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VwGH vom 07.10.2010, 2006/20/0035

VwGH vom 07.10.2010, 2006/20/0035

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2011/01/0128 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Händschke und die Hofrätin Dr. Pollak, den Hofrat Mag. Dr. Wurdinger sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des E, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 251.723/10-VII/20/06, betreffend Zurückweisung eines Asylantrages wegen entschiedener Sache (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein aus Syrien stammender Staatenloser, reiste am in das Bundesgebiet ein und beantragte im Zuge der niederschriftlichen Befragung durch die Grenzpolizei am die Gewährung von Asyl. Der Beschwerdeführer wurde in der Folge im Rahmen der Bundesbetreuung in Traiskirchen untergebracht, wo er bei der am durchgeführten Standeskontrolle nicht mehr angetroffen wurde. Am wurde er aus der Bundesrepublik Deutschland auf Grund des Dubliner Übereinkommens von Österreich rückübernommen und noch am selben Tag im Polizeianhaltezentrum Salzburg in Schubhaft genommen.

In seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen an, Dichter zu sein und in kurdischer Sprache zu schreiben, was in seiner Heimat verboten sei. Er habe dann begonnen, als Schriftenmaler zu arbeiten, und sei am von der Sicherheitsbehörde verhaftet und für zehn Tage gefangen gehalten worden; er sei verhört und geschlagen worden. Man habe ihn als kurdischen Aktivisten bezeichnet und er habe versprechen müssen, sein Geschäft zuzusperren, was er nach seiner Entlassung auch getan habe. Dann habe es in seinem Heimatgebiet eine große Demonstration gegeben, es seien verschiedene Personen verhaftet worden und der Beschwerdeführer habe Angst bekommen, weil er gute Kontakte zu verschiedenen kurdischen Parteien gehabt habe, weshalb er geflohen sei.

In der Folge teilte die Bundespolizeidirektion Salzburg dem Bundesasylamt mit, dass der Beschwerdeführer am aus der Schubhaft entlassen wurde.

Mit Bescheid vom wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Syrien zulässig sei. Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers wurde - mit näher dargestellter Begründung - als unglaubwürdig angesehen. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am gemäß § 8 Abs. 2 in Verbindung mit § 23 Zustellgesetz durch Hinterlegung bei der Behörde zugestellt. In der über diesen Zustellvorgang vorgenommenen Beurkundung hielt das Bundesasylamt fest, dass der "im Betreff Genannte" an der "angegebenen Zustelladresse" nicht mehr aufhältig sei. Eine "neuerliche Abgabestelle" habe nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden können. Die Meldeauskunft "im Zentralmeldeamt" sei negativ verlaufen.

Am reiste der Beschwerdeführer aus den Niederlanden kommend - dort hatte er seinen Angaben zufolge am einen Asylantrag gestellt - neuerlich in das Bundesgebiet ein und stellte am folgenden Tag einen weiteren Asylantrag.

In seinen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt am 28. Juni und am gab der Beschwerdeführer an, dass seine Fluchtgründe dieselben geblieben seien. Er sei in die Niederlanden gereist, habe dort einen Asylantrag gestellt und sei dann nach Österreich abgeschoben worden. Den sein erstes Asylverfahren abschließenden Bescheid habe er nicht erhalten, weshalb er keine Berufung habe erheben können. Sodann führte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen ergänzend aus, dass er im Jahr 2000 einen Gedichtband mit Malereien unter einem "Synonym" herausgegeben habe; dieses sei strengstens verboten und sein Foto befinde sich darin. Am sei ein Künstlerkollege des Beschwerdeführers festgenommen worden und der Beschwerdeführer habe befürchtet, dass dieser ihn an die Geheimpolizei verraten habe, weshalb er aus seiner Heimat geflohen sei. Außerdem habe der Künstlerkollege das vom Beschwerdeführer verfasste Buch bei sich gehabt, weshalb er annehme, dass dieses Buch den syrischen Behörden nunmehr bekannt sei.

Mit Bescheid vom wies das Bundesasylamt den zweiten Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 68 Abs. 1 AVG iVm § 32 Abs. 8 AsylG wegen entschiedener Sache zurück. Begründend führte das Bundesasylamt im Wesentlichen aus, dass kein neuer Sachverhalt vorliege, der eine anders lautende Entscheidung in der Sache rechtfertigen würde. Zum ersten Asylverfahren des Beschwerdeführers wurde festgestellt, dass dieses am rechtskräftig abgeschlossen worden sei.

