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VwGH vom 06.07.2010, 2009/05/0004

VwGH vom 06.07.2010, 2009/05/0004

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schmidt, über die Beschwerde

1. des F S und 2. der M S, beide in S, beide vertreten durch Dr. Josef Wolfgang Deitzer, Rechtsanwalt in 2320 Schwechat, Wiener Straße 36-38/1/24, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1-BR-963/001-2008, betreffend Abbruchauftrag (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Z), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, insoweit mit ihm Spruchpunkt 2 des letztinstanzlichen Gemeindebescheides aufrecht erhalten wird, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.211,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom wurde den Rechtsvorgängern der Beschwerdeführer die Baubewilligung für die Errichtung eines an die südliche (linksseitige) und westliche Grundgrenze anschließenden Wohnhauses auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft in Z, Fstraße ..., erteilt und der Bau wurde mit Bescheid vom kollaudiert.

Mit Bescheid der damals zuständigen Gemeindeverwaltung des Reichsgaues Wien vom wurde ein an das bestehende Gebäude nach Norden anschließender und bis zur nördlichen (rechtsseitigen) Grundgrenze reichender Wohnungszubau, bestehend aus drei Zimmern mit einem Geräteraum, baubehördlich bewilligt. Eine Benützungsbewilligung wurde mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien als damals zuständiger Baubehörde vom erteilt.

Mit Bescheid vom erteilte der Magistrat der Stadt Wien den Rechtsvorgängern der Beschwerdeführer gemäß § 71 der Bauordnung für Wien die Bewilligung zur Errichtung einer südlichen Einfriedungsmauer in der Höhe von ca. 2 m. Mit dem gleichen Bescheid wurde den Rechtsvorgängern der Beschwerdeführer gemäß § 129 Abs. 4 und Abs. 10 leg. cit. ein Abbruchauftrag für den 17,75 m langen und 4,5 m breiten, teilweise unterkellerten gemauerten Wirtschaftstrakt an der nördlichen (rechten) Grundstücksgrenze erteilt. Einem Antrag auf nachträgliche Genehmigung dieser Bauherstellungen wurde gemäß §§ 60, 70 und 71 leg. cit. keine Folge gegeben; vielmehr wurde die beantragte Bewilligung versagt und die Eigentümer verpflichtet, diesen Zubau bis spätestens Ende 1954 abtragen zu lassen.

Aus der Begründung dieses Bescheides geht hervor, dass die nachträgliche Baubewilligung für den entlang der nördlichen Grundgrenze zugebauten Wirtschaftstrakt deshalb nicht habe erteilt werden können, weil die mit höchstens 100 m2 festgesetzte zulässige bebaubare Fläche durch den Altbestand von 157 m2 bebauter Fläche bereits überschritten sei. Überdies sei der Zubau teilweise im frei zu haltenden Vorgarten errichtet worden und widerspreche insbesondere die 26 m lange Feuermauer den schönheitlichen Rücksichten im Sinne der Bauordnung. Da sohin keine nachträgliche Baubewilligung habe erteilt werden können, sei der Abtragungsauftrag zu erteilen gewesen; die Frist sei angemessen.

Dieser Bescheid wurde rechtskräftig. Der Abbruch erfolgte nicht.

Auf Grund einer Nachbarbeschwerde vom forderte die Baubehörde erster Instanz die Beschwerdeführer mit Schreiben vom auf, die auf ihrer Liegenschaft befindlichen Gebäude sowie die Heizungsanlagen nach den Vorschriften der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (NÖ BauO 1996) herzustellen. Die dafür vorgesehene Frist wurde über Ersuchen der Beschwerdeführer bis zum erstreckt.

Am beantragten die Beschwerdeführer unter Vorlage eines Eingabeplanes die Bewilligung des Umbaues des Heizraumes. Nach den Einreichunterlagen sollte der vorhandene Kamin abgetragen und im Nebenraum zum bestehenden Heizraum wiederhergestellt werden. Sowohl der Heizraum als auch der Nebenraum befinden sich im Zubau an der nördlichen Grundgrenze.

