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VwGH vom 22.09.2021, Ra 2020/15/0091

VwGH vom 22.09.2021, Ra 2020/15/0091

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Edeltraud Lachmayer und Dr.in Eva Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der H GmbH & Co, KG in W, vertreten durch Keppert, Hallas Partner, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 1060 Wien, Theobaldgasse 19, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/4100774/2019, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde als unzulässig, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1Am Unternehmen der Revisionswerberin, einer GmbH & Co KG (bzw. zunächst bis zum Jahr 2007 GmbH & Co KEG), haben sich mit Gesellschaftsverträgen vom jeweils mehrere Personen als atypisch stille Gesellschafter beteiligt.

2In den „Erklärungen der Einkünfte von Personengesellschaften/-gemeinschaften (Feststellungserklärung E 6)“ für die Jahre 2004 und 2005 wurde der von der Mitunternehmerschaft (KEG und atypisch stille Gesellschafter) gemeinschaftlich erzielte Gewinn dem Komplementär, den Kommanditisten und den atypischen stillen Gesellschaftern zugeordnet.

3Mit den an die GmbH & Co KEG gerichteten - als gemäß § 200 Abs. 1 BAO für vorläufig erklärten - Erledigungen vom und vom wollte das Finanzamt eine einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2004 und 2005 für die aus den Gesellschaftern der KEG und den atypischen stillen Gesellschaftern gebildete Mitunternehmerschaft vornehmen. Mit Ausfertigungsdatum ergingen endgültige Erledigungen betreffend die Gewinnfeststellung für 2004 und 2005, die wiederum an die GmbH & Co KG gerichtet waren.

4Die GmbH & Co KG sowie mehrere atypisch stille Gesellschafter erhoben Beschwerden gegen die Erledigungen des Finanzamtes vom und wandten ein, die Gewinnfeststellungsbescheide wären an die aus der KG und den stillen Gesellschaftern gebildete Mitunternehmerschaft zu richten gewesen, nicht bloß an die KG.

5Das Bundesfinanzgericht erließ die Erledigung vom , RV/4100196/2012, mit der es aussprach, dass die Beschwerden als unzulässig zurückzuweisen seien.

6Die gegen die Erledigung des Bundesfinanzgerichtes vom gerichtete Revision der GmbH & Co KG wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom , Ra 2019/15/0072, zurück, weil diese als Zurückweisungsbeschluss intendierte Erledigung des Bundesfinanzgerichtes keine Rechtswirksamkeit erlangt hatte. Der Verwaltungsgerichtshof führte in Rz 8 des Beschlusses ergänzend aus: „Im Hinblick darauf, dass die angefochtene Erledigung keine Rechtswirksamkeit erlangte, muss nicht darauf eingegangen werden, dass die Feststellungsbescheide an die KG gerichtet sind, obwohl damit über Einkünfte der KG und der an der KG atypisch still Beteiligten abgesprochen werden sollte.“

7Im fortgesetzten Verfahren erließ das Bundesfinanzgericht den nunmehr angefochtenen - einen Hinweis auf § 101 Abs. 3 BAO aufweisenden - Beschluss, mit dem es die Beschwerden erneut zurückwies und zur Begründung ausführte, ein Bescheid habe gemäß § 93 Abs. 2 BAO im Spruch die Person zu nennen, an die er ergeht. Gemäß § 191 Abs. 1 lit. c BAO ergehe der Feststellungsbescheid nach § 188 BAO an die Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit, deren Gesellschaftern (Mitgliedern) gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen seien. Gemäß § 97 Abs. 1 BAO erlangten Erledigungen dadurch Wirksamkeit, dass sie demjenigen bekannt gegeben würden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt seien.

