VwGH vom 25.07.2013, 2011/15/0005

VwGH vom 25.07.2013, 2011/15/0005

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser und die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde des S in S, vertreten durch Wirleitner Oberlindober Niedermayr Gursch, Rechtsanwälte in 4400 Steyr, Grünmarkt 8, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , Zl. RV/1486-L/08, betreffend Erklärung einer Berufung als zurückgenommen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Einkommensteuerbescheide 2005 und 2006 mit Ausfertigungsdatum stellte das Finanzamt dem Beschwerdeführer an die Adresse S, G-Straße 62, zu.

In der Berufung gegen diese Bescheide gab der Beschwerdeführer seine Adresse in gleicher Weise mit S, G-Straße 62, an.

Mit Antrag vom begehrte der Beschwerdeführer den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über die Berufung auf die Abgabenbehörde zweiter Instanz (Devolutionsantrag). Auch in diesem Antrag führte er als Adresse S, G-Straße 62, an.

Mit Erledigung vom sprach die belangte Behörde aus, dass der Devolutionsantrag als unzulässig zurückgewiesen werde, weil die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Berufungen ohnedies ex lege ihr als Abgabenbehörde zweiter Instanz obliege. Diese Erledigung weist die Geschäftszahlen AA, BB, BB, CC, DD auf und ist an den Beschwerdeführer per Adresse S, G-Straße 62, gerichtet. Die belangte Behörde verfügte, dass die Erledigung dem Beschwerdeführer zu eigenen Handen zugestellt werden solle.

Im Verwaltungsakt befindet sich das von der Post der belangten Behörde zurückgestellte Kuvert mit dem Vermerk des Zustellorgans, dass eine Zustellung nicht möglich gewesen sei und der Nachsendeauftrag auf W, Postfach 64, laute.

Am richtete die belangte Behörde ein Schreiben an die E-Wirtschaftstreuhand GmbH als steuerliche Vertreterin des Beschwerdeführers. In diesem Schreiben, das die Geschäftszahlen AA, BB, CC, DD trägt, wird ausgeführt, der Versuch einer Zustellung an den Beschwerdeführer an seiner im Devolutionsantrag angegeben Adresse S, G-Straße 62, sei nicht möglich gewesen. Es ergehe daher die Aufforderung, bis zum eine Abgabestelle im Sinne des § 2 Z 4 Zustellgesetz bekanntzugeben.

Ein weiteres Schreiben vom mit den Geschäftszahlen AA, BB, CC, DD richtete die belangte Behörde direkt an den Beschwerdeführer und stellte es ihm an die Adresse W, Postfach 64, zu. Auch dieses Schreiben enthält die Aufforderung, eine Abgabestelle im Sinne des § 2 Z 4 Zustellgesetz bekanntzugeben.

In einem Aktenvermerk vom hält der Referent der belangten Behörde fest, der Beschwerdeführer habe am 12. März bei der belangten Behörde angerufen (Telefon Nr. 06xx/xxx) und um Rückruf ersucht. Der Referent der belangten Behörde habe zurückgerufen und in Reaktion auf das Ersuchen des Beschwerdeführers, die Zustellung an seinen Steuerberater vorzunehmen, darauf hingewiesen, dass die Aufforderung vom schriftlich beantwortet werden müsse. Anbringen seien grundsätzlich in Schriftform an die belangte Behörde heranzutragen.

Mit dem eine persönliche E-Mail-Adresse des Beschwerdeführers als Absender ausweisenden E-Mail vom übermittelte dieser sodann als Anhang ein PDF-Dokument, in welchem als Betreff die Geschäftszahlen AA, BB, CC, DD angeführt sind und weiters bekanntgegeben wird, der Steuerberater Mag. EH sei "bevollmächtigt die Schriftstücke entgegen zu nehmen".

Der Referent der belangten Behörde teilte dem Beschwerdeführer in einem Telefonat vom mit, dass per E-Mail eingebrachte Anbringen unwirksam seien.

Der Beschwerdeführer brachte in der Folge die mit datierte schriftliche Vollmacht bei der belangten Behörde ein. Diese weist unter Betreff die Geschäftszahlen AA, BB, CC, DD auf. Es wird die Adresse des Steuerberaters Mag. EH angeführt und bekanntgegeben: "(E)r ist bevollmächtigt die Schriftstücke entgegen zu nehmen".

Die belangte Behörde sprach sodann mit Erledigung vom , welche die Geschäftszahlen AA, BB, CC, DD trägt, aus, der Devolutionsantrag werde als unzulässig zurückgewiesen. In der Begründung dieser Erledigung wird zur Zustellung ausgeführt, die vom Beschwerdeführer übermittelte Zustellvollmacht erfasse nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur "die Schriftstücke" betreffend die Geschäftszahlen AA, BB, CC, DD. Gemäß § 103 Abs. 2 lit. a BAO sei eine Zustellungsbevollmächtigung den Abgabenbehörden gegenüber unwirksam, wenn sie ausdrücklich auf nur einige dem Vollmachtgeber zugedachte Erledigungen eingeschränkt sei, die im Zuge eines Verfahrens ergehen. Aus diesem Grund sei die gegenständliche Vollmacht unwirksam, an den darin genannten Empfänger (Steuerberater Mag. EH) könne daher nicht zugestellt werden.