Mit Schreiben vom teilte die Baubehörde erster Instanz den Beschwerdeführern mit, dass ihr Ansuchen vom zum Umbau der Baulichkeiten für die Heizungsanlage (Kamindemontage und Neuerrichtung) am dem Bausachverständigen zur Begutachtung vorgelegt und festgestellt worden sei, dass Unterlagen fehlten. Es werde auch darauf verwiesen, dass die geplanten Zubauten im seitlichen und vorderen Bauwich bereits mit Bescheid vom untersagt worden seien. Als Frist für die Einbringung der geforderten Unterlagen setzte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde den fest und verwies weiters darauf, dass ein Abbruchauftrag erteilt werde, wenn die Unterlagen bis zu diesem Zeitpunkt nicht vorlägen. Die Frist zur Vorlage des Teilungsplanes wurde bis zum erstreckt.

Mit Schreiben vom forderte die Baubehörde erster Instanz die Beschwerdeführer neuerlich auf, die mit Schreiben vom angeforderten Unterlagen bzw. den Nachweis über die Grundstückszusammenlegung bis zum vorzulegen und kündigte für den Fall der Versäumung dieser Frist die Erteilung eines Abbruchauftrages an.

Mit Bescheid vom erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde den Beschwerdeführern für die baubehördlich nicht genehmigten Gebäudeteile der Liegenschaft F-Straße 93 gemäß § 35 Abs. 3 NÖ BauO 1996 einen Abbruchauftrag, weil sich die unzulässig errichteten Bauwerke im seitlichen und vorderen Bauwich befänden. Als Frist wurde der festgelegt.

Mit Bescheid vom wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der Beschwerdeführer als unbegründet ab; aus Anlass der Berufung änderte er den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides dahingehend ab, dass den Beschwerdeführern der Abbruchauftrag für die baubehördlich nicht genehmigten Gebäudeteile auf der Liegenschaft F-straße ..., und zwar

"1. im linken seitlichen Bauwich, zum Grundstück 614 das Nebengebäude auf einer Länge von ca. 14,50 m, einer Breite von ca. 3,40 m und einer Höhe von ca. 2,80 m (in dem ein Unterstellraum und ein Geräteraum situiert ist) und

2. im rechten seitlichen und vorderen Bauwich zum Grundstück 618 das Gebäude auf einer Länge von ca. 5,60 m, einer Breite von ca. 4,0 m und einer Höhe von ca. 3,20 m (in dem sich ein Lager- und ein Heizraum befindet)",

gemäß § 35 Abs. 2 Z. 3 NÖ BauO 1996 erteilt werde, da sich die gegenständlichen Gebäudeteile bzw. das Gebäude im vorderen bzw. seitlichen Bauwich befänden. Der Abbruch habe binnen dreier Monate ab Rechtskraft des Bescheides zu erfolgen.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung, in der sie im Wesentlichen vorbrachten, das Gebäude sei bereits vor dem Jahre 1954 errichtet und der Abbruchauftrag zu einem Zeitpunkt erlassen worden, wo sie noch lange nicht Eigentümer des gegenständlichen Grundstückes gewesen seien. Die Aufträge seien ihnen nunmehr in überraschender Weise erteilt worden, obwohl die Behörde mit dem Vollzug des Bescheides seit 53 Jahren in Verzug gewesen sei. Sie hätten das gegenständliche Grundstück im Vertrauen auf den Grundbuchsstand erworben. Sämtliche Gebäude auf den Grundstücken seien bereits vor 1954 errichtet worden und die Beschwerdeführer hätten versucht, den Auflagen und Aufträgen der Behörde nachzukommen. So hätten sie einen Teilungsplan erstellt und die Kosten dafür übernommen; sie hätten auch einen Einreichplan für die nachträgliche Genehmigung der nicht genehmigten Bauwerke auf ihrem Grundstück vorgelegt. Die von der Behörde verlangte Vorlage einer Benützungsbewilligung aus dem Jahre 1953, die zwar im Bauakt vermerkt sei, in diesem jedoch nicht aufliege, könne nur als schikanöse Vorgangsweise gewertet werden, da der Behörde bekannt sei, dass sie das Grundstück erst im Jahr 1970 erworben hätten. Im Zeitpunkt des Kaufes der gegenständlichen Liegenschaft sei die Behörde mit dem Vollzug des Abbruchbescheides bereits mehr als 16 Jahre in Verzug gewesen, sodass sie auf Grund des grob fahrlässigen Verhaltens der Baubehörde über die Eigenschaft des Bauwerkes und der Liegenschaft in Irrtum geführt worden seien. Ein Kaufvertrag wäre bei Kenntnis dieser Umstände niemals zustande gekommen. Das Nichttätigwerden der Behörde über einen Zeitraum von 54 Jahren stelle einen Verstoß gegen die EMRK dar, da von der Durchführung eines fairen, ordentlichen und zeitlich angemessenen Verfahrens nicht mehr gesprochen werden könne. Weiters sei das Verfahren in wesentlichen Bestandteilen mangelhaft geblieben, zumal keine schriftliche Äußerung des Amtssachverständigen vorliege. Der Umstand, dass der Bauakt der Gemeinde offensichtlich nicht vollständig sei, könne ihnen nicht zur Last fallen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab.

