VwGH vom 02.04.2014, 2011/11/0010

VwGH vom 02.04.2014, 2011/11/0010

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde der T AG in E, vertreten durch MMag. Dr. Manfred Schnetzer, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Lustenauerstraße 64, gegen den Bescheid der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom , Zl. 41.550/1129-9/10, betreffend Vorschreibung einer Ausgleichstaxe nach dem BEinstG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführerin gemäß §§ 1, 4, 5, 9 und 16 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) die Leistung einer Ausgleichstaxe für das Kalenderjahr 2009 in der Höhe von EUR 2.640,-- vorgeschrieben.

In der Begründung gab die belangte Behörde den Spruch der erstinstanzlichen Entscheidung und den wesentlichen Inhalt der dagegen erhobenen Berufung wieder und legte die maßgebenden Bestimmungen des BEinstG dar. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin sei für die Beschäftigungspflicht nach § 1 BEinstG nicht der Sitz des Dienstgebers, sondern der Ort der Beschäftigung maßgebend. Die Beschäftigungspflicht treffe daher auch die Beschwerdeführerin (deren Sitz in Liechtenstein liege), die in Österreich Geschäftstätigkeit entfalte, nämlich Dienstnehmer an Beschäftiger in Österreich überlasse. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, die Erfüllung der Beschäftigungspflicht durch Leiharbeitnehmer sei denkunmöglich, sei nicht zielführend: Die gesetzlichen Regelungen betreffend die Beschäftigungspflicht und die Pflicht zur Zahlung allfälliger Ausgleichstaxen sei unabhängig davon, in welcher Rechtsform und zu welchem Zweck der Dienstgeber seine Tätigkeit im Bundesgebiet entfaltet. Es solle ein Ausgleich zwischen jenen Dienstgebern geschaffen werden, die begünstigte Behinderte beschäftigen, und solche, die begünstigte Behinderte nicht beschäftigen wollen oder können. Für die Verpflichtung zur Leistung der Ausgleichstaxe sei ohne Bedeutung, aus welchen Gründen die Beschäftigungspflicht nicht oder nicht ausreichend erfüllt werde. Für die Feststellung der Gesamtzahl der Dienstnehmer, von der die Pflichtzahl zu berechnen ist, seien gemäß § 4 Abs. 2 BEinstG alle Dienstnehmer, die ein Dienstgeber im Bundesgebiet beschäftigt, zusammenzufassen; hingegen sei nicht auf die Anzahl der dem jeweiligen Betrieb überlassenen Dienstnehmer abzustellen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

1. Da die vorliegende Beschwerde mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof bereits anhängig war, sind im Grunde des § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG darauf die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden, zumal nicht erkennbar ist, dass sich aus dem VwGbk-ÜG, BGBl I Nr 33/2013, anderes ergibt.

2. Die im vorliegenden Beschwerdefall, in dem eine Ausgleichstaxe für das Kalenderjahr 2009 vorgeschrieben wurde, maßgebenden Bestimmungen des BEinstG lauten auszugsweise:

"Beschäftigungspflicht

§ 1. (1) Alle Dienstgeber, die im Bundesgebiet 25 oder mehr Dienstnehmer (§ 4 Abs. 1) beschäftigen, sind verpflichtet, auf je 25 Dienstnehmer mindestens einen begünstigten Behinderten (§ 2) einzustellen. Dieses Bundesgesetz ist nicht anzuwenden auf internationale Organisationen im Sinne des 1 Abs. 7 des Bundesgesetzes vom über die Einräumung von Privilegien und Immunitäten an internationale Organisationen, BGBl. Nr. 677/1977.

...

Berechnung der Pflichtzahl

§ 4. (1) Dienstnehmer im Sinne der Berechnung der Pflichtzahl sind:

...

(2) Für die Feststellung der Gesamtzahl der Dienstnehmer (Abs. 1), von der die Pflichtzahl zu berechnen ist (§ 1), sind alle Dienstnehmer, die ein Dienstgeber im Bundesgebiet beschäftigt, zusammenzufassen.

...

Ausgleichstaxe

§ 9. (1) Vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ist die Entrichtung einer Ausgleichstaxe alljährlich für das jeweils abgelaufene Kalenderjahr mittels Bescheides vorzuschreiben, wenn die Beschäftigungspflicht nicht erfüllt ist.

..."

