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VwGH 11.10.2011, 2009/05/0292

VwGH 11.10.2011, 2009/05/0292

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
BauO NÖ 1996 §33 Abs1;
BauO NÖ 1996 §33;
BauRallg;
RS 1
Das Vorliegen eines Baugebrechens im Sinn des § 33 NÖ BauO 1996 setzt einen (eventuell vermutlich) baubehördlich bewilligten Bestand voraus. Die in § 33 Abs. 1 leg. cit. normierte Instandhaltungspflicht ist allerdings auch für ein im Zeitpunkt seiner Errichtung nicht bewilligungspflichtiges Bauwerk gegeben. In einem solchen Fall ist - weil ein konsentierter Zustand als Maßstab für die Qualität der Instandhaltung nicht herangezogen werden kann - dieser unmittelbar aus § 33 Abs. 1 leg. cit. zu erschließen, weshalb die dort angeführten Beeinträchtigungen vom Eigentümer jedenfalls zu beseitigen sind (Hinweis Evom , 2006/05/0007).
Normen
BauO NÖ 1996 §33;
BauRallg;
RS 2
Ein Baugebrechen im Sinne des § 33 BauO NÖ 1996 ist ein durch

a) Alter, Abnützung, Verwitterung oder Beschädigung (Verschlechterung) oder b)eine bewilligungsbedürftige, aber nicht bewilligte, oder anzeigepflichtige, aber nicht angezeigte, Abänderung oder das Fehlen eines unentbehrlichen Bauteils oder Zubehörs (Konsenswidrigkeit) verursachter Zustand eines Bauwerkes, der seine Standfestigkeit, sein Aussehen, den Brandschutz oder die Sicherheit von Personen und Sachen beeinträchtigt oder zu einer örtlich unzumutbaren Belästigung der Nachbarschaft führen kann (Hinweis auf Hauer/Zaussinger, Niederösterreichisches Baurecht7, 436).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2005/05/0177 E VwSlg 17341 A/2007 RS 1 (hier: Als Baugebrechen kommen zum Beispiel Risse im Mauerwerk oder etwa auch Schäden am Außenputz in Betracht)
Normen
BauO NÖ 1996 §33;
BauRallg;
RS 3
Es ist eine Erfahrungstatsache, dass bei Fehlen des Verputzes an Mauern wegen der Gefahr des Eindringens von Niederschlägen und sonstigen Witterungseinflüssen durch ein solches Baugebrechen die Standsicherheit der Mauer beeinträchtigt werden kann, sodass aus diesem Grund der Bauauftrag (hier: Sanierung des Wandverputzes) gerechtfertigt ist.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde der G M in K, vertreten durch Dr. Alois Autherith, Dr. Herwig Hammerer und Mag. Rainer Samek, Rechtsanwälte in 3500 Krems, Utzstraße 13, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1-BR-620/002-2009, betreffend einen Bauauftrag (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde P), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin eines Anwesens in K, zu dem (u.a.) ein Lagergebäude (ehemaliges Wohngebäude) und ein östlich daran anschließendes Stallgebäude gehören. In Bezug auf das Stallgebäude wurde den Rechtsvorgängern der Beschwerdeführerin mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom die baubehördliche Bewilligung für einen "Rinderstallein- Um- und Zubau sowie für die Errichtung einer Güllegrube, einer Düngerstätte und eines Fahrsilos" auf diesem Anwesen erteilt.

Am fand auf dem Anwesen eine baubehördliche Überprüfung durch den Bürgermeister und einen bautechnischen Amtssachverständigen des Gebietsbauamtes K statt. In der diesbezüglichen baubehördlichen Niederschrift vom wurde (u.a.) festgehalten:

"(…)

Die Erhebung diente der Feststellung von Baugebrechen, die im Bereich des Fassadenverputzes der Gebäudeteile gegen den südlichen

Gemeindeweg.

