VwGH vom 25.06.2009, 2007/01/1051

VwGH vom 25.06.2009, 2007/01/1051

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde der AY in G, vertreten durch Dr. Hans Lehofer und Mag. Bernhard Lehofer, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Kalchberggasse 8, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. FA7C- 11-1036/2005-74, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seiner Spruchpunkte II. (Widerruf der Zusicherung) und III. (Abweisung des Verleihungsantrages) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Die Beschwerdeführerin wurde am in der Türkei geboren. Sie hat seit ihren Hauptwohnsitz in Österreich und heiratete, nachdem sie von ihrem (türkischen) ersten Ehepartner C Y, dem Vater ihrer beiden Kinder, am geschieden worden war, am den österreichischen Staatsbürger F D. Am beantragte sie bei der belangten Behörde für sich und ihre beiden Kinder die österreichische Staatsbürgerschaft.

2. Mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 20 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) die Verleihung zugesichert, sofern sie innerhalb von zwei Jahren ab Erhalt des Bescheides das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband nachweist. Am legte die Beschwerdeführerin die "Genehmigung zum Austritt aus der türkischen Staatsangehörigkeit" vor.

3. Mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom wurde der Beschwerdeführerin "mit Wirkung vom " die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. Im Zuge der Verleihung wurde sie am niederschriftlich befragt, wobei sie mit ihrer Unterschrift unter anderem bestätigte, dass sie gemäß § 11a Abs. 1 StbG mit ihrem Ehegatten derzeit im gemeinsamen Haushalt lebe.

4. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Graz vom wurde die Ehe der Beschwerdeführerin mit F D gemäß § 55a Ehegesetz einvernehmlich geschieden (Rechtskraft: ). In der Begründung wurde ausgeführt, dass die eheliche Gemeinschaft der Antragsteller seit mehr als sechs Monaten aufgehoben gewesen sei und beide die unheilbare Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses zugestanden hätten. Am ging die Beschwerdeführerin neuerlich eine Ehe mit ihrem ersten Ehemann C Y ein.

5. Am wurde die Beschwerdeführerin durch die belangte Behörde hiezu niederschriftlich befragt, wobei sie in Anwesenheit einer Vertrauensperson Folgendes angab (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Ich habe am Herrn D geheiratet. Aufgrund dieser Ehe habe ich am die österreichische Staatsbürgerschaft erworben. Diese Ehe habe ich aufgrund des Scheidungsurteils vom aufgelöst. Am habe ich wieder meinen

1. Ehemann geheiratet.

Zum Scheidungsurteil gebe ich an, dass ich deshalb geschieden wurde, weil die eheliche Gemeinschaft seit mehr als 6 Monaten aufgehoben war. Dazu gebe ich noch an, dass der gemeinsame Haushalt bereits zwischen 9 Monaten und 1 Jahr aufgehoben war. Herr D hat mir in dieser Zeit auch keine Zahlungen geleistet und wir haben daher auch keinen gemeinsamen Haushalt gehabt. Auch für meine Kinder habe ich alleine den Lebensunterhalt bestritten. Nachdem ich die Entlassung aus dem türkischen Staatsverband am vorgelegt habe habe ich es unterlassen darauf hinzuweisen, dass der gemeinsame Haushalt bereits aufgelassen war."

6. In ihrer Stellungnahme im Zuge des Parteiengehörs zur geplanten Wiederaufnahme des Verfahrens vom führte die Beschwerdeführerin - nunmehr rechtsanwaltlich vertreten - aus, sie habe bis mit F D im gemeinsamen Haushalt gewohnt. Dieser habe erst zwei Tage nach gemeinsamer Antragstellung auf Ehescheidung, welche am erfolgt sei, die Ehewohnung verlassen. Sie habe daher im Zeitpunkt der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft sämtliche Voraussetzungen für die Verleihung erfüllt. Bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme sei sie in sehr schlechter psychischer Verfassung gewesen, da ihr zweiter Ehegatte "Ende März" 2007 (laut Sterbeurkunde ) verstorben sei. Sie habe der Einvernahme sowohl psychisch als auch sprachlich nicht folgen können, sodass es in der Niederschrift zu einer unrichtigen Protokollierung gekommen sei.