In der dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, dass "noch immer die Verhaftung gegen mich in Syrien vorhanden" sei; seine Familie leide unter den täglichen Belästigungen und Beschimpfungen durch den syrischen Geheimdienst. Sein Vater habe ihm telefonisch mitgeteilt, dass die Situation noch schlimmer geworden sei, weil der Beschwerdeführer in Deutschland an vielen Demonstrationen gegen das Regime in Syrien teilgenommen habe, was über Internet bekannt gemacht worden sei; der syrische Geheimdienst verlange Informationen über den Beschwerdeführer.

Am stellte der Beschwerdeführer den nunmehr dritten Antrag auf internationalen Schutz und brachte vor, in Österreich exilpolitisch tätig zu sein. So habe er im Jahr 2005 an einer "anlässlich des Massakers gegen die Kurden in Syrien" abgehaltenen Kundgebung vor der UNO-City, an einem vom kurdischsyrischen Verein und "den Grünen" organisierten Seminar, sowie an Demonstrationen vor der syrischen Botschaft teilgenommen und sei Mitglied des syrisch-kurdischen Vereins in Österreich. Weiters habe er mehrere Gedichte in einer regimekritischen syrischkurdischen Zeitung veröffentlicht, welche einmal monatlich erscheine und in verschiedenen europäischen Ländern vertrieben werde; die Zeitung werde auch nach Syrien geliefert. Auf Grund seiner den syrischen Behörden bekannten politischen Ansichten und Betätigungen in Österreich sei er im Fall seiner Rückkehr nach Syrien asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom gemäß § 68 Abs. 1 AVG ab. In der Begründung führte die belangte Behörde unter Berufung auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zunächst aus, dass die Prüfung der Zulässigkeit eines neuerlichen Antrags auf Grund geänderten Sachverhaltes ausschließlich an Hand jener Gründe erfolgen dürfe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht worden seien; in der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid könnten derartige Gründe nicht neu vorgebracht werden. Der Beschwerdeführer habe einerseits einen Sachverhalt behauptet, der bereits vor Erlassung des "erstinstanzlichen" Bescheides bestanden habe, sodass das Bundesasylamt zu Recht § 68 AVG angewendet habe. Andererseits sei es der Berufungsbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwehrt, die im "Asylantrag" vom - welcher nach § 17 "Abs. 7" Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als Berufungsergänzung zu betrachten sei - vorgebrachten Gründe, die sich auf das Jahr 2005 beziehen würden, inhaltlich zu behandeln.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

1. Der Beschwerdeführer bezweifelt zunächst die Rechtmäßigkeit der Zustellung des sein erstes Asylverfahren abschließenden Bescheides des Bundesasylamtes vom . Die eine Zustellung bewirkende Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch gemäß §§ 8, 23 Zustellgesetz setze u.a. die Änderung der bisherigen Abgabestelle voraus. Da der Beschwerdeführer in Österreich nie eine Abgabestelle gehabt habe, habe er keine Änderung bekannt geben können. Selbst wenn er zunächst im Gefangenenhaus eine Abgabestelle gehabt hätte, habe er diese nach seiner Entlassung jedenfalls nicht geändert, weil er auf Grund seiner Obdachlosigkeit gar keine Abgabestelle mehr gehabt habe. Über seinen Asylantrag sei daher noch nicht rechtskräftig entschieden worden, weshalb die belangte Behörde seinen weiteren Antrag nicht wegen entschiedener Sache hätte zurückweisen dürfen.

1.1. Gemäß § 4 Zustellgesetz in der hier maßgeblichen Fassung vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 10/2004 ist Abgabestelle im Sinn dieses Bundesgesetzes der Ort, an dem die Sendung dem Empfänger zugestellt werden darf; das ist die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder der Arbeitsplatz des Empfängers, im Fall einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort.