(…)

Das (…) frühere Wohnhaus und nunmehr zu einem Abstellgebäude umgewidmet, weist einen stark gegliederten Fassadenverputz auf. Dieses Gebäude wurde vor einiger Zeit mit neuen Fenstern versehen. Die eingebauten Fenster weisen unverputzte Leibungen und sichtbaren Montageschaum auf. In der Fassadenfläche dieses Gebäudeteiles ist ein stark schadhafter und bereits abgefallener Verputz gegeben, der Schadanteil wird mit 80 % geschätzt. Die Fassade weist eine Höhe von geschätzt 3,50 m vom anschließenden Traufenpflaster bis zur Dacheindeckung auf. Der Sockel mit einer Höhe von i.M. ca. 80 cm besteht aus Natursteinen und ist nur mehr an einigen Stellen ein früherer Verputz erkennbar. Das an diesen anschließende Stallgebäude weist auf Grund der höheren Traufe und des höheren anschließenden Geländes eine fast gleiche Höhe von 3,50 auf. Die Gesamtlänge früheres Wohnhaus und Stall beträgt lt. Katastermappe rund 32,70 m auf. Beim Stallgebäude ist vom Gemeindeweg auch ein Teil des Giebels bis zur abgeschlossenen Reiche sichtbar. Hier ist im Traufenbereich beim Gesimse ein erheblicher Mauersprung, der einer Sanierung bedarf, erkennbar. Der Schadanteil des Stallgebäudes wird mit ca. 50 % geschätzt.

Die Grundeigentümerin (Beschwerdeführerin) hat mit Schreiben vom bei der Baubehörde deponiert, dass sie bei der angesetzten Überprüfung nicht anwesend sein wird und diese ablehnt.

Gutachten:

Aus bautechnischer Sicht wird festgestellt, dass im Bereich des Fassadenverputzes der gegen den Güterweg gerichteten Fassadenfläche Baumängel gegeben sind. Als gelindeste Mitteln sind aus Sachverständigersicht aufzutragen:

(…)

2. Die Fassade des ehemaligen Wohntraktes ist abzuschlagen und mit einem Grob- und Feinverputz zu versehen und hell zu färbeln.

3. Der Mauersprung im Gesimsebereich des Stallgebäudes ist zu sanieren, schadhafter Verputz abzuschlagen und ebenso wie fehlender mit Grob- und Feinputz zu verputzen. Die Fassade ist anschließend hell zu färbeln.

(…)"

Der mit Schreiben des Bürgermeisters vom zur Präzisierung seines Gutachtens aufgeforderte Amtssachverständige führte in seinem ergänzenden Gutachten vom (u.a.) aus, dass ein Farbton nicht vorgeschrieben werden könne, weil es für den Ort K keinen Färbelungsplan gebe. Der schadhafte Wandverputz beim ehemaligen Wohngebäude mit einer Länge von 17,5 m und einer Höhe von 3,5 m, somit einer Fläche von rund 62 m2, und mit einem Schadanteil von 80 % sei nach Abschlagen von noch losen Verputzteilen mit Grob- und Feinverputz samt Färbelung zu sanieren. Ebenso sei die nachfolgende Fassade des Stallgebäudes mit einem Schadanteil von 50 %, einer Länge von 16 m und einer Höhe von 3,5 m, somit einer Fläche von 56 m2, nach Abschlagen von noch losen Verputzteilen mit Grob- und Feinverputz samt Färbelung zu sanieren.

Mit Bescheid des Bürgermeisters vom wurde der Beschwerdeführerin als Eigentümerin des genannten Anwesens gemäß § 33 Abs. 2 NÖ Bauordnung 1996 (im Folgenden: BO) der folgende baupolizeiliche Auftrag erteilt:

"Instandsetzungsauftrag

Die Außenfassade des ehemaligen Wohngebäudes, nunmehr Lagergebäude und die Außenfassade beim östlich anschließenden Stallgebäude ist zu sanieren und zwar:

-

beim ehemaligen Wohngebäude, welches eine Länge von 17,5 m und eine Höhe von 3,5 m, somit eine Fläche von ca. 62 m2 aufweist, ist der schadhafte Wandverputz mit einem Schadanteil von 80 % nach Abschlagen von losen Verputzteilen mit Grob- und Feinverputz samt Färbelung zu sanieren.