Wenn eine Partei während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis habe, ihre bisherige Abgabestelle ändere, habe sie dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Werde die Mitteilung unterlassen, so sei die Zustellung gemäß § 8 Abs. 2 Zustellgesetz durch Hinterlegung ohne vorhergehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden könne.

Ein Postfach sei keine zulässige Abgabestelle (Hinweis auf Walter/Mayer, Zustellrecht, 32). Im gegenständlichen Fall sei die Zustellung trotz ergangener Aufforderung weiterhin im Sinn des § 8 Abs. 2 ZustellG unmöglich, weil der Beschwerdeführer keine wirksame Zustellungsbevollmächtigung vorgelegt und keine gültige Abgabestelle bekanntgegeben habe. Die belangte Behörde nehme die Zustellung daher durch Hinterlegung in ihrem Akt vor.

In einer weiteren Erledigung der belangten Behörde vom wird ausgesprochen, dass dem Beschwerdeführer hinsichtlich der Berufung betreffend Einkommensteuer 2005 und 2006 ein - innerhalb einer bloß einwöchigen Frist zu erfüllender - Mängelbehebungsauftrag erteilt werde. Der Berufung fehle eine Begründung im Sinne des § 250 Abs. 1 lit. d BAO. Bei Versäumung der Frist gelte die Berufung als zurückgenommen.

In der Begründung wird unter anderem dargelegt, dass auch diese Erledigung durch Hinterlegung im Verwaltungsakt der belangten Behörde zugestellt werde, und hiezu auf die Ausführungen in der Erledigung vom , Geschäftszahl AA, BB, CC, DD verwiesen.

Im Verwaltungsakt befindet sich eine Meldeanfrage vom , in welcher als Adresse des Beschwerdeführers S, G-Straße 62, ausgewiesen ist. Im Akt befindet sich weiters eine mit datierte Abfrage im Telefonbuch von "herold.at", aus der sich ergibt, dass zu den angegebenen Suchkriterien (Name des Beschwerdeführers) kein Treffer gefunden worden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, dass die Berufung des Beschwerdeführers betreffend Einkommensteuer 2005 und 2006 gemäß § 275 BAO als zurückgenommen gelte, weil dem Mängelbehebungsauftrag nicht entsprochen worden sei. In der Begründung dieser Erledigung wird wiederum ausgeführt, dass die Zustellung durch Hinterlegung im Verwaltungsakt der belangten Behörde erfolge, und hiezu auf die Erledigung vom , Geschäftszahl AA, BB, CC, DD verwiesen. Ergänzend wird angeführt, selbst weitere Erhebungen im Sinne des § 8 Abs. 2 Zustellgesetz, wie eine Meldeamtsanfrage oder eine Telefonbuchanfrage seien erfolglos geblieben bzw. hätten nur jene Adresse ergeben, an welcher die Zustellung bisher nicht möglich gewesen sei.

Ca. eineinhalb Jahre später reichte der Beschwerdeführer - offenkundig nach Rücksprache mit der belangten Behörde - die Eingabe vom ein, die im Betreff als "uneingeschränkte Zustellungsbevollmächtigung" bezeichnet ist.

Darin führt der Beschwerdeführer aus:

"Hiemit teile ich Ihnen noch einmal die Adresse von meinem Steuerberater mit, er ist bevollmächtigt alle Schriftstücke entgegenzunehmen, sollten zwischenzeitlich Bescheide oder andere Schriftstücke vorhanden seien, dann ersuche ich höflich sie noch einmal an meinen Steuerberater zuzustellen, danke."

Die belangte Behörde hat sodann eine Ablichtung des angefochtenen Bescheides dem Beschwerdeführer zu Handen des als Zustellungsbevollmächtigten bekanntgegebenen Steuerberaters zugestellt. In einem Begleitschreiben der belangten Behörde vom werden als Beilagen noch weitere Erledigungen der belangten Behörde angeführt, von den Erledigungen vom (das ist auch das Ausfertigungsdatum des Mängelbehebungsauftrages) aber lediglich die Zurückweisung des Devolutionsantrages.

Gegen den Bescheid, mit welchem die Berufung betreffend Einkommensteuer 2005 und 2006 als zurückgenommen erklärt wird, wurde Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 8 ZustellG lautet:

"(1) Eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, hat dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.

(2) Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann."

§ 9 Abs. 3 Zustellgesetz lautet:

"(3) Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist."

§ 103 Abs. 2 BAO in der Fassung Abgabenänderungsgesetz 2003, BGBl. I Nr. 124/2003, lautet:

"(2) Eine Zustellungsbevollmächtigung ist Abgabenbehörden

gegenüber unwirksam, wenn sie

a) ausdrücklich auf nur einige dem Vollmachtgeber

zugedachte Erledigungen eingeschränkt ist, die im Zuge eines

Verfahrens ergehen, oder

b) ausdrücklich auf nur einige jener Abgaben

eingeschränkt ist, deren Gebarung gemäß § 213 zusammengefasst verbucht wird."

