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VwGH vom 17.11.2009, 2009/06/0024

VwGH vom 17.11.2009, 2009/06/0024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde

1. des A, und 2. des B, beide in Y, beide vertreten durch Allmayer-Beck Stockert Rechtsanwälte GmbH in 1011 Wien, Parkring 2, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. BMI-VA1000/0186-III/2/a/2008, betreffend Feststellung gemäß § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG (mitbeteiligte Parteien: 1. C, 2. D, 3. E, 4. F, 5. G und 6. H, alle in Y, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Die Beschwerdeführer beantragten mit Schreiben vom die Ausstellung eines Interessenbescheides gemäß § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG betreffend ein näher angeführtes Gebäude im

2. Wiener Gemeindebezirk. Da der Magistrat der Stadt Wien innerhalb der in § 73 Abs. 1 AVG vorgesehenen Frist nicht entschied, stellten die Beschwerdeführer einen Devolutionsantrag.

Der Landeshauptmann von Wien erklärte mit Spruchpunkt I. des Bescheides vom die Zuständigkeit zur Erlassung des Interessenbescheides gemäß § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG als auf ihn als der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde übergegangen und wies in Spruchpunkt II. den Antrag auf Feststellung gemäß § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG ab (siehe den hg. Beschluss vom , Zl. 2007/06/0336, betreffend eine Säumnisbeschwerde der Beschwerdeführer in Bezug auf ihre Berufung gegen diesen Bescheid).

Die belangte Behörde wies die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Sie führte dazu insbesondere aus, dass die Beschwerdeführer als Eigentümer des in Frage stehenden Hauses in ihrem Antrag ausgeführt hätten, dass das Gebäude über 5 Wohnungen der Kategorie C und 25 Wohnungen der Kategorie D verfüge. Weiters sei im Antrag darauf hingewiesen worden, dass eine Baubewilligung für bauliche Veränderungen und Wohnungszusammenlegungen am erlassen worden sei. Erhebungen des Magistrates der Stadt Wien (insbesondere ein Augenschein am ) hätten ergeben, dass die Bauarbeiten bereits im Gange seien bzw. die Baubewilligungen für Wohnungszusammenlegungen, Balkon, Dachgeschoßausbau und einen Aufzugsschacht konsumiert würden.

Die Beschwerdeführer als Antragsteller erklärten nachträglich in einem Schreiben vom , dass sich das Projekt "Wohnungszusammenlegung" primär auf den Tatbestand "Assanierung" stütze. Es seien bereits vor der Antragstellung Baubewilligungen beantragt und am 8. Februar, 13. August (offensichtlich gemeint 2004) und am erteilt worden. Im vorliegenden Fall sei nach den erteilten Baubewilligungen weder ein Abriss oder ein Umbau noch ein Neubau des Mietshauses geplant gewesen. Dagegen seien Wohnungsverbesserungen, insbesondere durch Zusammenlegung, vorgesehen. Schon auf Grund des vorgesehenen Projektes "Wohnungszusammenlegung" könne nach der Auffassung der belangten Behörde geschlossen werden, dass die Voraussetzung für ein öffentliches Interesse nicht vorliege, denn es sei eine Erfahrungstatsache, dass solche Projekte wegen privater wirtschaftlicher Interessen durchgeführt würden.

Gemäß § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG sei zu entscheiden, ob der geplante Neubau (Umbau) u.a. zu Assanierungszwecken geeignet sei oder aus anderen Gründen im öffentlichen Interesse liege. Im Antrag vom seien keine öffentlichen Interessen im Sinne des § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG behauptet worden. Erst im Schreiben vom sei erklärt worden, dass sich der Antrag primär auf den Tatbestand Assanierung stütze. Assanierung betreffe im Sinne des Berichtes des Bautenausschusses ( 1109 BlgNR 13. GP zum StadterneuerungsG) die Veränderung des Baubestandes durch Abbruch und Neubau oder durch Umbau der Baulichkeiten. Eine solche Maßnahme sei im vorliegenden Fall aber nicht vorgesehen. Es sei eine Assanierungsbedürftigkeit auf Grund des Zustandes des Hauses nicht gegeben.

