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VwGH vom 27.10.2014, 2014/02/0053

VwGH vom 27.10.2014, 2014/02/0053

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Riedinger und die Hofräte Dr. Lehofer und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas-Hutchinson, über die Revision des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz in 1010 Wien, Stubenring 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom , Zl. LVwG 30.12-532/2014-6, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung; mitbeteiligte Partei: DI G in E), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark aufgehoben.

Begründung

Mit Straferkenntnis vom verhängte die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung (BH) über den Mitbeteiligten als verantwortlichen Beauftragten der G. GmbH wegen Verletzung des § 130 Abs. 1 Z 10 iVm § 8 Abs. 4 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) sieben Geldstrafen in Höhe von je EUR 1.000,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit je einen Tag und zwei Stunden Ersatzfreiheitsstrafe).

Dagegen erhob der Mitbeteiligte Berufung und führte begründend wie folgt aus: Er sei Familienvater, Alleinverdiener und müsse für seine Frau und zwei Kinder sorgen. Zusätzlich müsse er einen hohen Schweizer-Franken-Kredit monatlich tilgen. Eine Belastung von EUR 7.700,-- sei mit seinem "Budget derzeit nicht aufbringbar". Wegen des Schweizer-Franken-Kredits sei es ihm nicht möglich, einen zusätzlichen Kredit zur Abgeltung einer so hohen Strafe aufzunehmen. Das Strafausmaß sei unverhältnismäßig und ungebührlich hoch. Er "bitte eindringlich um Strafminderung".

Das beim Unabhängigen Verwaltungssenat für Steiermark anhängig gewesene Verfahren wurde mit vom Landesverwaltungsgericht Steiermark weitergeführt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wurde der Beschwerde vom Landesverwaltungsgericht Steiermark "Folge gegeben und der Strafausspruch zur Gänze aufgehoben".

Des Weiteren sprach das Landesverwaltungsgericht Steiermark aus, dass eine Revision gegen diese Entscheidung gemäß § 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Begründend führte das Landesverwaltungsgericht Steiermark aus, dass vom Mitbeteiligten nur die Strafhöhe angefochten worden sei. Der Schuldspruch sei im Umfang der als erwiesen angenommenen Taten und der Rechtsvorschriften, die durch die Taten verletzt worden seien, rechtskräftig.

Da die Bauunternehmung G. GmbH im Beschwerdefall - so führte das Landesverwaltungsgericht Steiermark in seiner Begründung weiter aus - zwar auf Grund des vom Planungskoordinator und Baustellenkoordinator erstellten Sicherheits- und Gesundheitsschutzplanes verpflichtet gewesen sei, Absturzsicherungen anzubringen, zur Tatzeit jedoch an den betreffenden Stellen keine Arbeitnehmer beschäftigt habe, sei sie nicht Adressatin des § 8 Abs. 4 erster Satz ASchG gewesen, da sich diese Verpflichtung (und die Strafnorm des § 130 Abs. 1 Z 10 ASchG) ausdrücklich an die Arbeitgeber richte.

Die Bestrafung des Mitbeteiligten als verantwortlichen Beauftragten sei daher "nicht rechtens" und "zur Gänze aufzuheben".

Da die Rechtsprechung zu den hier zu lösenden Rechtsfragen nicht uneinheitlich sei und dieses Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche, sei eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche (Amts-)Revision nach Vorlage derselben sowie der Verfahrensakten durch das Landesverwaltungsgericht Steiermark und nach Einleitung des Vorverfahrens - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - erwogen:

Der Revisionswerber macht zur Zulässigkeit der Revision u. a. geltend, dass in der Begründung der angefochtenen Entscheidung zunächst zwar zutreffend festgestellt werde, dass der Schuldspruch des Straferkenntnisses der BH bereits mit Ablauf der Berufungsfrist rechtskräftig geworden sei, weil sich die Berufung nur gegen den Ausspruch über die Strafzumessung gerichtet habe.

Allerdings stehe diese Feststellung in Widerspruch zu den sonstigen Ausführungen des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark. Aus diesen gehe nämlich hervor, dass das Verwaltungsgericht im Wesentlichen eine Überprüfung der Frage vorgenommen habe, ob die gesetzliche Vorschrift, deren Übertretung dem Mitbeteiligten angelastet worden sei, diesen überhaupt verpflichtet habe. Es sei sodann zu der Auffassung gelangt, dass der Mitbeteiligte nicht Normadressat dieser Bestimmung gewesen sei. Auf Grund dieser rechtlichen Beurteilung habe es schließlich den "Strafausspruch zur Gänze aufgehoben".

Die eingetretene Teilrechtskraft des Straferkenntnisses der BH bedeute aber, dass die Frage der Strafbarkeit des dem Mitbeteiligten vorgeworfenen Verhaltens nicht mehr Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens hätte sein dürfen. Das Verwaltungsgericht hätte sich ausschließlich mit der Frage der Strafzumessung im Sinne des § 19 VStG befassen dürfen.

Hinzu komme noch, dass

§ 27 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichts durch den Inhalt der Beschwerde (bzw. im vorliegenden Fall der Berufung) dahingehend beschränke, dass dieses an das Beschwerdevorbringen gebunden sei. Dieses sei im vorliegenden Fall ausdrücklich auf Strafminderung gerichtet. Eine Überprüfung des Schuldspruches sei dem Verwaltungsgericht daher auch aus diesem Grund verwehrt.

Die Revision erweist sich als zulässig. Sie ist auch begründet.

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, führt § 27 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) hinsichtlich des Prüfungsumfanges aus, dass es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen hat.

Zur Rechtslage vor Einführung der Verwaltungsgerichte hat der Verwaltungsgerichtshof folgende Rechtsansicht vertreten:

Bekämpft der Berufungswerber nur den Ausspruch über die Strafe, ist Gegenstand des Berufungsverfahrens nur die Frage der Strafbemessung. Hinsichtlich der Frage der Strafbarkeit ist diesfalls Teilrechtskraft eingetreten (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 99/15/0172, vom , Zl. 2000/15/0084, und vom , Zl. 2013/17/0305).

Für die Beurteilung der Frage, ob in einer gegen ein Straferkenntnis gerichteten Berufung ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe angefochten wird, kommt es auf den Inhalt dieser Berufung in ihrer Gesamtheit an. Maßgebend ist, ob bei objektiver Betrachtungsweise davon ausgegangen werden kann, dass der Beschuldigte auch den Schuldspruch bekämpft hat (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 91/02/0002, und vom , Zl. 99/07/0010).

Aus dem Inhalt der verfahrensgegenständlichen Berufung des Mitbeteiligten ergibt sich bei objektiver Betrachtungsweise eindeutig, dass nur das Ausmaß der verhängten Strafe angefochten wird.

Macht jedoch die Berufungsbehörde in einer Verfahrenskonstellation wie der vorliegenden dennoch die Prüfung der Strafbarkeit zum Gegenstand ihrer Entscheidung, nimmt sie eine Zuständigkeit in Anspruch, die ihr nicht zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/15/0084).

Diese Judikatur hat auch im Anwendungsbereich des § 27 VwGVG weiterhin Gültigkeit. Hinsichtlich des Prüfungsumfanges bestimmt § 27 VwGVG, dass das Verwaltungsgericht - soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet -

den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde zu überprüfen hat. Das Beschwerdevorbringen ist im vorliegenden Fall ausdrücklich auf Strafminderung beschränkt. Eine Überprüfung des Schuldspruchs war dem Landesverwaltungsgericht Steiermark daher verwehrt.

Die angefochtene Entscheidung war sohin wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben.

Wien, am