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VwGH vom 25.03.2015, 2011/13/0015

VwGH vom 25.03.2015, 2011/13/0015

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger, Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas-Hutchinson, über die Beschwerde der U AG in W, vertreten durch die Ernst Young Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft m.b.H. in 1220 Wien, Wagramer Straße 19, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/3434-W/10, betreffend u.a. Haftung zur Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer für die Jahre 2005, 2006 und 2007, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Anfechtung (Haftung zur Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer für die Jahre 2005, 2006 und 2007) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Bei der Beschwerdeführerin, einer Bank, wurde eine Lohnsteuerprüfung betreffend den Zeitraum bis durchgeführt. Der Prüfer stellte fest, dass die Beschwerdeführerin ihren Dienstnehmern zinsverbilligte Darlehen gewährt und die monatlich abgerechnete Zinsersparnis als laufenden Bezugsteil behandelt habe. "Beitragsrechtlich" liege zwar ein "laufender Bezug" vor, steuerrechtlich sei die Zinsersparnis aber als "sonstiger Bezug gemäß § 67 Abs. 1 und 2 EStG 1988" abzurechnen. Die Zinsersparnis könne daher nicht in die Sechstelberechnung gemäß § 67 Abs. 1 und Abs. 2 EStG 1988 einbezogen werden.

Das Finanzamt folgte dem Prüfer und schrieb der Beschwerdeführerin mit Haftungsbescheiden vom die aus der angeführten - und weiteren nicht verfahrensgegenständlichen - Feststellung(en) resultierende Lohnsteuer für die Kalenderjahre 2005, 2006 und 2007 vor.

Die Beschwerdeführerin berief mit Schriftsatz vom gegen die Haftungsbescheide vom und brachte in der Berufung u.a. vor, sonstige Bezüge iSd § 67 Abs. 1 und Abs. 2 EStG 1988 seien dadurch gekennzeichnet, dass sie sich durch vertragliche Festsetzung und tatsächliche Auszahlung deutlich von den laufenden Bezügen unterschieden. Bezügen, die laufend gewährt würden, könne nicht der Charakter eines sonstigen Bezuges zugebilligt werden. Die Beschwerdeführerin habe mit ihren Mitarbeitern die monatliche Abrechnung der Kreditzinsen vereinbart. Es erfolge eine kontokorrentmäßige Abrechnung der Zinsen und eine monatliche Vorschreibung und Erfassung. Die Zinsersparnis stelle daher im Streitfall keinen sonstigen Bezug iSd § 67 Abs. 1 und Abs. 2 EStG 1988 dar, auch wenn sie gemäß § 5 der Verordnung über die bundeseinheitliche Bewertung bestimmter Sachbezüge ab 2002, BGBl. II Nr. 416/2001 (im Folgenden nur: Sachbezugsverordnung), als solcher gelte.

Mit Berufungvorentscheidung vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen, woraufhin die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom beantragte, die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorzulegen.

Die belangte Behörde gab der Berufung mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge und führte begründend aus, nach dem eindeutigen Wortlaut der Sachbezugsverordnung (§ 5 Abs. 2 3. Satz) "ist" die Zinsersparnis "ein sonstiger Bezug im Sinne des § 67 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes 1988". Wäre eine Prüfung im Einzelfall gewollt gewesen, hätte es der expliziten Aufnahme des 3. Satzes in § 5 Abs. 2 der Sachbezugsverordnung nicht bedurft. "Oder anders formuliert: will man nicht davon ausgehen, dass der 3. Satz in § 5 Abs. 2 der Sachbezugsverordnung überflüssig ist, so kann diesem nur das Verständnis beigemessen werden, dass eine Prüfung im Einzelfall, ob sonstige oder laufende Bezüge vorliegen, zu unterbleiben hat. Es ist aber ein selbstverständlicher Auslegungsgrundsatz, dass eine Norm nicht so zu verstehen ist, dass sie überflüssig ist, weil sich ihre Rechtsfolgen praktisch bereits aus anderen Normen (hier: § 67 Abs. 1 und Abs. 2 EStG 1988) ergeben." Ohne sichtbaren Grund könne dem Gesetzgeber nicht zugemutet werden, dass er überflüssige Worte gebrauche. Das Finanzamt habe daher zu Recht das Vorliegen laufender Bezüge verneint.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 15 Abs. 2 EStG 1988 sind geldwerte Vorteile (Wohnung, Heizung, Beleuchtung, Kleidung, Kost, Waren, Überlassung von Kraftfahrzeugen zur Privatnutzung und sonstige Sachbezüge) mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsortes anzusetzen.

