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VwGH vom 24.02.2021, Ra 2021/03/0018

VwGH vom 24.02.2021, Ra 2021/03/0018

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der T GmbH in L, vertreten durch die Metzler & Partner Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Landstraße 49, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , Zl. LVwG 41.22-2346/2020-5, betreffend Ansprüche nach dem Epidemiegesetz 1950 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1Die Revisionswerberin betreibt - u.a. - am Standort K ein Buchhandelsfachgeschäft.

2Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Antrag der Revisionswerberin auf Zuerkennung einer Vergütung für Verdienstentgang nach § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) in Höhe von Euro 231.463,40 für den Zeitraum vom bis hinsichtlich des am Standort K betriebenen Unternehmens abgewiesen.

3Mit dem nun in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab; die ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt.

4Dem legte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen Folgendes zu Grunde: Eine den Betrieb der Revisionswerberin betreffende Verordnung nach § 20 Abs. 1 EpiG sei nicht erlassen worden; ebensowenig sei eine bescheidmäßige Schließung oder Beschränkung des Betriebs nach § 20 Abs. 2 EpiG erfolgt.

5Nach einer Wiedergabe der maßgebenden Bestimmungen des EpiG und des COVID-19-Maßnahmengesetzes (COVID-19-MG) sowie der dazu erlassenen Verordnungen gab es die Ausführungen der Revisionswerberin zusammengefasst wieder: Bei den ab durch die COVID-19-Maßnahmenverordnung BGBl. II Nr. 96/2020 und die daran anschließenden Verordnungen verfügten Beschränkungen des Betretens des von der Revisionswerberin betriebenen Buchhandelsfachgeschäfts (Betretungsverbot bzw. in der Folge Begrenzung der Kundenanzahl, Abstandsregeln und Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes) handle es sich um Beschränkungen der Betriebsstätte iSd § 20 Abs. 2 EpiG, sodass ein Ersatzanspruch nach § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG bestehe.

6Dieser Rechtsansicht könne sich das Verwaltungsgericht aber nicht anschließen: Zwar sei mit der am erlassenen Verordnung BGBl. II Nr. 74/2020 die rechtliche Grundlage dafür geschaffen worden, dass die in § 20 Abs. 1 bis 3 EpiG bezeichneten Vorkehrungen auch bei Auftreten von SARS-CoV-2 getroffen werden können. Es seien aber mit den Bestimmungen des COVID-19-MG in Verbindung mit § 1 der COVID-19-Maßnahmenverordnung keine Betriebsschließungen nach § 20 EpiG angeordnet worden.

7Nach der Systematik des § 20 EpiG könne entsprechend Abs. 1 die Schließung von Betriebsstätten, in denen bestimmte Gewerbe ausgeübt werden, für bestimmt zu bezeichnende Gebiete angeordnet werden. Gemäß § 20 Abs. 2 EpiG könne der Betrieb einzelner gewerbsmäßig betriebener Unternehmen beschränkt oder die Schließung der Betriebsstätte verfügt werden. Schon aus der Formulierung ergebe sich unzweifelhaft, dass § 20 Abs. 1 EpiG lediglich die Schließung durch Verordnung vorsehe, während § 20 Abs. 2 EpiG die Schließung oder Beschränkung eines bestimmten Unternehmens mittels Bescheid ermögliche.

8Hinsichtlich des Betriebs der Revisionswerberin sei eine Beschränkung oder Schließung weder durch Bescheid noch durch Verordnung auf der Grundlage des EpiG erfolgt; die von ihr angesprochenen Beschränkungen fußten vielmehr auf der COVID-19-Maßnahmenverordnung bzw. der COVID-19-Lockerungsverordnung.

9Es sei auch der Hinweis der Revisionswerberin auf § 4 Abs. 2 COVID-19-MG nicht zielführend: Zwar gelangten dementsprechend gegebenenfalls die Bestimmungen des EpiG betreffend die „Schließung von Betriebsstätten“ nicht zur Anwendung, während darin Betriebseinschränkungen nicht angeführt seien. Doch erkläre dies sich schon dadurch, dass eine Betriebsbeschränkung nicht nach § 20 Abs. 1 EpiG durch Verordnung, sondern nach § 20 Abs. 2 EpiG durch Bescheid zu verfügen sei; § 20 Abs. 1 EpiG enthalte keine Ermächtigung zur Erlassung einer Verordnung, mit der Betriebsstätten in ihrem Betrieb lediglich eingeschränkt würden. Auch deshalb könne es sich bei den Betriebsbeschränkungen entsprechend der COVID-19-Maßnahmenverordnung nicht um eine Verordnung iSd § 20 Abs. 1 EpiG handeln.

