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VwGH 22.03.2012, 2011/09/0166

VwGH 22.03.2012, 2011/09/0166

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
DMSG 1923 §1 idF 1978/167;
DMSG 1923 §5 Abs1 idF 1978/167;
DMSG 1923 §5 Abs5 idF 1978/167;
DMSG 1923 §5 idF 1978/167;
MRKZP 01te Art1;
StGG Art5;
VwGG §42 Abs2 Z1;
RS 1
In seinen E VfSlg 9189/1981 und E 11019/1986 hat der VfGH keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die § 1 und § 5 des Denkmalschutzgesetzes in der damals geltenden Fassung gepflogen, im Hinblick darauf, dass diese im Zusammenhalt mit der im Gesetz auf die unbedingt notwendigen Erhaltungsmaßnahmen beschränkte Erhaltungspflicht den Wesensgehalt des in Art. 5 StGG gewährleisteten Rechts nicht verletzten. Im zweitgenannten E hat der VfGH aber ausgeführt, dass § 5 DMSG 1923 idF 167/1978 dem Gleichheitsgebot widerspräche, wenn die Behörde die Genehmigung zur Zerstörung eines Denkmals auch dann versagen könnte, wenn dem Antragsteller die Erhaltung des Denkmals wirtschaftlich nicht zumutbar wäre. § 5 Abs. 1 des Gesetzes sieht aber vor, dass der Antragsteller den Nachweis wirtschaftlicher Härte erbringen kann, worauf festzustellen ist, welche Kosten dem Eigentümer unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse und allenfalls zu erlangender Zuschüsse (§ 5 Abs. 5 legcit) zugemutet werden könnten. Die Behörde ist daher nach dem Gesetz verpflichtet, die wirtschaftliche Zumutbarkeit ihrer Anordnung zu prüfen (Hinweis E VfGH VfSlg. 7759/1976). Bei der Normierung von im öffentlichen Interesse liegenden Eigentumsbeschränkungen hat der Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des VfGH sohin den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten - auch eine im öffentlichen Interesse gelegene Eigentumsbeschränkung muss somit in einem angemessenen Verhältnis zu dem durch sie bewirkten Eingriff in das Eigentum stehen: Es muss zum einen bei einer Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Regelung und dem Interesse des Betroffenen an der Vermeidung des Eigentumseingriffes das öffentliche Interesse überwiegen und es darf ferner der zur Verwirklichung einer im überwiegenden öffentlichen Interesse getroffenen Regelung vorgenommene Eigentumseingriff nicht weiter gehen als dies zur Erreichung des Regelungszieles notwendig ist (vgl VfSlg 17071/2003 und 17817/2006). Diese Grundsätze sind bei der Auslegung und Anwendung § 5 DMSG 1923 zu beachten. Auf ähnliche Weise hat der EGMR ausgeführt, dass Eigentumsbeschränkungen zum Zweck des Denkmalschutzes im Licht des Art. 1 1. ZP MRK dann gerechtfertigt sind, wenn ein angemessener Ausgleich zwischen den Erfordernissen des Allgemeininteresses und jenen des Schutzes der Rechte des Einzelnen besteht(vgl. B EGMR im Fall Scea Ferme de Fresnoy v. France, Nr. 61093/00). Es muss eine vernünftige Beziehung der Verhältnismäßigkeit zwischen den mit der Eigentumsbeschränkung verfolgten angewendeten Mitteln und den verfolgten Zielen gegeben sein. Bei dieser Beurteilung ist eine umfassende Prüfung der verschiedenen beteiligten Interessen anzustellen (vgl. Urteil EGMR im Fall Debelianovi c. Bulgarie, Nr. 61951/00). Eine umfassende Berücksichtigung der von einer Unterschutzstellung berührten Interessen des betroffenden Eigentümers erfolgt sowohl nach der Rechtsprechung des VwGH als auch jener des VfGH erst im Verfahren betreffend die Zerstörung oder Veränderung eines unter Schutz gestellten Denkmals gemäß § 5 DMSG 1923, dort ist sie aber auch geboten.