VwGH vom 21.02.2022, Ra 2021/17/0161

VwGH vom 21.02.2022, Ra 2021/17/0161

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner sowie den Hofrat Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des E J in G, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom , Zl. LVwG-S-1586/001-2021, betreffend Vorschreibung von Barauslagen nach dem GSpG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Korneuburg), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich (Verwaltungsgericht) vom wurde der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer der J GmbH in G der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 dritter Fall Glücksspielgesetz - GSpG schuldig erkannt, weil er zu verantworten habe, dass diese Gesellschaft in einer näher bezeichneten Tankstelle in G vom bis zum „zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen iSd § 2 Abs. 4 GSpG unternehmerisch zugänglich“ gemacht habe. Das Verwaltungsgericht verhängte über den Revisionswerber eine Geldstrafe von € 2.000,-- (samt Ersatzfreiheitsstrafe). Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass der Revisionswerber einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe, und es erklärte eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

2Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde dem Revisionswerber gemäß § 50 Abs. 10 GSpG die Bezahlung von im Zuge eines Beschlagnahme- und Einziehungsverfahrens entstandenen Kosten gemäß § 53 Abs. 1 und § 54 Abs. 1 GSpG nach der am im Spiellokal K in G erfolgten Beschlagnahme eines näher bezeichneten Wettterminals im Gesamtbetrag von € 1.164,-- auferlegt.

3Mit weiterem Bescheid der belangten Behörde vom wurde die „Beschwerde [des Revisionswerbers] gegen den Kostenbescheid [...] vom [...] gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG ([...]) abgewiesen.“

4Begründend wurde (u.a.) ausgeführt, ein Glücksspielgerät sei nach der am erfolgten Beschlagnahme im Spiellokal K in G eingezogen und verwertet worden. Bei der Öffnung durch Schlosser habe ein Gesamtbetrag von € 12,50 sichergestellt werden können. Dieser Betrag sei dem Finanzamt für Gebühren, Verkehrssteuern und Glücksspiel zur Anrechnung auf bestehende Abgabenforderungen überwiesen worden. Für die „Aufsperrung“ des Automaten habe eine näher bezeichnete Schlosserei Kosten von € 216,-- geltend gemacht. Für die Verfrachtung zum Lagerort seien Kosten von insgesamt € 516,-- entstanden. An Lagerkosten sowie an Auslagerungspauschale seien € 234,-- und für weitere anteilsmäßige Lagerkosten € 110,-- (ein Drittel von € 330,--) verrechnet worden. Für weitere Frachtkosten seien € 88,-- (wiederum ein Drittel von € 264,--) berechnet worden. Diese Kosten von insgesamt € 1.164,-- seien dem Revisionswerber als Bestraftem gemäß § 50 Abs. 10 GSpG aufzuerlegen.

5Das Verwaltungsgericht wies die gegen diesen Bescheid erhobene „Beschwerde“ des Revisionswerbers mit dem angefochtenen Erkenntnis vom ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 50 VwGVG als unbegründet ab und sprach gemäß § 25a VwGG aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei. Dabei ersetzte das Verwaltungsgericht den Spruch des angefochtenen Bescheides auszugsweise wie folgt:

„Gemäß § 50 Abs. 10 GSpG wird Ihnen der Ersatz folgender Barauslagen auferlegt, die der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg im Zusammenhang mit der Beschlagnahme des Glücksspielgeräts [...] am in der Tankstelle [...] entstanden sind:

-Kosten für das Aufsperren des Glücksspielgerätes durch die Schlosserei O am in der Höhe von € 216,--

-Kosten für die Verfrachtung vom Ort der Beschlagnahme zum Lagerungsort in K durch die T GmbH in der Höhe von € 444,--.

-Lagerkosten und Auslagerungspauschale bei der T GmbH in der Kalenderwoche 27 bis 44 des Jahres 2018 in der Höhe von € 416,--.

-Kosten der Verfrachtung vom Lagerungsort bei der T GmbH in K in das Depot der Behörde in Brunn an der Wild am durch die Firma M GmbH in der Höhe von € 88,--.

Der Gesamtbetrag in der Höhe von € 1.164,-- ist innerhalb von zwei Wochen (bei sonstiger Exekution) ab Zustellung dieser Entscheidung einzuzahlen.“

6Begründend führte das Verwaltungsgericht (u.a.) aus, ein näher bezeichnetes Glücksspielgerät sei am in einem näher genannten Lokal (Tankstelle in G) vorläufig beschlagnahmt worden. Durch die belangte Behörde sei „vor Ort“ der Beschlagnahmebescheid vom erlassen worden. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes vom sei die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Beschlagnahmebescheid als unbegründet abgewiesen worden. Mit rechtskräftigem Bescheid der belangten Behörde vom sei die Einziehung des beschlagnahmten Glücksspielgerätes angeordnet worden. Am sei dieses Glücksspielgerät durch ein näher genanntes Unternehmen vernichtet und entsorgt worden. Für die Lagerung, Abholung und Vernichtung des betreffenden Gerätes seien die im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses näher dargestellten Kosten erwachsen.

