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VwGH vom 28.04.2011, 2009/04/0307

VwGH vom 28.04.2011, 2009/04/0307

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des X in Y, vertreten durch Mag. Wolfgang Klasnic, Rechtsanwalt in 8111 Judendorf-Straßengel, Gratweinerstraße 21, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom , Zl. A 14-30-1749/2009-7, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer im Instanzenzug die Gewerbeberechtigung für das "Gastgewerbe in der Betriebsart Cafe Pub nach § 111 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 idgF" an einem näher bezeichneten Standort gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 idgF entzogen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, auf Grund der Aktenlage seien gegen den Beschwerdeführer wegen im Zusammenhang mit der Ausübung seines Gewerbes begangener Übertretungen folgende acht rechtskräftige Verwaltungsstrafen verhängt worden:

Mit Straferkenntnissen der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung (BH) vom 19. bzw. sei wegen Übertretungen nach § 366 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 eine Geldstrafe in der Höhe von jeweils EUR 350,-- verhängt worden. Der Beschwerdeführer habe es danach jeweils zu verantworten, dass er ohne Änderung der genehmigten Betriebsanlage die Betriebszeiten (07:30 bis 24:00 Uhr) nicht eingehalten habe. Um 01:15 Uhr bzw. 01:07 Uhr hätten sich noch Gäste im Lokal aufgehalten.

Weiters seien über den Beschwerdeführer mit zwei Strafverfügungen der BH vom bzw. wegen Übertretungen nach § 367 Z. 25 GewO 1994 vier Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 150,-- bzw. eine in der Höhe von EUR 300,-

- sowie gemäß § 130 Abs. 1 Z. 14 ASchG iVm § 1 Abs. 1 Elektroschutzverordnung 2003 idgF eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 150,-- verhängt worden.

Näher bezeichnete im Bewilligungsbescheid der BH vom sowie vom gemäß §§ 74, 77, 81 Abs. 2 Z. 9, 345 Abs. 8 Z. 6 und 359 Abs. 1 GewO 1994 vorgeschriebene Auflagen seien der Strafverfügung vom zufolge bis zum nicht erfüllt worden:


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-
Fehlen einer Fluchtwegsorientierungsleuchte über dem Ausgang bei dem Extrazimmer und keine Vorlage einer Bescheinigung über die ordnungsgemäße Installation
-
keine Vorlage einer Bestätigung (Attest) über die ordnungsgemäße Ausführung der beiden Rauchmelder (Verbindung der Melder)
-
keine Vorlage einer Bestätigung (Attest) über die ordnungsgemäße Ausführung der Polsterbezüge, Vorhänge und Dekoration in B 1 (schwer entflammbar), Q 1 (schwach qualmend) und Tr 1 (nicht tropfend).
Näher bezeichnete Auflagen, die im Genehmigungsbescheid der BH vom gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 vorgeschrieben worden seien, seien der Strafverfügung vom zufolge bis zum nicht eingehalten worden:
-
keine Vorlage einer Bestätigung (Attest) über die ordnungsgemäße Ausführung der Polsterbezüge, Vorhänge und Dekoration in B 1 (schwer entflammbar), Q 1 (schwach qualmend) und Tr 1 (nicht tropfend)
-
keine Vorlage einer Bestätigung über die Behebung geringfügiger Mängel der elektrischen Anlage, die auf Grund eines Prüfberichtes vom innerhalb von 6 Wochen zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer/innen zu beheben gewesen wären.
In seiner Stellungnahme vom habe der Beschwerdeführer dargelegt, wie es trotz seiner Bemühungen dazu kommen konnte, die bemängelten Auflagen nicht rechtzeitig zu erfüllen. Bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit im Sinne des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 sei die Nichtbeachtung von Auflagen eines Betriebsanlagengenehmigungsbescheides selbst dann zu berücksichtigen, wenn diese Auflagen in der Folge in Anwendung der Bestimmung des § 78 Abs. 2 GewO 1994 beseitigt worden seien (Hinweis auf Zl. 98/04/0188). Der Gesichtspunkt der Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Gewerbeinhabers habe im Entziehungsverfahren keine rechtliche Relevanz.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.