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2010/09/0144 E RS 2
Normen
DMSG 1923 §4 Abs1 idF 1999/I/170;
DMSG 1923 §5 Abs1 idF 1999/I/170;
VwGG §42 Abs2 Z1;
RS 2
§ 5 Abs. 1 DMSG wurde durch die Novelle BGBl. I Nr. 170/1999 inhaltlich verändert. Aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage dieser Novelle, 1769 Blg. NR XX. GP 48, ergibt sich, dass bei Anträgen gemäß § 5 Abs. 1 DMSG verstärkt auf Aspekte der Wirtschaftlichkeit Bedacht zu nehmen ist. Daher sind diese, wenn sie vom Antragsteller als Grund für die Zerstörung geltend gemacht werden, mit den für die Erhaltung des Denkmals sprechenden Interessen abzuwägen. Dass eine Bewilligung gemäß § 5 Abs. 1 DMSG nur im Falle der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit erteilt werden könnte, ist aus § 5 Abs. 1 DMSG nicht abzuleiten. Es kommt demnach nicht auf die wirtschaftliche Zumutbarkeit der weiteren Erhaltung des Denkmals an, für die u.a. die Vermögens- und Einkommenssituation des jeweiligen Eigentümers von Bedeutung ist. Entscheidend ist vielmehr das Überwiegen der für die Zerstörung oder für die Erhaltung des Denkmals sprechenden Gründe.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2004/09/0014 E VwSlg 16648 A/2005 RS 1
Normen
DMSG 1923 §5 idF 1999/I/170;
MRKZP 01te Art1;
StGG Art5;
VwGG §42 Abs2 Z1;
RS 3
Aus der Rechtsprechung des VfGH (vgl. E VfGH VfSlg 9189/1981; E VfSlg 11019/1986; E VfSlg 7759/1976; E VfSlg 17071/2003 und E VfSlg 17817/2006), des EGMR (vgl. B EGMR im Fall Scea Ferme de Fresnoy v. France, Nr. 61093/00; Urteil EGMR im Fall Debelianovi c. Bulgarie, Nr. 61951/00) und der nunmehrigen Fassung des § 5 DMSG 1923 (BGBl. I Nr. 170/1999) folgt, dass die Versagung einer Zerstörung oder Veränderung gemäß § 5 DMSG 1923 daher nur dann und nur in jenem Umfang zulässig ist, soweit bei einer Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Unterschutzstellung einerseits und dem Interesse des Betroffenen an der Vermeidung des Eigentumseingriffes anderseits das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung des Denkmalschutzes überwiegt und der zur Verwirklichung der Zielsetzungen des Denkmalschutzes vorgenommene Eigentumseingriff nicht weiter geht als dies zur Erreichung dieses Regelungszieles notwendig ist. In diese Beurteilung sind sämtliche, für den Denkmalschutz sprechenden öffentlichen Interessen und sämtliche für den Standpunkt des Antragstellers sprechenden Interessen mit einzubeziehen, wie etwa die Möglichkeit, aus dem Denkmal wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen oder der Erhalt öffentlicher Mittel für die Erhaltung; die konkrete Einkommens- oder Vermögenssituation des jeweiligen Denkmaleigentümers ist dabei nicht von entscheidender Bedeutung.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2010/09/0144 E RS 4 (Hier: Die Forderung nach einer Aufgabe der Eigentümereigenschaft durch Verkauf des Objektes geht über diesen Grundsatz hinaus.)