-

Beim Stallgebäude, welches eine Länge von 16 m und eine Höhe von 3,5 m, somit eine Fläche von 56 m2 aufweist, ist der schadhafte Wandverputz mit einem Schadanteil von 50 % nach Abschlagen von losen Verputzteilen mit Grob- und Feinverputz samt Färbelung zu sanieren.

-

Der Mauervorsprung im Gesimsbereich des Stallgebäudes ist zu sanieren; schadhafter Verputz ist abzuschlagen, mit Grob- und Feinverputz zu verputzen und zu färbeln.

Die aufgetragenen Maßnahmen sind bis längstens

fertig zu stellen.

(…)"

Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Berufung.

Mit Bescheid des Gemeindevorstandes vom wurde gemäß § 66 Abs. 4 AVG der Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt sowie die Erfüllungsfrist bis zum neu festgelegt. In ihrer Begründung verwies die Berufungsbehörde (u.a.) auf die genannte Niederschrift vom und das Amtssachverständigengutachten vom , welche Unterlagen der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom zur Kenntnis gebracht worden seien.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Vorstellung und brachte (u.a.) vor, dass Gebäude- und Bauwerksfassaden laut BO und NÖ Bautechnikverordnung 1997 nicht verputzt werden müssten. Es könnten die verschiedensten Materialien ausgeführt werden bzw. im Bestand verbleiben, und es könne die Fassadengestaltung nicht vom Bürgermeister bestimmt werden. Für landwirtschaftlich genutzte Gebäude seien keine Fassaden- bzw. Wärmedämmungsmaßnahmen erforderlich, und es sei auch kein Schallschutz notwendig. Vor einiger Zeit seien erst die Fenster ausgetauscht, das Dach neu eingedeckt, der Rauchfang saniert und der vor dem Grundstück befindliche Küchengarten neu eingezäunt worden. Beim Mauersockel handle es sich um einen Natursteinsockel, der noch nie verputzt gewesen sei. Aus bautechnischer Sicht hätten keine erheblichen "Baumängel Sachschäden" festgestellt werden können. Der Bürgermeister sollte zuerst mit vorbildhafter Wirkung die im Eigentum der Gemeinde befindlichen Gebäude sanieren, ehe er sie (die Beschwerdeführerin) zu einer Haussanierung zwinge. Beim Austausch der Fenster sei die Hausfassade noch in Ordnung gewesen, bis schließlich der Kanalbau in K durchgeführt worden sei. Da sich ihr Gebäude auf felsigem Boden befinde, sei es durch die Grabungsarbeiten für den in unmittelbarer Nähe vorbeiführenden Kanalstrang und infolge der damit verbundenen Rüttelbewegungen durch Maschinen zu massiven Beschädigungen an ihrer Hausfassade gekommen, sodass der vorhandene Putz gebröckelt bzw. in kleinen Teilen in ihren Küchengarten heruntergerieselt sei. Laut Sachverständigem seien auch keine Mängel am Mauerwerk feststellbar, sodass ein baupolizeilicher Auftrag nicht notwendig gewesen wäre. Es wären niemals Personen gefährdet gewesen, weil solche erst ihren Küchengarten betreten müssten, um zu ihrer Fassade zu gelangen, wozu sie nicht befugt wären. Noch dazu könne man nicht von einer umfallenden Mauer sprechen, weil lediglich der Putz zu kleinen Teilen in den Küchengarten heruntergerieselt sei. Im Hinblick darauf, dass sich ihr Gebäude nicht unmittelbar an der Gemeindestraße befinde, sondern durch einen 5 m breiten Küchengarten, im Anschluss daran einen ca. 4 m breiten Grünstreifen und eine ca. 6 m breite Böschung davon getrennt sei, könne man auch nicht von einem störenden Erscheinungsbild oder gar einem gefährlichen Bauwerk sprechen. Hätte ihr der Bürgermeister nicht einen beträchtlichen Schaden durch diverse Haus- und Hofkontrollen sowie Anzeigen bzw. einen unmöglich durchführbaren Kanalbau zugefügt, hätte sie längst die Ausbesserungsarbeiten an der Hausfassade infolge des Fenstertausches erledigen lassen können. Unter diesen Umständen sei derzeit an eine Sanierung nicht zu denken, allein bereits aus finanzieller Sicht und vor allem nicht in der kurzen Zeit von drei Monaten, wo jeder neu aufgebrachte Putz eine gewisse Trocknungsphase haben müsse. Würde ihr (der Beschwerdeführerin) der Bürgermeister ihren Gesamtschaden von EUR 20.000,-- refundieren, so wäre die Wiederherstellung der Fassade in den ursprünglichen Zustand kein Problem mehr. Aber bevor die gegen sie geführten Strafverfahren nicht erledigt und eingestellt würden, sei von ihrer Seite keine Änderung in Aussicht zu stellen. Wenn allerdings der Bürgermeister ihre derzeitige Fassade als nicht in Ordnung finde, so könne er diese, wie sie ursprünglich gewesen sei, auf Gemeindekosten jederzeit sanieren lassen. Denn vor dem Kanalbau sei die Hausfassade noch in Ordnung gewesen. Bei der vor ihrem Küchengarten befindlichen Böschung handle es sich um Gemeindegrund, der noch niemals von der Gemeinde gemäht worden sei. Vor ihrem Anwesen werde nicht gemäht, obwohl sie dieselben Steuern wie alle anderen Dorfbewohner bezahle müsse. Wenn nun das Gras bereits einen Meter hoch sei, so könne ohnedies niemand die Fassade ihres Gebäudes "feststellen", und es störe diese auch nicht das Gesamterscheinungsbild des Ortes.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom wurde gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973 (im Folgenden: GO) die Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Dazu führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrens vor den Baubehörden, des Inhaltes der Vorstellung sowie des § 61 Abs. 4 GO und des § 33 Abs. 1 und 2 BO aus, dass das im östlichen Bereich befindliche Stallgebäude mit Bescheid vom baubehördlich bewilligt worden und auf Grund dieser Bewilligung - laut Baubeschreibung bestünden die Außenmauern aus Hohlblockmauerwerk und sollte die Fassade mit einem Reibputz versehen werden - die Fassade mit einem Reibputz zu versehen gewesen sei. Wie vom Sachverständigen beim Lokalaugenschein am festgestellt worden, bestehe im Traufenbereich beim Gesimse ein erheblicher Mauersprung, der einer Sanierung bedürfe, und werde der Schadanteil des Stallgebäudes mit ca. 50 % geschätzt. Auch auf den von der Baubehörde und von der Beschwerdeführerin übermittelten Fotos sei ein schadhafter bzw. abgebröckelter Verputz erkennbar. Die derzeit vorhandene äußere Gestaltung des Gebäudes entspreche somit nicht dem bewilligten Zustand, und es könne der Baubehörde daher nicht entgegengetreten werden, wenn diese eine Sanierung des Verputzes angeordnet habe.