8Im gegenständlichen Fall sei Adressat der Erledigungen des Finanzamtes vom die GmbH & Co KG gewesen. Es mangle den Erledigungen jeglicher Hinweis auf eine (atypische) stille Gesellschaft. Sie sei also nicht an den in § 191 Abs. 1 lit. c BAO vorgesehenen Adressaten ergangen. Somit richteten sich die Erledigungen des Finanzamts nach § 188 BAO nicht an alle Rechtssubjekte, denen Einkünfte (aus der Personengemeinschaft) zugerechnet würden, und gingen damit ins Leere, weil dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Gewinnfeststellungsverfahrens nicht entsprochen sei. Die gegen diese Erledigungen des Finanzamtes vom erhobene Beschwerde habe daher zurückgewiesen werden müssen.

9In der im Beschluss des Bundesfinanzgerichtes enthaltenen Zustellverfügung wird normiert, dass die angefochtene Erledigung an die Revisionswerberin (GmbH & Co KG) ergeht, aber zudem auch an die stillen Gesellschafter, das Finanzamt, den Komplementär und den Kommanditisten der KG.

10Gegen diesen Beschluss richtet sich die Revision der GmbH & Co KG. Zur Zulässigkeit wird einerseits vorgebracht, das Bundesfinanzgericht stelle sich gegen die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach eine einheitliche Erledigung ergehen müsse, wenn eine Personengesellschaft dem Finanzamt gegenüber mit dem Begehren auf Feststellung nach § 188 BAO auftrete. Andererseits wird im Zulässigkeitsvorbringen vorgebracht, die Einheitlichkeit des Feststellungsverfahrens sei mit dem AbgVRefG, BGBl I 2009/20, aufgegeben worden; es fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung, ob seither Gewinnfeststellungsbescheide, die Einkünfte auch an Personen zurechnen, die nicht dieser Personenvereinigung angehören, wirksam seien. Weiters wird zur Zulässigkeit u.a. die Frage vorgebracht, ob ein Gewinnfeststellungsbescheid betreffend den Gewinn einer durch die Beteiligung von atypisch stillen Gesellschaftern am Unternehmen einer KG gebildeten Mitunternehmerschaft, der nicht an diese Mitunternehmerschaft, also das Gewinnermittlungssubjekt ergehe, sondern nur an den Geschäftsherren (die KG), unwirksam oder bloß rechtswidrig sei.

11Das Finanzamt hat trotz Aufforderung hierzu keine Revisionsbeantwortung erstattet.

12Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

13Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Zum Bescheidcharakter der Erledigung des Finanzamtes:

14Wer als atypisch stiller Gesellschafter am Unternehmen eines anderen beteiligt ist, bildet mit diesem eine Mitunternehmerschaft. Beteiligt sich eine Person als atypisch stiller Gesellschafter am Unternehmen einer (betrieblich tätigen) KG, ist er ein weiterer Mitunternehmer; es sind die von der Personengemeinschaft gemeinschaftlich erzielten betrieblichen Einkünfte den Gesellschaftern der KG und dem atypisch stillen Gesellschafter zuzuordnen.

15Besteht die atypische stille Beteiligung unmittelbar am Unternehmen der KG, muss der erzielte Gewinn stets in einem (einzigen) einheitlichen Feststellungsbescheid erfasst werden. Aus ertragsteuerlicher Sicht bewirkt die atypische stille Beteiligung am Unternehmen der betrieblichen KG, dass die Mitunternehmerschaft gleichrangig von den Gesellschaftern der KG und den atypisch stillen Gesellschaftern gebildet wird.

16Nach § 191 Abs. 1 lit. c BAO ergeht der Feststellungsbescheid in den Fällen des § 188 BAO an die Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit, deren Gesellschaftern (Mitgliedern) gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind. Nach § 191 Abs. 3 BAO wirken solche Feststellungsbescheide gegen alle, denen gemeinschaftliche Einkünfte zugerechnet werden. Die Wirksamkeit eines Feststellungsbescheides tritt nur beim kumulativen Vorliegen folgender Voraussetzungen ein:

1. der Bescheid muss in seinem Spruch seinen Adressaten gesetzmäßig bezeichnen (§ 191 Abs. 1 lit. c bzw. § 191 Abs. 2 BAO iVm § 93 Abs. 2 BAO),

2. der Bescheid muss seinem Adressaten (im Wege eines Vertreters nach § 81 BAO) zugestellt sein und

3. der Bescheid muss allen Personen, denen (gemeinschaftliche) Einkünfte zugerechnet werden, kraft Zustellfiktion als zugestellt gelten (§ 97 Abs. 1 BAO iVm § 101 Abs. 3 und 4 BAO).

