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VwGH vom 22.07.2014, 2014/11/0011

VwGH vom 22.07.2014, 2014/11/0011

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Revision der Bauarbeiter- Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , Zl. UVS 333.12-1/2013-17, betreffend Übertretungen des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG) (mitbeteiligte Partei: A T in G, vertreten durch Grilc Vouk Skof Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 14/III), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Aufwandersatz findet nicht statt.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/11/0249, verwiesen, mit dem ein Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark (UVS) vom , mit welchem gegen den Mitbeteiligten wegen dreier Übertretungen des § 7i Abs. 3 AVRAG jeweils nur die Mindeststrafe in Höhe von EUR 1.000,-- verhängt worden war, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben wurde. Wörtlich führte der Verwaltungsgerichtshof u.a. aus:

"2.1. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird ausgeführt, hinsichtlich aller drei Arbeitnehmer liege eine gravierende Unterentlohnung vor. Da der Mitbeteiligte, der fahrlässige Tatbegehung zu verantworten habe, unbescholten sei, die Erstbehörde, welche von einem Strafrahmen von EUR 1.000,-- bis EUR 10.000,-- ausgegangen sei, dies bei der Strafbemessung aber nicht als mildernd gewertet habe, komme dieser Milderungsgrund nun erstmals zum Tragen. Es sei davon auszugehen, dass der Mitbeteiligte als Unternehmer zumindest ein durchschnittliches Einkommen erziele.

2.2. Wie der UVS in seiner Bescheidbegründung ausführt, hat die Erstbehörde angenommen, der Strafrahmen für ihre Strafbemessung betrage EUR 1.000,-- bis EUR 10.000,--. Daraus folgt, dass auch die Erstbehörde davon ausgegangen ist, dass erstmalige Tatbegehungen vorlagen.

Unbescholtenheit des Mitbeteiligten durfte folglich nur insoweit in die Strafbemessung einfließen, als der Mitbeteiligte nicht nur in Ansehung des § 7i Abs. 3 AVRAG unbescholten war - dies hat ja ohnehin bereits die Heranziehung des Strafrahmens für Ersttäter zur Folge (vgl. § 19 Abs. 2 erster Satz VStG) -, sondern auch darüber hinaus nicht nachteilig in Erscheinung getreten ist.

Angesichts der nach dem rechtskräftigen Schuldspruch eklatanten Unterentlohnung der drei beschäftigten Arbeitnehmer über einen Zeitraum von immerhin eineinhalb Monaten hinweg und der damit verbundenen Gefährdung der vom AVRAG geschützten öffentlichen Interessen (§ 19 Abs. 1 VStG) - der UVS hebt selbst hervor, dass die Einhaltung von Mindestlohnsätzen zum harten Kern der Schutzbestimmungen zählt, die von Dienstleistungserbringern unabhängig von der Dauer der Entsendung der Arbeitnehmer einzuhalten sind - erweist sich mangels Feststellung von Umständen, die auf das Vorliegen weiterer Milderungsgründe hinweisen, die vom UVS dennoch für ausreichend befundene Verhängung der Mindeststrafe als rechtswidrig.

..."

Mit Erkenntnis vom gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark (Verwaltungsgericht) der wieder offenen Berufung - nunmehr: Beschwerde (vgl. § 3 Abs. 7 VwGbk-ÜG) - des Mitbeteiligten Folge und setzte die Geldstrafe hinsichtlich jeder der drei Übertretungen des § 7i Abs. 3 AVRAG auf jeweils EUR 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe ein Tag) herab. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, hinsichtlich aller drei Arbeitnehmer liege eine gravierende Unterentlohnung vor. Da der Mitbeteiligte, der fahrlässige Tatbegehung zu verantworten habe, unbescholten sei, die Behörde dies bei der Strafbemessung aber nicht als mildernd gewertet habe, komme dieser Milderungsgrund nun erstmals zum Tragen. Weiters sei mildernd, dass das gegen den Täter geführte Verfahren aus einem nicht von ihm oder seinem Verteidiger zu vertretenden Grund unverhältnismäßig lang, nämlich vom Einlangen des Aktes beim UVS am bis zur Verkündung des Bescheides am , gedauert habe. Es sei davon auszugehen, dass der Mitbeteiligte als Unternehmer zumindest ein durchschnittliches Einkommen erziele.

Unter einem wurde ausgesprochen, dass gegen das Erkenntnis eine Revision nicht zulässig sei.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision.

Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er der Auffassung des Verwaltungsgerichts beitrat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:

1.1. Das AVRAG lautet (auszugsweise):

"Feststellung von Übertretungen durch die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse

§ 7h. Stellt die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse im Rahmen ihrer Tätigkeit fest, dass der/die Arbeitgeber/in dem/der Arbeitnehmer/in im Sinne des Abschnitts I BUAG oder im Sinne des § 33d BUAG nicht zumindest den nach Gesetz, Kollektivvertrag oder Verordnung zustehenden Grundlohn unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien leistet, gilt § 7e Abs. 3, Abs. 4 letzter Satz und 5 mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Kompetenzzentrums LSDB die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse tritt.