Als Wohnung werden Räumlichkeiten verstanden, die im Zeitpunkt der Zustellung dem Empfänger tatsächlich als Unterkunft in der Art eines Heimes dienen; Räumlichkeiten also, die der Empfänger tatsächlich benützt, wo er gewöhnlich zu nächtigen oder sich sonst aufzuhalten pflegt. Eine "sonstige Unterkunft" liegt vor, wenn sich der Empfänger in Räumlichkeiten aufhält, die nicht das sind, was nach den allgemeinen Lebensgewohnheiten als Wohnung zu betrachten ist, selbst wenn der Aufenthalt nicht ständig, sondern nur vorübergehend ist, also nicht, wie dies bei Wohnungen der Fall ist, auf Dauer angelegt ist. Stets muss es sich um Räumlichkeiten handeln, die als Wohnungsersatz in Betracht kommen können und die dem Unterkommen dienen, wie z.B. Unterkünfte in Pensionen, Hotels oder Heimen (so z.B. Studenten- oder Seniorenheimen), Pendlerwohngelegenheiten, ein Wohnwagen sowie Unterkünfte für Asylwerber in Lagern oder Betreuungsstellen (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 92/01/0317, vom , Zlen. 94/03/0149 und 0204, vom , Zl. 94/20/0610, vom , Zl. 94/05/0242, vom , Zlen. 99/01/0124 und 0125, vom , Zl. 2005/20/0645, und vom , Zl. 2003/20/0519).

Ausgehend davon kann es nicht zweifelhaft sein, dass es sich beim Polizeianhaltezentrum Salzburg, wo sich der Beschwerdeführer vom bis in Schubhaft befand, um eine geeignete Abgabestelle im Sinn des § 4 leg. cit. gehandelt hat (s. auch Stumvoll in Fasching/Konecny2 II/2 § 87 ZPO (§ 4 ZustG) Rz 16, sowie weiters das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/18/0037). Die Absicht des Beschwerdeführers, sich dauernd dort niederzulassen, ist zur Begründung einer "sonstigen Unterkunft" entgegen dem Beschwerdevorbringen demnach nicht erforderlich.

1.2. Gemäß § 8 Abs. 1 Zustellgesetz hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit., soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

Nach dieser Rechtslage hätte vom Beschwerdeführer der Umstand, dass er aus der Schubhaft entlassen worden war, unverzüglich dem Bundesasylamt mitgeteilt werden müssen. Dass er - wie behauptet - infolge Obdachlosigkeit keine neue Abgabestelle gehabt hat, ließ seine diesbezügliche Obliegenheit unberührt, weil auch die Aufgabe einer Abgabestelle eine Änderung derselben darstellt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/01/0559, mwN, sowie daran anschließend die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2000/20/0359, vom , Zl. 2006/19/0079, und vom , Zl. 2008/05/0272).

Das Bundesasylamt ist bei Zustellung des Bescheides vom daher zutreffend nach § 8 Abs. 2 iVm § 23 Zustellgesetz vorgegangen, zumal die zuvor eingeholte Meldeauskunft aus dem Zentralen Melderegister negativ verlaufen war. Im Hinblick auf die somit rechtmäßig erfolgte Zustellung dieses Bescheides ist die belangten Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides zu Recht vom rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens über den ersten Asylantrag des Beschwerdeführers ausgegangen.

2. Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, dass die von der belangten Behörde dargestellte hg. Rechtsprechung im Zusammenspiel mit § 17 Abs. 8 AsylG 2005 zu einer Rechtschutzlücke führen würde, weil es für ihn keine Möglichkeit gegeben habe, die Gründe, die nach Erlassung des erstinstanzlichen Zurückweisungsbescheides eingetreten seien, in einem ihn vor Abschiebung schützenden Verfahren geltend zu machen. Die betreffende Rechtsprechung sei (zumindest) in Asylverfahren durch die Schaffung des § 23 Abs. 5 AsylG nicht mehr aufrecht zu erhalten. Durch die Regelung, dass Asylanträge, die während eines offenen Berufungsverfahrens gestellt worden seien, als Berufungsergänzung zu gelten hätten, seien auch im Berufungsverfahren vorgebrachte neue Gründe beachtlich und bei der Berufungsentscheidung zu berücksichtigen. Andernfalls würde der Beschwerdeführer aus verfahrensrechtlichen Gründen jeder Möglichkeit beraubt werden, neu eingetretene Fluchtgründe, die seine Rückkehr unmöglich machten, geltend zu machen, wodurch er jeder Rechtschutzmöglichkeit verlustig gehen würde.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

2.1. § 17 Abs. 8 AsylG 2005 in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 100/2005 lautet:

"(8) Wird während eines anhängigen Berufungsverfahrens ein weiterer Antrag auf internationalen Schutz gestellt oder eingebracht, wird dieser Antrag im Rahmen des anhängigen Berufungsverfahrens mitbehandelt. Ein diesfalls gestellter schriftlicher Antrag auf internationalen Schutz gilt als Berufungsergänzung; das Bundesasylamt hat diesen Antrag unverzüglich dem unabhängigen Bundesasylsenat zu übermitteln."

