VwGH vom 25.02.2015, 2011/13/0133

VwGH vom 25.02.2015, 2011/13/0133

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer-Jenkins, über die Beschwerde der I F in W, vertreten durch die Doschek Rechtsanwalts GmbH in 1030 Wien, Reisnerstraße 29/7, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/2369-W/09, miterledigt RV/2370-W/09, betreffend u.a. Einkommensteuer 2002 (Berichtigung gemäß § 293b BAO), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Anfechtung (Einkommensteuer 2002, Berichtigung gemäß § 293b BAO) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin wies in ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2002 unter anderem aus der Veräußerung ihrer Beteiligung an einer GmbH stammende sonstige Einkünfte aus, deren Ermittlung sie in einer Beilage darstellte. Danach ergab sich aus dem Veräußerungserlös "laut Vertrag vom " in Höhe von etwa EUR 700.000 und (negativen) "Anschaffungskosten gemäß Sacheinlage- und Einbringungsvertrag vom " in Höhe von etwa EUR 400.000 zunächst eine Summe von rund EUR 1,1 Mio, wobei die "Anschaffungskosten" als Umrechnung eines "Mitunternehmeranteils laut Einbringungsbilanz" in der Höhe eines als negativ ausgewiesenen Betrages von etwa S 6 Mio dargestellt waren.

Dem folgte in der Beilage der Hinweis, gemäß § 124b Z 57 EStG 1988 könne "anstelle der Anschaffungskosten" der gemeine Wert der Anteile zum angesetzt werden, der sich aus dem im April 2002 erzielten Kaufpreis ergebe. Dieser Betrag wurde sodann von der errechneten Zwischensumme in Abzug gebracht, womit sich als erklärter "Gewinn" aus der Veräußerung die Anschaffungskosten von 1996 in der Höhe von umgerechnet etwa EUR 400.000 ergaben.

Mit Schreiben vom forderte das Finanzamt die Beschwerdeführerin zur Vorlage der Verträge vom und auf. Mit Schreiben vom legte die Beschwerdeführerin die beiden Verträge vor, mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für 2002 erklärungsgemäß fest.

In der Niederschrift vom über die Schlussbesprechung anlässlich einer bei der Beschwerdeführerin durchgeführten Außenprüfung führte die Prüferin unter Bezugnahme auf das aus dem Vertrag von 1996 ersichtliche Ausmaß der Beteiligung der Beschwerdeführerin aus, die Beschwerdeführerin habe in ihrer Einkommensteuererklärung zum Veräußerungserlös die negativen Anschaffungskosten hinzugerechnet und sodann "anstelle der Anschaffungskosten" den gemeinen Wert zum Ansatz gebracht, "wodurch" sich sonstige Einkünfte in der Höhe von rund EUR 400.000 ergeben hätten. Der Ansatz des gemeinen Wertes sei jedoch "nicht zulässig bei Anteilen, die nur auf Grund des § 20 Abs 5 UmgrStG als Anteile im Sinne des § 31 EStG gelten. Gegenständlich kommt durch den Sacheinlage- und Einbringungsvertrag vom § 20 Abs 5 UmgrStG zur Anwendung und die Veräußerung erfolgte innerhalb der normierten 10 Jahresfrist. Daher ist es nicht zulässig den gemeinen Wert der Anteile an Stelle der Anschaffungskosten entsprechend des § 124b Z 57 EStG zum Ansatz zu bringen". Die sonstigen Einkünfte aus der Veräußerung der Beteiligung entsprächen somit der von der Beschwerdeführerin zunächst ermittelten Zwischensumme von rund EUR 1,1 Mio.

Zur Erfüllung der Voraussetzungen für eine Berichtigung gemäß § 293b BAO führte die Prüferin aus, "gegenständlich" sei "als Anschaffungskosten der Beteiligung der gemeine Wert in Abzug gebracht" worden. Da "diese Anteile nur auf Grund des § 20 Abs 5 UmgrStG als Anteile im Sinne des § 31 EStG gelten", liege "eine offensichtliche Unrichtigkeit der Abgabenerklärung vor, da der Ansatz des gemeinen Wertes in diesem Fall nicht zulässig ist". Bei der Ermessensübung sei dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit Vorrang vor dem der Rechtsbeständigkeit einzuräumen.

In ihrer Berufung gegen den unter Verweis auf diese Ausführungen erlassenen Berichtigungsbescheid des Finanzamtes führte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, die neue Beurteilung der Rechtslage sei ein "komplizierter Vorgang" gewesen, bei dem § 31 Abs. 1 sowie § 124b Z 57 EStG 1988 und § 20 Abs. 5 UmgrStG im Zusammenhang anzuwenden gewesen seien, wobei die Formulierung der zweiten dieser Bestimmungen auch in bestimmter Weise (Hervorhebung des Wortes "nur" im letzten Satz) "verwirrend" sei. Dass die Unrichtigkeit nicht "offenkundig" gewesen sei, ergebe sich auch daraus, dass sie im Zuge des abgeführten Vorhalteverfahrens, in dem die Verträge vorgelegt worden seien, nicht hervorgekommen sei.