Strafbestimmungen

§ 7i. ... (3) Wer als Arbeitgeber/in ein/en Arbeitnehmer/in beschäftigt oder beschäftigt hat, ohne ihm/ihr zumindest den nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehenden Grundlohn unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien zu leisten, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe zu bestrafen, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Sind von der Unterentlohnung höchstens drei Arbeitnehmer/innen betroffen, beträgt die Geldstrafe für jede/n Arbeitnehmer/in 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Wiederholungsfall 2 000 Euro bis 20 000 Euro, sind mehr als drei Arbeitnehmer/innen betroffen, für jede/n Arbeitnehmer/in 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Wiederholungsfall 4 000 Euro bis 50 000 Euro.

(4) Stellt die Bezirksverwaltungsbehörde fest, dass die Unterschreitung des Grundlohns gering oder das Verschulden des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin geringfügig ist, hat sie von der Verhängung einer Strafe abzusehen, sofern der/die Arbeitgeber/in dem/der Arbeitnehmer/in die Differenz zwischen dem tatsächlich geleisteten und dem dem/der Arbeitnehmer/in nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelt binnen einer von der Behörde festzusetzenden Frist nachweislich leistet und eine solche Unterschreitung des Grundlohns durch den/die Arbeitgeber/in das erste Mal erfolgt. Hat das Kompetenzzentrum LSDB, der zuständige Krankenversicherungsträger oder die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse bei erstmaliger Unterschreitung des Grundlohns von einer Anzeige abgesehen oder hat die Bezirksverwaltungsbehörde von der Verhängung einer Strafe abgesehen, ist bei der erstmaligen Wiederholung der Unterschreitung zumindest die Mindeststrafe zu verhängen. Im Fall des ersten und zweiten Satzes ist § 21 Abs. 1 VStG nicht anzuwenden. Weist der/die Arbeitgeber/in der Bezirksverwaltungsbehörde nach, dass er/sie die Differenz vom tatsächlich geleisteten und dem dem/der Arbeitnehmer/in nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelt geleistet hat, ist dies bei der Strafbemessung strafmildernd zu berücksichtigen.

(5) Die Verjährungsfrist (§ 31 Abs. 2 VStG) für Verwaltungsübertretungen gemäß Abs. 3 beträgt ein Jahr.

...

(8) Im Fall des Abs. 3 in Verbindung mit § 7h kommt der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse Parteistellung und die Berechtigung zu, gegen Entscheidungen Rechtsmittel und Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. ..."

1.2. § 19 VStG lautet:

"Strafbemessung

§ 19. (1) Grundlage für die Bemessung der Strafe sind die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

(2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen."

2.1. Im Hinblick auf § 7i Abs. 8 AVRAG ist die Revisionswerberin befugt, gegen Entscheidungen über Übertretungen des § 7i Abs. 3 AVRAG Revision zu erheben.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Revision zulässig, weil sich die angefochtene Entscheidung, wie im Folgenden zu zeigen ist, über die Leitlinien der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Milderungsgrund der "überlangen Verfahrensdauer" hinwegsetzt.

2.2. Die Revision ist begründet.

2.2.1. Ungeachtet der tragenden Begründung des erwähnten hg. Erkenntnisses vom , auf die verwiesen wird, hat das Verwaltungsgericht wie bereits zuvor der UVS nur die Mindeststrafe verhängt.

Soweit als mildernder Umstand (erneut) die Unbescholtenheit des Mitbeteiligten ins Treffen geführt wird, genügt wie bereits im erwähnten hg. Erkenntnis vom der Hinweis, dass Unbescholtenheit des Mitbeteiligten nur insoweit in die Strafbemessung einfließen durfte, als der Mitbeteiligte nicht nur in Ansehung des § 7i Abs. 3 AVRAG unbescholten war - dies hat ja ohnehin bereits die Heranziehung des Strafrahmens für Ersttäter zur Folge (vgl. § 19 Abs. 2 erster Satz VStG) -, sondern auch darüber hinaus nicht nachteilig in Erscheinung getreten ist.

Soweit das Verwaltungsgericht überlange Verfahrensdauer als mildernden Umstand heranzieht, setzt es sich in Widerspruch zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Nach der Aktenlage war die maßgebliche (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/09/0056) Aufforderung zur Rechtfertigung dem Mitbeteiligten am zugestellt worden, im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses waren seither folglich erst etwas mehr als 18 Monate vergangen. Eine derartige Verfahrensdauer kann - nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass der Mitbeteiligte aufgrund des erwähnten hg. Erkenntnisses eine höhere als die Mindeststrafe zu erwarten hatte - nicht als überlang qualifiziert werden (vgl. das von der Revision zu Recht zitierte bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/09/0056), weshalb der vom Verwaltungsgericht angenommene Milderungsgrund nicht vorliegt.

2.2.2. Das angefochtene Erkenntnis war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

3. Aufwandersatz war gemäß § 47 Abs. 4 VwGG nicht zuzusprechen.

Wien, am