Die belangte Behörde stellte fest, dass das Wohnhaus auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft in gekuppelter Bauungsweise errichtet worden sei. An der Grundstücksgrenze zum Grundstück Nr. X (nördliche Grundstücksgrenze) befinde sich weiterhin das im Jahr 1954 errichtete Nebengebäude, dessen Länge rund 14 m, dessen Breite rund 4 m und dessen Gebäudehöhe rund 3,20 m betrage. In diesem seien im Wesentlichen ein Wohnzimmer, ein Vorraum, ein WC, ein Lager sowie eine Heizraum mit Schornstein untergebracht, wobei das Lager und der Heizraum im vorderen Bauwich (auf eine Länge von 5,6 m und insofern erfasst von Spruchpunkt 2 des Berufungsbescheides) stünden. An der südlichen Grundstücksgrenze zum Grundstück Nr. Y seien ebenso Nebengebäude mit einer Länge von rund 14,50 m, einer Breite von rund 3,40 m und einer Gebäudehöhe von rund 2,80 m (erfasst von Spruchpunkt 1 des Berufungsbescheides) errichtet, wobei darin ein Unterstellraum und ein Geräteraum untergebracht seien.

Diese verfahrensgegenständlichen Gebäude bzw. Gebäudeteile seien bereits vor Jahrzehnten errichtet worden, wobei der Bauakt der mitbeteiligten Gemeinde Baubewilligungen in Bezug auf diese Gebäude nicht beinhalte. Dies, obwohl deren Errichtung sowohl im Zeitpunkt der Errichtung als auch auf Grund der derzeit geltenden Rechtslage einer baubehördlichen Bewilligung bedurft hätte. Festzuhalten sei, dass hiefür eine nachträgliche Baubewilligung nicht erteilt werden könne, da sich die verfahrensgegenständlichen Gebäude bzw. -teile im seitlichen und vorderen Bauwich befänden und somit gegen die Bestimmungen der NÖ BauO 1996 sowie gegen § 5 Abs. 3 der Bebauungsvorschriften der mitbeteiligten Gemeinde verstießen. Zudem seien die Beschwerdeführer den Aufforderungen der Behörde, um eine nachträgliche Baubewilligung anzusuchen, nicht rechtzeitig nachgekommen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes treffe die Verpflichtung zur Beseitigung eines rechtswidrigen Bauwerkes den jeweiligen Eigentümer des Bauwerkes, unabhängig davon, ob er oder ein Dritter oder sein Rechtsvorgänger den bauordnungswidrigen Zustand herbeigeführt habe. Ein baubehördlicher Konsens dürfe nicht schon dann angenommen werden, wenn ein Einschreiten der Behörde wegen Konsenslosigkeit nicht erfolgt sei oder wenn den Gemeindeorganen die Existenz eines konsenslosen Gebäudes bekannt sein müsse und sie dagegen im Lauf der Zeit keine rechtlichen Bedenken erhoben hätten. Das Unterbleiben einer Beanstandung durch die baubehördlichen Organe könne der ausdrücklichen Erteilung einer Baubewilligung nicht gleichgehalten werden. Eine solche könne weder durch eine Art konkludentes Verhalten der Bauaufsichtsorgane begründet noch ersessen werden. Ob die Beschwerdeführer beim Kauf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft von einem baubehördlich bewilligten Gebäudebestand ausgegangen seien oder nicht bzw. davon ausgehen hätten dürfen, sei rechtlich nicht von Bedeutung. Die Ausführungen der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit ihrem Kaufverhalten seien nicht nachvollziehbar, zumal anzunehmen sei, dass die