In ihrer Stellungnahme zur Berufung erläuterte die Prüferin das Prüfungsergebnis wie folgt:

"Es wurde erkannt, dass die Darstellung der Berechnung in der

Beilage zur Einkommensteuererklärung 2002 offensichtlich unrichtig

ist. Vom Veräußerungserlös laut Vertrag in Höhe von ... hätte nur

der gemeine Wert zum laut Darstellung ebenfalls in Höhe

von ... in Abzug gebracht werden dürfen, sodass sich ein Ergebnis

von Null ergibt. Offensichtlich unrichtig wurden in der erfolgten

Darstellung die Anschaffungskosten von ... hinzugerechnet. Somit

ist die erfolgte Ermittlung der sonstigen Einkünfte aus der

Veräußerung der Beteiligung an der ... GmbH offensichtlich

unrichtig erfolgt. (...) Die Unrichtigkeit ist nicht, wie in der Berufung angeführt, auf einen komplexen Rechtsbereich oder angeblich 'verwirrende' Gesetzestextierung zurückzuführen".

In ihrer Gegenäußerung führte die Beschwerdeführerin - zusammengefasst - aus, ohne "Beschaffung und Prüfung des Sacheinlage- und Einbringungsvertrages vom " und Subsumtion unter die in der Berufung erwähnten Bestimmungen hätte die in der Niederschrift dargestellte Unrichtigkeit nicht festgestellt werden können.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung hinsichtlich der Berichtigung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2002 als unbegründet ab, was sie im Anschluss an allgemeine Rechtsausführungen wie folgt begründete:

"Im Berufungsfall ist die Rechtswidrigkeit bereits anhand des Gesetzes (aus § 31 Abs. 1 EStG 1988,§ 124b Z 57 EStG 1988 und § 20 Abs. 5 UmgrStG) ersichtlich. Es bedarf, um dies zu erkennen, weder der Kenntnis diesbezüglicher Judikatur oder Literatur noch sachverhaltsmäßiger weiterer Ermittlungen.

Die gegenständliche Unrichtigkeit ist nicht erst durch Ermittlungen der Betriebsprüfung im Tatsachenbereich hervorgekommen, sondern hat sich bereits aus der Aktenlage ergeben. Die Berechnung der sonstigen Einkünfte aus der Beteiligungsveräußerung wurde von der Berufungswerberin in der Beilage zur Einkommensteuererklärung für 2002 dargelegt. Auf Vorhalt des Finanzamtes wurden von der Berufungswerberin im Oktober 2004 unter anderem der Sacheinlage- und Einbringungsvertrag vom und der Kaufvertrag vom vorgelegt. Die (unrichtige) Berechnung der Einkünfte aus der Beteiligungsveräußerung wurde in den Einkommensteuer-Erstbescheid für 2002 vom übernommen."

Dem folgen im angefochtenen Bescheid zu diesem Thema noch eine Begründung der Ermessensübung, weitere allgemeine Rechtsausführungen und der Satz, "auf Grund obiger Ausführungen" sei die Berichtigung "zu Recht erfolgt".

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 293b BAO kann die Abgabenbehörde auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen einen Bescheid "insoweit berichtigen, als seine Rechtswidrigkeit auf der Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen beruht".

Strittig ist dabei im vorliegenden Fall nicht die gedankliche Unschlüssigkeit der in der Beilage zur Abgabenerklärung dargestellten Berechnung, sondern die der Berichtigung zugrunde gelegte und in der Beschwerde nicht bekämpfte Ansicht, dass das in § 124b Z 57 EStG 1988 normierte und von der Beschwerdeführerin in Anspruch genommene Wahlrecht ihr im vorliegenden Fall nicht zugestanden habe.

Ob dies eine Berichtigung gemäß § 293b BAO ermöglichte, hängt nach dem Gesetz und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes davon ab, ob es im Zeitpunkt der Erlassung des zu berichtigenden Bescheides (vgl. dazu Ritz , BAO5, § 293b Tz 4) "offensichtlich" war und die Rechtswidrigkeit auf der "Übernahme" der Unrichtigkeit aus der Abgabenerklärung "beruhte". Im vorliegenden Fall mag die vom Finanzamt aufgegriffene Unrichtigkeit bei Kenntnis der Verträge trotz einer gewissen Kompliziertheit der anzuwendenden Rechtslage "offensichtlich" gewesen sein, was keiner abschließenden Klärung bedarf. Es bedarf auch keiner Auseinandersetzung mit der im angefochtenen Bescheid trotz entsprechenden Vorbringens der Beschwerdeführerin nicht behandelten Frage, ob eine solche Offensichtlichkeit allein schon auf Grund der Abgabenerklärung und ohne Ermittlung der Vertragsinhalte bestehen konnte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich einerseits klargestellt, dass § 293b BAO nicht nur auf sogenannte "Soforteingabefälle" anzuwenden ist (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , 2007/15/0285, m.w.N.). Er hat aber andererseits in Anknüpfung an das Erkenntnis vom , 93/13/0277, VwSlg 7273/F, in dem Erkenntnis vom , 2002/14/0100, VwSlg 8242/F, seine Entscheidung darauf gestützt, dass die Durchführung eines Vorhalteverfahrens unabhängig davon, ob ein ergänzendes Ermittlungsverfahren überhaupt erforderlich war, jedenfalls aufzeige, dass im Rahmen der entsprechenden Veranlagung nicht eine Unrichtigkeit übersehen wurde, sondern Zweifel an der Richtigkeit der Erklärung entstanden waren. Wird in einem solchen Fall schließlich erklärungsgemäß und damit unrichtig veranlagt, so kann doch von einer "im Vertrauen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben" der Partei (vgl. insoweit den Bericht des Finanzausschusses zum Abgabenänderungsgesetz 1989, 1162 BlgNR 17. GP 15) erfolgten "Übernahme" einer offensichtlichen Unrichtigkeit aus der Abgabenerklärung im Sinne des § 293b BAO nicht mehr die Rede sein.

Dies hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall verkannt, weshalb der angefochtene Bescheid im Umfang der Anfechtung gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am