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VwGH vom 13.12.2011, 2009/05/0243

VwGH vom 13.12.2011, 2009/05/0243

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2009/05/0244 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde 1. des D. T. und 2. des De. T., beide in V., beide vertreten durch Mag. Andreas Reichenbach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottengasse 4/4/29, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1-BR-1122/001-2009, betreffend Zurückweisung einer Vorstellung i.A. eines baupolizeilichen Auftrages (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde V., vertreten durch Dr. Peter Kaupa, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Josefsplatz 10/2), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 610,60 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.106,40 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom wurde den Beschwerdeführern als Eigentümern einer näher genannten Liegenschaft in V. der folgende baupolizeiliche Auftrag erteilt:

"Der Bürgermeister (…) ordnet gemäß § 35 Abs. 2 Zif. 3

1. Fall NÖ Bauordnung 1996, LGBl. 8200-14, in Verbindung mit § 14 Zif. 1 NÖ Bauordnung 1996 und § 6 NÖ Kleingartengesetz, LGBl. 8210- 6, den Abbruch des nicht der Baubewilligung vom , GZ (…), entsprechenden, daher ohne Baubewilligung errichteten Bauwerkes 'Kleingartenhaus' auf dem Grundstück (…) laut beiliegender, einen integrierenden Teil dieses Bescheides bildenden Niederschrift (samt Planbeilage) über die baubehördliche Überprüfung vom , an.

Das Bauwerk 'Kleingartenhaus' ist zur Gänze mit allen allenfalls damit verbundenen baulichen Anlagen abzutragen. Der Abbruch muss so erfolgen, dass die Standsicherheit des angrenzenden Geländes und der anschließenden Grundbegrenzungen nicht gefährdet wird. Allenfalls vorhandene Versorgungsleitungen (z.B. Wasser, Strom, Gas) müssen abgesichert und allenfalls vorhandene Entsorgungsleitungen (z.B. Kanal) abgeschlossen werden.

Als Frist für die Durchführung der oben angeführten Maßnahmen wird der festgesetzt."

Die von den Beschwerdeführern dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm den im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides angeführten Gesetzesbestimmungen als unbegründet abgewiesen, wobei gleichzeitig die Frist für die Durchführung der angeführten Maßnahmen mit neu festgesetzt wurde.

Mit an die Berufungsbehörde adressiertem Schriftsatz vom (am zur Post gegeben) brachten die Beschwerdeführer vor, dass Du. T., die Ehefrau des Erstbeschwerdeführers und Mutter des Zweitbeschwerdeführers, den Berufungsbescheid am übernommen habe. Diese sei der deutschen Sprache nicht mächtig und könne die deutsche "Sprache" jedenfalls nicht lesen. Sie habe daher von den Beschwerdeführern - auch aus diesem Grund - keine Vollmacht erhalten, etwaige Bescheide und sonstige behördliche Schriftstücke entgegenzunehmen. Dennoch habe sie den Berufungsbescheid entgegengenommen und in die Küchenschublade gelegt, zumal sie die Bedeutung der Sache nicht erkannt und missverstanden habe, worum es überhaupt gehe. Am hätten die Beschwerdeführer zufällig in der Küchenschublade den Berufungsbescheid gefunden, den Inhalt gelesen und die Bedeutung der Sache erkannt. Eine Zustellung an eine Person ohne Zustellvollmacht sei nicht wirksam, sodass ein Zustellmangel vorliege. Dieser sei gemäß § 7 Zustellgesetz erst am geheilt worden, als der genannte Bescheid den Beschwerdeführern tatsächlich zugekommen sei. Für den Fall, dass die Behörde von einer rechtswirksamen Zustellung ausgehen sollte, stellten die Beschwerdeführer den Antrag, ihnen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur rechtzeitigen Erhebung einer Vorstellung gegen den Berufungsbescheid vom zu bewilligen. Ferner erhoben sie mit dem genannten Schriftsatz gegen den Berufungsbescheid Vorstellung.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde gemäß § 61 Abs. 4 NÖ Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000-14, die Vorstellung als unzulässig zurückgewiesen. Dazu führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verwaltungsverfahrens aus, dass die Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom gegen den Berufungsbescheid verspätet Vorstellung erhoben hätten. Das Zustellorgan habe die Beschwerdeführer nicht an der Abgabestelle angetroffen und keinen Grund zur Annahme gehabt, dass sich diese nicht regelmäßig an der Abgabestelle aufhielten, was von ihnen im Übrigen auch nicht behauptet werde. Du. T. sei erwachsen, mündig und handlungsfähig, und es sei den Verwaltungsakten nicht zu entnehmen, dass sie von der Empfangnahme von Zustellungen ausgeschlossen gewesen sei. Offensichtlich sei sie zur Empfangnahme der verfahrensgegenständlichen Bescheide bereit gewesen. Darüber hinaus sei sie, weil sie mit den Beschwerdeführern in einem gemeinsamen Haushalt lebe, zur Annahme verpflichtet gewesen. Sie habe die in § 16 Zustellgesetz normierten Voraussetzungen erfüllt und sei daher im Sinn dieser Bestimmungen Ersatzempfängerin. Die gegenständlichen Bescheide seien ihr vom Zustellorgan zu Recht nachweislich ausgehändigt worden, und es sei daher die Zustellung dieser Bescheide ordnungsgemäß und rechtswirksam erfolgt. Der Einwand der Beschwerdeführer, dass ein Zustellmangel vorliege, gehe ins Leere, weil für eine Ersatzzustellung keine Bevollmächtigung des Ersatzempfängers und keine Ermächtigung des Hausgenossen, den Zustellnachweis zu unterschreiben, erforderlich seien. Auch sei nicht Voraussetzung, dass die Ersatzempfängerin der deutschen Sprache mächtig sei. Ferner sei die Fähigkeit, die deutsche "Sprache" zu lesen, im gegenständlichen Fall gar nicht erforderlich gewesen, um die Bedeutung der gegenständlichen Postsendungen zu erkennen. Du. T. habe bereits allein aus der Tatsache, dass sie die Übernahme der Postsendungen mit ihrer Unterschrift zu bestätigen gehabt habe, erkennen können, dass es sich bei den verfahrensgegenständlichen Bescheiden nicht um gewöhnliche Postsendungen handle. Hätte sie Zweifel gehabt, worum es sich dabei handle, so hätte sie vom Zustellorgan Aufklärung erlangen können. Auch hätten die Beschwerdeführer damit, dass ihnen die Entscheidung der Berufungsbehörde in Bescheidform zugestellt würde, mit der Möglichkeit einer Ersatzzustellung rechnen müssen, wenn sie sich tagsüber nicht zu Hause - also an der Abgabestelle - aufhielten. Sie hätten entsprechende Vorkehrungen treffen wie etwa das schriftliche Verlangen an die Post richten müssen, dass deren Organe nicht an Du. T. als Ersatzempfängerin zustellen dürften. Dass sie derartige Vorkehrungen getroffen hätten, könne den Verwaltungsakten nicht entnommen werden und werde von ihnen auch nicht behauptet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 61 Abs. 1 NÖ Gemeindeordnung 1973 in der im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides geltenden und daher für die vorliegende Beurteilung maßgeblichen (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/05/0048, mwN) Fassung LGBl. 1000-13 (im Folgenden: GO) kann, wer durch den Bescheid eines Gemeindeorganes in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges innerhalb von zwei Wochen, von der Zustellung des Bescheides an gerechnet, dagegen eine mit einem begründeten Antrag versehene Vorstellung bei der Aufsichtsbehörde erheben.