Normen
DMSG 1923 §1 Abs5;
DMSG 1923 §1;
DMSG 1923 §5 Abs1;
DMSG 1923 §5 Abs7;
RS 4
Im Hinblick auf die verschiedenen Tatbestände, die in § 5 Abs. 7 DMSG 1923 geregelt werden, ist zu differenzieren, ob der erste Fall ("durch Zeitablauf, Unglücksfälle oder widerrechtlich ohne Bewilligung (§ 5 Abs. 1) zerstört oder verändert") oder der zweite Fall ("aus sonstigen Gründen, wie etwa eine wissenschaftliche Neubewertung") vorliegt. In beiden Fällen ist hinsichtlich des Zustandes des Objektes zum Zeitpunkt der Erlassung des Unterschutzstellungsbescheides und der Frage, ob in diesem Zeitpunkt Schutzwürdigkeit im Sinne des § 1 DMSG 1923 (die nach dessen Abs. 5 unter "Bedachtnahme auf wissenschaftliche Forschungsergebnisse" zu beurteilen ist) vorlag, die Wirkung ne bis in idem gegeben. Es ist dabei unbeachtlich, aus welchen Gründen der Unterschutzstellungsbescheid in Rechtskraft erwuchs. Dies bedeutet für den ersten Fall (Veränderung oder Zerstörung), dass nur solche Änderungen zu beachten sind, die nach der Unterschutzstellung stattgefunden haben (Hinweis , 2001/09/0059).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2008/09/0312 E RS 1
Norm
DMSG 1923 §5 Abs7;
RS 5
Eine wissenschaftliche Neubewertung" iSd § 5 Abs. 7 DMSG 1923 ist dann anzunehmen, wenn sich der Stand der Wissenschaft in Bezug auf die Bewertung des geschützten Objektes geändert hat. Es ist zwar das gesamte Objekt einer neuen Prüfung zugänglich (diesbezüglich entspricht die abweichende Ansicht der belangten Behörde nicht dem Gesetz), es ist allerdings gegenüber der Bewertung zum Zeitpunkt der Unterschutzstellung in qualifizierter Weise darzulegen, weshalb im jetzigen Zeitpunkt infolge einer Änderung des Standes der Wissenschaft keine Schutzwürdigkeit mehr vorliegt (arg.: "jede Bedeutung als schützenswertes Denkmal, derentwegen sie unter Denkmalschutz gestellt wurden ..., verloren haben"). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass sich die Behörde im Falle eines Antrages auf Aufhebung des Denkmalschutzes gemäß der ausdrücklichen Anordnung des § 5 Abs. 7 DMSG 1923 nur mit Gründen auseinandersetzen muss, die von den Parteien vorgebracht und nachgewiesen werden konnten. Dabei genügen nicht bloße, wenn auch in Form eines Gutachtens erstattete Äußerungen. Eine "wissenschaftliche Neubewertung" iSd § 5 Abs. 7 DMSG 1923 wird nur anzunehmen sein, wenn von den Parteien Erkenntnisse vorgelegt werden bzw. solche offenkundig sind, in denen die Änderung des Standes der Wissenschaft bezogen auf das unter Schutz gestellte Objekt "lege artis" (das heißt, in wissenschaftlicher Arbeitsweise unter Befassung mit der Fachliteratur) nachgewiesen wird.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2008/09/0312 E RS 2