7. Mit dem angefochtenen Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom wurde


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-
das Verfahren "um" Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, das mit Bescheid des "Amtes der Steiermärkischen Landesregierung" vom abgeschlossen wurde, wieder aufgenommen und in den Stand vor der Verleihung zurückversetzt (als Rechtsgrundlagen führt die belangte Behörde an: § 39 StbG iVm § 69 Abs. 2 AVG, § 69 Abs. 1 Z 1 AVG, §§ 4, 18, 24 StbG) (Spruchpunkt I.),
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der Bescheid über die Zusicherung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an die Beschwerdeführerin widerrufen (als Rechtsgrundlagen führt die belangte Behörde an:
§ 64a Abs. 4 StbG 1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 37/2006, §§ 18 und 20 Abs. 2 StbG) (Spruchpunkt II.),
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das Ansuchen um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft abgewiesen (als Rechtsgrundlagen führt die belangte Behörde an: § 64 Abs. 4 StbG 1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 37/2006, § 10 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 5, §§ 17 und 18 StbG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 37/2006) (Spruchpunkt III.).
Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei über die Voraussetzungen für die Verleihung informiert gewesen, sie habe ihre persönlichen Dokumente und die Gehaltsnachweise von F D vorgelegt und sie habe in ihrem Antrag sehr wohl zwischen den Daten "Wohnsitz in Österreich" und "Datum der Eheschließung" unterscheiden können. Im Zuge der Niederschrift vom habe sie mit ihrer Unterschrift bestätigt, dass sie im gemeinsamen Haushalt mit F D lebe. Hätte die belangte Behörde von den tatsächlichen familiären Verhältnissen gewusst, hätte der Antrag auf Verleihung nicht positiv erledigt werden können.
In der von der Beschwerdeführerin abgegebenen Stellungnahme würden keine Beweise erbracht, aus denen der vorliegende Sachverhalt der falschen Zeugenaussage oder die Erschleichung eines Bescheides durch Unterlassung der Information über die persönlichen Lebensumstände entkräftet werde. Der Hinweis, dass die melderechtliche Abmeldung erst einen Tag nach der einvernehmlichen Scheidung erfolgt sei, stelle noch keinen Beweis über die Führung eines gemeinsamen Haushaltes dar. Bei der Ermittlung des gemeinsamen Haushaltes gehe es nicht um eine zivilrechtliche Beurteilung des Sachverhaltes, sondern um die Frage, ob der gemeinsame Haushalt im Sinne der von der Beschwerdeführerin angeführten "aufrechten Lebensgemeinschaft" zu erkennen sei. Durch die Einforderung des gemeinsamen Haushaltes könne es nur darum gehen, an den integrationsverstärkenden Charakter eines intakten Ehelebens mit dem österreichischen Staatsbürger anzuknüpfen und umgekehrt defekte eheliche Beziehungen von der privilegierten Verleihung nach § 11a StbG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 37/2006 auszunehmen. Daher biete sich an, das Tatbestandselement "Leben im gemeinsamen Haushalt" im Sinne der häuslichen Gemeinschaft des § 55 EheG zu verstehen.
Die Beschwerdeführerin habe weder im Zuge der niederschriftlichen Befragung noch im Zuge des Parteiengehörs Hinweise oder Beweismittel eingebracht, die zum Entscheidungszeitpunkt einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem damaligen Ehemann erkennen lassen hätten. Die vorliegenden widersprechenden Aussagen der Beschwerdeführerin, die Aussagen vor Gericht, dass die eheliche Gemeinschaft seit mehr als sechs Monaten vor der einvernehmlichen Scheidung aufgehoben gewesen sei sowie die Aussage des F D, dass der gemeinsame Haushalt schon vor der Ehescheidung aufgehoben gewesen sei, seien so zu beurteilen, dass die Beschwerdeführerin im Zuge des Verleihungsverfahrens einerseits durch Unterlassung der Bekanntgabe ihrer persönlichen Verhältnisse den Verleihungsbescheid erschlichen habe und durch Abgabe eines falschen Zeugnisses - über die gemeinsame Haushaltsführung mit F D - den Verleihungsbescheid herbeigeführt habe. Es läge daher ein Wiederaufnahmegrund vor.
Der Zusicherungsbescheid vom sei ebenfalls zu widerrufen, da nach Erlassung des Zusicherungsbescheides die Voraussetzungen des § 11a Abs. 1 StbG aF im Zeitpunkt der Verleihung nicht mehr erfüllt worden seien, da schon vor diesem Zeitpunkt der gemeinsame Hauhalt nicht mehr gegeben gewesen sei.
Der Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft sei abzuweisen gewesen, da die Beschwerdeführerin nicht die Voraussetzungen des Mindestwohnsitzes von sechs Jahren erfülle und auch keine anderen Anhaltspunkte existierten, dass die Voraussetzungen eines anderen Tatbestandes gegeben wären.
8. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
II.


