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VwGH vom 14.10.2011, 2011/09/0095

VwGH vom 14.10.2011, 2011/09/0095

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des OB in N, vertreten durch Kölly Anwälte OG in 7350 Oberpullendorf, Rosengasse 55, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom , Zl. E019/15/2010.032/013, E109/15/2010.016/012, betreffend Bestrafungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Parteien: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Bundesministerin für Finanzen), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer in dem die Übertretungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz betreffenden Teil schuldig erkannt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das zur Vertretung nach außen berufene Organ der B GmbH mit Sitz in N zu verantworten, dass von der B GmbH drei näher bezeichnete ungarische Staatsangehörige zu im Einzelnen bezeichneten Tatzeiträumen beschäftigt worden seien, obwohl für diese keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen bzw. Bestätigungen ausgestellt gewesen seien.

Der Beschwerdeführer habe dadurch drei Übertretungen gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) begangen. Es wurden eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.200,-- und zwei Geldstrafen in der Höhe von je EUR 1.500,-- (im Nichteinbringungsfall jeweils Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides stellte die belangte Behörde nach Hinweisen auf den Inhalt der Berufung des Beschwerdeführers und die durchgeführte mündliche Verhandlung folgenden Sachverhalt fest (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):

Der (Beschwerdeführer) war zur Tatzeit handelsrechtlicher Geschäftsführer der B GmbH mit Sitz in N. Am und am fanden Kontrollen nach dem AuslBG auf der Baustelle der B GmbH in J statt, bei welcher ungarische Staatsbürger bei Verspachtelungsarbeiten angetroffen wurden, und zwar am AP und ZS und am ebenfalls AP und ZS sowie AR. AP und ZS arbeiteten von bis auf der genannten Baustelle und AR vom bis . Es lagen keine für eine Beschäftigung erforderlichen arbeitsmarktrechtlichen Papiere vor.

Mit AP und ZS wurden schriftliche 'Werkverträge' abgeschlossen, in welchen das Werk jeweils wie folgt umschrieben war: 'Fenstermontagen und Tischlerarbeiten'. Vereinbart war darin eine monatliche Pauschalabrechnung von 2500 Euro. Für diese wurden von den beiden genannten Ausländern und von AR Rechnungen gelegt. Das Arbeitsmaterial stammte teilweise von der Firma K, der Auftraggeberin der B GmbH, teilweise von der B GmbH. Das Werkzeug stammte von den Ungarn. Die Ungarn hatten einen Fertigstellungstermin vorgegeben. Sie kamen nicht mit einem Firmenfahrzeug zur Baustelle. Sie mussten die Arbeit persönlich erbringen. Die drei Ausländer arbeiteten gemeinsam. Die Arbeiter der B GmbH arbeiteten gleichzeitig mit den Ungarn. AP hatte schon zuvor für die vom (Beschwerdeführer) vertretene Gesellschaft auf einer Baustelle in Wien gearbeitet.

Die in der Verhandlung aufgestellte Behauptung, dass die drei Ungarn außerhalb dieses Bauvorhabens nie für die vom (Beschwerdeführer) vertretene GmbH tätig gewesen seien, wurde nämlich durch die Aussage des (Beschwerdeführers) selbst widerlegt. Das gilt ebenso für die Behauptung, dass eine persönliche Leistungserbringung nicht vereinbart gewesen sei und dass das Arbeitsmaterial von den Ungarn stammte.

Der im Straferkenntnis angegebene Beginn der Beschäftigung der drei Ausländer wurde vom (Beschwerdeführer) im Wesentlichen zugestanden und ergibt sich überdies aus den vorgelegten 'Werkverträgen' bezüglich AP und ZS, bzw. dem von AR anlässlich der Kontrolle ausgefüllten Personenblatt."

Diesen Sachverhalt beurteilte die belangte Behörde als zumindest arbeitnehmerähnliche Beschäftigung im Sinne des AuslBG.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, es habe sich um die Erfüllung von Werkverträgen und nicht um eine Beschäftigung nach dem AuslBG gehandelt.

Die belangte Behörde geht von der Anwendbarkeit des § 28 Abs. 7 AuslBG aus. Wird nach dieser Gesetzesstelle ein Ausländer in Betriebsräumen, an Arbeitsplätzen oder auf auswärtigen Baustellen eines Unternehmens angetroffen, die im Allgemeinen Betriebsfremden nicht zugänglich sind, ist das Vorliegen einer nach dem AuslBG unberechtigten Beschäftigung von der Bezirksverwaltungsbehörde ohne weiteres anzunehmen, wenn der Beschäftiger nicht glaubhaft macht, dass eine unberechtigte Beschäftigung nicht vorliegt.