Um die Gleichmäßigkeit der Besteuerung (§ 114 BAO) zu wahren und die Lohnverrechnung zu vereinfachen, wurde zur Bewertung der häufigsten Sachbezüge die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die bundeseinheitliche Bewertung bestimmter Sachbezüge ab 2002, BGBl. II Nr. 416/2001, erlassen, deren - die Zinsersparnis bei unverzinslichen Gehaltsvorschüssen und Arbeitgeberdarlehen betreffender - § 5 (idF BGBl. II Nr. 582/2003) wie folgt lautet:

"§ 5. (1) Die Zinsersparnis bei unverzinslichen Gehaltsvorschüssen und Arbeitgeberdarlehen ist mit 3,5% anzusetzen.

(2) Die Höhe der Raten und die Rückzahlungsdauer haben keinen Einfluss auf das Ausmaß des Sachbezuges. Die Zinsersparnis ist mit 3,5% des aushaftenden Kapitals (abzüglich allfälliger vom Arbeitgeber verrechneter Zinsen) zu berechnen. Die Zinsersparnis ist ein sonstiger Bezug im Sinne des § 67 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes 1988. Für Zinsersparnisse aus Gehaltsvorschüssen und Arbeitgeberdarlehen bis zu insgesamt 7.300 Euro ist kein Sachbezug anzusetzen. Übersteigen Gehaltsvorschüsse und Arbeitgeberdarlehen den Betrag von 7.300 Euro, ist ein Sachbezug nur vom übersteigenden Betrag zu ermitteln."

§ 67 EStG 1988 legt für "sonstige Bezüge" eine begünstigte Besteuerung fest, indem diese Bezüge aus der allgemeinen Besteuerungsgrundlage ausgeschieden und einer selbständigen Besteuerung unterworfen werden. Die in den Abs. 3 bis 8 des § 67 leg. cit. angeführten Bezüge sind jedenfalls sonstige Bezüge. Bei den anderen Bezügen ist zu prüfen, ob sonstige Bezüge im Sinne des Abs. 1 vorliegen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung zur Vorschrift des § 67 Abs. 1 EStG 1988 und ihren Vorgängerbestimmungen erkennt, liegen sonstige Bezüge im Sinne dieser Gesetzesbestimmung dann vor, wenn sie sich sowohl durch den Rechtstitel, aus dem der Arbeitnehmer den Anspruch ableiten kann, als auch durch die tatsächliche Auszahlung deutlich von den laufenden Bezügen unterscheiden. Sonstige Bezüge im Sinne des § 67 Abs. 1 EStG 1988 und seiner Vorgängerbestimmungen sind solche, die nicht für den üblichen Lohnzahlungszeitraum geleistet werden, sondern die der Arbeitgeber neben, also zusätzlich zum laufenden Lohn bezahlt, was aus äußeren Merkmalen ersichtlich sein muss (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , 2002/13/0097, mwN).

Nach dem Gesagten stellen Sachbezüge gemäß § 15 EStG 1988 keine sonstigen Bezüge iSd § 67 Abs. 1 EStG 1988 dar, soweit sie laufend gewährt werden. Anderes kann für nicht laufend gewährte Sachbezüge gelten (vgl. Hofstätter/Reichel , EStG 1988,§ 67 Abs. 1 und 2 Tz 5; Doralt , EStG14 § 67 Tz 9, Hofbauer in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG 12. GL § 67 Anm 9;

Quantschnigg/Schuch , Einkommensteuerhandbuch, § 67 Tz 7).

Die Beschwerdeführerin hat ihren Arbeitnehmern zinsverbilligte Darlehen gewährt. Folgt man den - insoweit unwidersprochenen - Ausführungen in der Berufung, so wurde mit den Arbeitnehmern in Bezug auf diese Darlehen die monatliche Abrechnung der Kreditzinsen vereinbart, wobei eine kontokorrentmäßige Abrechnung der Zinsen und eine monatliche Vorschreibung und Erfassung auch tatsächlich erfolgte. Die Arbeitnehmer haben demnach Monat für Monat eine Zinsersparnis realisiert, die nach der oben zitierten Rechtsprechung keinen sonstigen Bezug iSd § 67 Abs. 1 EStG 1988 darstellt. Dass die Zinsersparnis laut § 5 Abs. 2 der Sachbezugsverordnung ein sonstiger Bezug im Sinne des § 67 Abs. 1 und 2 ist, ändert daran nichts, weil die diesbezügliche Aussage der Verordnung - bei gesetzeskonformer Auslegung - nur als Klarstellung für jene Fälle angesehen werden kann, in denen die Zinsersparnis den Dienstnehmern gesammelt zufließt (vgl. Quantschnigg/Schuch , Einkommensteuerhandbuch, § 15 Tz 31).

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er im angefochtenen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am