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Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Rechtslage
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des StbG in der Fassung der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006 (im Folgenden: StbG nF) lauten:

"§ 24. Die Wiederaufnahme eines Verleihungsverfahrens darf aus den im § 69 Abs. 1 Z 2 und 3 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, genannten Gründen nur bewilligt oder verfügt werden, wenn der Betroffene hiedurch nicht staatenlos wird.

...

§ 35. Die (...) Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 Abs. 1 Z 1 AVG hat von Amts wegen oder auf Antrag des Bundesministers für Inneres zu erfolgen. ...

...

§ 64a. ...

(4) Verfahren auf Grund eines vor dem In-Kraft-Treten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 37/2006 erlassenen Zusicherungsbescheides nach § 20 Abs. 1 sind nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in der vor der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 37/2006 geänderten Fassung zu Ende zu führen."

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des StbG in der Fassung vor der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, also in der Fassung BGBl. I Nr. 124/1998 (im Folgenden: StbG aF) lauten:

"§ 11a. (1) Einem Fremden ist unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8 und Abs. 3 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn

1. sein Ehegatte Staatsbürger ist und im gemeinsamen Haushalt mit ihm lebt,

..."

2. Zur Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens:

2.1. Zum Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs. 1 Z 1 AVG:

Gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist. Gemäß § 69 Abs. 3 AVG kann die Wiederaufnahme des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Abs. 1 auch von Amts wegen verfügt werden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 2008/01/0212, mwN, ausgesprochen hat, setzt Irreführungsabsicht voraus, dass die Partei wider besseres Wissen gehandelt hat und dies deshalb, um einen vielleicht sonst nicht erreichbaren Vorteil zu erlangen. Ob Irreführungsabsicht vorliegt, kann nur aus den das rechtswidrige Verhalten der Partei begleitenden Umständen geschlossen werden, die von der Behörde in freier Beweiswürdigung festzustellen sind (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/01/0496, und vom , Zl. 2009/01/0017, die alle eine Wiederaufnahme wegen objektiv unrichtiger Erklärung bei Verleihung der Staatsbürgerschaft zum Gegenstand hatten).

Im Beschwerdefall ist die belangten Behörde davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin bei der Verleihung der Staatsbürgerschaft objektiv unrichtig angegeben habe, sie lebe mit F D im gemeinsamen Haushalt. Dies hat die belangte Behörde als Wiederaufnahmegrund nach § 69 Abs. 1 Z 1 AVG gewertet, da diese Angabe der Beschwerdeführerin im Hinblick auf die Verleihungsvoraussetzung nach § 11a Abs. 1 StbG aF von wesentlicher Bedeutung gewesen sei.

2.2. Zum gemeinsamen Haushalt nach § 11a StbG aF:

2.2.1. Die Beschwerdeführerin hält dem entgegen, der gemeinsame Haushalt mit F D sei erst am aufgehoben worden. Im Zeitpunkt der Verleihung der Staatsbürgerschaft habe die Beschwerdeführerin (noch) gemäß § 11a Abs. 1 StbG aF im gemeinsamen Haushalt mit F D gelebt.