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde

1. der S M und 2. der O P, beide in R, beide vertreten durch Dr. Thomas Mondl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Canovagasse 7, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur vom , Zl. BMUKK-37.019/0003-IV/3/2011, betreffend Anträge auf Aufhebung des Denkmalschutzes und auf Zerstörung eines Gebäudes nach dem DMSG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Abspruch über einen Antrag auf Zerstörung eines Denkmals gemäß § 5 Abs. 1 DMSG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen, sohin soweit über einen Antrag auf Aufhebung des Denkmalschutzes gemäß § 5 Abs. 7 DMSG abgesprochen wird, wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat den Beschwerdeführerinnen Aufwendungen in der Höhe von (insgesamt) EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Bundesdenkmalamt stellte mit Bescheid vom , Zl. 7322/2/88, fest, dass die Erhaltung des Hauses in W, H Lände 31, Gdst. Nr. 454/1, EZ 655, KG H, gemäß §§ 1 und 3 des Denkmalschutzgesetzes (DMSG) im öffentlichen Interesse gelegen sei.

Das Bundesdenkmalamt wies mit Bescheid vom den Antrag auf Aufhebung des Denkmalschutzes des gegenständlichen Gebäudes gemäß § 5 Abs. 7 DMSG als auch jenen auf Zerstörung des Gebäudes gemäß § 5 Abs. 1 DMSG ab.

Der dagegen erhobenen Berufung wurde durch den nunmehr angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben. Die belangte Behörde führte nach Wiedergabe und Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgendes aus:

"Die (Beschwerdeführerinnen) brachten vor, dass das gegenständliche Gebäude dem Verfall überlassen sei und inzwischen auch durch Graffitis 'verschandelt' worden wäre. Wiederholte Einbrüche hätten das Haus derart zerstört, dass es nun für das Ortsbild nur noch ein 'Schandfleck' sei. Auch sind sie der Ansicht, dass das Gebäude insbesondere in den 1950er Jahren verändert worden sei. Zum Beleg wurden Fotos, die die Außenansicht des Hauses zeigen, vorgelegt sowie eine Stellungnahme von Univ.- Prof. Dr. B. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Gründe wurde auf das Gutachten der Sachverständigen Dr. W und Baumeister Ing. M vom sowie die Kostenschätzung der Ing. A GmbH vom und die vorgelegten Einkommenssteuerbescheide der Jahre 2006 bis 2008 verwiesen.

Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich, dass die Zerstörung eines Denkmals nur dann in Frage kommt, wenn die Erhaltung der Substanz aus technischen und wirtschaftlichen Gründen ausgeschlossen ( Zl. 93/09/0035).

Was die technische Möglichkeit einer Sanierbarkeit des Gebäudes anbelangt, so ist festzuhalten, dass es nach der allgemeinen Lebenserfahrung durchaus möglich ist, Graffitis zu übermalen. Der Gesamtzustand des Gebäudes ist außerdem nicht derart schlecht, dass eine Sanierung technisch unmöglich wäre. Dies bestätigt auch die Aussage der Sachverständigen DI S, die beim vom Bundesdenkmalamt am durchgeführten Ortaugenschein feststellte, dass zwar an den Anschlussbereichen zu den späteren Zubauten und in den Zubauten selber Schäden - insbesondere Feuchtigkeitsschäden - vorhanden seien, die Bausubstanz des Kernbaus selbst jedoch nur wenig Wasserschäden aufweise. Selbst dem von den (Beschwerdeführerinnen) eingebrachten Gutachten der Sachverständigen Dr. W und Baumeister Ing. M vom ist zu entnehmen, dass eine Renovierung des gegenständlichen Gebäudes durchaus möglich, wenn auch kostspielig ist. Die Behörde sieht es daher als erwiesen an, dass die technische Sanierbarkeit möglich ist, und keine Abbruchreife vorliegt.

Die Behörde hat in der Folge Argumente, welche für eine wirtschaftliche Abbruchreife sprechen, zu prüfen.

Die (Beschwerdeführerinnen) bringen zu einer solchen vor, dass die Sanierung des Bau- und Erhaltungszustandes und eine gebotene Neustrukturierung des Hauses zwecks dessen Vermietung einen Kostenaufwand von etwa Euro 1.250.000,- erfordern würden. Für dessen Tilgung sei im Falle einer Bankfinanzierung ein monatlicher Betrag von etwa Euro 8.450,-- notwendig, wobei jedoch nur mit einem monatlichen Mietertrag von Euro 5.800,-- zu rechnen sei. Ein solches Sanierungsprojekt sei daher unwirtschaftlich und unmöglich. Zum Beleg wurde seitens der (Beschwerdeführerinnen) auf die Kostenschätzung des Baumeisters Ing. A vom und das Gutachten der gerichtlich beeideten Sachverständigen Dr. H und Ing. K vom hingewiesen.