Was das ehemalige Wohngebäude anlange, so sei dieser Teil - wie sich aus den vorgelegten Bauakten ergebe - um 1850 errichtet worden und existierten diesbezüglich keine Bauunterlagen. Auf Grund der Errichtungszeit um 1850 sei die Baubehörde offensichtlich von einem vermuteten Konsens für dieses Gebäude ausgegangen. Das Vorliegen dieses Konsenses habe die Beschwerdeführerin nicht ausdrücklich bestritten. Es sei daher zunächst festzustellen, wie dieses Gebäude bewilligt worden sei. Nun scheine es nicht denkunmöglich, dass es im Zeitpunkt seiner Errichtung ohne Verputz bewilligt worden sei. Mauern könnten - abhängig vom verwendeten Material - bei entsprechender Ausführung auch ohne Verputz witterungsbeständig sein. Unter der Annahme, das Gebäude wäre ohne Verputz bewilligt worden, müsste geklärt werden, wann dieser Verputz aufgebracht worden und ob dies konsensgemäß erfolgt sei. Mangels Bauunterlagen könne jedoch nicht festgestellt werden, ob bzw. wann eine Bewilligung für die Aufbringung dieses Verputzes erteilt worden sei. Das Abschlagen des Verputzes und Belassen der Außenwände ohne Verputz wäre eine bewilligungspflichtige Abänderung des Bauwerkes, weil dadurch die Standfestigkeit tragender Bauteile beeinträchtigt werden könnte. Dies ergebe sich daraus, dass mangels Verputz eine Vernässung der verwendeten Ziegel oder Steine eintreten könnte, die zu einer Beeinträchtigung der Standfestigkeit führen könne. Außenmauern könnten nur dann ohne Verputz belassen werden, wenn das verwendete Baumaterial dafür geeignet sei und eine entsprechende Bauausführung erfolge.