Die Gesetzesstelle des § 28 Abs. 7 AuslBG entbindet die Behörde zwar nicht von ihrer - angesichts der im Grunde des § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren geltenden §§ 37 und 39 Abs. 2 AVG gegebenen - Verpflichtung, den Sachverhalt von Amts wegen festzustellen, die dafür notwendigen Beweise aufzunehmen, Parteiengehör einzuräumen und ein dem Art. 6 EMRK entsprechendes Verfahren durchzuführen. Diese Grundsätze hat die belangte Behörde jedoch im gegenständlichen Verfahren nicht verletzt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausführt, ist der Begriff der Beschäftigung - soweit dies im Beschwerdefall in Betracht kommt - durch § 2 Abs. 2 AuslBG unter anderem in der Weise bestimmt, dass die Verwendung in einem Arbeitsverhältnis oder in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis als Beschäftigung gilt. Maßgebend für diese Einordnung in den genannten Beschäftigungsbegriff ist, dass die festgestellte Tätigkeit in persönlicher und/oder wirtschaftlicher Abhängigkeit des Arbeitenden ausgeübt wird. Als (der Bewilligungspflicht unterworfenes) Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 2 leg. cit. ist unter anderem auch eine kurzfristige oder aushilfsweise Beschäftigung anzusehen. Das Tatbestandselement der Beschäftigung ist ausschließlich nach dem wirtschaftlichen Gehalt der Tätigkeit zu beurteilen. Liegt eine Verwendung (vgl. § 2 Abs. 2 AuslBG) in einem Abhängigkeitsverhältnis vor, das typischerweise den Inhalt eines Arbeitsverhältnisses oder arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses bildet, ist von einer der Bewilligungspflicht nach dem AuslBG unterworfenen Beschäftigung auszugehen. Auf eine zivilrechtliche Betrachtung, ob überhaupt ein Arbeitsvertrag zustande kam, ob diesem (etwa im Hinblick auf § 879 ABGB oder mangels einer rechtsgeschäftlichen Willensübereinstimmung) Mängel anhaften, oder welche vertragliche Bezeichnung die Vertragsparteien der Tätigkeit gegeben haben, kommt es hingegen nicht an (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/09/0190, mwN).

Bei der Beurteilung des konkret erhobenen Sachverhaltes geht es nicht darum, dass lückenlos alle rechtlichen und faktischen Merkmale festgestellt sind, sondern darum, die vorhandenen Merkmale zu gewichten und sodann das Gesamtbild daraufhin zu bewerten, ob wirtschaftliche Unselbständigkeit vorliegt oder nicht. Das totale Fehlen des einen oder anderen Merkmales muss dabei nicht entscheidend ins Gewicht fallen. Die vorhandenen Merkmale werden in aller Regel unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Ihre Bewertung erfolgt nach einer Art "beweglichem System", in dem das unterschiedliche Gewicht der einzelnen Tatbestandsmerkmale zueinander derart in eine Beziehung zu setzen ist, dass man berücksichtigt, dass eine Art von wechselseitiger Kompensation der einzelnen Gewichte vorgenommen wird. Das bedeutet nichts anderes, als dass das Fehlen wie auch eine schwache Ausprägung des einen oder anderen Merkmales durch ein besonders stark ausgeprägtes Vorhandensein eines anderen oder mehrerer anderer Merkmale ausgeglichen bzw. überkompensiert werden kann (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/09/0187).

Ein Werkvertrag liegt nach ständiger hg. Rechtsprechung vor, wenn die Verpflichtung zur Herstellung eines Werkes gegen Entgelt besteht, wobei es sich um eine im Vertrag individualisierte und konkretisierte Leistung, also eine in sich geschlossene Einheit handeln muss. Die Verpflichtung aus einem Werkvertrag besteht darin, die - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers, dass eine Konkretisierung im "Nachhinein" ausreiche - im Vorhinein genau umrissene Leistung (in der Regel bis zu einem bestimmten Termin) zu erbringen. Das Interesse des Bestellers bzw. die Vertragsverpflichtung des Werkunternehmers sind auf das Endprodukt als solches gerichtet. Für einen Werkvertrag essenziell ist ein "gewährleistungstauglicher" Erfolg der Tätigkeit, nach welchem die für den Werkvertrag typischen Gewährleistungsansprüche bei Nichtherstellung oder mangelhafter Herstellung des Werks beurteilt werden können. Mit der Erbringung der Leistung endet das Werkvertragsverhältnis. Eine zwar leistungsbezogene, nicht aber erfolgsbezogene Entlohnung spricht gegen das Vorliegen eines Werkvertrages. Wenn ein dauerndes Bemühen geschuldet wird, das bei Erreichen eines angestrebten "Ziels" auch kein Ende findet, spricht dies ebenfalls gegen einen Werkvertrag (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/08/0003, mwN).