17Das Fehlen auch nur einer dieser Voraussetzungen würde dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Gewinnfeststellungsverfahrens widersprechen und steht der Wirksamkeit einer behördlichen Erledigung als Bescheid entgegen. Von der Zustellfiktion des § 101 Abs. 3 bzw. Abs. 4 BAO muss die Behörde allerdings nicht zwingend Gebrauch machen; an die Personengemeinschaft gerichtete Bescheide können wirksam auch dadurch zugestellt werden, dass sie sämtlichen Mitgliedern der Personengemeinschaft zugestellt werden (vgl. etwa ).

18Entgegen dem in der Revision vertretenen Standpunkt bewirkt die Verletzung des Grundsatzes der Einheitlichkeit somit nicht bloß die Rechtswidrigkeit der Erledigung nach § 188 BAO, sondern deren Unwirksamkeit. Unzutreffend ist das Revisionsvorbringen, wonach der Grundsatz der Einheitlichkeit mit dem durch AbgVRefG, BGBl I 2009/20 eingeführten Abs. 5 des § 188 BAO (und die mit demselben Gesetz vorgenommene Anpassung des § 191 Abs. 3 lit. b BAO) aufgegeben worden sei. § 188 Abs. 5 BAO betrifft lediglich Fälle, in denen im Gewinnfeststellungsbescheid Einkünfte auch Personen oder Personenvereinigungen (Personengemeinschaften) ohne eigene Rechtspersönlichkeit zugerechnet werden, die nicht mehr rechtlich existent sind (insbesondere infolge Todes, Beendigung der Gesellschaft, Gesamtrechtsnachfolge) oder die nicht mehr handlungsfähig sind (z. B. infolge Sachwalterbestellung); dies gilt auch für den in der Revision zusätzlich herangezogenen § 191 Abs. 5 BAO. Am Grundsatz der Einheitlichkeit des Gewinnfeststellungsverfahrens haben die Bestimmungen des § 188 Abs. 5 und § 191 Abs. 5 BAO - von den in diesen Bestimmungen ausdrücklich erfassten Fällen abgesehen - allerdings nichts geändert (vgl. ; , Ra 2019/15/0115). Die Einheitlichkeit ist Wesensmerkmal des Feststellungsbescheides nach § 188 BAO (vgl. z.B. ; , Ra 2019/13/0095).

19Wird der Gewinn durch eine atypische stille Gesellschaft erzielt, ist der Gewinnfeststellungsbescheid gemäß § 191 Abs. 1 lit. c BAO an dieses Einkünfteermittlungssubjekt zu richten. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Ra 2020/13/0085, 0086, ausgesprochen hat, kann dafür die Bezeichnung des Geschäftsherrn (Inhaber des Unternehmens) mit einem Zusatz, wie etwa „und Mitgesellschafter“ verwendet werden; die atypisch stille Gesellschaft ist auch dadurch hinreichend bezeichnet, dass sie die Namen des Geschäftsherrn (Inhaber des Unternehmens) und des stillen Gesellschafters (oder der stillen Gesellschafter) aufweist.

20Im gegenständlichen Fall wird mit der Bezeichnung KG (bzw. GmbH & Co KG) in der Erledigung des Finanzamtes nur der Geschäftsherr (Inhaber des Unternehmens) angesprochen, nicht hingegen die Mitunternehmerschaft „KG und atypisch stille Gesellschafter“ („GmbH & Co KG und atypisch stille Gesellschafter“), weil die Bezeichnung KG gerade nicht zum Ausdruck bringt, dass eine über den Kreis des Komplementärs und des Kommanditisten hinausgehende Mitunternehmerschaft angesprochen wird. Nur diese über den Kreis der Gesellschafter der KG hinausgehende Mitunternehmerschaft ist aber im gegenständlichen Fall das Gewinnermittlungssubjekt. Dieses Subjekt hat den steuerlichen Gewinn in den Jahren 2004 und 2005 erzielt.