Für die Beurteilung von Anbringen kommt es auf den Inhalt und auf das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes an. Bei einem eindeutigen Inhalt eines Anbringens ist eine davon abweichende, nach außen nicht zum Ausdruck kommende Absicht des Einschreiters nicht maßgebend. Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Behörde gehalten, die Absicht der Partei zu erforschen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2012/15/0071).

Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer der belangten Behörde mit Schreiben vom mitgeteilt, dass er seinem Steuerberater (Mag. EH) Zustellungsvollmacht erteilt habe. Die dabei vom Beschwerdeführer verwendete Formulierung, der Steuerberater "ist bevollmächtigt, die Schriftstücke entgegen zu nehmen", kann keinesfalls dahingehend verstanden werden, dass die Zustellungsvollmacht, wie dies die belangte Behörde angenommen hat, nur auf einige dem Vollmachtgeber zugedachte Erledigungen beschränkt wäre. Daran ändert auch nichts, dass der Beschwerdeführer auf diesem Schriftstück vom im Betreff die Geschäftszahlen AA, BB, CC, DD anführt, hat er doch damit bloß jene Geschäftszahlen übernommen, welche die belangte Behörde in ihrem Schreiben vom , mit welchem sie zur Angabe einer Abgabestelle im Sinn des § 2 Z 4 Zustellgesetz aufforderte, angeführt hat.

Die belangte Behörde hat sohin zu Unrecht angenommen, dass die vom Beschwerdeführer erteilte Zustellungsvollmacht eine ausdrückliche Einschränkung im Sinne des § 103 Abs. 2 BAO enthält. Sie ist damit zu Unrecht von der Unwirksamkeit der Zustellungsvollmacht ausgegangen.

Gemäß § 8 Abs. 2 Zustellgesetz ist die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch unter anderem nur zulässig, "soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen". Eine solche Verfahrensvorschrift stellt die Regelung des § 9 Abs. 3 Zustellgesetz dar, wonach, wenn ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist, die Zustellverfügung der Behörde auf diesen zu lauten hat.

Schon deshalb, weil also eine wirksame Zustellungsbevollmächtigung im Sinne des § 9 Zustellgesetz vorgelegen ist, waren die Voraussetzungen für die Hinterlegung nach § 8 Abs. 2 Zustellgesetz nicht gegeben. Weder in Bezug auf den Mängelbehebungsauftrag vom noch in Bezug auf den Bescheid vom , mit welchem die Berufung als zurückgenommen erklärt wurde (angefochtener Bescheid), hat daher die Hinterlegung im Sinne des § 8 Abs. 2 Zustellgesetz eine Zustellung bewirkt.

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid dem Zustellungsbevollmächtigen des Beschwerdeführers mit Begleitschreiben vom übermittelt. Erst damit ist die Zustellung des Bescheides erfolgt (§ 97 Abs. 1 lit. a BAO).

Die belangte Behörde meint in ihrer Gegenschrift, das mit Begleitschreiben vom dem Vertreter des Beschwerdeführers übermittelte Schriftstück mit Ausfertigungsdatum sei lediglich die Kopie des im Verwaltungsakt einliegenden angefochtenen Bescheides, der keine Bescheidqualität zukomme. Dieser Einwand ist unbegründet, weist doch das in Rede stehende Schriftstück sämtliche für die Bescheidqualität erforderlichen Bescheidmerkmale (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom , 2004/14/0111, 2005/14/0006) auf.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , 1817/78, Slg. 5.423/F, zum AVG idF vor der Novelle BGBl. Nr. 199/1982 und somit, ohne auf eine spezielle Regelung in § 18 Abs. 4 AVG idF der genannten Novelle betreffend "vervielfältigte " Ausfertigungen zu rekurrieren, ausgesprochen, dass es zulässig ist, bei einem im Vervielfältigungsverfahren ausgefertigten Bescheid die Unterschrift gleichfalls zu vervielfältigen. Die Ausfertigung müsse bloß einwandfrei erkennen lassen, dass der betreffende Namenszug im Original angebracht worden ist (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , 85/18/0004). Eine andere Sichtweise gebietet sich auch nicht im Anwendungsbereich der BAO. Im Übrigen hat die Weiterentwicklung der Kopiertechnik zur Folge, dass dem Laien die Unterscheidung zwischen Original und Kopie vielfach nur mehr schwer möglich ist.

Mit dem angefochtenen Bescheid wird die Berufung des Beschwerdeführers (betreffend Einkommensteuer 2005 und 2006) als zurückgenommen erklärt, weil einem Auftrag der belangten Behörde, eine Begründung dieser Berufung (binnen Wochenfrist) nachzuholen, nicht nachgekommen worden sei. Der angefochtene Bescheid erweist sich schon deshalb als mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weil er - wie oben ausgeführt - zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass ein solcher Auftrag wirksam erlassen worden wäre.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am