Gemäß § 61 Abs. 2 lit. a leg. cit. ist die Vorstellung schriftlich oder telegrafisch bei der Gemeinde, deren Organ den Bescheid erlassen hat, oder unmittelbar bei der Aufsichtsbehörde einzubringen.

Gemäß § 61 Abs. 2 lit. b leg. cit. sind unzulässige oder verspätete Vorstellungen von der Aufsichtsbehörde zurückzuweisen.

2.1. Die Beschwerde bringt vor, dass - selbst wenn die Ersatzzustellung an Du. T. am zulässig gewesen sein sollte, was jedoch bestritten werde - den Beschwerdeführern die Annahme der Verspätung der Vorstellung hätte vorgehalten und ihnen Gelegenheit hätte geboten werden müssen, dazu wie zur Stellungnahme der mitbeteiligten Gemeinde vom eine allfällige Äußerung zu erstatten. Ferner hätte die belangte Behörde noch entsprechende Ermittlungen führen und konkrete Feststellungen darüber treffen müssen, wer den Berufungsbescheid tatsächlich übernommen habe und ob sowie bejahendenfalls wann und in welcher Form dem Empfänger dieser Bescheid tatsächlich zugekommen sei, um beurteilen zu können, ob allenfalls eine Heilung von Zustellmängeln gemäß § 7 Zustellgesetz eingetreten sei.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

2.2.1. Gemäß § 13 Abs. 1 erster Satz Zustellgesetz - ZustG, BGBl. Nr. 200/1982, in der für die vorliegende Beurteilung maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 5/2008 ist das Dokument (die Sendung) dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen.

Kann das Dokument nicht dem Empfänger zugestellt werden und ist an der Abgabestelle ein Ersatzempfänger anwesend, so darf gemäß § 16 Abs. 1 leg. cit. an diesen zugestellt werden (Ersatzzustellung), sofern der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 leg. cit. regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.

Gemäß § 16 Abs. 2 leg. cit. kann jede erwachsene Person Ersatzempfänger sein, die an derselben Abgabestelle wie der Empfänger wohnt oder Arbeitnehmer oder Arbeitgeber des Empfängers ist und die - außer wenn sie mit dem Empfänger im gemeinsamen Haushalt lebt - zur Annahme bereit ist.

Gemäß § 16 Abs. 3 leg. cit. darf durch Organe eines Zustelldienstes an bestimmte Ersatzempfänger nicht oder nur an bestimmte Ersatzempfänger zugestellt werden, wenn der Empfänger dies schriftlich beim Zustelldienst verlangt hat.