Beschwerdeführer im Zuge des Erwerbes der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft Sorgfalt walten lassen und auch in den Bauakt Einsicht genommen hätten, wodurch sie bereits damals vor Kaufabschluss die Konsenslosigkeit der Gebäude bzw. - teile hätten erkennen können. Aus welchen Gründen sie damals den Kaufvertrag dennoch abgeschlossen hätten und welcher Schaden ihnen dadurch durch die Baubehörde entstanden sein solle, sei nicht nachvollziehbar und auch nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Sowohl ihre Rechtsvorgänger als auch die Beschwerdeführer seien seit der konsenslosen Errichtung des Zubaues gesetzlich verpflichtet, den bauordnungsgemäßen Zustand wiederherzustellen. Es sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb das gegenständliche Verfahren einen Verstoß gegen die EMRK darstellen solle, zumal es Pflicht der Baubehörde sei, den bauordnungswidrigen Zustand zu beseitigen, wenn die Eigentümer ihren gesetzlichen Verpflichtungen nicht freiwillig nachkämen. Da eine Ersitzung einer Bewilligung ausgeschlossen sei, habe die Baubehörde den verfahrensgegenständlichen Bauauftrag erlassen können. Auf schriftliche Äußerungen des bautechnischen Amtssachverständigen komme es nicht an, zumal der Baubestand auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft und die rechtlichen Regelungen eindeutig seien und auch den Beschwerdeführern bekannt sein müssten. Die Gemeindebehörden hätten zu Recht den Schluss gezogen, dass die verfahrensgegenständlichen Gebäude bzw. -teile abzubrechen seien, wobei diese im seitlichen und vorderen Bauwich auf Grund der Bestimmungen der NÖ BauO 1996 (§§ 49 Abs. 1, 51 Abs. 3 und 52 Abs. 3 leg. cit. sowie § 5 Abs. 3 der Bebauungsvorschriften der mitbeteiligten Gemeinde) nachträglich auch nicht bewilligungsfähig seien. Schließlich sei auch die Behauptung der Unvollständigkeit des verfahrensgegenständlichen Bauaktes unzutreffend, zumal die Benützungsbewilligung aus dem Jahr 1953 im Akt enthalten sei. Der Spruch des Gemeindebescheides sei schließlich auch ausreichend bestimmt gefasst.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Die mitbeteiligte Partei hat sich am Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen der NÖ BauO 1996 haben folgenden Wortlaut:

"§ 35. (1) ...

(2) Die Baubehörde hat den Abbruch eines Bauwerks anzuordnen, wenn


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
...
3.
für das Bauwerk keine Baubewilligung (§ 23) oder Anzeige (§ 15) vorliegt und
-
das Bauwerk unzulässig ist (§ 15 Abs. 3 und § 23 Abs. 1) oder
-
der Eigentümer den für die fehlende Bewilligung erforderlichen Antrag oder die Anzeige nicht innerhalb der von der Baubehörde bestimmten Frist ab der Zustellung der Aufforderung hiezu eingebracht hat.

§ 49. (1) Über eine Baufluchtlinie sowie in einen Bauwich darf grundsätzlich nicht gebaut werden. Ausgenommen sind Bauwerke nach § 51, Vorbauten nach § 52 und unterirdische Bauwerke oder Bauwerksteile. Unterirdische Bauwerke oder Bauwerksteile dürfen jedoch höchstens 50 cm, in Hanglagen höchstens 1 m, über die bestehende oder bewilligte Höhenlage des Geländes ragen.