3.1. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhalts macht die Beschwerde im Wesentlichen Folgendes geltend:

Der Wortlaut des § 1 Abs. 1 erster Satz BEinstG lasse offen, ob es, um der Beschäftigungspflicht zu genügen, ausreiche, einen begünstigten Behinderten einzustellen, oder ob dieser auch in Österreich beschäftigt werden müsse. Letzteres könne von der Beschwerdeführerin, die Sportler manage, also an Dritte überlasse, nicht verlangt werden, weil realistischer Weise keine behinderten Sportler als Dienstnehmer ins Ausland überlassen werden könnten.

Ginge man hingegen davon aus, dass begünstigte Behinderte bloß als Dienstnehmer angestellt, aber nicht in Österreich beschäftigt werden müssten, wobei wohl nur eine Beschäftigung im Rahmen der Verwaltung am Sitz der Beschwerdeführerin in Betracht komme, sei dies mit der Notwendigkeit eines Feststellungsverfahrens nach § 14 BEinstG und einem daraus resultierenden Kosten- und Zeitaufwand verbunden, weil eine Anrechnung iSd § 5 BEinstG nur nach erfolgter Feststellung als begünstigter Behinderter gewährleistet wäre. Diesfalls wären in Österreich tätige "ausländische Dienstgeber" - wie die Beschwerdeführerin - im Vergleich zu jenen mit Sitz in Österreich schlechter gestellt.

Die Beschwerde verweist weiter auf § 7a Abs. 4 BEinstG, welche Bestimmung ausdrücklich normiere, welche Regelungen des BEinstG auch für die Beschäftigung von Dienstnehmern, die von einem Dienstgeber ohne Sitz in Österreich im Rahmen der Arbeitskräfteüberlassung oder zur fortgesetzten Arbeitsleistung nach Österreich entsandt würden, gelten. Dabei handle es sich um die §§ 7b bis 7q BEinstG, die vor allem Diskriminierungsverbote und Rechtsfolgen unzulässiger Diskriminierung enthielten. Die übrigen Bestimmungen des BEinstG, insbesondere die Regelungen über die Beschäftigungspflicht, seien in § 7a Abs. 4 BEinstG nicht genannt und daher nicht anzuwenden.

Jedenfalls aber könne auf zu überlassende Sportler nicht zutreffen, dass sie einen Grad der Behinderung von zumindest 50 % aufwiesen; mit einem derartigen Grad behinderte Personen seien zur Überlassung nicht geeignet.

3.2. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht die Beschwerde im Wesentlichen geltend, der angefochtene Bescheid verletze die Begründungspflicht, weil die belangte Behörde das Berufungsvorbringen nicht ausreichend gewürdigt habe, insbesondere den Umstand, dass die Beschwerdeführerin als ausländische Arbeitskräfteüberlasserin zu qualifizieren sei, die Sportler an dritte Beschäftiger überlasse.

4. Die Beschwerde ist nicht begründet.

4.1. Die geltende Regelung des § 1 Abs. 1 BEinstG geht zurück auf die Novelle BGBl. Nr. 111/1979. In der Stammfassung des Gesetzes (Invalideneinstellungsgesetz 1969, BGBl. Nr. 22/1970) hatte § 1 Abs. 1 - soweit hier von Interesse - gelautet:

"Beschäftigungspflicht

§ 1. (1) Alle Dienstgeber mit Ausnahme des Bundes, der Länder, Gemeindeverbände und Gemeinden sind verpflichtet, auf 20 Dienstnehmer mindestens einen Invaliden (§ 2) und auf je 25 weitere Dienstnehmer mindestens einen weiteren Invaliden zu beschäftigen."

§ 4 lautete (auszugsweise):

"Berechnung der Pflichtzahl

§ 4. (1) Bei Feststellung der Gesamtzahl der Dienstnehmer, von der die Pflichtzahl zu berechnen ist (§ 1 Abs. 1, 2, 4 und 5), sind die örtlich zusammenhängenden und einer gemeinsamen Leitung unterstehenden gleichartigen oder zusammengehörigen Betriebe desselben Dienstgebers zusammenzufassen. ..."

Mit der Novelle BGBl. Nr. 111/1979 wurde neben dem § 1 auch der § 4 über die Berechnung der Pflichtzahl neu gefasst.

§ 4 Abs 2 erhielt folgende Fassung:

"(2) Für die Feststellung der Gesamtzahl der Dienstnehmer (Abs. 1), von der die Pflichtzahl zu berechnen ist (§ 1), sind alle Dienstnehmer, die ein Dienstgeber innerhalb eines Bundeslandes beschäftigt, zusammenzufassen. Beschäftigt ein Dienstgeber in mehreren Ländern Dienstnehmer und liegt die Zahl der in einem Land Beschäftigten unter 25, so sind diese Dienstnehmer jeweils der Zahl der Dienstnehmer zuzuzählen, die am Sitz des Unternehmens beschäftigt werden."

