VwGH vom 30.05.2007, 2006/19/0322
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß sowie den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Dr. Pollak und die Hofräte Dr. N. Bachler und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde der O, vertreten durch Mag. Roland Schlegel, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Georg Coch-Platz 3/4, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 247.487/0-IX/27/04, betreffend Zurückweisung einer Berufung als verspätet (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Ukraine, beantragte am in Österreich Asyl. In diesem von ihr unterfertigten Asylantrag gab sie als Wohnadresse 1030 Wien, Eslarngasse 1/37, an.
Beim Bundesasylamt langte am eine Auskunft aus dem Zentralen Melderegister vom ein, wonach die Beschwerdeführerin seit in 1170 Wien, Weidmanngasse 25/25, mit Nebenwohnsitz gemeldet sei. Auch in der von der Beschwerdeführerin unterfertigten Niederschrift vor dem Bundesasylamt über die Einvernahme am scheint als Adresse der Beschwerdeführerin Weidmanngasse 25/25, 1170 Wien, auf.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom wurde der Asylantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen und ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Ukraine gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt.
In der Folge misslangen zwei Zustellversuche dieses Bescheides an die Adresse 1170 Wien, Weidmanngasse 25/25. Die betreffenden RSa-Sendungen gelangten jeweils mit dem Vermerk "Unbekannt" an das Bundesasylamt zurück.
Eine am vom Bundesasylamt durchgeführte Anfrage beim Zentralen Melderegister ergab abermals, dass die Beschwerdeführerin seit an der Adresse Weidmanngasse 25/25, 1170 Wien, über einen Nebenwohnsitz verfüge.
Am wurde der Bescheid des Bundesasylamtes vom zwecks Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 Zustellgesetz (ZustellG) an der Amtstafel des Bundesasylamtes angeschlagen und am abgenommen.
In einem Aktenvermerk vom hielt das Bundesasylamt fest, dass laut telefonischer Auskunft des Zustellers die Türnummer 25 in der Weidmanngasse 25 nicht existiere.
Am wandte sich die Beschwerdeführerin an das Bundesasylamt und erkundigte sich nach dem Verfahrensstand. Dabei wurde ihr eine Kopie des Bescheides des Bundesasylamtes vom ausgefolgt und ihr mitgeteilt, dass dieser Bescheid bereits am rechtskräftig geworden sei.
Mit Eingabe vom , eingelangt beim Bundesasylamt am , erhob die Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom Berufung an die belangte Behörde.
In einer weiteren Eingabe vom ergänzte die Beschwerdeführerin ihren Berufungsschriftsatz dahingehend, dass sie seit an der Adresse Leopold-Ernst-Gasse 14/25 wohne. Beim Eintrag in das Zentrale Melderegister sei indessen ein Tippfehler unterlaufen. Man habe dort angenommen, dass die Beschwerdeführerin an der Adresse Leopold-Ernst-Gasse 24/25 wohne, die mit der Adresse Weidmanngasse 25/25 ident sei. Mittlerweile sei dies auch im Zentralen Melderegister richtig gestellt worden. Hilfsweise beantragte sie unter einem die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist, wobei diesem Antrag aufschiebende Wirkung zuerkannt werden möge.
Dazu legte die Beschwerdeführerin eine "Bestätigung der Meldung aus dem Zentralen Melderegister" vom vor, derzufolge sie an der Adresse Leopold-Ernst-Gasse 14/25, 1170 Wien, über einen Nebenwohnsitz verfüge.