10Ansprüche auf Vergütung des Verdienstentgangs nach § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG setzten aber eine Betriebsschließung oder -beschränkung gemäß § 20 EpiG voraus. Hingegen sei im COVID-19-MG selbst eine Entschädigung für Verdienstentgang nicht vorgesehen, vielmehr habe der Gesetzgeber stattdessen ein alternatives Maßnahmen- und Rettungspaket erlassen.

11Zu den von der Revisionswerberin geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken verwies das Verwaltungsgericht auf ; es bestünden daher keine Bedenken an der Verfassungsgemäßheit der anzuwendenden Bestimmungen und es bestehe auch kein Anlass, den Verfassungsgerichtshof erneut mit denselben Rechtsfragen zu befassen.

12Da der Betrieb der Revisionswerberin nicht von einer Betriebsschließung oder -beschränkung nach dem EpiG erfasst worden sei, bestehe der geltend gemachte Anspruch nach § 32 EpiG nicht zu Recht.

13Die ordentliche Revision sei nicht zulässig: Zwar bestehe noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage, ob im Zusammenhang mit Betriebsschließungen bzw. -beschränkungen auf der Grundlage des COVID-19-MG und der auf diesem basierenden Verordnungen ein Anspruch auf Vergütung für Verdienstentgang nach § 32 EpiG bestehe, doch sei die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen eindeutig.

14Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende - außerordentliche - Revision, deren Zulässigkeitsbegründung zusammengefasst geltend macht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, ob die durch die COVID-19-Maßnahmenverordnung bzw. die COVID-19-Lockerungsverordnung festgelegten Einschränkungen Betriebsbeschränkungen iSd EpiG darstellten und einen Ersatzanspruch begründeten. Die Rechtslage sei entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht eindeutig, weil entsprechend § 4 Abs. 2 und 3 des COVID-19-MG die Bestimmungen des EpiG betreffend Betriebsbeschränkungen unberührt blieben und nur die Bestimmungen betreffend die Schließung von Betriebsstätten nicht zur Anwendung kämen. Bei den durch die COVID-19-Verordnungen normierten Einschränkungen handle es sich um Betriebsbeschränkungen, nicht aber um Betriebsschließungen.

15Die Revision ist - entgegen dem Verwaltungsgericht - zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; sie ist aber nicht begründet.

16Vor dem Hintergrund des Revisionsfalls sind folgende Rechtsvorschriften von Bedeutung:

17Epidemiegesetz 1950, BGBl. Nr. 186/1950 (WV) idF BGBl. I Nr. 104/2020 (EpiG):

„Betriebsbeschränkung oder Schließung gewerblicher Unternehmungen.

§ 20. (1) Beim Auftreten von Scharlach, Diphtherie, Abdominaltyphus, Paratyphus, bakterieller Lebensmittelvergiftung, Flecktyphus, Blattern, Asiatischer Cholera, Pest oder Milzbrand kann die Schließung von Betriebsstätten, in denen bestimmte Gewerbe ausgeübt werden, deren Betrieb eine besondere Gefahr für die Ausbreitung dieser Krankheit mit sich bringt, für bestimmt zu bezeichnende Gebiete angeordnet werden, wenn und insoweit nach den im Betriebe bestehenden Verhältnissen die Aufrechterhaltung desselben eine dringende und schwere Gefährdung der Betriebsangestellten selbst sowie der Öffentlichkeit überhaupt durch die Weiterverbreitung der Krankheit begründen würde.

(2) Beim Auftreten einer der im ersten Absatz angeführten Krankheiten kann unter den sonstigen dort bezeichneten Bedingungen der Betrieb einzelner gewerbsmäßig betriebener Unternehmungen mit fester Betriebsstätte beschränkt oder die Schließung der Betriebsstätte verfügt sowie auch einzelnen Personen, die mit Kranken in Berührung kommen, das Betreten der Betriebsstätten untersagt werden.

