbringung könne durch das Vorliegen einer fehlerhaften Bilanz zwar nicht ihre Wirkung als Anwendungsfall des Art. III UmgrStG verlieren, zeige die Bilanz der Mitunternehmerschaft zum Einbringungsstichtag bei Vorliegen eines aktiven Geschäftsbetriebes an diesem Tag aber lediglich das handelsrechtliche Bilanzbild der Kapitalgesellschaft des Vortages, so sei eine Bilanzerstellung zum Einbringungsstichtag nicht gegeben.
Die Beschwerdeführer stellten die Feststellung des Prüfers, dass es sich bei der Bilanz der B AG atypisch stille Gesellschaft zum Stichtag nur um die Zusammenfassung anderer zum (dem Vortag des Einbringungsstichtages) erstellter Bilanzen handle, nicht in Abrede. Sie hätten auch eingeräumt, für die Stichtagsbilanz der Mitunternehmerschaft (handelsrechtliche) Daten vom Vortag, nämlich vom , herangezogen zu haben. Zum Stichtag liege demnach keine Bilanz iSd § 12 Abs. 2 UmgrStG vor, wobei die gegenteiligen Berufungsausführungen in sich widersprüchlich seien. Der mehrfache Verweis auf eine "Toleranzregel" des Bundesministers für Finanzen gehe ebenfalls ins Leere, weil diese im Falle einer eintägigen Abweichung vom maßgebenden Stichtag nur greife, wenn am Stichtag kein aktiver Geschäftsbetrieb bestehe. Abgesehen davon, dass die "Toleranzregel" im Gesetz nicht verankert sei, habe am ein aktiver Geschäftsbetrieb geherrscht. Die in Art. III UmgrStG vorgesehenen abgabenrechtlichen Begünstigungen könnten daher nicht gewährt werden. Daran ändere die im Juli 2004 vorgelegte korrigierte Bilanz der Mitunternehmerschaft zum nichts, weil davon auszugehen sei, dass die korrigierte Bilanz - unzulässigerweise - erst nach Ablauf der in § 13 UmgrStG normierten Neunmonatsfrist erstellt worden sei.
Gegen diesen Bescheid, soweit er die Feststellung der Einkünfte für das Jahr 1997 betrifft, wendet sich die Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgebliche Bestimmung des Umgründungssteuergesetzes (UmgrStG), BGBl. Nr. 699/1991 in der Fassung BGBl. Nr. 797/1996, lautet auszugsweise:
"Artikel III Einbringung
Anwendungsbereich
§ 12. (1) Eine Einbringung im Sinne dieses Bundesgesetzes liegt vor, wenn Vermögen (Abs. 2) auf Grundlage eines Einbringungsvertrages (Sacheinlagevertrages) nach Maßgabe des § 19 einer übernehmenden Körperschaft tatsächlich übertragen wird. ...
(2) Zum Vermögen zählen nur
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1. | ... |
2. | Mitunternehmeranteile, das sind Anteile an Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind, wenn sie zu einem Stichtag eingebracht werden, zu dem eine Bilanz (§ 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 1988) der Mitunternehmerschaft vorliegt, an der die Beteiligung besteht, ..." |
Gemäß § 6 Z 14 lit. b EStG 1998 gilt die Einbringung von Wirtschaftsgütern und sonstigem Vermögen in eine Körperschaft als Tausch im Sinne der lit. a leg. cit., wenn sie nicht unter das UmgrStG fällt. | |
Die Beschwerdeführer bringen im Wesentlichen vor, die Grundsätze der ordnungsgemäßen Buchführung, im Besonderen der Grundsatz der Wesentlichkeit, seien auf die gegenständliche Steuerbilanz, die nach § 4 Abs. 1 bzw. § 5 EStG 1988 aufzustellen sei, anzuwenden. Die vorgelegte Bilanz zum enthalte steuerliche Werte; so sei die einzige bedeutsame steuerliche Bilanzposition, die sich gegenüber dem geändert habe, nämlich eine Entnahme, berücksichtigt worden. Die Abweichung aufgrund der Geschäftstätigkeit am Bilanzstichtag sei unwesentlich, weil sich die Bilanzsumme - wie bereits im Berufungsverfahren vorgebracht - nur um 0,09 % und der Jahresgewinn um 2,04 % (bzw. 0,12 % unter Berücksichtigung des Jahresergebnisses einer Beteiligung) geändert hätten. Der Jahresabschluss sei daher nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung, insbesondere den Grundsätzen der Wesentlichkeit und der Bilanzwahrheit, erstellt worden. Nach Ansicht der Finanzverwaltung bestünden bei Fehlen des Erfordernisses einer exakten Vermögensdarstellung und Ergebnisabgrenzung aus anderen Gründen keine Bedenken, der Einbringung einen mit den Ansätzen des Abschlusses vom Vortag übereinstimmenden Zwischenabschluss zum Einbringungsstichtag zugrunde zu legen. Es sei der Finanzbehörde eine Bilanz vorgelegt worden, mit der Umfang und Wert der Mitunternehmerschaft zum Einbringungsstichtag mit hinreichender Genauigkeit festgestellt worden seien; selbst eine Unrichtigkeit der Bilanz bzw. ein Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung führe nicht zu einer Verletzung der Anwendungsvoraussetzungen des Art. III UmgrStG, sondern nur zur Notwendigkeit einer Bilanzberichtigung bei Hervortreten der Unrichtigkeit. Eventualiter verweisen die Beschwerdeführer auf die Vorlage der berichtigten Bilanz am , wodurch eine Mangelhaftigkeit der ursprünglichen Bilanz jedenfalls geheilt worden sei, weil sich weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus dessen Sinn und Zweck eine Befristung der Erstellung bzw. Nachreichung der Bilanz auf den Zeitraum von neun Monaten ergebe. | |
