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VwGH 18.05.2020, Ra 2020/16/0017

VwGH 18.05.2020, Ra 2020/16/0017

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
FamLAG 1967 §2 Abs1 litb
StudFG 1992 §3
UniversitätsG 2002 §60 Abs4
UniversitätsG 2002 §65b
UniversitätsG 2002 §71b
UniversitätsG 2002 §71c
UniversitätsG 2002 §71d
RS 1
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH fallen unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG kommt es überdies nicht nur auf das (ernstliche und zielstrebige) Bemühen um den Studienfortgang an, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (vgl. etwa ; ; ; und ). Diese der Rechtsprechung des VwGH entnehmbare Definition der Berufsausbildung trifft nur auf die Fälle zu, welche außerhalb des in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG besonders geregelten Bereichs des Besuchs einer Einrichtung im Sinne des § 3 des StudFG liegen (vgl. ; ; und ). Der Besuch einer solchen Einrichtung beginnt bei Studien wie dem Studium der Humanmedizin mit der Zulassung zum Studium (§ 60 Abs. 4 des Universitätsgesetzes 2002 - UG). Damit ist zur Antwort auf die Frage einer Berufsausbildung eines Studienwerbers (§ 65b UG) für vor der Zulassung liegende Zeiträume eines Aufnahmeverfahrens zur Zulassungsbeschränkung (vgl. §§ 71b bis 71d UG) die erwähnte Rechtsprechung maßgeblich. Der VwGH ist auch im Fall einer nicht kursmäßigen oder in einer Lehrveranstaltung erfolgten Vorbereitung auf die Aufnahmeprüfung für den physiotherapeutischen Dienst von diesem Begriffsinhalt der Berufsausbildung ausgegangen. Dabei kommt es für die Qualifikation als Berufsausbildung auch darauf an, dass die Berufsausbildung in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen muss.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Thoma, Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des Finanzamtes Gänserndorf Mistelbach gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , Zl. RV/7104952/2019, betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen (mitbeteiligte Partei: Mag. S F in G), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt Gänserndorf Mistelbach von der Mitbeteiligten für deren 1999 geborene Tochter K. für den Zeitraum Juli bis September 2018 bezogene Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge zurück.

2 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom ab, weil K. im Juni 2018 erfolgreich die Reifeprüfung abgelegt und damit die Schulausbildung abgeschlossen habe. Die danach angestrebte weitere Berufsausbildung (Studium der Humanmedizin bzw. Biologie) sei nicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt begonnen worden. Hinsichtlich der Vorbereitung auf die dann nicht bestandene Aufnahmeprüfung für das Medizinstudium habe die Mitbeteiligte trotz Aufforderung keine Nachweise vorgelegt, aus denen Vorbereitungs- und Lernzeiten hervorgingen.

3 Dagegen reichte die Mitbeteiligte einen Vorlageantrag ein.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde hinsichtlich des Monats Juli 2018 statt, hob den bekämpften Bescheid insoweit auf und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Die Tochter der Mitbeteiligten habe am die Reifeprüfung abgelegt. Sie habe sich seit März 2018 sowohl auf die Matura als auch auf die Aufnahmeprüfung Medizin vorbereitet. In der Zeit zwischen der Matura und dem Antritt zum Eignungstest für das Medizinstudium - somit zwischen 21. Juni und habe K. im Selbststudium die Vorbereitung auf diesen Aufnahmetest im Ausmaß von zehn Stunden pro Tag betrieben.

6 Beim Eignungstest für das Medizinstudium handle es sich um einen allgemein bekannten höchst umfangreichen Test, bei dem neun Aufgabengruppen im Eintagesassessment von 09:00 bis 16:00 Uhr zu bearbeiten seien. Es entspreche mittlerweile der Lebenserfahrung, dass sich Teilnehmer Monate vorher und parallel zur Matura für diesen Test vorbereiten. Da die nach der Reifeprüfung bis zum Eignungstest verbleibende Zeit mit rund zwei Wochen relativ kurz gewesen sei, sehe das Bundesfinanzgericht die Angaben als erwiesen an, dass K. bis zum Eignungstest „sicher 10 Stunden pro Tag“ bis zur Prüfung gelernt und somit mehr als 30 Wochenstunden an Vorbereitungs- und Lernzeit aufgewendet habe.

7 Deshalb könne entsprechend zitierter Rechtsprechung (, ) für diesen Zeitraum von einer Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG gesprochen werden.