(3) Die Schließung einer Betriebsstätte ist jedoch erst dann zu verfügen, wenn ganz außerordentliche Gefahren sie nötig erscheinen lassen.

(4) Inwieweit die in den Abs. 1 bis 3 bezeichneten Vorkehrungen auch beim Auftreten einer anderen anzeigepflichtigen Krankheit getroffen werden können, wird durch Verordnung bestimmt.

[Anmerkung: Diese Bestimmung ist unverändert seit der Stammfassung (WV) BGBl. Nr. 186/1950]

...

Vergütung für den Verdienstentgang.

§ 32. (1) Natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechtes ist wegen der durch die Behinderung ihres Erwerbes entstandenen Vermögensnachteile dann eine Vergütung zu leisten, wenn und soweit

...

5.sie ein Unternehmen betreiben, das gemäß § 20 in seinem Betrieb beschränkt oder gesperrt worden ist, oder

[Anmerkung: Diese Bestimmung ist mit der Novelle BGBl. Nr. 704/1974 in Kraft getreten und seither unverändert geblieben.]

...

Behördliche Kompetenzen.

§ 43. (1) ...

(4) Die Einleitung, Durchführung und Sicherstellung sämtlicher in diesem Gesetze vorgeschriebener Erhebungen und Vorkehrungen zur Verhütung und Bekämpfung anzeigepflichtiger Krankheiten beziehungsweise die Überwachung und Förderung der in erster Linie von den zuständigen Sanitätsorganen getroffenen Vorkehrungen sind Aufgabe der Bezirksverwaltungsbehörde.

(4a) Soweit in diesem Bundesgesetz eine Zuständigkeit zur Erlassung von Verordnungen durch die Bezirksverwaltungsbehörde vorgesehen ist, sind Verordnungen, deren Anwendungsbereich sich auf mehrere politische Bezirke oder das gesamte Landesgebiet erstreckt, vom Landeshauptmann zu erlassen. Einer Verordnung des Landeshauptmanns entgegenstehende Verordnungen der Bezirksverwaltungsbehörde treten mit Rechtswirksamkeit der Verordnung des Landeshauptmanns außer Kraft, sofern darin nicht anderes angeordnet ist. Erstreckt sich der Anwendungsbereich auf das gesamte Bundesgebiet, so sind Verordnungen vom für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister zu erlassen. Eine entgegenstehende Verordnung des Landeshauptmanns oder einer Bezirksverwaltungsbehörde tritt mit Rechtswirksamkeit der Verordnung des Bundesministers außer Kraft, sofern darin nicht anderes angeordnet ist.

[Anmerkung: Abs. 4a wurde mit der Novelle BGBl. I Nr. 23/2020, in Kraft seit , eingefügt, dessen Satz 3 und 4 durch die Novelle BGBl. I Nr. 43/2020, in Kraft seit , ergänzt.]

...

Zuständigkeiten betreffend COVID-19

§ 43a. (1) Verordnungen nach diesem Bundesgesetz betreffend COVID-19 sind vom für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister zu erlassen.

(2) Verordnungen nach diesem Bundesgesetz betreffend COVID-19 können vom Landeshauptmann erlassen werden, wenn keine Verordnung gemäß Abs. 1 erlassen wurde oder zusätzliche Maßnahmen zu einer Verordnung gemäß Abs. 1 festgelegt werden.

(3) Verordnungen nach diesem Bundesgesetz betreffend COVID-19 können von der Bezirksverwaltungsbehörde erlassen werden, wenn keine Verordnungen gemäß Abs. 1 oder 2 erlassen wurden oder zusätzliche Maßnahmen zu Verordnungen nach Abs. 1 oder 2 festgelegt werden.

(4) In einer Verordnung gemäß Abs. 1 bis 3 kann entsprechend der jeweiligen epidemiologischen Situation regional differenziert werden.

...

[Anmerkung: Eingefügt durch die Novelle BGBl. I Nr. 104/2020, in Kraft seit .]