Um festzustellen, in welchem Umfang die wirtschaftliche Zumutbarkeit zu prüfen ist, ist die Judikatur des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes heranzuziehen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die wirtschaftliche Zumutbarkeit nur hinsichtlich der Kosten der unbedingt notwendigen Instandhaltungsmaßnahmen, zu denen der Eigentümer denkmalschutzrechtlich oder baurechtliche verpflichtet ist, zu prüfen ( Zl. 93/09/0035).

Vor diesem Hintergrund hat die Berufungsbehörde den Antrag (der Beschwerdeführerinnen) geprüft und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass es zwar betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll sein mag, ein Gebäude zu erhalten, wenn die Mieteinnahmen der nächsten Jahre die Sanierungsmaßnahmen nicht decken, doch ist damit nicht belegt, dass die Erhaltung den Eigentümerinne wirtschaftlich nicht zumutbar ist. Zudem ist eine Sanierung in dem von den (Beschwerdeführerinnen) angestrebten Ausmaß, nämlich eine Gesamtsanierung zur Brauchbarmachung des Objektes als Miethaus, nicht notwendig und geht über die denkmalschutzrechtlich geforderten Instandhaltungsmaßnahmen hinaus. Auch ist nicht belegt worden, dass die Baumaßnahmen, welche einer besseren Vermietbarkeit dienen, denkmalschutz- oder baurechtlich verpflichtend sind. Entgegen den Behauptungen (der Beschwerdeführerinnen), ist die angegebene Judikatur keineswegs aufgrund der Novelle des Denkmalschutzgesetzes BGBl. Nr. 170/1999 veraltet, sondern entspricht der herrschenden Judikatur. So besagt die von den (Beschwerdeführerinnen) selbst in der Berufung zitierte Entscheidung ( Zl. 2002/09/0209), dass bei Anträgen gemäß § 5 Abs. 1 DMSG zwar verstärkt auf Aspekte der Wirtschaftlichkeit Bedacht zu nehmen ist, jedoch alleine das Überwiegen der für die Zerstörung oder für die Erhaltung sprechenden Gründe, und nicht die wirtschaftliche Zumutbarkeit der weiteren Erhaltung des Denkmals, für die u.a. die Vermögens- und Einkommenssituation des jeweiligen Eigentümers von Bedeutung ist, entscheidend ist. Die von den (Beschwerdeführerinnen) vorgebrachten Gründe für eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit der Erhaltung des Gebäudes konnten auch nicht belegen, dass eine künftige Erhaltung des Hauses wirtschaftlich unzumutbar wäre, zumal die (Beschwerdeführerinnen) nicht nachweisen konnten, dass eine Verwertung des Objekts wirtschaftlich ausgeschlossen ist bzw. diese nur durch seine Zerstörung ermöglicht wird, Da in einem Verfahren nach § 5 Abs. 1 DMSG die Antragstellerinnen für die von ihnen vorgebrachte Gründe beweispflichtig sind, besteht keine amtswegige Ermittlungspflicht der Behörde.

Neben den Gründen, welche die (Beschwerdeführerinnen) für die Zerstörung vorgebracht haben, hat die Behörde auch jene Gründe zu prüfen, welche für die unveränderte Erhaltung des Denkmals sprechen. Die Behörde stellt fest, dass mit Bescheid des Bundesdenkmalamtes vom 17. M1i 1988, Zl. 7322/88, festgestellt wurde, dass an der Erhaltung des gegenständlichen Gebäudes ein öffentliches Interesse besteht. Gegen diesen Bescheid wurde kein Rechtsmittel erhoben.