In Beantwortung einer Anfrage der belangten Behörde teilte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den
17. Bezirk, mit Schreiben vom mit, dass die Beschwerdeführerin seit mit Nebenwohnsitz an der Adresse 1170 Wien, Leopold-Ernst-Gasse 14/25, gemeldet sei. Vermutlich habe sich die Beschwerdeführerin am irrtümlich an der Adresse 1170 Wien, Leopold-Ernst-Gasse 24/25 (anstatt Leopold-Ernst-Gasse 14/25) angemeldet. Diese Adresse sei mit der Adresse Weidmanngasse 25/25 ident, weshalb daher die Adresse Weidmanngasse 25/25 als offizielle Adresse aufgeschienen sei.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom als verspätet zurückgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin zu keinem Zeitpunkt an der Adresse Weidmanngasse 25/25, 1170 Wien, bzw. an der damit übereinstimmenden Adresse Leopold-Ernst-Gasse 24/25 gewohnt habe. Sie hätte daher dort zu keinem Zeitpunkt eine Abgabestelle gehabt. Dies ergebe sich aus dem glaubwürdigen Vorbringen der Beschwerdeführerin und der damit übereinstimmenden Auskunft des Magistrates der Stadt Wien. Auf die Frage, ob die Beschwerdeführerin eine falsche Adresse angeführt habe oder der Fehler auf einer Verwechslung eines Mitarbeiters des Magistratischen Bezirksamtes beruhe, brauche nicht eingegangen zu werden. Stelle sich nämlich im Rahmen der Zustellung heraus, dass an der von einer Partei genannten Anschrift schon von Anfang an keine Abgabestelle bestanden habe, so liege weder eine Änderung der Abgabestelle vor, noch komme - mangels Rechtslücke - eine analoge Anwendung von § 8 Abs. 2 ZustellG in Betracht. Es sei vielmehr nach § 25 Abs. 1 ZustellG vorzugehen. Da die Beschwerdeführerin zu keinem Zeitpunkt an der von ihr angegebenen Adresse Weidmanngasse 25/25, 1170 Wien, eine Abgabestelle gehabt hätte, sei das Bundesasylamt zu Recht nach § 25 Abs. 1 ZustellG vorgegangen. Der an der Amtstafel des Bundesasylamtes angeschlagene Bescheid habe damit zwei Wochen nach Anschlag am als zugestellt gegolten. Die am erhobene Berufung sei daher als verspätet zurückzuweisen gewesen. Über die mit Eingabe vom beim Bundesasylamt gestellten Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung habe gemäß § 71 Abs. 4 AVG das Bundesasylamt zu entscheiden.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 25 Abs. 1 ZustellG können Zustellungen an Personen, deren Abgabestelle unbekannt ist, oder an eine Mehrheit von Personen, die der Behörde nicht bekannt sind, wenn es sich nicht um ein Strafverfahren handelt, kein Zustellbevollmächtigter bestellt ist und nicht gemäß § 8 vorzugehen ist, durch Anschlag an der Amtstafel, dass ein zuzustellendes Schriftstück bei der Behörde liegt, vorgenommen werden. Findet sich der Empfänger zur Empfangnahme des Schriftstückes (§ 24) nicht ein, so gilt, wenn gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, die Zustellung als bewirkt, wenn seit dem Anschlag an der Amtstafel der Behörde zwei Wochen verstrichen sind.
§ 25 ZustellG ist infolge seiner Subsidiarität zu § 8 ZustellG somit nicht anzuwenden, wenn ein Fall des § 8 ZustellG vorliegt (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/19/0115).
Nach § 8 Abs. 1 ZustellG hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.
Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist gemäß § 8 Abs. 2 ZustellG, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.
Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin in ihrem Asylantrag dem Bundesasylamt eine Wohnanschrift in 1030 Wien, Eslarngasse 1/37, bekannt gegeben. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass es sich dabei zum damaligen Zeitpunkt der Einleitung ihres Asylverfahrens um ihre Abgabestelle im Sinne des § 4 ZustellG idF BGBl. Nr. 200/1982 gehandelt hat. In der Folge hat sie diese bisherige Abgabestelle im Sinne des § 8 Abs. 1 ZustellG während des Verfahrens geändert. Ein Anwendungsfall des § 25 ZustellG liegt somit nicht vor, weshalb sich die Zustellung des Bescheides vom durch Anschlag an der Amtstafel des Bundesasylamtes jedenfalls als unzulässig erwies.
Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage von einer rechtswirksamen Zustellung des Bescheides des Bundesasylamtes ausgegangen ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich - im begehrten Ausmaß - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am