18§ 20 Abs. 4 EpiG ermächtigt, durch Verordnung zu regeln, inwieweit die in § 20 Abs. 1 bis 3 EpiG genannten Vorkehrungen auch beim Auftreten einer anderen - also nicht in § 20 Abs. 1 EpiG genannten - anzeigepflichtigen Krankheit getroffen werden können.

19Mit der darauf gestützten Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend die Betriebsbeschränkung oder Schließung gewerblicher Unternehmungen bei Auftreten von Infektionen mit SARS-CoV-2 („2019 neuartiges Coronavirus“) vom , BGBl. II Nr. 74/2020, wurde angeordnet, dass die in § 20 Abs. 1 bis 3 EpiG genannten Vorkehrungen auch bei Auftreten einer Infektion mit SARS-CoV-2 getroffen werden können.

20Die § 1, 2 und 4 des am in Kraft getretenen COVID-19-Maßnahmengesetzes - COVID-19-MG, BGBl. I Nr. 12/2020 idF BGBl. I Nr. 23/2020 (abgelöst durch die am in Kraft getretene Novelle BGBl. I Nr. 104/2020), lauteten:

„Betreten von Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen sowie Arbeitsorte

§ 1. Beim Auftreten von COVID-19 kann der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz durch Verordnung das Betreten von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen oder Arbeitsorte im Sinne des § 2 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz untersagen, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. In der Verordnung kann geregelt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit jene Betriebsstätten betreten werden dürfen, die vom Betretungsverbot ausgenommen sind. Darüber hinaus kann geregelt werden, unter welchen bestimmten Voraussetzungen oder Auflagen Betriebsstätten oder Arbeitsorte betreten werden dürfen.“

[Anmerkung:

Mit der Novelle BGBl. I Nr. 16/2020 war die Überschrift zu § 1 neu gefasst und in § 1 die Wortfolge „oder Arbeitsorte im Sinne des § 2 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz“ eingefügt worden. Mit der Novelle BGBl. I Nr. 23/2020 war der letzte Satz des § 1 eingefügt worden.]

„Betreten von bestimmten Orten

§ 2. Beim Auftreten von COVID-19 kann durch Verordnung das Betreten von bestimmten Orten untersagt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. Die Verordnung ist

1.vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt,

2.vom Landeshauptmann zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Landesgebiet erstreckt, oder

3.von der Bezirksverwaltungsbehörde zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf den politischen Bezirk oder Teile desselben erstreckt.

Das Betretungsverbot kann sich auf bestimmte Zeiten beschränken. Darüber hinaus kann geregelt werden, unter welchen bestimmten Voraussetzungen oder Auflagen jene bestimmten Orte betreten werden dürfen.“

[Anmerkung: Der letzte Satz des § 2 war mit der Novelle BGBl. I Nr. 23/2020 angefügt worden.]

„Inkrafttreten

§ 4. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft und mit Ablauf des außer Kraft.

(1a) Abs. 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 16/2020 tritt rückwirkend mit in Kraft.

(2) Hat der Bundesminister gemäß § 1 eine Verordnung erlassen, gelangen die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950, BGBl. Nr. 186/1950, betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereichs dieser Verordnung nicht zur Anwendung.

(3) Die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 bleiben unberührt.

(4) Verordnungen auf Grund dieses Bundesgesetzes können vor seinem Inkrafttreten erlassen werden, dürfen jedoch nicht vor diesem in Kraft treten.

(5) § 1, 2 und § 2a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 23/2020 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.“

[Anmerkung:

Mit der Novelle BGBl. I Nr. 16/2020 war § 4 Abs. 2 durch Einfügung der Wortfolge „im Rahmen des Anwendungsbereichs dieser Verordnung“ neu gefasst und der Abs. 1a eingefügt worden.

Abs. 5 war mit der Novelle BGBl. I Nr. 23/2020 eingefügt worden.]

21Gestützt auf § 1 COVID-19-MG hat der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz am die Verordnung betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl. II Nr. 96/2020 (iF auch: COVID-19-MV), erlassen. Deren § 1 lautete:

„§ 1. Das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen sowie von Freizeit- und Sportbetrieben zum Zweck des Erwerbs von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen oder der Benützung von Freizeit- und Sportbetrieben ist untersagt.“

22§ 2 dieser Verordnung normierte - im Revisionsfall nicht maßgebliche - Ausnahmen von § 1.