§ 51. (1) ...

(3) Bei der gekuppelten und der einseitig offenen Bebauungsweise muss der seitliche Bauwich, bei der offenen Bebauungsweise und der freien Anordnung von Gebäuden ein seitlicher Bauwich von Nebengebäuden freigehalten werden.

§ 52. (1) Über die Straßenfluchtlinie sind folgende Vorbauten zulässig:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
Keller-, Grundmauern und Fundamente bis 20 cm,
2.
Gebäudesockel bis 20 cm und bis zu einer Höhe von 2 m,
3.
Stufen innerhalb des Sockelvorsprungs,
4.
Licht-, Luft- und Putzschächte sowie Einbringöffnungen (z.B. Einwurf- und Montageöffnungen) bis 1 m,
5.
vorstehende Bauteile, die der Gliederung und Gestaltung der Schauseiten, der Anbringung von vorgehängten Fassaden sowie von Heizungs- und Klimaanlagen dienen, bis 15 cm,
6.
Verkleidungen von Schauseiten, z.B. Verputze, bis 3 cm,
7.
Hauptgesimse und Dachvorsprünge bis 1 m,
8.
...

(3) Im seitlichen oder hinteren Bauwich sind zulässig:

1. die in Abs. 1 Z. 1 bis 4 genannten Bauteile bis zur gesamten Breite,

2. die in Abs. 1 Z. 5 bis 7 genannten Bauteile mit denselben Beschränkungen,

3. Balkone, Erker, Sonnenblenden (starre Markisen), Schutzdächer, Werbezeichen, Stiegenhäuser, Aufzugsanlagen, Veranden, Wintergärten, Windfänge, Freitreppen und Terrassen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
-
bis zu einer Gesamtlänge von höchstens einem Drittel der Gebäudelänge ohne Vorbauten, jedoch nicht mehr als 5 m, und
-
bis zur Hälfte des Bauwichs, jedoch nicht mehr als 2 m."
Der in Geltung stehende Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Gemeinde sieht für die verfahrensgegenständliche Liegenschaft die Widmung Bauland-Wohngebiet vor. Im Bebauungsplan ist eine Bebauungsdichte von 40
%, die Bauklasse I bzw. II sowie die offene bzw. die gekuppelte Bebauungsweise festgelegt. Weiters ist parallel zur Straßenfluchtlinie der F-straße im Abstand von 4 m die vordere Baufluchtlinie festgelegt. Nach § 5 Abs. 3 der Bebauungsvorschriften der mitbeteiligten Gemeinde ist im Vorgarten die Errichtung von Garagen und Nebengebäuden untersagt. Unbestritten ist, dass das Wohnhaus der Beschwerdeführer in gekuppelter Bauweise errichtet wurde.
Die Beschwerdeführer machen unter dem Aspekt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit geltend, die gegenständlichen Bauwerke im Bauwich bzw.
Vorgarten bestünden bereits seit vielen Jahrzehnten. Sie seien offensichtlich nach 1933 und bereits vor 1943 errichtet worden.
Dieser Behauptung der Beschwerdeführer steht die Aktenlage entgegen. Mit Bescheid vom 9.
Juni 1943 wurde den Rechtsvorgängern der Beschwerdeführer die baubehördliche Genehmigung zum Zubau zu ihrem Wohnhaus im nördlichen Bereich des Grundstückes erteilt. Dieser Zubau bestand aus einem Zimmer, einer Küche, einem Vorzimmer, einem Windfang und einem Geräteraum. Die nördliche Begrenzungswand des Vorzimmers, des Windfangs und des Geräteraumes (insgesamt in einer Länge von 10,60 m) liegt entlang der nördlichen Grundgrenze zum nunmehrigen Grundstück Nr. X. Die entlang dieser Grundgrenze daran anschließenden Baulichkeiten waren von dieser Bewilligung hingegen nicht umfasst. Für diese gibt es unbestritten auch keine andere Baubewilligung.
