VwGH 08.06.2010, 2006/18/0308
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Ein Spruch, der dahin lautet, dass ein Antrag zurückgewiesen wird, kann grundsätzlich nicht in der Weise umgedeutet werden, dass er eine bloße Feststellung der Unzuständigkeit der Berufungsbehörde darstellt, die nicht als abschließende Entscheidung über diesen Antrag qualifiziert werden könnte. Vielmehr führt die Zurückweisung einer Berufung zur Erledigung derselben. Dies hat zur Folge, dass eine neuerliche Entscheidung der zuständigen Behörde über diese Berufung nicht mehr zulässig ist. Aus diesem Grund ist die Zurückweisung einer Berufung durch die angerufene unzuständige Behörde auch dann unzulässig, wenn die Partei auf einer Entscheidung dieser Behörde beharrt. Vielmehr hat die unzuständige Berufungsbehörde in jedem Fall die Berufung gemäß § 6 AVG an die zuständige Berufungsbehörde zu übermitteln. Diese für die Einbringung der Berufung selbst entwickelte Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof in der Folge auch auf Anträge übertragen, die, obwohl keine Berufungen, an die Berufungsbehörde gerichtet wurden, für deren Erledigung aber die erstinstanzliche Behörde zuständig war (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/21/0041). Nichts anderes hat aber für an eine unzuständige erstinstanzliche Behörde gerichtete Anträge zu gelten. Die erstinstanzliche Behörde hätte daher vorliegendenfalls den Antrag der Beschwerdeführerin weder wegen Unzulässigkeit noch wegen Unzuständigkeit zurückweisen dürfen, sie hätte ihn vielmehr gemäß § 6 AVG dem Landeshauptmann zur Entscheidung, ob eine Niederlassungsbewilligung für Private erteilt wird, zu übermitteln gehabt. Ebenso wenig wäre die belangte Behörde im Instanzenzug zu einer Zurückweisung des in Rede stehenden Antrages berechtigt gewesen. Sie hätte vielmehr den erstinstanzlichen Zurückweisungsbescheid ersatzlos aufzuheben gehabt. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2000/19/0131 E RS 10
(Hier nur erster Satz; die belBeh hätte die gegen den
erstinstanzlichen Bescheid erhobene Berufung nicht zurückweisen
dürfen, sondern gemäß § 6 Abs. 1 AVG vorgehen müssen.) |
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RS 2 | Ein Beharren des Antragstellers führt nicht zu einer Entscheidungsberechtigung der unzuständigen Behörde(Hinweis E , 2002/12/0268). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2004/21/0259 E RS 3 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des J H in W, geboren am , vertreten durch Mag. Wilfried Embacher, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-FRG/21/2612/2006/1, betreffend Zurückweisung einer Berufung i.A. eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien (der belangten Behörde) vom wurde die vom Beschwerdeführer, einem Staatsangehörigen von Bangladesch, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom , mit dem gegen ihn ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen und die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen diesen Bescheid ausgeschlossen worden war, erhobene Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurückgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde (u.a.) aus, der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung den Antrag gestellt, "Der Unabhängige Verwaltungssenat möge den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufheben". Die Berufung sei bei der Erstbehörde eingebracht worden. Mit Schreiben vom sei der fremdenpolizeiliche Akt zuständigkeitshalber der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vorgelegt worden. Diese habe mit Schreiben vom den Beschwerdeführer ersucht, bekannt zu geben, ob er - Bezug nehmend auf den vorzitierten Antrag in seiner Berufung - tatsächlich eine Entscheidung der belangten Behörde in dieser Angelegenheit begehre.
Mit Schreiben vom habe der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers bekannt gegeben, dass dieser als Ehegatte einer österreichischen Staatsbürgerin ein sogenannter begünstigter Drittstaatsangehöriger wäre, weshalb die Zuständigkeit über die Berufung gegen das erlassene Aufenthaltsverbot tatsächlich bei der belangten Behörde läge.
Nach Hinweis auf § 9 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, und § 2 Abs. 4 Z. 11 leg. cit. führte die belangte Behörde weiter aus, dass der Beschwerdeführer nicht als begünstigter Drittstaatsangehöriger anzusehen sei, weil einerseits die Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin in W geschlossen worden sei und andererseits diese österreichische Staatsbürgerin bereits seit mit Hauptwohnsitz in W gemeldet sei. Ferner sei diese seit in einem näher genannten Pensionistenwohnhaus (in W) als Küchenhilfe beschäftigt. Sie habe somit nicht ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen. Insoweit habe der Beschwerdeführer seine Ehegattin weder begleiten noch ihr nachziehen können.
Eine Zuständigkeit der belangten Behörde sei daher nicht gegeben. Da jedoch ausdrücklich deren Entscheidung begehrt worden sei, habe die Berufung wegen Unzuständigkeit als unzulässig zurückgewiesen werden müssen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der angefochtene Bescheid erweist sich aus einem von Amts wegen aufzugreifenden Grund als rechtswidrig.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 94/05/0370, Slg. 14.475/A, zum Ausdruck gebracht, dass ein Spruch, mit dem eine Berufung zurückgewiesen wurde, grundsätzlich nicht in der Weise umgedeutet werden kann, dass er eine bloße Feststellung der Unzuständigkeit der Berufungsbehörde darstellt, die nicht als abschließende Entscheidung über die Berufung qualifiziert werden kann (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/21/0259). Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits wiederholt ausgesprochen, dass ein Beharren des Antragstellers auf die Entscheidung durch eine bestimmte Behörde nicht zu einer Entscheidungsberechtigung der unzuständigen Behörde führen kann (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/18/0223, mwN).
Vor dem Hintergrund dieser Judikatur hätte die belangte Behörde die gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobene Berufung nicht zurückweisen dürfen, sondern gemäß § 6 Abs. 1 AVG vorgehen müssen. Im Hinblick darauf belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb jener gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
2. Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG konnte von der beantragten Verhandlung Abstand genommen werden.
3. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am
Zusatzinformationen
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Schlagworte | Voraussetzungen des Berufungsrechtes Diverses Wahrnehmung der Zuständigkeit von Amts wegen Zurückweisung wegen Unzuständigkeit Ermessen besondere Rechtsgebiete Inhalt der Berufungsentscheidung Kassation Instanzenzug Zuständigkeit Allgemein Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Allgemein Weiterleitung an die zuständige Behörde auf Gefahr des Einschreiters Berufungsrecht Diverses |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2010:2006180308.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
BAAAE-87153