23Spätere Änderungen dieser Verordnung (ebenfalls jeweils auf § 1 COVID-19-MG gestützt) betrafen, neben dem zeitlichen Geltungsbereich, andere Bestimmungen, änderten aber zunächst nichts am § 1, also am - grundsätzlichen - Betretungsverbot.

24Erst mit der vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz - gestützt auf die § 1 und 2 Z 1 COVID-19-MG und den § 15 EpiG - am erlassenen Verordnung betreffend Lockerungen der Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 ergriffen wurden, BGBl. II Nr. 197/2020 (COVID-19-Lockerungsverordnung - COVID-19-LV), in Kraft getreten am , erfolgten insoweit Änderungen, als dessen § 2 das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten unter näher genannten Voraussetzungen erlaubte:

„Kundenbereiche

§ 2. (1) Das Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten ist unter folgenden Voraussetzungen zulässig:

1.Gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ist ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten.

2.Kunden haben eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende mechanische Schutzvorrichtung zu tragen.

3.Der Betreiber hat sicherzustellen, dass er und seine Mitarbeiter bei Kundenkontakt eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende mechanische Schutzvorrichtung tragen, sofern zwischen den Personen keine sonstige geeignete Schutzvorrichtung zur räumlichen Trennung vorhanden ist, die das gleiche Schutzniveau gewährleistet.

4.Der Betreiber hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass sich maximal so viele Kunden gleichzeitig im Kundenbereich aufhalten, dass pro Kunde 10 m2 zur Verfügung stehen; ist der Kundenbereich kleiner als 10 m2, so darf jeweils nur ein Kunde die Betriebsstätte betreten. Bei Betriebsstätten ohne Personal ist auf geeignete Weise auf diese Voraussetzung hinzuweisen.

5.Für baulich verbundene Betriebsstätten (z. B. Einkaufszentren, Markthallen) gilt Z 4 mit der Maßgabe, dass die Flächen der Kundenbereiche der Betriebsstätten und des Verbindungsbauwerks zusammenzuzählen sind und dass sich sowohl auf der so ermittelten Fläche als auch im Kundenbereich der jeweiligen Betriebsstätten maximal so viele Kunden gleichzeitig aufhalten dürfen, dass pro Kunde 10 m² der so ermittelten Fläche bzw. des Kundenbereichs der Betriebsstätte zur Verfügung stehen.

...“

25Im Weiteren erfolgten - wiederum jeweils mit Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz - Änderungen der COVID-19-LV. Diese betrafen den zeitlichen Geltungsbereich und - u.a. - die näheren Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Betretens von Betriebsstätten, änderten aber - für den Revisionsfall vereinfachend zusammengefasst - nichts daran, dass im gesamten vom Antrag der Revisionswerberin umfassten Zeitraum das Betreten von Betriebsstätten nur mit Einschränkungen zulässig war.

26Diese Verordnungen waren jeweils gestützt auf die § 1 und 2 COVID-19-MG und den § 15 EpiG (BGBl. II Nr. 207/2020 bis BGBl. II Nr. 412/2020), auf § 15 EpiG allein (BGBl. II Nr. 446/2020), bzw. - nach der Änderung des COVID-19-MG mit der Novelle BGBl. I Nr. 104/2020, mit der die Verordnungsermächtigungen der bisherigen § 1 und 2 in die § 3 und 4 verschoben wurden - auf § 3 und 4 COVID-19-MG sowie § 15 EpiG (BGBl. II Nr. 455/2020 und BGBl. II Nr. 456/2020).

Keine dieser Verordnungen war also gestützt auf § 20 EpiG.