Der Beschwerde kommt aus folgenden Gründen Berechtigung zu: | |
Unstrittig war im Verwaltungsverfahren (und geht auch aus den Verwaltungsakten hervor), dass dem Finanzamt als Beilage zur Meldung vom über die Einbringung eine mit dem Einbringungsstichtag datierte, als Bilanz bezeichnete Vermögensaufstellung der B AG | atypisch stille Gesellschaft vorgelegt wurde. Am langte beim Finanzamt zudem eine (weitere) Bilanz der B AG atypisch stille Gesellschaft zum ein, deren Bilanzsumme gegenüber der ursprünglich vorgelegten Bilanz eine Erhöhung von rund 0,09 % aufweist. |
Dass Fehler in einer auf den Einbringungsstichtag erstellten Bilanz der Mitunternehmerschaft das Vorliegen einer solchen ausschließen würden, ist aus § 12 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Z 2 UmgrStG nicht ableitbar; vielmehr ist, sofern die Bilanz nicht derart mangelhaft ist, dass sie nicht als solche im Sinne des § 4 EStG 1988 angesehen werden kann - was im Beschwerdefall nicht anzunehmen ist -, im Fall einer unrichtigen Bilanz mit einer Bilanzberichtigung nach § 4 Abs. 2 EStG 1988 vorzugehen. Dies folgt bereits aus dem Verweis des § 12 Abs. 2 Z 2 UmgrStG auf die Bilanz nach "§ 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 1988", also eine Aufstellung des (Buch)Wertes des Betriebsvermögens, wobei sich aus § 4 Abs. 2 EStG 1988 ergibt, dass eine Bilanz, die den allgemeinen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung oder den zwingenden Vorschriften des EStG nicht entspricht, zu berichtigen ist. | |
Vor diesem Hintergrund kann der im angefochtenen Bescheid vertretenen Auffassung, bei der am vorgelegten Bilanz der Mitunternehmerschaft zum handle es sich um keine Stichtagsbilanz im Sinne des § 12 Abs. 2 Z 2 UmgrStG, nicht zugestimmt werden. Diese Bilanz entspricht den Mindestanforderungen des § 4 EStG 1988 jedenfalls insoweit, als sie auf den Einbringungsstichtag bezogene steuerliche Werte enthält und die Vermögenslage zu diesem Stichtag darstellt, auch wenn einzelne (nach dem - im angefochtenen Bescheid nicht entkräfteten - Vorbringen der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht wesentliche) Veränderungen des Vermögens am Stichtag selbst nicht berücksichtigt wurden. Das von der belangten Behörde ins Treffen geführte Erfordernis aller beim Aufstellen einer Regelbilanz durchgeführten Maßnahmen einschließlich einer Inventur wird vom Gesetz in dieser Form nicht verlangt; insbesondere wenn die entsprechenden Werte bereits grundsätzlich vorhanden sind (wie im Beschwerdefall vom Vortag), wird deren Zugrundelegung unter Vornahme der notwendigen (steuerlichen) Berichtigungen - was im Beschwerdefall nach dem unwiderlegten Vorbringen der Beschwerdeführer erfolgt ist - zulässig sein. Würde man mit der belangten Behörde in solchen Fällen von einer gar nicht vorhandenen Bilanz (im Sinne einer "Nichtbilanz") ausgehen, so hätte jede noch so kleine Unrichtigkeit der Stichtagsbilanz die Nichtanwendbarkeit des Art. III UmgrStG zur Folge, was vor dem Hintergrund des Fehlerkalküls des § 4 Abs. 2 EStG 1988, dessen Wortlaut ausdrücklich auf die Nichteinhaltung der allgemeinen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und der zwingenden einkommensteuerlichen Vorschriften abstellt, systemwidrig wäre (vgl. auch | Hirschler , ÖStZ 2012/569, 317 (321 ff)). Zum Einbringungsstichtag lag daher eine Bilanz der B AG atypisch stille Gesellschaft und damit die in § 12 Abs. 2 Z 2 UmgrStG normierte Voraussetzung für eine Einbringung im Sinne des Art. III UmgrStG vor. |
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher, soweit er die Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO für das Jahr 1997 betrifft, als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war. | |
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008. | |
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung weiterhin anzuwenden. | |
Wien, am |