Die Beschwerdeführerin bestreite nicht ausdrücklich, dass der Verputz bewilligungskonform aufgebracht worden sei. Es könne deshalb davon ausgegangen werden, dass der Verputz mit Zustimmung der Baubehörde konsensgemäß angebracht worden sei, weil im gegenteiligen Fall diese die Entfernung dieses Verputzes zur Wiederherstellung des bewilligten Zustandes (Gebäude ohne Verputz) hätte anordnen müssen. Dafür gebe es in den vorgelegten Bauakten allerdings keine Anhaltspunkte. Auf Grund des Zeitraumes, in dem das ehemalige Wohngebäude errichtet worden sei, sei deshalb davon auszugehen, dass es mit Verputz dem Konsens entspreche.

Vom bautechnischen Sachverständigen sei am festgestellt worden, dass in der Fassadenfläche des früheren Wohnhauses der Verputz stark schadhaft und bereits abgefallen sei, wobei der Schadanteil mit 80 % geschätzt worden sei. Beim Sockel aus Natursteinen sei nur mehr an einigen Stellen ein früherer Verputz erkennbar. Dieser nur mehr teilweise vorhandene Verputz und die Verputzreste im Sockelbereich seien auch auf den sowohl von der Baubehörde als auch von der Beschwerdeführerin übermittelten Fotos ersichtlich. Da der konsensgemäße Zustand des ehemaligen Wohngebäudes in jenem "mit Verputz" bestehe, dieser nur mehr zum Teil vorhanden sei und dies nicht der (vermuteten) Bewilligung entspreche, könne der Ansicht der Baubehörde nicht entgegengetreten werden, dass die äußere Gestaltung des ehemaligen Wohnhauses durch den abgebröckelten Verputz beeinträchtigt sei.

Die Ausführungen in der Vorstellung, dass "aus bautechnischer Sicht keine erheblichen Baumängel Sachschäden festgestellt werden konnten", widersprächen dem Ermittlungsergebnis. Die Einsehbarkeit des Gebäudes sei nicht relevant, weil nicht Ortsbildfragen, sondern die Beeinträchtigung der äußeren Gestaltung der Gebäude für den Instandsetzungsauftrag ausschlaggebend gewesen seien. Für die Qualifikation eines Baugebrechens sei die Ursache grundsätzlich ohne Bedeutung. Gegenstand des Verfahrens seien nicht, wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht, Schäden am Mauerwerk, sondern der schadhafte bzw. nicht mehr vorhandene Verputz gewesen. Wenn die Beschwerdeführerin ausführe, dass ohne einen Gesamtschaden von EUR 20.000,-- längst die Ausbesserungsarbeiten an der Hausfassade infolge des Fenstertausches hätten erledigt werden können, so bestätige sie damit selbst, dass Schäden an der Fassade vorhanden seien, die behoben werden müssten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Die mitbeteiligte Gemeinde hat keine Gegenschrift erstattet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

1. Gemäß § 61 Abs. 4 GO hat die Vorstellungsbehörde den bei ihr in Vorstellung gezogenen Bescheid dahingehend zu prüfen, ob durch die Entscheidung der Gemeinde in der vorliegenden Angelegenheit des Eigenwirkungsbereiches Rechte der beschwerdeführenden Partei verletzt wurden. Trifft dies zu, so hat sie der Vorstellung Folge zu geben, den bei ihr angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurückzuverweisen. Trifft dies nicht zu, so hat sie die Vorstellung abzuweisen. Nach der hg. Judikatur steht es ihr im Übrigen frei, ob sie bei Vorliegen von Verfahrensmängeln ein eigenes Ermittlungsverfahren durchführt und den maßgebenden Sachverhalt selbst klärt oder ob sie den angefochtenen Gemeindebescheid wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufhebt (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/05/0231, mwN).