27Die Revisionswerberin gründet ihren Anspruch darauf, als Betreiberin eines Buchhandelsfachgeschäfts von den seit wegen der durch die Verordnung BGBl. II Nr. 96/2020 und die daran anschließenden Verordnungen geltenden Beschränkungen (im Wesentlichen: Betretungsverbote; in der Folge Beschränkungen der Kundenanzahl, Abstandsgebote, Mund-Nasen-Schutz) betroffen zu sein. Diese seien als Betriebsbeschränkungen iSd § 20 EpiG anzusehen und begründeten, weil insoweit vom COVID-19-MG „unberührt“, ihren Anspruch auf Vergütung des Verdienstentgangs nach § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG. Dies werde auch dadurch gestützt, dass - bestätigt durch die jeweiligen Promulgationsklauseln - die genannten Verordnungen „ihren Ursprung“ insbesondere im EpiG hätten.

28Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

29Ein Anspruch auf Vergütung für den Verdienstentgang nach § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG setzt - ausgehend vom klaren Wortlaut dieser mit der Novelle BGBl. Nr. 702/1974 in Kraft getretenen und seither unverändert gebliebenen Norm - voraus, dass das vom Anspruchswerber betriebene Unternehmen „gemäß § 20 in seinem Betrieb beschränkt oder gesperrt worden ist“; Anspruchsvoraussetzung danach ist also eine Betriebsbeschränkung oder -sperre nach der - seit der Stammfassung (WV) BGBl. Nr. 186/1950 unverändert gebliebenen - Bestimmung des § 20 EpiG.

30Zwar wurde mit der Verordnung BGBl. II Nr. 74/2020 die Grundlage dafür geschaffen, dass solche Vorkehrungen auch beim Auftreten einer Infektion mit COVID-19 getroffen werden können. Eine derartige, den Betrieb der Revisionswerberin erfassende „Vorkehrung“, also eine Betriebsschließung nach § 20 Abs. 1 EpiG oder eine Betriebsbeschränkung nach § 20 Abs. 2 EpiG, erfolgte allerdings - unstrittig - nicht.

31Die Revision stellt nicht in Frage, dass ausgehend von § 4 Abs. 2 COVID-19-MG die Bestimmungen des EpiG betreffend die Schließung von Betriebsstätten nicht zur Anwendung kommen. Da aber gemäß § 4 Abs. 3 COVID-19-MG die (übrigen) Bestimmungen des EpiG unberührt blieben, und der Verdienstentgangsanspruch auf Betriebsbeschränkungen und nicht Betriebsschließungen gestützt werde, bestehe ihrer Auffassung nach der Anspruch zu Recht, zumal mit den „COVID-19-Verordnungen“ Betriebsbeschränkungen verfügt worden seien.

32Damit verkennt die Revision den Regelungsgehalt des § 4 Abs. 3 COVID-19-MG: Wenn darin angeordnet wird, dass die Bestimmungen des EpiG „unberührt“ bleiben, wird damit weder der Inhalt noch der Anwendungsbereich des EpiG verändert (vgl. in diesem Sinn etwa , , Ra 2017/04/0104). Die berufene Norm ändert also weder etwas an den Voraussetzungen für die Erlassung von Verfügungen iSd § 20 EpiG noch an denen für den Zuspruch einer Vergütung für Verdienstentgang nach § 32 EpiG. Sie bildet daher, weder für sich noch im Zusammenhalt mit den auf das COVID-19-MG gestützten Verordnungen, eine Grundlage für den Ersatzanspruch der Revisionswerberin.

33Ebenso verfehlt ist das Argument der Revision, die in Rede stehenden Verordnungen (BGBl. II Nr. 96/2020 und die folgenden) hätten „ihren Ursprung“ im EpiG, seien deshalb als Verfügung von Betriebsbeschränkungen iSd § 20 Abs. 1 EpiG anzusehen und begründeten somit einen Ersatzanspruch nach § 32 EpiG.

34Schon das Verwaltungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass ausgehend vom insoweit klaren Wortlaut des § 20 Abs. 2 EpiG, wonach gegebenenfalls „der Betrieb einzelner ... Unternehmungen mit fester Betriebsstätte beschränkt oder die Schließung der Betriebsstätte verfügt“ werden kann, damit eine Betriebsbeschränkung mit Bescheid - nicht mittels Verordnung - ermöglicht wird; schon dies steht dem von der Revision gewünschten Verständnis entgegen.