21Das Finanzamt hat erkannt, dass das Gewinnermittlungssubjekt „KG und atypisch stille Gesellschafter“ die Einkünfte erzielte, zumal es mit der Erledigung vom den steuerlichen Gewinn nicht nur den Gesellschaftern der KG, sondern auch den atypisch stillen Gesellschaftern zugeordnet hat. Die als Gewinnfeststellungsbescheid intendierte Erledigung ist aber nicht an das Gewinnermittlungssubjekt ergangen. Der Erledigung kommt daher schon im Hinblick auf den Verstoß gegen § 191 Abs. 1 lit. c BAO keine Bescheidwirkung zu.

22Die an die KG gerichtete Gewinnfeststellung spricht bloß einen Teil der Mitunternehmerschaft an und widerspricht damit dem das Feststellungsverfahren prägenden Prinzip der Einheitlichkeit. Wird die Einheitlichkeit nicht gewahrt, liegt - wie bereits erwähnt - kein wirksamer Bescheid vor. Einer der Fälle des § 188 Abs. 5 und § 191 Abs. 5 BAO liegt nicht vor.

23Da die Erledigung des Finanzamtes iSd § 188 BAO an die GmbH & Co KG (und nicht an die „KG und atypisch stille Gesellschafter“) gerichtet ist, ist es im Übrigen auch ausgeschlossen, dass die Zustellfiktion des § 101 Abs. 3 BAO in Bezug auf die atypisch stillen Gesellschafter greift. Den stillen Gesellschaftern gegenüber gilt die Erledigung des Finanzamtes damit auch nicht als bekannt gegeben (zugestellt), was ebenfalls gegen das Gebot der Einheitlichkeit verstößt.

24Dem Bundesfinanzgericht ist daher darin zuzustimmen, dass die Beschwerden zurückzuweisen waren, weil die angefochtenen Erledigungen des Finanzamtes vom keine Bescheide darstellten.

2. Zum Adressaten des angefochtenen Beschlusses:

25Für Bescheide regelt § 93 Abs. 2 BAO, dass im Spruch (zu dem auch die an den Beginn des Bescheidspruchs gestellte Adressierung gerechnet werden kann) die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu benennen ist, an die er ergeht.

26Demgegenüber enthält § 280 BAO für Erkenntnisse und Beschlüsse der Verwaltungsgerichte keine vergleichbare Anordnung betreffend die Person, an welche die Entscheidung ergeht.

27Bei Erkenntnissen und Beschlüssen des Verwaltungsgerichtes ist insbesondere der darin enthaltenen - vom rechtsprechenden Organ normierten - Zustellverfügung zu entnehmen, an wen diese gerichtet sind (vgl. ; , Ro 2020/16/0037; , Ra 2020/15/0073). Gegenständlich benennt die Zustellverfügung des angefochtenen Beschlusses (ua) die Revisionswerberin (GmbH & Co KG). Der GmbH & Co KG sei „zu Handen“ ihres Vertreters zuzustellen.

28Die Revisionswerberin hat mit Beschwerde eine Erledigung des Finanzamtes, der kein Bescheidcharakter zukommt, bekämpft. Es entspricht dem Gesetz, dass das Bundesfinanzgericht den Beschluss, mit dem die Beschwerde zurückgewiesen wird, (ua) an die Revisionswerberin gerichtet hat.

29Wie die Revision aufzeigt, verweist das Bundesfinanzgericht im Übrigen am Beginn des Spruches des angefochtenen Beschlusses darauf, dass es gegenständlich um die Beschwerdesache der Revisionswerberin (GmbH & Co KG) und der (namentlich aufgezählten) stillen Gesellschafter gehe, was - entgegen dem Revisionsvorbringen - zutreffend ist, haben doch die GmbH & Co KG und die namentlich aufgezählten stillen Gesellschafter Beschwerde erhoben.

30Die Revision erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020150091.L00

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