2. § 33 BO in der für die vorliegende Beurteilung maßgeblichen Fassung LGBl. 8200-15 lautet:

"§ 33

Vermeidung und Behebung von Baugebrechen

(1) Der Eigentümer eines Bauwerks hat dafür zu sorgen, dass dieses in einem der Bewilligung (§ 23) oder der Anzeige (§ 15) entsprechenden Zustand ausgeführt und erhalten wird. Er hat Baugebrechen, durch welche

o die Standsicherheit,

o die äußere Gestaltung,

o der Brandschutz,

o die Sicherheit von Personen und Sachen

beeinträchtigt werden oder die

o zu unzumutbaren Belästigungen (§ 48) führen

können, zu beheben.

(2) Kommt der Eigentümer eines Bauwerks seiner Verpflichtung nach Abs. 1 nicht nach, hat die Baubehörde nach Überprüfen des Bauwerks, unter Gewährung einer angemessenen Frist, die Behebung des Baugebrechens zu verfügen.

Die Baubehörde darf in diesem Fall

o die Überprüfung durch Sachverständige durchführen lassen,

o die Vornahme von Untersuchungen und

o die Vorlage von Gutachten anordnen.

(…)"

3. Die Beschwerde bringt gegen den in Bezug auf das ehemalige Wohngebäude erteilten Bauauftrag vor, es sei davon auszugehen, dass die Außenmauern dieses Gebäudes, das um 1850 errichtet worden sei und wofür keine Unterlagen existierten, ohne Verputz bewilligt worden seien, habe doch die belangte Behörde selbst ausgeführt, es erscheine nicht denkunmöglich, dass das Gebäude ohne Verputz bewilligt worden sei, zumal Mauern - abhängig vom Material - auch ohne Verputz witterungsbeständig sein könnten. Dass das ehemalige Wohngebäude mit angebrachtem Verputz dem vermuteten Konsens entspreche, entbehre einer überprüfbaren Sachverhaltsfeststellung. Wenn die belangte Behörde die Auffassung vertrete, es wäre - unter Zugrundelegung der Annahme, das Gebäude wäre ohne Verputz bewilligt worden - das Abschlagen des Verputzes und Belassen der Außenwände ohne Verputz eine bewilligungspflichtige Abänderung des Bauwerkes, weil mangels Verputz eine Vernässung der verwendeten Ziegel oder Steine eintreten und dies zur Beeinträchtigung der Standfestigkeit führen könnte, so habe sich die belangte Behörde mit den Außenmauern des ehemaligen Wohngebäudes nicht auseinandergesetzt. Die belangte Behörde hätte zur Feststellung gelangen müssen, dass das gegenständliche Mauerwerk eine aus Stein, nämlich Waldviertler Granit, bestehende Fassade darstelle, die witterungsfest und gegen Witterungseinflüsse beständig sei. Derartige Außenwände seien nach § 14 und § 57 NÖ Bautechnikverordnung 1997 nicht zu verputzen oder zu verkleiden. Darüber hinaus käme eine solche bewilligungspflichtige Abänderung eines Bauwerkes (Abschlagen des Verputzes und Belassen der Außenwände ohne Verputz) als Anlass für einen baupolizeilichen Auftrag nach § 33 BO nicht in Betracht, sei doch dieser Auftrag nur dann zu erteilen, wenn ein Baugebrechen die in Abs. 1 dieser Bestimmung aufgezählten nachteiligen Auswirkungen habe. Eine Abänderung des Bauwerkes sei nur im Sinn einer Wiederherstellung des Zustandes möglich, der den technischen Vorschriften zur Zeit der Errichtung entsprochen habe. Zusammengefasst ergebe sich daher, dass lediglich eine Wiederherstellung des unverputzten Mauerwerkes statthaft sei.