35Zudem legte das EpiG die Zuständigkeit zur Erlassung von „Vorkehrungen“ nach § 20 EpiG - wie auch die zur Veranlassung sämtlicher anderer Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung anzeigepflichtiger Krankheiten nach dem EpiG - in die Hände der Bezirksverwaltungsbehörden (vgl. § 43 Abs. 4 EpiG; die Verordnungsermächtigung des Bundesministers durch § 43 Abs. 4a 3. und 4. Satz wurde erst mit der Novelle BGBl. I Nr. 43/2020, in Kraft seit , eingefügt). Demgegenüber ermächtigt § 1 COVID-19-MG den Bundesminister zur Erlassung einer Verordnung und es wurden die in Rede stehenden Verordnungen auch vom Bundesminister erlassen.

36Zudem trifft auch das Revisionsvorbringen zum Inhalt der Promulgationsklauseln der in Rede stehenden Verordnungen nicht zu: Die „COVID-19-Verordnungen“ berufen sich - in der Promulgationsklausel - wie oben dargestellt jeweils auf § 1 COVID-19-MG (BGBl. II Nr. 96/2020 bis BGBl. II Nr. 151/2020), auf die § 1 und 2 COVID-19-MG sowie § 15 EpiG (BGBl. II Nr. 197/2020 bis BGBl. II Nr. 412/2020), auf § 15 EpiG (BGBl. II Nr. 446/2020) bzw. die § 3 und 4 COVID-19-MG und § 15 EpiG (BGBl. II Nr. 455/2020 und BGBl. II Nr. 456/2020), nicht aber auf § 20 EpiG.

§ 15 EpiG bildet eine Grundlage für die Erlassung von Verordnungen betreffend „Maßnahmen gegen das Zusammenströmen größerer Menschenmengen“ bei Veranstaltungen, nicht aber für - im Revisionsfall relevante - Regelungen betreffend das Betreten von Betriebsstätten.

Die angesprochenen Verordnungen, mit denen insbesondere Betretungsverbote vorgesehen wurden, haben somit im COVID-19-MG ihre Grundlage.

37Im Übrigen: Gesetzgeber bzw. Verordnungserlasser des COVID-19-MG bzw. der „COVID-19-Verordnungen“ haben die in Rede stehenden Einschränkungen nicht isoliert erlassen, sondern „in ein umfangreiches Maßnahmen- und Rettungspaket eingebettet“ (vgl. die Darstellung des Verfassungsgerichtshofs im Erkenntnis vom , G 202/2020, Punkt 2.3.6). Wenn nun der Gesetzgeber des COVID-19-MG, ausgehend vom Befund, „die Maßnahmen des Epidemiegesetzes 1950 - seien - nicht ausreichend bzw. zu kleinteilig, um die weitere Verbreitung von COVID-19 zu verhindern“ (vgl. die Erläuterungen zum IA 396/A 27. GP, 11), es für notwendig erachtet hat, ein eigenes - nach dem oben Gesagten in ein Gesamtpaket, mit dem die einschneidenden Maßnahmen (teilweise) abgefedert werden sollten, eingebettetes - Gesetz zur Bewältigung der Pandemie zu erlassen, das selbst gerade keinen Ersatzanspruch für die damit ermöglichten Beschränkungen vorsieht, steht auch dies der Annahme entgegen, die Einschränkungen nach den auf dieses Gesetz gestützten Verordnungen könnten einen Anspruch iSd (im Zuge des genannten „Pakets“ insoweit unverändert belassenen) § 32 iVm § 20 EpiG auslösen. Dementsprechend hat der Verfassungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis das Bestehen eines Anspruchs auf Ersatz des Verdienstentgangs nach § 32 EpiG wegen auf Grundlage des § 1 COVID-19-MG angeordneter Betretungsverbote verneint (und die Bedenken der Antragsteller an der Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 2 COVID-19-MG bzw. des § 1 der Verordnung BGBl. II Nr. 96/2020 nicht geteilt).

38Eine von der Revisionswerberin beantragte Vergütung ihres durch die Betretungsverbote bzw. -beschränkungen nach den genannten „COVID-19-Verordnungen“ entstandenen Verdienstentgangs nach § 32 EpiG kommt nach dem Gesagten daher nicht in Betracht.

39Der Inhalt der Revision lässt somit erkennen, dass die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen. Die Revision war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021030018.L00

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