Die Bedeutung des gegenständlichen Gebäudes ergibt sich aus dem im Rahmen des Unterschutzstellungsverfahrens erstellten Amtssachverständigengutachten. Demnach ist das Haus, das zunächst als Einkehrgasthaus für Donauschiffer diente, schließlich Sitz des einflussreichen Transportunternehmers und Holzgroßhändlers Johann Weinzinger war und bis in die Zwischenkriegszeit als Landeplatz für Holzflößer und Schleppschiffer genutzt wurde, von lokalhistorischer Bedeutung. Zudem stellt das Objekt einen repräsentativen Typus eines biedermeierlichen Landhauses dar. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zeigte sich, dass dem gegenständlichen Objekt inzwischen Seltenheitswert beizumessen ist, da es von Bauten des 20. Jahrhunderts umgeben ist. Die Tatsache, dass in der Umgebung des gegenständlichen Gebäudes keine vergleichbaren Objekte vorzufinden sind, untereicht seine Bedeutung als letzter Rest der biedermeierlichen Bebauung dieses Abschnittes des Donaukanals und Dokument der Donauschifffahrt in dieser Zeit. Für die Berufungsbehörde steht somit fest, dass es sich bei dem Gebäude um ein erhaltungswürdiges Denkmal handelt.

Wie bereits einleitend ausgeführt, ist für die Entscheidung nach § 5 Abs. 1 DMSG ausschlaggebend, ob die Gründe für die Zerstörung oder jene für die Erhaltung des Denkmals überwiegen ( Zl. 2004/09/0014).

Vor diesem Hintergrund und einer eingehenden Prüfung aller Gründe gelangt die Berufungsbehörde zu dem Ergebnis, dass die Gründe, welche für die Erhaltung des Gebäudes sprechen, gegenüber jenen, welche von den (Beschwerdeführerinnen) für eine Zerstörung vorgebracht wurden, überwiegen.

Gemäß § 5 Abs. 7 DMSG stehen Denkmale, die unter Denkmalschutz stehen und die etwa durch Zeitablauf, Unglücksfälle oder widerrechtlich ohne Bewilligung nach § 5 Abs. 1 DMSG zerstört oder verändert wurden oder aus sonstigen Gründen, wie etwa eine wissenschaftliche Neubewertung, jede Bedeutung als schützenswertes Denkmal, derentwegen sie unter Denkmalschutz gestellt wurden oder unter Denkmalschutz gestellt werden könnten, verloren haben, weiterhin (auch hinsichtlich bloßer Reste) so lange unter Denkmalschutz, bis das Bundesdenkmalamt von Amts wegen oder über Antrag bescheidmäßig festgestellt hat, dass an der Erhaltung kein öffentliches Interesse mehr besteht (Denkmalschutzaufhebungsverfahren). Vom Antragsteller ist das Zutreffen der für die Denkmalschutzaufhebung geltend gemachten Gründe nachzuweisen, soweit diese nicht offenkundig sind.

Daher ist im Denkmalschutzaufhebungsverfahren allein maßgeblich, ob auf Grund der Veränderung des Denkmals gegenüber dem Unterschutzstellungszeitpunkt noch ein öffentliches Interesse an der Erhaltung besteht. Eine wissenschaftliche Neubewertung im Sinne des § 5 Abs. 7 DMSG ist gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshof dann anzunehmen, wenn sich der Stand der Wissenschaft in Bezug auf die Bewertung des geschützten Objektes geändert hat. Zwar ist das gesamte Objekt einer neuen Prüfung zugänglich, es ist allerdings gegenüber der Bewertung zum Zeitpunkt der Unterschutzstellung in qualifizierter Weise darzulegen, weshalb im jetzigen Zeitpunkt infolge einer Änderung des Standes der Wissenschaft keine Schutzwürdigkeit mehr vorliegt. Eine 'wissenschaftliche Neubewertung' im Sinne des § 5 Abs. 7 DMSG ist nur dann anzunehmen, wenn von den Parteien Erkenntnisse vorgelegt werden bzw. solche offenkundig sind, in denen die Änderung des Standes der Wissenschaft bezogen auf das unter Schutz gestellte Objekt lege artis, das heißt in wissenschaftlicher Arbeitsweise und unter Befassung mit der Fachliteratur, nachgewiesen wird (Verwaltungsgerichtshof , Zl. 2008/09/0312).