In weiterer Folge machen die Beschwerdeführer geltend, die belangte Behörde hätte nicht überprüft, welche Bauordnung zum Zeitpunkt der Errichtung dieses Zubaues an der nördlichen Grundgrenze gegolten habe und ob dieses Gebäude damals genehmigungsfähig gewesen wäre. Die belangte Behörde stütze sich auf die aktuellen Bebauungsvorschriften der Gemeinde Z und nicht auf die, die zum Zeitpunkt der Errichtung der gegenständlichen Nebengebäude gegolten haben.
Nun setzt ein Beseitigungsauftrag voraus, dass die Baulichkeit im Zeitpunkt ihrer Errichtung und auch im Zeitpunkt der Erteilung des Auftrages bewilligungspflichtig war und eine nachträgliche Bewilligung nicht möglich ist. Die Bewilligungsfähigkeit ist aber ausschließlich nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des Auftrages zu prüfen (vgl.
aus der ständigen Rechtsprechung die hg. Erkenntnisse vom , 94/05/0093, vom , 2004/05/0014, ua). Die Anwendung der NÖ BauO 1996 und die Heranziehung der aktuellen Bebauungsvorschriften der Gemeinde Zwölfaxing bei Prüfung der Bewilligungsfähigkeit durch die belangte Behörde war daher rechtmäßig. Diese Bebauungsvorschriften stehen aber einer Bewilligung von Bauten im Vorgarten (hier: durch Lager- und Heizraum) an der nördlichen Grundgrenze entgegen.
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer waren die jedenfalls nach der erteilten Bewilligung vom 9.
Juni 1943 errichteten Zubauten aber auch nach der damaligen Rechtslage, und zwar nach § 60 Abs. 1 lit. a der damals für dieses Gebiet in Geltung stehenden Bauordnung für Wien, bewilligungspflichtig. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass mit Bescheid vom von der damals zuständigen Baubehörde nicht nur ein Bauauftrag zur Beseitigung des Wirtschaftstraktes an der nördlichen Grundgrenze erteilt, sondern dass mit diesem Bescheid auch ein Antrag auf nachträgliche Genehmigung dieses Gebäudes wegen dessen fehlender Genehmigungsfähigkeit (vgl. den "Fluchtlinienbescheid" vom , wonach die bebaubare Fläche maximal 100 m2 betragen durfte) rechtskräftig abgewiesen wurde. Der dortige Zubau war daher auch nach den damaligen Normen bewilligungspflichtig, aber nicht genehmigungsfähig. Dies gilt im Übrigen auch für den Zubau an der südseitigen Grundgrenze.
Wenn die Beschwerdeführer weiters behaupten, es liege eine Baubewilligung und Benützungsbewilligung aus dem Jahr 1943 vor, welche sich nicht mehr im Bauakt befinde, so kann auch dieser Behauptung nicht gefolgt werden. Die Baubewilligung vom 9.
Juni 1943 bezieht sich auf den bereits oben näher beschriebenen Zubau des Wohngebäudes im nördlichen Grundstücksbereich, die diesbezügliche Benützungsbewilligung datiert vom . Beide Bewilligungen erliegen im Akt. Auch wenn die Beschwerdeführer seitens der Baubehörde aufgefordert wurden, diese Benützungsbewilligung vorzulegen, so hatte die Unterlassung der Vorlage dieser Benützungsbewilligung für die Beschwerdeführer keinerlei rechtliche Folgen.
Die Beschwerdeführer rügen weiters, die Baubehörden hätten es bis zum gegenständlichen Bescheid unterlassen, den rechtskräftigen Abtragungsauftrag zu vollziehen, und die Beschwerdeführer seien daher in ihrem Recht auf Durchführung eines raschen Verfahrens verletzt worden. Es sei ihnen der Bescheid vom 18.
Jänner 1954 nicht bekannt gewesen, auch der mitbeteiligten Gemeinde offenbar nicht, die es bis zum Jahr 2007 unterlassen habe, Schritte zu ergreifen, um den konsensgemäßen Zustand herzustellen.