§ 1 Abs. 2 StadterneuerungsG 1974 ermögliche eine materielle Beurteilung der Assanierungsbedürftigkeit für Gebäude außerhalb von Sanierungsgebieten. Um ein Mietshaus demnach als sanierungsbedürftig einstufen zu können, müssten bestimmte Voraussetzungen kumulativ vorliegen:


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a)
die Bebauungsvorschriften müssten erfüllt sein,
b)
mindestens die Hälfte der Gesamtnutzfläche müsse Wohnzwecken dienen,
c)
es müssten mehr als zwei Wohnungen vorhanden sein und
d)
mehr als die Hälfte der vorhandenen Wohnungen müssten mangelhaft ausgestattet sein.
Ein von der Behörde angeordneter Lokalaugenschein der Magistratsabteilung 37/2 am habe ergeben, dass die Punkte a) bis c) zuträfen, nicht aber Punkt d), weil von 20 Wohnungen - offensichtlich durch die bereits durchgeführten baulichen Veränderungen im Gebäude - nicht mehr als die Hälfte Substandardwohnungen seien.
Auf Grund der Ergebnisse des Lokalaugenscheines ergebe sich, dass eine Assanierungsbedürfigkeit des Objektes nicht gegeben und eine Assanierung auf Grund des Baufortschrittes sowie der bereits vorhandenen Wohnungseigentumsbegründungen auch nicht das Ziel gewesen sei. Es sei daher die erstinstanzliche Entscheidung zu bestätigen gewesen.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.