Gegen den in Bezug auf das östliche Stallgebäude erteilten Bauauftrag bringt die Beschwerde vor, die Feststellung der belangten Behörde, auf Grund der im Jahr 1992 erteilten Baubewilligung sei die Fassade des Stallgebäudes mit einem Reibputz zu versehen, stehe in Widerspruch zu den im Bauakt erliegenden Unterlagen. So sei im Zuge des Bauvorhabens im Jahr 1992, wie dies aus den im Bauakt erliegenden Plänen ersichtlich sei, der Altbestand des gegenständlichen Stallgebäudes, sohin auch die südseitig verlaufende Außenmauer, vollkommen unbeeinträchtigt gelassen worden. Hätte die belangte Behörde diese Feststellung getroffen, wäre sie zur Ansicht gelangt, dass der diesbezügliche Baukonsens ein Gebäude ohne Verputz umfasse.

4. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

Nach der hg. Judikatur (vgl. dazu etwa die in Hauer/Zaussinger, Niederösterreichisches Baurecht7, auf S. 441 zu § 33 BO E 1 ff zitierte Rechtsprechung) setzt das Vorliegen eines Baugebrechens im Sinn dieser Gesetzesbestimmung einen (eventuell vermutlich) baubehördlich bewilligten Bestand voraus. Die in § 33 Abs. 1 leg. cit. normierte Instandhaltungspflicht ist allerdings auch für ein im Zeitpunkt seiner Errichtung nicht bewilligungspflichtiges Bauwerk gegeben. In einem solchen Fall ist - weil ein konsentierter Zustand als Maßstab für die Qualität der Instandhaltung nicht herangezogen werden kann - dieser unmittelbar aus § 33 Abs. 1 leg. cit. zu erschließen, weshalb die dort angeführten Beeinträchtigungen vom Eigentümer jedenfalls zu beseitigen sind (vgl. in diesem Zusammenhang etwa auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/05/0007).

Ein Baugebrechen im Sinn dieser Gesetzesbestimmung ist ein Zustand eines Bauwerkes, der entweder durch eine Verschlechterung (Alter, Abnützung, Verwitterung, Beschädigung) oder durch eine bewilligungsbedürftige, aber nicht bewilligte oder anzeigepflichtige, aber nicht angezeigte Abänderung oder durch das Fehlen eines unentbehrlichen Bauteils oder Zubehörs (Konsenswidrigkeit) verursacht wurde und der die Standsicherheit, die äußere Gestaltung (Aussehen), den Brandschutz oder die Sicherheit von Personen und Sachen beeinträchtigt oder zu einer örtlich unzumutbaren Belästigung der Nachbarschaft führen kann (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/05/0255, mwN). Als solche Baugebrechen kommen zum Beispiel Risse im Mauerwerk oder etwa auch Schäden am Außenputz in Betracht (vgl. dazu etwa Hauer/Zaussinger, aaO, auf S. 436 zu § 33 BO Anm 6 und 7).

Im Beschwerdeverfahren ist nicht strittig, dass für das ehemalige Wohngebäude, das um 1850 errichtet wurde, von einem vermuteten Konsens auszugehen ist. Was nun die von der Beschwerdeführerin bekämpfte Annahme der belangten Behörde anlangt, dass dieser Konsens auch die Anbringung eines Fassadenverputzes umfasst habe, so ist Folgendes auszuführen:

Wie sich aus dem im Bauverfahren eingeholten Amtssachverständigengutachten ergibt und aus den vorgelegten Lichtbildern hervorgeht, weist die Außenfassade des ehemaligen Wohngebäudes umfangreiche Verputzschäden (Schadanteil von 80 %) auf, wobei auch im Sockelbereich Verputzreste erkennbar sind. Die Beschwerdeführerin hat darüber hinaus in ihrer gegen den Berufungsbescheid erhobenen Vorstellung selbst ausgeführt, dass es (auf Grund von Rüttelbewegungen durch Maschinen bei Kanalbauarbeiten) zu massiven Beschädigungen ihrer Hausfassade gekommen, der vorhandene Putz gebröckelt und bis dahin die Hausfassade noch in Ordnung gewesen sei. Dies spricht - mangels gegenteiliger Beweisergebnisse - für die Annahme der belangten Behörde, dass das ehemalige Wohngebäude mit einem Außenverputz errichtet worden ist, und gegen die Beschwerdebehauptung, dass der vermutete Konsens die Errichtung des Gebäudes nur ohne Außenverputz umfasst habe.