Wenn die belangte Behörde ihre zum Gegenteil führenden beweiswürdigenden Überlegungen auf das bei der einvernehmlichen Scheidung nach § 55a EheG aufgenommene Protokoll stütze, unterliege sie - so die Beschwerde weiter - einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Der zivilrechtliche Begriff der "Aufhebung der Lebensgemeinschaft" sei nämlich nicht mit jenem (des gemeinsamen Haushalts) im Sinn des StbG aF gleichzustellen. Die "Aufhebung der Lebensgemeinschaft" im zivilrechtlichen Sinn sei dadurch definiert, dass die eheliche Lebensgemeinschaft im objektiven und subjektiven Empfinden der Betroffenen nicht zerrüttet sei und sämtliche Elemente einer Lebensgemeinschaft bestünden. Die Ehegatten hätten im Rahmen der Scheidungstagsatzung vom zum Ausdruck gebracht, dass deren Lebensgemeinschaft im zivilrechtlichen Sinn betrachtet, seit sechs Monaten aufgehoben gewesen sei, das heißt, dass im subjektiven Empfinden der Ehegatten - ex post betrachtet - eine Zerrüttung der Ehe eingetreten sei. Es handle sich dabei um eine formal notwendige Protokollierung in Entsprechung des Gesetzeswortlautes, welche in jedes Scheidungsprotokoll aufgenommen werde, obgleich es dem usus entspreche, auf gemeinsamen Antrag der Ehegatten auch Ehen, in welchen der Eintritt der unheilbaren Zerrüttung erst kürzer als sechs Monate zurückliege, zu scheiden. Die Ehegatten hätten im Scheidungsverfahren nicht angegeben, dass sie seit sechs Monaten nicht mehr im gemeinsamen Haushalt lebten, richtig sei, dass der gemeinsame Haushalt bis bestanden habe.

2.2.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat in Zusammenfassung der bisherigen Rechtsprechung zum Begriff des gemeinsamen Haushaltes nach § 11a Abs. 1 StbG aF im Erkenntnis vom , Zl. 2005/01/0368, festgehalten:

"Nach dem allgemeinen juristischen Verständnis setzt der gemeinsame Haushalt das Zusammenleben der Ehegatten in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft voraus. Kurzfristige Unterbrechungen dieses Zusammenlebens bei grundsätzlich aufrechtem gemeinsamen Wohnsitz und gemeinsamer Wirtschaftsführung sind für die Annahme eines Lebens im gemeinsamen Haushalt nicht schädlich. Diese (allgemeinen) Überlegungen lassen sich auch auf den Bereich des Staatsbürgerschaftsrechtes übertragen.

In dem (...) Erkenntnis vom (Zl. 2005/01/0113) hat der Verwaltungsgerichtshof erkannt, dass es sich anbiete, "das Tatbestandselement 'Leben im gemeinsamen Haushalt' etwa im Sinn der 'häuslichen Gemeinschaft' des § 55 EheG zu verstehen". Im Folgenden hat er sich fallbezogen an der diesbezüglichen Rechtsprechung der Zivilgerichte orientiert. Gleichwohl ist festzuhalten, dass eine solche Auslegung nur dort Platz greifen kann, wo sie den Grundgedanken des Staatsbürgerschaftsrechts nicht widerspricht. Danach soll die Ehe mit einem österreichischen Ehepartner dort zu einer privilegierten Einbürgerung führen, wo ihr tatsächlich ein integrationsverstärkender Charakter zukommt. Davon kann - nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes - aber grundsätzlich nur dann ausgegangen werden, wenn der Verleihungswerber - ungeachtet der oben erwähnten Ausnahmefälle - mit dem die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Ehegatten tatsächlich im gemeinsamen Haushalt lebt. Unter diesem Blickwinkel lässt sich die Judikatur zu § 55 EheG, die auch bei längerfristiger räumlicher Trennung und entsprechend eingeschränkter oder unterbrochener Wirtschaftsgemeinschaft der Ehegatten eine häusliche Gemeinschaft annimmt, solange ein "einvernehmlicher Ehewille" besteht (vgl. dazu etwa Schimann, ABGB2, § 55 EheG Rz 7ff mit Hinweisen auf die Rechtsprechung), auf das Staatsbürgerschaftsrecht nicht generell übertragen."