Eine im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Rechtsverletzung der Beschwerdeführer wird mit diesem Vorbringen nicht geltend gemacht. Die Verpflichtung zur Beseitigung eines rechtswidrigen Baus trifft den jeweiligen Eigentümer des Bauwerks, unabhängig davon, wer den bauordnungswidrigen Zustand herbeigeführt hat (vgl.
unter anderem die hg. Erkenntnisse vom , 99/05/0053, und vom , 96/05/0180, und vom , 2002/05/0686). Die Verpflichtung zur Befolgung eines rechtskräftigen Abbruchauftrages trifft aufgrund der dinglichen Wirkung eines solchen Auftrages (vgl. dazu § 129b Abs. 1 der Bauordnung für Wien in der Fassung der Novelle Nr. 28/1956 bzw. § 119 der NÖ Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 166/1969) ebenfalls den jeweiligen Eigentümer der vom Auftrag umfassten Baulichkeiten. Die Beschwerdeführer wären daher seit dem Eigentumsübergang auf sie verpflichtet gewesen, den Auftrag vom zu befolgen. Darauf, ob sie von der Existenz des Auftrages Kenntnis hatten oder nicht, kommt es dabei nicht an. Aus der Untätigkeit der Baubehörden bei der Vollstreckung eines Bauauftrages, zu dessen Befolgung die Beschwerdeführer selbst seit Jahrzehnten verpflichtet waren, können sie keine Verletzung ihrer Rechte ableiten. Schließlich geht der Umstand, dass es die Beschwerdeführer offenbar verabsäumt haben, sich vor dem Kauf der Liegenschaft über das Bestehen baurechtlicher Bewilligungen und baupolizeilicher Aufträge in Bezug auf den dort befindlichen Gebäudebestand vollständig zu informieren, nicht zu Lasten der Behörde.
Darüber hinaus machen die Beschwerdeführer auch eine Unbestimmtheit des Spruches des Bescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde geltend. Angesichts der -
oben wiedergegebenen - im Spruch erfolgten genauen Umschreibung der zu entfernenden Nebengebäude, nicht nur mit metrischen Angaben sondern auch mit der Art der Nutzung der darin untergebrachten Räume, erweist sich diese Spruchgestaltung aber als ausreichend bestimmt.
Weiters meinen die Beschwerdeführer, sie hätten in Bezug auf den südseitig (linksseitig) gelegenen Gebäudebestand sehr wohl die benötigten Urkunden beigebracht. Die notwendigen Bestandspläne zur nachträglichen Genehmigung lägen im Akt. Das von ihnen geforderte Sachverständigengutachten über die Genehmigungsfähigkeit des gegenständlichen Bauwerkes sei jedoch seitens der Gemeinde nicht beigebracht worden, sodass bisher nicht klar sei, ob das linksseitig gelegene Gebäude genehmigungsfähig sei. Durch die Unterlassung der Einholung eines Gutachtens über die Frage der Genehmigungsfähigkeit seien die Beschwerdeführer in ihren Rechten verletzt.
Der gegenständliche Abbruchauftrag stützt sich auf die Bestimmung des §
35 Abs. 2 Z 3 NÖ BauO 1996. Z 3 sieht zwei Fälle vor, in denen bei einem Bauwerk, für das keine Baubewilligung (§ 23) oder Anzeige (§ 15) vorliegt, mit einem Auftrag vorgegangen werden kann: nämlich sowohl dann, wenn das Bauwerk unzulässig ist (§ 15 Abs. 3 und § 23 Abs. 1), als auch dann, wenn der Eigentümer den für die fehlende Bewilligung erforderlichen Antrag oder die Anzeige nicht innerhalb der von der Baubehörde bestimmten Frist ab der Zustellung der Aufforderung hiezu eingebracht hat.
Beim Auftrag, die an der südlichen Grundgrenze liegenden Gebäude bzw.