Es besteht nun kein Zweifel daran, dass nach den oben dargelegten Kriterien ein Baugebrechen im Sinn des § 33 Abs. 1 BO vorliegt, das die äußere Gestaltung dieses Bauwerks beeinträchtigt. Schon dieser Umstand hat die Erteilung des diesbezüglichen Bauauftrages gerechtfertigt. Abgesehen davon ist es eine Erfahrungstatsache, dass bei Fehlen des Verputzes an Mauern - die in den Verwaltungsakten befindlichen Lichtbilder zeigen eindeutig, dass das Mauerwerk nicht nur aus Steinen besteht, sondern darin stellenweise Ziegel eingebaut sind - wegen der Gefahr des Eindringens von Niederschlägen und sonstigen Witterungseinflüssen durch ein solches Baugebrechen die Standsicherheit der Mauer beeinträchtigt werden kann (vgl. dazu etwa die in Hauer/Zaussinger, aaO, auf S. 443 zu § 33 BO E 8 f zitierte hg. Judikatur), sodass auch aus diesem Grund der Bauauftrag gerechtfertigt wäre.

Ähnlich ist der in Bezug auf das östliche Stallgebäude erteilte Bauauftrag zu beurteilen. Hinsichtlich des Auftrages, den Mauervorsprung im Gesimsbereich des Stallgebäudes zu sanieren, enthält die Beschwerde kein Vorbringen. Laut dem genannten Amtssachverständigengutachten handelt es sich dabei um einen erheblichen Mauersprung im Traufenbereich beim Gesimse, der der Sanierung bedarf. Die Beurteilung der belangten Behörde, dass gemäß § 33 Abs. 2 BO in Bezug auf diesen Mauervorsprung der Bauauftrag zu erlassen war, begegnet daher keinen Bedenken.

Was nun die Außenfassade dieses Stallgebäudes und den diesbezüglichen Bauauftrag anlangt, so ist die Beschwerde mit ihrem Vorbringen zwar insoweit im Recht, als die Auffassung der belangten Behörde, dass die mit Bescheid des Bürgermeisters vom erteilte Baubewilligung die Anbringung eines Reibputzes an der Fassade vorschreibe, nicht nachvollzogen werden kann. So ist in dem in den Verwaltungsakten enthaltenen, mit dem Genehmigungsvermerk des Bürgermeisters versehenen Einreichplan vom die (südseitige) Außenmauer des Stallgebäudes grau dargestellt, woraus hervorgeht, dass es sich dabei nicht um einen neu zu errichtenden, abzutragenden oder abzutragenden und an derselben Stelle neu zu errichtenden Bauteil, sondern um einen Altbestand gehandelt hat (vgl. dazu insbesondere die zu diesem Zeitpunkt geltende NÖ Bauplanverordnung, LGBl. 8200/2-0). Damit ist im Ergebnis jedoch für den Beschwerdestandpunkt nichts gewonnen. Denn auch dazu geht aus dem Gutachten des Amtssachverständigen und den Lichtbildern hervor, dass der Wandverputz schadhaft ist (Schadanteil von 50 %) und durch diese Schäden die äußere Gestaltung des Gebäudes beeinträchtigt wird, zumal auch insoweit eine Gefahr des Eindringens von Niederschlägen oder sonstigen Witterungseinflüssen in das Mauerwerk angenommen werden kann.

Die Ansicht der belangten Behörde, dass daher in Bezug auf diese Baugebrechen der Bauauftrag zu erteilen war, begegnet somit keinen Bedenken.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

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Normen
BauO NÖ 1996 §33 Abs1;
BauO NÖ 1996 §33;
BauRallg;
Schlagworte
Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten
Baugebrechen Instandhaltungspflicht Instandsetzungspflicht
BauRallg9/3
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2011:2009050292.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
QAAAE-88052