2.2.3. Die einvernehmliche Scheidung nach § 55a EheG setzt die Aufhebung der "ehelichen Lebensgemeinschaft" voraus, also insbesondere einen (auch einseitigen) Mangel an jeder Ehegesinnung, welcher durch äußere Momente, wie Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft kundgetan sein kann, aber nicht muss. Die eheliche Lebensgemeinschaft kann daher trotz gemeinsamen Wohnens und Wirtschaftens, z.B. aus Gründen der Wohnungsnot oder im Interesse der Kinder, bereits aufgehoben sein. Umgekehrt kann die eheliche Lebensgemeinschaft auch bei getrenntem Wohnen noch aufrecht sein. Entscheidend ist allein der Verlust ehelicher Gesinnung (vgl. Stabentheiner in Rummel, Kommentar zum ABGB3 (2002), Rz. 2 zu § 55a EheG mwN, insbesondere auf die Erläuterungen in AB 916 BlgNR XIV. GP, 8).

In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 2005/01/0050, festgehalten, dass ein Ehescheidungsbeschluss nach § 55a EheG bzw. die in diesem Zusammenhang abgegebene Erklärung, die eheliche Lebensgemeinschaft sei seit mindestens einem halben Jahr aufgelöst, Ermittlungen darüber, ob der Beschwerdeführer mit seiner Ehegattin im gemeinsamen Haushalt lebte, nicht schlechterdings entbehrlich macht.

2.2.4. Im Beschwerdefall kann daher die Niederschrift im Zuge der einvernehmlichen Scheidung nach § 55a EheG nicht als alleiniger Nachweis dafür dienen, dass die Beschwerdeführerin und F D im Zeitpunkt der Verleihung der Staatsbürgerschaft nicht mehr im gemeinsamen Haushalt gelebt hätten.

2.3. Zu den sonstigen beweiswürdigenden Überlegungen der belangten Behörde:

2.3.1. Ihre Annahme, zum Zeitpunkt der Verleihung der Staatsbürgerschaft an die Beschwerdeführerin habe kein gemeinsamer Haushalt mit F D bestanden, hat die belangte Behörde beweiswürdigend jedoch nicht nur auf das Protokoll der einvernehmlichen Scheidung nach § 55a EheG, sondern auch auf die niederschriftlichen Aussagen der Beschwerdeführerin (am ) und des F D (am ) gestützt. Darin haben die Beschwerdeführerin und F D angegeben, der gemeinsame Haushalt sei im Zeitpunkt der einvernehmlichen Scheidung bereits "zwischen 9 Monaten und 1 Jahr" aufgehoben worden.

Dagegen bringt die Beschwerdeführerin vor, diese Niederschriften seien jeweils ohne Beiziehung eines Dolmetschers durchgeführt worden. Die der deutschen Sprache kaum mächtige Beschwerdeführerin sei - ohne sie über den Gegenstand des Termins zu unterrichten - vorgeladen und zu ihrer Aussage in der Scheidungsverhandlung befragt worden. Sie habe die Fragestellung nicht verstanden und keine präzisen Antworten geben können, die Niederschrift sei von der Sachbearbeiterin formuliert worden und die Beschwerdeführerin habe diese unterschreiben müssen. Aus der Niederschrift sei ersichtlich, dass die gewählte Formulierung nicht von der Beschwerdeführerin stammen könne, da ihr die Begriffe "eheliche Gemeinschaft", "gemeinsamer Haushalt" oder "Bestreitung des Lebensunterhaltes" nicht bekannt seien. Abgesehen von den sprachlichen Schwierigkeiten habe sie sich in einer psychischen Ausnahmesituation befunden, da zwei Monate zuvor C Y, den sie erst am geheiratet habe, verstorben sei. Ebenso unvorbereitet, überstürzt und ohne Dolmetsch sei F D einvernommen worden. Auch dieses Protokoll gebe nicht die tatsächlichen Angaben des Einvernommenen wieder. Daher habe die Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom ausdrücklich die neuerliche Einvernahme unter Beiziehung eines Dolmetschers der türkischen Sprache beantragt. Diesem wesentlichen Beweisantrag sei die belangte Behörde nicht nachgekommen.