8 Die dagegen erhobene außerordentliche Revision des Finanzamtes legte das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden; er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 Das revisionswerbende Finanzamt begründet die Zulässigkeit seiner Revision damit, die hier zu lösende Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen die Vorbereitung auf eine verpflichtende Aufnahmeprüfung eine Berufsausbildung darstelle oder ob eine verpflichtende Aufnahmeprüfung oder ein Eignungstest zu einer bestimmten Berufsausbildung bereits selbst als Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG qualifiziert werden könne, sei in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einheitlich beantwortet worden, das Bundesfinanzgericht weiche mit dem angefochtenen Erkenntnis jedoch von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach einer tatsächlichen Ausbildung vorangehende Schritte einer Bewerbung einschließlich eines Tests und eines Bewerbungsgesprächs noch keine Ausbildung darstellten.

13 Die Revision ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

14 Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG) haben näher bezeichnete Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die u.a für einen Beruf ausgebildet werden. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, bestehen näher ausgeführte Voraussetzungen.

15 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG kommt es überdies nicht nur auf das (ernstliche und zielstrebige) Bemühen um den Studienfortgang an, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (vgl. etwa ; ; ; und ).

16 Diese der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entnehmbare Definition der Berufsausbildung trifft nur auf die Fälle zu, welche außerhalb des in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG besonders geregelten Bereichs des Besuchs einer Einrichtung im Sinne des § 3 des Studienförderungsgesetzes (StudFG) liegen (vgl. ; ; und ).

17 Der Besuch einer solchen Einrichtung beginnt bei Studien wie dem für die vorliegende Revision maßgeblichen mit der Zulassung zum Studium (§ 60 Abs. 4 des Universitätsgesetzes 2002 - UG).

18 Damit ist zur Antwort auf die Frage einer Berufsausbildung eines Studienwerbers (§ 65b UG) für vor der Zulassung liegende Zeiträume eines Aufnahmeverfahrens zur Zulassungsbeschränkung (vgl. §§ 71b bis 71d UG) die erwähnte Rechtsprechung maßgeblich.

19 Der Verwaltungsgerichtshof ist auch im Fall einer nicht kursmäßigen oder in einer Lehrveranstaltung erfolgten Vorbereitung auf die Aufnahmeprüfung für den physiotherapeutischen Dienst von diesem Begriffsinhalt der Berufsausbildung ausgegangen. Dabei kommt es für die Qualifikation als Berufsausbildung auch darauf an, dass die Berufsausbildung in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen muss. Mangels Feststellungen zur quantitativen Anforderung im Zusammenhang mit der Aufnahmeprüfung hatte der Verwaltungsgerichtshof den damals angefochtenen Bescheid aufgehoben ().

20 Zutreffend hat das Bundesfinanzgericht daraus geschlossen, dass die Vorbereitungszeit für eine Aufnahmeprüfung dem Grunde nach als Berufsausbildung angesehen werden kann. Deshalb hat es sich zu Recht mit der quantitativen Inanspruchnahme der Tochter der Mitbeteiligten beschäftigt und ist zum Ergebnis gelangt, dass die von der Rechtsprechung geforderte zeitliche Inanspruchnahme im Revisionsfall gegeben gewesen sei. Den dazu getroffenen Sachverhaltsfeststellungen tritt das revisionswerbende Finanzamt nicht entgegen.

21 Ein Abweichen von der vom Finanzamt ins Treffen geführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt nicht vor.

22 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit der Frage eines frühestmöglichen Beginns der Berufsausbildung (§ 2 Abs. 1 lit. e FLAG) ausgesprochen, dass einer tatsächlichen Ausbildung vorangehende Schritte einer Bewerbung einschließlich eines Tests und eines Bewerbungsgespräches noch keine Ausbildung darstellen und im Falle des Unterbleibens der Ausbildung (weil der Bewerber nicht aufgenommen wurde - wobei es unerheblich ist, ob mangels hinreichender Qualifikation etwa auf Grund eines negativen Testergebnisses bei der Bewerbung oder „lediglich infolge Platzmangels“) diese Berufsausbildung eben nicht iSd § 2 Abs. 1 lit. e FLAG begonnen wird (, und ).

23 Während in jenen Fällen lediglich der Umstand eines Tests und eines Bewerbungsgesprächs, nicht aber die Tätigkeit zur Vorbereitung auf Tests oder auf Bewerbungsgespräche Gegenstand der Prüfung, ob damit bereits Berufsausbildung vorliege, war, geht im vorliegenden Revisionsfall die Vorbereitung auf den Eignungstest im erwähnten Aufnahmeverfahren über eine bloße Bewerbung, ein Bewerbungsgespräch und einen Test hinaus;

24 Das revisionswerbende Finanzamt zeigt somit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses auf.

25 Die Revision war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

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UniversitätsG 2002 §71b
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ECLI
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020160017.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
JAAAE-87198