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Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.
Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, aus dem angefochtenen Bescheid sei nicht erkennbar, ob die belangte Behörde in den den Straferkenntnissen zu Grunde liegenden Tatbeständen schwerwiegende Verstöße erkenne oder ob es sich um eine gleichzusetzende Vielzahl geringfügiger Übertretungen handle und inwieweit die Übertretungen ein weiteres vorschriftswidriges Verhalten befürchten ließen.
Tatsächlich läge keines von beidem vor. Der Beschwerdeführer habe sich seit den beiden Sperrstundenüberschreitungen im Jahr 2005 wohlverhalten. Bei den Verwaltungsübertretungen aus 2007 und 2008 handle es sich um die Nichtbefolgung von Auflagen, wobei größtenteils die Vorlage von Attesten nicht fristgerecht erfolgt sei. Der Beschwerdeführer habe die Verzögerungen zwar zu verantworten, doch sei er mittlerweile allen Verpflichtungen nachgekommen. Außerdem sei die letzte Verwaltungsübertretung im Mai 2008 gesetzt worden, die Entziehung der Gewerbeberechtigung sei erst Ende April 2009 angeordnet worden. Für die Entziehung der Gewerbeberechtigung auf Grund des Nicht(mehr)besitzes der Zuverlässigkeit infolge schwerwiegender Verstöße seien zumindest mehrere schwerwiegende Verstöße erforderlich, die vom Beschwerdeführer gesetzten Übertretungen würden dafür nicht ausreichen, sodass von der erforderlichen Zuverlässigkeit auszugehen sei.
2.
Gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde (§ 361 GewO 1994) zu entziehen, wenn der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt.
Gemäß § 87 Abs. 1 letzter Absatz GewO 1994 sind Schutzinteressen gemäß Z. 3 insbesondere die Hintanhaltung der illegalen Beschäftigung, der Kinderpornographie, des Suchtgiftkonsums, des Suchtgiftverkehrs, der illegalen Prostitution sowie der Diskriminierung von Personen allein auf Grund ihrer Rasse, ihrer Hautfarbe, ihrer nationalen oder ethnischen Herkunft, ihres religiösen Bekenntnisses oder einer Behinderung.
3.
Im Beschwerdefall ist aus dem Hinweis der belangten Behörde auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Vielzahl geringfügiger Verletzungen (Verweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/04/0188) erkennbar, dass sie die Entziehung der Gewerbeberechtigung des Beschwerdeführers nicht auf einen an sich als schwerwiegend zu wertenden Verstoß gründete, sondern damit begründete, der Beschwerdeführer habe eine Vielzahl geringfügiger Verstöße begangen.
Nach der insoweit maßgeblichen, ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes kann das in § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 enthaltene Tatbestandsmerkmal der "schwerwiegenden Verstöße" nicht nur durch an sich als schwerwiegend zu beurteilende Verstöße erfüllt werden, sondern auch durch eine Vielzahl geringfügiger Verletzungen der im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/04/0096, mwN). Entscheidend ist somit, dass sich aus dieser Vielzahl unter Berücksichtigung der Art der verletzten Schutzinteressen und der Schwere ihrer Verletzung die Prognose stellen lässt, der Gewerbetreibende sei nicht mehr als zuverlässig anzusehen. Eine solche Sichtweise ist auch vor dem Hintergrund des sich aus Art. 6 StGG ergebenden Gebotes der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffes in die Erwerbsfreiheit erforderlich (vgl. zur diesbezüglichen ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom ,
G 257/07, VfSlg. 18.608).
4.
Im Beschwerdefall wurde der Beschwerdeführer in der Zeit von bis unstrittig achtmal wegen Übertretungen der GewO 1994 (Überschreitung der Sperrstunde, Nichteinhaltung vorgeschriebener Auflagen) rechtskräftig bestraft. Hiebei wurden Strafen zwischen EUR 150,-- und EUR 350,-- verhängt, nähere Feststellungen zu den diesen Bestrafungen zu Grunde liegenden Tathandlungen finden sich im angefochtenen Bescheid.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bildet auch eine von der Gewerbebehörde festgestellte, durch viele Jahre andauernde Missachtung von insgesamt acht Auflagen des zur Genehmigung der Betriebsanlage des Gewerbeinhabers ergangenen Bescheides in Summe schwerwiegende Verstöße nach § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/04/0188; siehe dazu aus jüngerer Zeit das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/04/0029).
Die belangte Behörde führt nun im angefochtenen Bescheid nicht näher aus, warum sie davon ausgeht, dass die von ihr festgestellten acht verwaltungsstrafrechtlichen Übertretungen eine in ihrer Gesamtheit für die Bejahung des Entziehungstatbestandes des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 ausreichende Grundlage bildet. Dies wäre schon deshalb erforderlich gewesen, weil diese Verwaltungsübertretungen hinsichtlich ihrer Schwere und Zahl nicht mit jenen vergleichbar sind, die der Verwaltungsgerichtshof in ähnlichen Fällen als ausreichend ansah, um den Tatbestand der "schwerwiegenden Verstöße" in ihrer Gesamtheit zu erfüllen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/04/0096: dort elf rechtskräftige Verwaltungsstrafen in einem relativ kurzen Zeitraum wegen Überschreitung der Sperrstunde, oder das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/04/0303: dort 20 rechtskräftige und noch nicht getilgte Bestrafungen wegen Nichteinhaltens der gesetzlichen Öffnungszeiten).
Selbst wenn in Erwägung zu ziehen ist, dass der Entziehungstatbestand des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 eine gerichtliche oder verwaltungsstrafrechtliche Verurteilung wegen der in dieser Gesetzesstelle genannten Verstöße nicht voraussetzt, sondern auch die Nichtbeachtung von Auflagen eines Betriebsanlagengenehmigungsbescheides zu berücksichtigen ist (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom ), so sind die Umstände des vorliegenden Beschwerdefalls mit jenen, die dem zitierten hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/04/0188, zu Grunde lagen, schon im Hinblick auf die Anzahl der Auflagen nicht vergleichbar. Auch mit den Umständen, die dem zitierten hg. Erkenntnis vom zu Grunde lagen (dort stützte die Gewerbebehörde die Entziehung auf von der Lebensmittelaufsicht festgestellte grobe hygienische Mängel, welche mehrmals eine gegen die dortige Beschwerdeführerin gerichtete Schließung des Betriebes nach § 24 LMG erforderlich machten), ist der vorliegende Beschwerdefall nicht vergleichbar.
Entscheidend ist letztlich, dass die dem Beschwerdeführer vorgehaltenen Übertretungen solche sind, die zeigen, dass er die (insbesondere) zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt. Dies wird nach den Umständen des Beschwerdefalles mit dem alleine auf die vorliegende Anzahl der Übertretungen abstellenden und keine näheren Ausführungen zu den durch diese Übertretungen verletzten Schutzinteressen und der Schwere ihrer Beeinträchtigung enthaltenden angefochtenen Bescheid nicht dargetan.
5.
Aus diesem Grund war der sich als inhaltlich rechtswidrig erweisende Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
6.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am