Zu diesem Vorbringen ist festzuhalten: Die Beschwerdeführerin hat am ausdrücklich zu Protokoll gegeben, dass sie es nicht nur anlässlich der Vorlage ihrer Entlassung aus dem türkischen Staatsverband am unterlassen habe, darauf hinzuweisen, dass der gemeinsame Haushalt mit F D bereits aufgelassen war, sondern auch, dass dieser schon seit 9 bis 12 Monaten aufgehoben war. F D gab niederschriftlich an, dass "jeder sein eigenes Geld gehabt hat und wir voneinander unabhängig waren" und dass er die Aussagen der Beschwerdeführerin bestätige. Aus diesen Niederschriften sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass bei dieser Einvernahme gemäß § 39a AVG die Beiziehung eines Dolmetschers erforderlich gewesen wäre (vgl. hiezu etwa auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/08/0026). Vielmehr spricht nach der Aktenlage die bis dahin problemlose Durchführung des Verfahrens ohne Dolmetscher, die fehlende Dokumentation von Sprachschwierigkeiten im Akt bzw. zwei Vermerke (vom und vom ), in denen die Deutschkenntnisse (bei der Prüfung der Verleihungsvoraussetzungen) als "ausreichend" bzw. "entsprechen den Lebensumständen" beurteilt wurden, die Durchführung der mündlichen Scheidungsverhandlung ohne Dolmetscher sowie letztlich die Aufenthaltsdauer des F D in Österreich über einen Zeitraum von 15 Jahren - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift ausführt - gegen diese Annahme. Auch die Anwesenheit einer Vertrauensperson bei der Einvernahme der Beschwerdeführerin sowie die Unterzeichnung des Protokolls durch diese spricht gegen die Erforderlichkeit der Beiziehung eines Dolmetschers, zumal es unwahrscheinlich erscheint, dass diese - ebenso wie die Beschwerdeführerin - eine unrichtige Protokollierung mit ihrer Unterschrift bestätigen würde.

Vor diesem Hintergrund ist es daher nicht als unschlüssig zu erkennen, wenn sich die belangte Behörde neben dem Protokoll der einvernehmlichen Scheidung nach § 55a EheG beweiswürdigend auf die niederschriftlichen Aussagen der Beschwerdeführerin (am ) und des F D (am ) gestützt hat. Davon ausgehend entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die bei einer ersten Vernehmung gemachten Angaben der Wahrheit am nächsten kommen (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), 675, E 197 und 198 zu § 45 AVG wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

2.3.2. Die Beschwerdeführerin bringt gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde weiters vor, sie habe im Verfahren zwei Meldebestätigungen vorgelegt, aus denen ersichtlich sei, dass F D erst am , sohin nach der Verleihung der Staatsbürgerschaft, aus der gemeinsamen Ehewohnung ausgezogen sei.

Zu diesem Vorbringen, ist darauf hinzuweisen, dass der Hauptwohnsitzmeldung eines Einbürgerungswerbers zwar Indizwirkung zukommt, eine Bindung der Staatsbürgerschaftsbehörde an eine solche jedoch in keine Richtung besteht, also weder in dem Sinne, dass das Fehlen einer polizeilichen Meldung die Existenz eines Hauptwohnsitzes ausschließt noch dass aufgrund einer aufrechten Hauptwohnsitzmeldung in jedem Fall von einer tatsächlichen Aufrechterhaltung des Hauptwohnsitzes durch den Verleihungswerber auszugehen ist (vgl. das zu § 10 Abs. 1 Z 1 StbG aF ergangenen hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/01/0266, mwN). Es ist daher fallbezogen nicht als unschlüssig zu erkennen, wenn die belangte Behörde die vorgelegten Meldebestätigungen nicht als Nachweis dafür angesehen hat, dass die Ehepartner zum Zeitpunkt der Verleihung der Staatsbürgerschaft tatsächlich im gemeinsamen Haushalt gelebt haben, zumal die oben angeführten niederschriftlichen Aussagen der Beschwerdeführerin (am ) und des F D (am ) dem entgegen stehen.