2.2.2. Die Beschwerde stellt nicht in Abrede, dass Du. T., die Ehegattin des Erstbeschwerdeführers und Mutter des Zweitbeschwerdeführers, mit diesen im gemeinsamen Haushalt lebt, und behauptet nicht, dass der Zusteller Grund zur Annahme gehabt habe, dass sich die Beschwerdeführer nicht regelmäßig an dieser Abgabestelle aufhielten. In der Beschwerde wird auch nicht behauptet, dass die Beschwerdeführer beim Zustelldienst (vgl. § 2 Z 7 leg. cit.) schriftlich verlangt hätten, dass an Du. T. nicht zugestellt werden dürfe. Im Hinblick darauf begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass der Berufungsbescheid wirksam an die Beschwerdeführer durch Ersatzzustellung an Du. T. zugestellt worden sei, keinen Bedenken.

2.2.3. Damit war im Zeitpunkt der Postaufgabe der Vorstellung (am ) die zweiwöchige Vorstellungsfrist bereits verstrichen. Die Auffassung der belangten Behörde, dass die Beschwerdeführer die Vorstellung verspätet erhoben hätten, begegnet daher keinen Bedenken.

Wenn die Beschwerdeführer als Verfahrensmangel rügen, dass ihnen von der belangten Behörde zur Frage der Verspätung ihres Rechtsmittels kein Parteiengehör eingeräumt worden sei, so zeigen sie mit ihrem Vorbringen keine Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels auf, bringen sie doch in der Beschwerde - wie bereits im genannten Schriftsatz vom - selbst vor, dass der Berufungsbescheid am von Du. T. entgegengenommen wurde. Wenn sie in diesem Zusammenhang weiters rügen, dass die belangte Behörde die in diesem Schriftsatz geführten Zeugen hätte vernehmen müssen - diese wurden zum Beweis dafür beantragt, dass Du. T. von den Beschwerdeführern keine Vollmacht zur Entgegennahme erhalten habe, sie bei Entgegennahme des Berufungsbescheides die Bedeutung der Sache nicht erkannt habe und die Beschwerdeführer den Bescheid erst am zufällig aufgefunden hätten -, so war die Vernehmung dieser Zeugen nicht geboten, weil der Mangel einer ausdrücklichen Vollmachtserteilung an Du. T. durch die Beschwerdeführer wie auch deren allfällige Unkenntnis von der Bedeutung der Angelegenheit die Wirksamkeit der Ersatzzustellung an sie im Sinn des § 16 Abs. 1 ZustG nicht hindern konnten. Der behauptete Verfahrensmangel liegt daher nicht vor.

Im Hinblick darauf, dass diese Zustellung mängelfrei und rechtswirksam war, bedurfte es auch keiner Ermittlungen der belangten Behörde darüber, wann der Berufungsbescheid den Beschwerdeführern tatsächlich zugekommen ist.

3.1. Die Beschwerde rügt überdies, dass die belangte Behörde nicht geprüft habe, ob nicht ausreichend Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorlägen. So hätten die Beschwerdeführer nicht damit rechnen müssen, dass Du T. behördliche Schriftstücke entgegennehme und in der Küchenschublade verstaue, weil die Beschwerdeführer ihr verboten hätten, Schriftstücke vom Postboten entgegenzunehmen. Das Zuwiderhandeln gegen dieses familienintern auferlegte Verbot stelle ein unvorhersehbares und abwendbares Hindernis für die Einhaltung der Vorstellungsfrist dar, an welchem die Beschwerdeführer kein Verschulden treffe. Da die belangte Behörde diese Wiedereinsetzungsgründe nach § 71 AVG nicht geprüft habe, sei der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.

3.2. Auch dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

Nach ständiger hg. Judikatur ist die Rechtmäßigkeit eines Bescheides zur Zeit seiner Erlassung zu beurteilen, was bedeutet, dass ein Bescheid, mit dem ein mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist verbundenes Rechtsmittel zurückgewiesen wurde, dann rechtmäßig ist, wenn zur Zeit seiner Erlassung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht bewilligt war. Wird die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand später bewilligt, so tritt der Zurückweisungsbescheid gemäß § 72 Abs. 1 AVG von Gesetzes wegen außer Kraft (vgl. dazu etwa die Erkenntnisse vom , Zl. 94/05/0212, und vom , Zl. 2007/18/0954, mwN).

Dass die Beschwerdeführer mit dem genannten Schriftsatz vom einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Vorstellungsfrist gestellt hatten, über den noch nicht entschieden worden war, hinderte daher nicht die Entscheidung über die gleichzeitig erhobene Vorstellung durch die belangte Behörde. Sollte dieser Wiedereinsetzungsantrag noch nicht erledigt worden sein, so wird die belangte Behörde darüber noch abzusprechen haben.

4. Die Ansicht der belangten Behörde, dass die Vorstellung - weil verspätet erhoben - zurückzuweisen war, begegnet somit keinem Einwand. Demzufolge erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am