Mit der Novelle BGBl. Nr. 313/1992 schließlich wurde § 4 Abs. 2 dahin geändert, dass für die Feststellung der Gesamtzahl der Dienstnehmer, von der die Pflichtzahl zu berechnen ist, "alle Dienstnehmer, die ein Dienstgeber im Bundesgebiet beschäftigt, zusammenzufassen" sind.

Seither wird sowohl in § 1 (hinsichtlich Bestand und Ausmaß der Beschäftigungspflicht) als auch in § 4 (hinsichtlich der Berechnung der Pflichtzahl) auf die Beschäftigung von Dienstnehmern "im Bundesgebiet" abgestellt.

4.2. Vor diesem Hintergrund ist für die Frage der Beschäftigungspflicht nach § 1 BEinstG und ihrer Erfüllung entscheidend, dass die Beschäftigung im Inland, im Bundesgebiet also, erfolgt (so auch schon die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 85/09/0105 und Zl. 85/09/0143), während es auf den Sitz des Dienstgebers nicht entscheidend ankommt.

Nur jene Dienstnehmer, die im Bundesgebiet beschäftigt werden, begründen auf Basis des § 4 Abs. 2 BEinstG die Verpflichtung des Dienstgebers, im aliquoten Ausmaß (1:25; vgl. § 1 Abs. 1 BEinstG) einen begünstigten Behinderten einzustellen; nur mit begünstigten Behinderten, die in Österreich beschäftigt werden, wird die Beschäftigungspflicht des § 1 Abs. 1 BEinstG erfüllt.

4.3. Dass es im dreipersonalen Verhältnis zwischen Dienstgeber (Überlasser), Dienstnehmer und Beschäftiger der Dienstgeber (und nicht der Beschäftiger) ist, den die Verpflichtung nach § 1 Abs. 1 und die davon abgeleitete Verpflichtung zur Zahlung einer Ausgleichstaxe nach § 9 BEinstG trifft, wird von der Beschwerde nicht konkret in Frage gestellt; dies ist - mangels einer Sonderregelung im BEinstG dahin, dass den Beschäftiger und nicht den Überlasser die Dienstgeberpflichten nach § 1 BEinstG treffen - auch nicht zu bezweifeln.

4.4. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist auch nicht erkennbar, inwiefern ein Dienstgeber mit Sitz im Ausland einem solchen mit Sitz im Inland gegenüber im gegebenen Zusammenhang schlechter gestellt wäre: Der eine wie der andere kann seiner Beschäftigungspflicht (§ 1 Abs. 1 BEinstG) nur durch den Einsatz von begünstigten behinderten Dienstnehmern in Österreich, nicht aber außerhalb des Bundesgebietes, genügen; die persönlichen Verhältnisse, die ein Dienstnehmer erfüllen muss, um als begünstigter Behinderter anerkannt und eingerechnet zu werden (§§ 2, 4), sind in beiden Fällen dieselben.

4.5. Die von der Beschwerde berufene Regelung des § 7a Abs. 4 BEinstG ändert am Ergebnis nichts:

§ 7a, überschrieben mit "Schutz vor Diskriminierung in der Arbeitswelt - Geltungsbereich", wurde - zusammen mit §§ 7b bis 7r -

durch das Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz - BGStG) erlassen wird und das Behinderteneinstellungsgesetz, das Bundesbehindertengesetz, das Bundessozialamtsgesetz, das Gleichbehandlungsgesetz, das Bundesgesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft sowie das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz geändert werden, BGBl. I Nr. 82/2005, in das BEinstG eingefügt. Weder der Wortlaut der in Rede stehenden Bestimmung in ihrem systematischen Zusammenhang noch die Materialien (RV 836 BlgNR 22. GP) bieten Anhaltspunkte für die Rechtsansicht der Beschwerde, damit solle - in Abkehr von der früheren Regelung - eine Einschränkung der Beschäftigungspflicht nach § 1 Abs. 1 BEinstG normiert werden.

4.6. Soweit die Beschwerde schließlich - weiterhin - die tatsächliche Unmöglichkeit der Beschäftigung von begünstigten Behinderten als (von ihr überlassene) Sportler geltend macht, reicht ein Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/11/0150, in dem der Verwaltungsgerichtshof näher dargelegt hat, dass gegen die Verpflichtung, Behinderte im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß zu beschäftigen, nicht mit Erfolg eingewendet werden kann, auf Grund der Eigenart des Betriebs könnten nur körperlich voll einsatzfähige, gesunde Menschen beschäftigt werden.

5. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Wien, am