Schon deshalb, weil sich nicht einmal entnehmen lässt, ob es sich überhaupt bei der behaupteten Vergabe an die Ungarn um ein abgrenzbares, unterscheidbares "gewährleistungstaugliches" Werk zu dem von der B GmbH herzustellenden Werk handelt, die Ungarn gemeinsam mit einem legal Bediensteten der B GmbH ununterscheidbar zusammenarbeiteten, geschweige denn eine Abgrenzbarkeit der von den Ungarn zu verrichtenden Tätigkeiten untereinander im Vorhinein möglich war, kann die Ansicht der belangten Behörde nicht als rechtswidrig angesehen werden, dass die Behauptung des Bestehens eines Werkvertrages zwischen der B GmbH und den Ungarn nicht dem wahren wirtschaftlichen Gehalt entspreche. Es ist auch nicht rechtswidrig, dass die belangte Behörde die "Rechnungen" über "pauschale Montagearbeiten" nicht als ein das Bestehen eines Werkvertrages belegendes Beweismittel wertete. Der Einwand des Beschwerdeführers, dass die Werkverträge auf Grund von Angeboten der Ungarn geschlossen wurden, ändert schon deshalb nichts, weil der Inhalt der Angebote nicht Eingang in die Werkverträge (die auch in anderen Punkten, wie der Vertretungsregelung, in der Praxis anders ausgeführt wurden) gefunden hat: Beispielsweise ist darauf hinzuweisen, dass sich der Inhalt der "Werkverträge" zu den Angeboten schon dadurch gravierend unterscheidet, weil von AP und ZS Leistungen in einer Betragshöhe von je EUR 13.860,-- angeboten waren, die "Werkverträge" aber als Entgelt nur eine "Pauschale" in der Höhe von EUR 2.500,-- pro Auftragnehmer enthalten. Es erübrigt sich daher zu untersuchen, ob die Angebote ein hinreichend konkretisiertes Werk enthalten hätten.

Außerdem hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in zahlreichen ähnlich gelagerten Fällen ausgesprochen, dass derartige Arbeiten wie die in den obigen Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde beschriebenen Arbeiten, die im unmittelbaren zeitlichen Arbeitsablauf im Zusammenwirken mit anderen Arbeitern erbracht werden müssen, kein selbständiges Werk darstellen können (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/09/0183, mwN).

Hinzu kommt, dass es sich bei der gegenständlichen Tätigkeit der Ungarn ("Spachtelarbeiten") nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt (§ 2 Abs. 4 AuslBG) um Hilfsarbeiten bzw. einfache manipulative Tätigkeiten handelt. Wenn jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen arbeitend unter solchen Umständen angetroffen wird, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten (wie dies bei Hilfsarbeiten wie den gegenständlichen der Fall ist), dann ist die Behörde berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinn auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden können, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/18/0129, mwN).

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde die Elemente, die für Unselbständigkeit sprechen (ununterscheidbares Zusammenwirken, persönliche Arbeitspflicht, Beistellung des Materials) mit den Elementen, die gegen Unselbständigkeit sprechen (eigenes Werkzeug der Ungarn, keine vorgegebene Arbeitszeit, keine Benützung eines Firmenfahrzeuges, keine "typischen" Arbeitsanweisungen), gegeneinander abgewogen. Vor allem im Hinblick auf die persönliche Arbeitspflicht und die Arbeitszuweisung an der Baustelle durch den Beschwerdeführer ist im Zusammenhang mit den obigen Ausführungen entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ein "Unterordnungsverhältnis" zu erkennen.

Sodann wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Annahme eines Verschuldens, weil er Auskünfte bei einem Steuerberater eingeholt habe und

bei der "erstmaligen Kontrolle des Finanzamtes … keinerlei Beanstandungen erfolgten". Es ist aber ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes,

dass nur im Falle der Erteilung einer, auf einer vollständigen Sachverhaltsgrundlage erteilten, unrichtigen Rechtsauskunft der für den Vollzug des Ausländerbeschäftigungsgesetzes zuständigen Behörde, im Vertrauen auf die Auskunft erfolgte Gesetzesverstöße nicht als Verschulden angerechnet werden könnte; hingegen ist es auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung bekannt, dass die Beschäftigung eines Ausländers grundsätzlich einer verwaltungsbehördlichen Bewilligung bedarf. Unterlässt der Beschwerdeführer - wie hier - die Einholung einer Auskunft der zuständigen Behörde, kann der Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, dass sie von einem Verschulden des Beschwerdeführers ausgegangen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/09/0187). Auf die Auskunft von Steuerberatern durfte sich der Beschwerdeführer nicht verlassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/09/0254 ). Der Hinweis des Beschwerdeführers darauf, dass bei der ersten Kontrolle durch Organe des Finanzamtes "keinerlei Beanstandungen" erfolgt seien und dies "einem Auskunftsersuchen bei der Behörde gleichzusetzen" sei, verkennt zudem, dass die Organe bei der ersten Kontrolle erst zu Beginn der Erhebungen des Sachverhaltes standen (vgl. aus der Anzeige: "Abklärung der rechtlichen Voraussetzungen, Gewerbeberechtigungen bzw. Vertragsbindungen zwischen Firma B GmbH und AP und ZS. Die notwendigen Unterlagen wurden nicht übermittelt.") und ihnen schon mangels Kenntnis über eine vollständigen Sachverhaltsgrundlage keine Beurteilung möglich war.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am