Gebäudeteile abzutragen, bezog sich die letztinstanzliche Gemeindebehörde auf den ersten dieser beiden Fälle, nämlich die Unzulässigkeit dieser Baulichkeiten im seitlichen Bauwich, weshalb eine Bewilligung nicht in Frage komme. Nun erweisen sich angesichts der gekuppelten Bauweise des Wohngebäudes die im seitlichen Bauwich vorgenommenen Bauführungen, die auch keine der Ausnahmen des § 52 Abs. 3 leg.cit. darstellen, gemäß § 51 Abs. 3 NÖ BauO 1996 aber als unzulässig, sodass eine Rechtsverletzung der Beschwerdeführer durch diesen Teil des Abbruchauftrages nicht zu erkennen ist.
Der Sachverhalt, insbesondere in Bezug auf die Situierung und das Ausmaß der verfahrensgegenständlichen Gebäude, ist unstrittig, sodass es sich bei der Frage der Zulässigkeit der Errichtung von Gebäuden im seitlichen Bauwich um reine Rechtsfragen handelt. Diese Rechtsfrage der "Genehmigungsfähigkeit des gegenständlichen Bauwerkes" ist aber nicht von einem Sachverständigen, sondern von der Behörde zu klären. In der von den Beschwerdeführern gerügten Unterlassung der Einholung eines solchen Gutachtens liegt daher ebenfalls keine Rechtswidrigkeit.
Dennoch ist der Beschwerde teilweise Erfolg beschieden:
Wie bereits dargestellt, besteht ein rechtskräftiger Abbruchauftrag in Bezug auf den an der nördlichen Grundgrenze ohne Baubewilligung errichteten "Wirtschaftstrakt" (Bescheid vom 18.
Jänner 1954). Dieser Abbruchauftrag bezieht sich auf einen Gebäudekomplex, der an den mit Bescheid vom bewilligten Wohnungszubau östlich Richtung F-straße angrenzt und im Bescheid als "17,75 m langer, 4,0 m breiter, teilweise unterkellerter gemauerter Wirtschaftstrakt" beschrieben wird.
Nach dem im Akt erliegenden "Fluchtlinienplan" (Bescheid vom 1.
September 1953), der offenbar auch der mündlichen Verhandlung vom und dem Abbruchbescheid vom zu Grunde lag, reichte dieser Komplex ("Wirtschaftstrakt") damals bis ungefähr 3 m an die Grenze zur F-Straße heran. Vergleicht man diesen Plan mit den aktuellen Bestandsplänen, so zeigt sich, dass der Gebäudekomplex nunmehr bis zur Straße reicht. Ein Teil des vom Spruchpunkt 2 erfassten Beseitigungsauftrages, der - ausgehend von der Straße - von einem Gebäudeteil mit 5,60 m Länge spricht, wurde daher bereits vom damaligen Abbruchauftrag umfasst.
War aber ein Teil dieses Gebäudeteils (wohl der Lagerraum, nicht aber der Heizraum) bereits Gegenstand eines rechtskräftigen Bauauftrages, so steht der Erlassung eines weiteren, ebenfalls diesen Gebäudeteil umfassenden Bauauftrages aber entschiedene Sache entgegen. Die Verpflichtung zum Abriss dieses Gebäudeteiles ergibt sich bereits aus dem Bescheid vom 18.
Jänner 1954; der Erlassung eines weiteren Bescheides, soweit er deckungsgleich ist, bedurfte es nicht.
Die belangte Behörde hätte daher überprüfen müssen, auf welche Gebäudeteile sich der Abbruchbescheid vom 18.
Jänner 1954 genau bezieht, und den diesbezüglichen Teil des Spruchteils 2 des letztinstanzlichen Gemeindebescheides wegen entschiedener Sache aufheben müssen.
Weil sich die Abweisung der Vorstellung auf den gesamten Spruchpunkt
2 des letztinstanzlichen Gemeindebescheides bezieht, erweist sich der angefochtene Bescheid somit als inhaltlich rechtswidrig, sodass er in diesem Umfang wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Im Übrigen war die Beschwerde gemäß §
42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich -
im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Die Abweisung des Mehrbegehrens bezieht sich auf den geltend gemachten Streitgenossenzuschlag, der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht zu berücksichtigen ist.
Wien, am 6.
Juli 2010