7In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht (u.a.) aus, der Revisionswerber sei rechtskräftig wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem GSpG bestraft worden. Die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 50 Abs. 10 GSpG sei daher jedenfalls gegeben. Die Kosten des Schlüsseldienstes im Rahmen des Einziehungsverfahrens seien als Barauslagen der Behörde entstanden, das Vorbringen des Revisionswerbers sei daher zusammenfassend nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit hinsichtlich der Vorschreibung der Barauslagen über die Öffnung des Glücksspielgerätes darzulegen. Die Kosten der Verwahrung der Lagerkosten entsprächen dem eingeholten Kostenvoranschlag und seien nachvollziehbar nach Kalenderwochen verrechnet und von der belangten Behörde ausbezahlt worden. Auch die Transportkosten am seien nicht unangemessen hoch. Zudem seien die weiteren Transportkosten am „im Zusammenhang mit dem Beschlagnahmeverfahren erwachsen.“

8Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

9Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

101.1. Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der außerordentlichen Revision unter anderem vor, das Verwaltungsgericht habe seine Kognitionsbefugnis überschritten und es habe die Sache des Verfahrens ausgetauscht, indem es - hier auf das Wesentliche zusammengefasst - anstelle des von der belangten Behörde angenommenen Beschlagnahmezeitpunkts den und anstelle des Beschlagnahmeortes Spiellokal K die näher bezeichnete Tankstelle in G herangezogen habe.

111.2. Die Revision erweist sich bereits mit diesem Vorbringen als zulässig und begründet.

121.3. „Sache“ des Beschwerdeverfahrens ist jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde gebildet hat. Nimmt das Verwaltungsgericht mit einer Entscheidung in einer Angelegenheit, die nicht Gegenstand der Entscheidung der Verwaltungsbehörde war, mithin mit einer „Überschreitung der Sache“ des Verfahrens der belangten Behörde, eine ihm nach dem Gesetz nicht zustehende Kompetenz in Anspruch, belastet es seine eigene Entscheidung mit Rechtswidrigkeit (vgl. etwa , mwN).

131.4. Aus den Verwaltungsakten ergibt sich, dass sowohl am (Tankstelle) als auch am (Spiellokal) Beschlagnahmen von Glücksspielgeräten in jeweils von der J GmbH betriebenen, aber in verschiedenen Lokalen in G erfolgt sind. Ohne weiteres erkennbar handelt es sich dabei nicht nur um verschiedene Orte, sondern auch um verschiedene Zeitpunkte, die eine separate Behandlung der im jeweiligen Beschlagnahme- und Einziehungsverfahren entstandenen Kosten erfordern und damit eine andere „Sache des Verfahrens“ bewirken.

141.5. Indem das Verwaltungsgericht einen anderen Beschlagnahmezeitpunkt und -ort als die belangte Behörde im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde gelegt hat, hat es die Sache des Verfahrens überschritten.

152. Entscheidet das Verwaltungsgericht in einer Angelegenheit, die überhaupt noch nicht oder in der von der Rechtsmittelentscheidung in Aussicht genommenen rechtlichen Art nicht Gegenstand des vorangegangenen Verfahrens vor der Verwaltungsbehörde gewesen ist, im Ergebnis erstmals in Form eines Erkenntnisses, so fällt eine solche Entscheidung nicht in die funktionelle Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes und die Entscheidung ist im diesbezüglichen Umfang mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet (vgl. , mwN).

An dieser Beurteilung vermag auch der Umstand, dass sich die Begründung der Bescheide vom und vom auf die Kostenvorschreibung im Einziehungs- und Beschlagnahmeverfahren des am in der Tankstelle in G beschlagnahmten Glücksspielgerätes bezieht, nichts zu ändern.

Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufzuheben.

163. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

174.1. Für das fortgesetzte Verfahren wird das Verwaltungsgericht zu beachten haben, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, dass die Beurteilung der Verhandlungspflicht in Verfahren betreffend die in § 50 Abs. 10 GSpG genannten Sicherungsmaßnahmen anhand der Bestimmung des § 44 VwGVG zu erfolgen hat (vgl. hierzu , und , jeweils mwN). Auch der Abspruch betreffend die Barauslagen ist Gegenstand des Verwaltungsstrafverfahrens (vgl. ).

184.2. Nichts anderes kann in einem Verfahren betreffend die Vorschreibung der im Zusammenhang mit dem Beschlagnahme- oder Einziehungsverfahren erwachsenen Barauslagen gelten, wenn diese in einem gesonderten Bescheid auferlegt wurden (vgl. ).

Wien, am 

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021170161.L00

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