Im vorliegenden Fall ist ein solcher Nachweis nicht gelungen. Mit Bescheid vom , Zl. 7322/2/88, stellte das Bundesdenkmalamt die Denkmaleigenschaft des gegenständlichen Gebäudes sowie das Bestehen des öffentlichen Interesses an dessen Erhaltung fest. Die Berufungsbehörde stellt fest, dass seit dem Zeitpunkt der Unterschutzstellung keine Änderungen hinsichtlich der Denkmalbedeutung des verfahrensgegenständlichen Hauses stattgefunden haben, was schon beim Augenschein am konstatiert wurde.

Die (Beschwerdeführerinnen) legten zum Nachweis der fehlenden historischen, wissenschaftlichen und kulturellen Bedeutung des verfahrensgegenständlichen Objektes eine 'gutachterlichkulturwissenschaftliche Stellungnahme' des Univ.-Prof. Dr. B vom vor. Univ.-Prof. Dr. B jedoch schreibt in dieser Stellungnahme selbst, dass er weder Architekt noch Kunsthistoriker sei und es ihm daher nicht möglich sei, eine Aussage zum Alter des Gebäudes zu machen. Auch geht er in seiner Stellungnahme insbesondere auf Änderungen aus den 1950er Jahren ein. Diese haben jedoch im Zeitpunkt der Unterschutzstellung (1988) schon bestanden und haben im Unterschutzstellungsbescheid bereits Beachtung gefunden. Neue Erkenntnisse hinsichtlich des Hauses H Lände 31 liegen somit nicht vor. Die Befassung des Volkskundlers Univ.- Prof. Dr. B mit dem verfahrensgegenständlichen Haus und seine anschließende Stellungnahme kann daher nicht als lege artis im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes angesehen werden.

Vor diesem Hintergrund gelangt die Berufungsbehörde daher zu dem Ergebnis, dass keine Gründe gegeben sind, die eine Aufhebung des Denkmalschutzes gemäß § 5 Abs. 7 DMSG rechtfertigen würden."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1) Zur Entscheidung über einen Antrag auf Zerstörung gemäß § 5 Abs. 1 DMSG:

Einleitend verweist der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG im Hinblick auf die Grundsätze, die in einem Verfahren nach § 5 Abs. 1 DMSG zu beachten sind, auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/09/0144, und die darin zitierten weiteren Judikate, sowie auf das Urteil des EGMR vom , im Fall Potomska und Potomski gegen Polen, Nr. 33949/05, RNr. 67.

Die belangte Behörde hat in ihrer Begründung gestützt auf Rechtsprechung vor der Novelle BGBl. I Nr. 170/1999 verfehlt und damit inhaltlich rechtswidrig ausgeführt, dass die wirtschaftliche Zumutbarkeit nur hinsichtlich der Kosten der unbedingt notwendigen Instandhaltungsmaßnahmen zu prüfen sei, zu denen der Eigentümer denkmalschutzrechtlich oder baurechtlich verpflichtet sei. Entgegen dieser Ansicht kommt es - wie in der oben genannten Rechtsprechung zu ersehen - auf die Möglichkeit an, aus dem Denkmal wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen. Diesbezüglich ist die belangte Behörde "zu dem Ergebnis gelangt, dass es zwar betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll sein mag, ein Gebäude zu erhalten, wenn die Mieteinnahmen der nächsten Jahre die Sanierungsmaßnahmen nicht decken". Dennoch sei die wirtschaftliche Unzumutbarkeit der künftigen Erhaltung des Hauses nicht belegt.

Damit beruht die Begründung der belangten Behörde hinsichtlich jenes Teiles, der die Einbeziehung der für den Standpunkt der Antragstellerinnen sprechenden Umstände behandelt, einerseits auf einem verfehlten Rechtsstandpunkt und ist andererseits in sich widersprüchlich. Die Interessensabwägung entzieht sich dadurch der nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof.