2.3.3. Die Beschwerde legt erstmalig eidesstattlichen Erklärungen des A K und des C A, beides Arbeitskollegen des F D, vor, welche bestätigen, dass F D bis Ende Juni 2006 (also noch zum Zeitpunkt der Verleihung der Staatsbürgerschaft an die Beschwerdeführerin) mit dieser im gemeinsamen Haushalt gelebt habe. Dieses Vorbringen stellt jedoch eine unzulässige Neuerung (§ 41 Abs. 1 VwGG) dar, zumal die Beschwerdeführerin nicht dartut, warum es ihr nicht möglich gewesen war, diese Erklärungen bereits im Verfahren vor der belangten Behörde vorzulegen.

2.4. Somit begegnet die auf § 69 Abs. 1 Z 1 AVG gestützte Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens keinen Bedenken.

3. Widerruf der Zusicherung

3.1. Gemäß § 20 Abs. 2 StbG (die Rechtslage hat sich insofern durch die Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 nicht geändert) ist die Zusicherung zu widerrufen, wenn der Fremde auch nur eine der für die Verleihung der Staatsbürgerschaft erforderlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt.

Ein Widerruf der Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft kommt daher nur in Frage, wenn eine gesetzliche Verleihungsvoraussetzung, die zur Zeit der Zusicherung erfüllt war, nachträglich weggefallen ist (arg.: "nicht mehr"). Das Fehlen einer Verleihungsvoraussetzung, die auch im Zeitpunkt der Zusicherung nicht gegeben war, stellt hingegen keinen Widerrufsgrund dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/01/0260, mwN).

3.2. Im Beschwerdefall stützte die belangte Behörde den Widerruf der Zusicherung auf die Feststellung, dass der gemeinsame Haushalt der Beschwerdeführerin mit F D gemäß § 11a StbG aF nach Erlassung des Zusicherungsbescheides nicht mehr gegeben war (vgl. zu der im Beschwerdefall auf Grund der Wiederaufnahme anzuwendenden Rechtslage vor der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/01/0496, mwN).

Aus der dieser Feststellung zu Grunde liegenden Beweiswürdigung (siehe oben 2.3.) ist jedoch ersichtlich, dass die belangte Behörde der niederschriftlichen Aussage der Beschwerdeführerin Glauben geschenkt hat, wonach der gemeinsame Haushalt zum Zeitpunkt der einvernehmlichen Scheidung nach § 55a EheG (am ) bereits seit mindestens neun Monaten aufgehoben gewesen sei. Danach hat der gemeinsame Haushalt aber bereits im Zeitpunkt der Erlassung des Zusicherungsbescheides (am ) nicht mehr bestanden. Die zu dieser Feststellung führende Beweiswürdigung der belangten Behörde erweist sich somit insoweit als unschlüssig. Dieser Begründungsmangel ist auch relevant, weil es nach § 20 Abs. 2 StbG eben darauf ankommt, ob die Verleihungsvoraussetzung (hier der gemeinsame Haushalt) nachträglich weggefallen ist.

Der Widerruf der Zusicherung erweist sich somit als rechtswidrig.

Der Umstand, dass der belangten Behörde das Fehlen eines gemeinsamen Haushaltes bei Erlassung des Zusicherungsbescheides nicht bekannt war, könnte lediglich Anlass zu einer Wiederaufnahme des Zusicherungsverfahrens geben (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/01/0260, mwN).

4. Abweisung der Anträge auf Verleihung bzw. Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft

Nach dem unter Punkt 3. Gesagten erweist sich die auf den Widerruf der Zusicherung aufbauende Abweisung des Verleihungsantrages als rechtswidrig.

5. Aus diesem Grund ist der angefochtene Bescheid im Umfang seiner Spruchpunkte II. und III. mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, sodass er in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war. Im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

6. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am