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Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 30 Abs. 2 Z. 15 Mietrechtsgesetz - MRG, BGBl. Nr. 520/1981, in der Fassung BGBl. I Nr. 161/2001 ist es als ein wichtiger Grund für eine Kündigung anzusehen, wenn
"15. ein Miethaus ganz oder in dem Teil, in dem sich der Mietgegenstand befindet, abgetragen oder umgebaut werden soll, mit dem Abbruch (Umbau) die Errichtung eines neuen (geänderten) Bauers sichergestellt ist, die Bezirksverwaltungsbehörde auf Antrag des Bauwerbers mit Bescheid erkannt hat, daß selbst unter Berücksichtigung schutzwürdiger Interessen der bisherigen Mieter der geplante Neubau (Umbau) aus Verkehrsrücksichten, zu Assanierungszwecken, zur Vermehrung der Wohnungen, die zur Beseitigung oder Milderung eines im Ortsgebiet bestehenden quantitativen Wohnungsbedarfes oder eines qualitativen Wohnfehlbestandes geeignet sind, oder aus anderen Gründen im öffentlichen Interesse liegt und dem Mieter Ersatz beschafft wird".
Gemäß § 1 Abs. 2 StadterneuerungsG, BGBl. Nr. 287/1974, in der Fassung BGBl. Nr. 421/1992, gilt dieses Bundesgesetz auch für Gebäude außerhalb von Assanierungsgebieten, sofern
1. sie mit den Bebauungsvorschriften (Flächenwidmungs- und Bebauungsplan) vereinbar sind,
2. mindestens die Hälfte der Gesamtnutzfläche, das ist die Summe der Nutzflächen aller Wohnungen und Geschäftsräume, Wohnzwecken dient,
3.
sie mehr als zwei Wohnungen enthalten und
4.
mindestens die Hälfte der Wohnungen mangelhaft ausgestattet ist (§ 3 Z. 10).
Gemäß § 3 Z. 10 StadterneuerungsG gelten im Sinne dieses Bundesgesetzes Wohnungen mit Wasserentnahme oder Abort außerhalb derselben als mangelhaft ausgestattet.
Die Beschwerdeführer meinen, dass entgegen der Annahme der belangten Behörde nicht die Sachlage im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides, sondern die Sachlage im Zeitpunkt der Antragstellung, zumindest aber im Zeitpunkt 6 Monate nach Antragstellung maßgeblich sein müsse. Dies ergebe sich daraus, dass die erstinstanzliche Behörde ihrer Entscheidungspflicht binnen 6 Monaten nicht nachgekommen sei. Die erstinstanzliche Behörde habe in einem Zeitraum von rund eineinhalb Jahren nicht entschieden, wäre aber gesetzlich zur Entscheidung binnen 6 Monaten verpflichtet gewesen. Die Behörden hätten keine Feststellungen darüber getroffen, dass nach einer Stellungnahme der Magistratsabteilung 37/2 vom September 2005 20 der bestehenden 22 Wohnungen lediglich über einen Abort außerhalb der Wohnung verfügten. Zum Zeitpunkt der Antragstellung und 6 Monate danach seien alle Voraussetzungen gemäß § 1 Abs. 2 StadterneuerungsG vorgelegen. Den Beschwerdeführern sei es nicht zuzumuten gewesen, den Umbau des Gebäudes bis zur erstinstanzlichen Entscheidung hintanzustellen. Sie seien gezwungen gewesen, das Bauvorhaben durchzuführen. Dadurch habe sich der maßgebliche Sachverhalt geändert. Da die erstinstanzliche Behörde ihrer Entscheidungspflicht schuldhaft nicht nachgekommen sei, sei auf den Zeitpunkt der Antragstellung bzw. 6 Monate danach abzustellen.
Entscheidende Frage im vorliegenden Beschwerdefall ist, welche Sachlage in einem Feststellungsverfahren gemäß § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG maßgeblich ist. Grundsätzlich hat die Behörde nach jener Sach- und Rechtslage zu entscheiden, die im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides der Behörde vorliegt, es sei denn, es geht um zeitbezogene Angelegenheiten (wie die Steuerpflicht, die Versicherungspflicht) oder um auf die Vergangenheit gerichtete Feststellungen oder der Gesetzgeber sieht ausdrücklich etwas anderes vor (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2005/06/0137, und vom , Zl. 2008/06/0056, zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides für die anzuwendende Sachlage, und das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/17/0094, zur Zeitbezogenheit von Abgabenvorschriften). Die gemäß § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG vorgesehene Feststellung bezieht sich nach ihrem Wortlaut nicht auf einen vergangenen Zeitraum, der Gesetzgeber hat im Zusammenhang mit dieser Bestimmung aber auch keine besondere Regelung betreffend die maßgebliche Sach- und Rechtslage getroffen. Die belangte Behörde hatte daher im Beschwerdefall das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , VwSlg. Nr. 9315) und ihrer Entscheidung den im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides bestehenden Sachverhalt zu Grunde zu legen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 90/09/0060, und vom , Zl. 2000/05/0044). Die belangte Behörde hat daher zutreffend vertreten, dass im Fall des behaupteten Tatbestandes der Assanierungszwecke die Sachverhaltsvoraussetzungen einer Assanierung, wie sie § 1 Abs. 2 StadterneuerungsG enthält, im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides vorliegen müssen. Für dieses Ergebnis spricht auch, dass gemäß § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG zu prüfen ist, ob der geplante Neubau (Umbau) u.a. zu Assanierungszwecken erfolgen soll. Weiters spricht diese Bestimmung vom ganzen Mietshaus oder einem Teil, in dem sich der Mietgegenstand befindet, das bzw. der abgetragen oder umgebaut werden soll.
Im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides der belangten Behörde wurde das Kriterium des § 1 Abs. 2 Z. 4 StadterneuerungsG, dass mehr als die Hälfte der Wohnungen mangelhaft ist, in dem verfahrensgegenständlichen Gebäude unbestritten nicht erfüllt. Der Antrag wurde daher mangels Vorliegens des Tatbestandes der Assanierung für das vorliegende Gebäude zu Recht abgewiesen.
Eine andere Betrachtungsweise ist auch dann nicht geboten, wenn sich zufolge Säumnis der Behörde die Sach- und Rechtslage - im vorliegenden Fall durch das eigene Handeln der Beschwerdeführer - zu Ungunsten des Antragstellers ändert.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von den Beschwerdeführern geltend gemachte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am

Fundstelle(n):
WAAAE-88319