Sollte die belangte Behörde mit der Wendung, "dass eine Verwertung des Objekts wirtschaftlich ausgeschlossen ist" aber einen Verkauf meinen, so ist sie daran zu erinnern, dass der zur Verwirklichung einer im überwiegenden öffentlichen Interesse getroffenen Regelung vorgenommene Eigentumseingriff nicht weiter gehen darf als dies zur Erreichung des Regelungszieles notwendig ist. Die Forderung nach einer Aufgabe der Eigentümereigenschaft durch Verkauf des Objektes würde über diesen Grundsatz hinausgehen.

2) Zur Entscheidung über den Antrag auf Aufhebung des Denkmalschutzes gemäß § 5 Abs. 7 DMSG:

Die Argumente der Beschwerdeführerinnen, die sich offenbar auch in diesem Zusammenhang auf die nur für einen Antrag nach § 5 Abs. 1 DMSG relevante Frage der Wirtschaftlichkeit der Erhaltung des Denkmals beziehen, sind unbeachtlich.

Hinsichtlich des Zustandes des Objektes zum Zeitpunkt der Erlassung des Unterschutzstellungsbescheides und der Frage, ob in diesem Zeitpunkt Schutzwürdigkeit im Sinne des § 1 DMSG vorlag, ist die Wirkung ne bis in idem gegeben. Es ist dabei unbeachtlich, aus welchen Gründen der Unterschutzstellungsbescheid in Rechtskraft erwuchs (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/09/0312). Dies bedeutet für den ersten Fall des § 5 Abs. 7 DMSG (Veränderung oder Zerstörung durch Zeitablauf, Unglücksfälle oder widerrechtlich ohne Bewilligung), dass nur solche Änderungen zu beachten sind, die nach der Unterschutzstellung stattgefunden haben. Diesbezüglich legten die Beschwerdeführerinnen weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde konkret dar, welche (wesentlichen) Veränderungen seit der Unterschutzstellung eingetreten wären.

Insofern die Beschwerdeführerinnen auf die als Beispiel für den zweiten Fall ("sonstige Gründe") genannte "wissenschaftliche Neubewertung" zielt, ist auf die diesbezüglichen Ausführungen im genannten Erkenntnis vom gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG zu verweisen.

Das Privatgutachten des Dr. B, der nach eigenen Angaben weder Architekt noch Kunsthistoriker ist, befasst sich im Wesentlichen mit Änderungen, die bereits vor dem Zeitpunkt der Unterschutzstellung bestanden und im Unterschutzstellungsbescheid bereits Beachtung gefunden haben, ohne jedoch konkret in qualifizierter Weise darzulegen, weshalb im jetzigen Zeitpunkt infolge einer Änderung des Standes der Wissenschaft keine Schutzwürdigkeit mehr vorliege. Die belangte Behörde ist daher im Recht, dass dieses Privatgutachten nicht den im genannten Erkenntnis vom enthaltenen Anforderungen für eine "wissenschaftliche Neubewertung" gerecht wird.

Es ist den Beschwerdeführerinnen somit nicht gelungen, Gründe aufzuzeigen, die zu einer Aufhebung des Denkmalschutzes im Sinne des § 5 Abs. 7 DMSG hätten führen müssen.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher hinsichtlich des Abspruchs über einen Antrag auf Zerstörung eines Denkmals gemäß § 5 Abs. 1 DMSG mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er diesbezüglich gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Hingegen war die Beschwerde gegen den Abspruch über den Antrag auf Aufhebung des Denkmalschutzes gemäß § 5 Abs. 7 DMSG gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

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DMSG 1923 §1 Abs5;
DMSG 1923 §1 idF 1978/167;
DMSG 1923 §1;
DMSG 1923 §4 Abs1 idF 1999/I/170;
DMSG 1923 §5 Abs1 idF 1978/167;
DMSG 1923 §5 Abs1 idF 1999/I/170;
DMSG 1923 §5 Abs1;
DMSG 1923 §5 Abs5 idF 1978/167;
DMSG 1923 §5 Abs7;
DMSG 1923 §5 idF 1978/167;
DMSG 1923 §5 idF 1999/I/170;
MRKZP 01te Art1;
StGG Art5;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2012:2011090166.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
GAAAE-87387