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Berufungsbehörde Sache im Sinn des § 66 Abs. 4 AVG ausschließlich die Frage, ob die erstinstanzliche Behörde zu Recht den neuerlichen Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat. Die Prüfung der Zulässigkeit eines neuerlichen Antrags wegen geänderten Sachverhalts darf ausschließlich anhand jener Gründe erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht worden sind. In der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid können von den Parteien Gründe, die sie in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens nicht geltend gemacht haben, nicht mehr vorgebracht werden. Im Fall der Berufung gegen einen Bescheid, die einen Parteiantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat, darf die Berufungsbehörde nämlich nur über die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, nicht aber über den zurückgewiesenen Antrag entscheiden (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 98/18/0297, mwN, und vom , Zl. 93/08/0207).

2.2. Wie die belangte Behörde zunächst richtig ausgeführt hat, gilt der am vom Beschwerdeführer gestellte Antrag gemäß § 17 Abs. 8 AsylG 2005 als Berufungsergänzung. Indem die belangte Behörde es jedoch ablehnte, sich mit dem in dieser Berufungsergänzung erstatteten neuen Vorbringen auseinander zu setzen, hat sie den Inhalt und die Bedeutung des § 17 Abs. 8 AsylG 2005 verkannt.

Schon nach dem Wortlaut des § 17 Abs. 8 AsylG 2005 ist ein als Berufungsergänzung geltender weiterer Antrag auf internationalen Schutz im Rahmen des Berufungsverfahrens mitzubehandeln was nichts anderes bedeutet, als dass die Berufungsbehörde über einen solchen (als Berufungsergänzung geltenden) Antrag gemeinsam mit der Berufung abzusprechen hat. Dies entspricht nach den Erläuterungen der Regierungsvorlage zum AsylG 2005 (952 BlgNR XXII. GP, S. 44) auch der Intention des Gesetzgebers, welcher der Behörde damit "ein Werkzeug gegen fortlaufende Folgeanträge in die Hand" geben wollte. Entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde kann dem Gesetzgeber aber nicht unterstellt werden, dass neues Vorbringen in einem weiteren Antrag keinerlei Berücksichtigung finden sollte, also nicht einmal dahin, ob die Beurteilung des ursprünglichen Vorbringens als res iudicata durch den neuen Antrag eine Änderung erfährt. Eine Anwendung der hg. Judikatur zur Unbeachtlichkeit von in der Berufung gegen einen nach § 68 Abs. 1 AVG ergangenen Zurückweisungsbescheid neu vorgebrachten Gründen wird daher durch § 17 Abs. 8 AsylG 2005 jedenfalls dann verhindert, wenn während eines solchen Berufungsverfahrens - unter Berücksichtigung des sich aus § 40 Abs. 1 AsylG 2005 ergebenden Neuerungsverbotes - zulässigerweise neues Vorbringen in einem weiteren Antrag auf internationalen Schutz erstattet wird. "Sache" des Berufungsverfahrens ist in diesem Fall die auf Basis des ersten und des weiteren Folgeantrags zu beurteilende Frage der Rechtmäßigkeit der erfolgten Zurückweisung.

Unter Berücksichtigung des im neuen Antrag erstatteten Vorbringens hat die belangte Behörde - insoweit der ständigen hg. Judikatur zu § 68 Abs. 1 AVG folgend - entweder (im Fall des Vorliegens entschiedener Sache) die Berufung abzuweisen oder (bei Nichtvorliegen dieses Zurückweisungsgrundes) den bekämpften Bescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass das Bundesasylamt in Bindung an die Auffassung der belangten Behörde den gestellten Antrag jedenfalls nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf.

Da die belangte Behörde es ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsansicht unterlassen hat, sich mit dem im als Berufungsergänzung geltenden Antrag des Beschwerdeführers vom erstatteten Vorbringen auseinander zu setzen, lässt sich noch nicht abschließend beurteilen, ob die auf § 68 Abs. 1 AVG gestützte Zurückweisung des Asylantrags zu Recht erfolgt ist.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 5 VwGG Abstand genommen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am