VwGH vom 22.02.2012, 2011/08/0339
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der R P in S, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom , Zl. BMASK-425362/0001-II/A/3/2010, betreffend Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde fest, dass die Beschwerdeführerin in der Zeit vom bis zum der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG unterlegen sei.
Nach Darstellung des Verfahrensganges sowie der anzuwendenden Rechtsvorschriften stellte die belangte Behörde fest, dass die Beschwerdeführerin im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Folgeprovisionen aus Altversicherungsverträgen bezogen habe. Mit seien die Gewerbeberechtigungen, lautend auf "Vermögensverwalter" und "Versicherungsvermittlung" bei der Wirtschaftskammer als ruhend gemeldet worden. Auf Grund der Folgeprovisionen habe die Beschwerdeführerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb bezogen, wobei aktenkundig Einkommensteuerbescheide aus den Jahren 2006 bis 2008 seien. Darin seien Einkünfte aus Gewerbebetrieb in der Höhe von EUR 56.303,21, EUR 73.930,84 bzw. EUR 56.644,92 ausgewiesen. Laut den Steuererklärungen seien im Jahr 2007 Betriebsausgaben in der Höhe von EUR 11.429,64 und im Jahr 2008 in der Höhe von EUR 9.562,42 für Abschreibungen, tatsächliche Kfz-Kosten, Werbe- und Repräsentationsaufwendungen und übrige pauschale Betriebsausgaben geltend gemacht worden. Laut Auskunft des Vertreters der Beschwerdeführerin sowie des Finanzamtes handle es sich bei den pauschalen Betriebsausgaben um solche nach Durchschnittssätzen gemäß § 17 EStG 1988.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass die Kriterien der "neuen Selbständigen" in § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG damit umschrieben würden, dass es sich um selbständig erwerbstätige Personen handle, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit bestimmte Arten von Einkünften im Sinne des EStG 1988 beziehen. Die Versicherungspflicht für neue Selbständige solle für jedes Erwerbseinkommen bestehen, das nicht der Privatsphäre zuzurechnen sei. Der Gesetzgeber habe dabei auch das Ziel der Harmonisierung mit dem Steuerrecht verfolgt und dazu ausdrücklich auf bestimmte Einkunftsarten des Einkommensteuergesetzes 1988 Bezug genommen, die eine selbständige, auf die Erzielung von Einkünften gerichtete Erwerbstätigkeit voraussetzen. Einkünfte, die steuerlich diesen Einkunftsarten zuzuordnen seien, könnten daher nicht als der Privatsphäre - in Abgrenzung zu einer (selbständigen betrieblichen) Erwerbstätigkeit - zugehörig angesehen werden.
Mit der unmittelbaren Anknüpfung an die steuerrechtlichen Tatbestände lasse der Gesetzgeber zudem keinen Raum dafür, aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht eine eigenständige Beurteilung des Vorliegens einer selbständigen betrieblichen Tätigkeit vorzunehmen und damit materiell die im Fall des Vorliegens eines rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides von den Finanzbehörden im Hinblick auf die Zuordnung der Einkünfte zu den Einkunftsarten entschiedene Rechtsfrage erneut zu prüfen. Die Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG richte sich daher nach der Einkommensteuerpflicht, sodass bei Vorliegen eines rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides, aus dem die Versicherungsgrenzen übersteigende Einkünfte in der in § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG genannten Art hervorgingen, Versicherungspflicht nach dieser Bestimmung bestehe, sofern die zugrunde liegende Tätigkeit im betreffenden Zeitraum weiter ausgeübt worden sei und auf Grund dieser Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach anderen Bestimmungen des GSVG oder nach einem anderen Bundesgesetz eingetreten sei.
Ob die von der zuständigen Abgabenbehörde getroffene einkommensteuerrechtliche Beurteilung zutreffend sei, sei im Verfahren betreffend die Versicherungspflicht nach dem GSVG nicht mehr zu prüfen.
Als Betrieb sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Einkommensteuergesetz die Zusammenfassung menschlicher Arbeitskraft und sachlicher Produktionsmittel zu einer organisatorischen Einheit zu verstehen. Der Betrieb werde mit der Herstellung der entsprechenden Strukturen begründet und bestehe beim Versicherten so lange, bis die wesentlichen Grundlagen dieser Struktur entweder entgeltlich oder unentgeltlich übertragen oder diese Strukturen zerschlagen würden (Betriebsaufgabe, Liquidation). Das bloße zeitweise Nichttätigsein, eine Betriebsunterbrechung, ja sogar die Stilllegung eines Betriebes sei noch keine Beendigung, wenn noch weitere betriebliche Tätigkeiten beabsichtigt würden bzw. die betrieblich eingesetzten Wirtschaftsgüter weder in das Privatvermögen übernommen noch veräußert worden seien.
Die Beschwerdeführerin habe unstrittig sämtliche ihr zugeflossenen Einnahmen als "Gewerbeeinkünfte" veranlagt, die aus der Branche Versicherungswesen stammten. Die rechtskräftigen Einkommensteuerbescheide aus den verfahrensgegenständlichen Jahren würden auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb in einer die einschlägigen Versicherungsgrenzen gemäß § 4 Abs. 1 Z 6 GSVG übersteigenden Höhe aufweisen. Die Beschwerdeführerin habe im strittigen Zeitraum sowohl Betriebseinnahmen erzielt als auch Betriebsausgaben geltend gemacht. Gemäß § 4 Abs. 4 EStG seien Betriebsausgaben Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst seien. Demnach würden nur solche Aufwendungen und Ausgaben als Betriebsausgaben gelten, die sich für die berufliche Tätigkeit als notwendig erwiesen. Die Geltendmachung von Betriebsausgaben belege demnach, dass derartige Aufwendungen nur im Rahmen der Ausübung einer laufenden selbständigen Erwerbstätigkeit anfallen könnten. Die Geltendmachung der Abschreibung auf das Anlagevermögen belege überdies auch, dass der Betrieb nicht eingestellt worden sei und das Anlagevermögen bzw. die betrieblich eingesetzten Wirtschaftsgüter nicht in das Privatvermögen übernommen worden seien. Die Basispauschalierung sei nach den Einkommensteuerrichtlinien 2000 auf Einkünfte aus einer aktiv ausgeübten Betätigung eingeschränkt. Dies lasse sich aus dem Gesetzeszweck ableiten, weil es bei nachträglichen betrieblichen Einkünften in der Regel zumindest nicht regelmäßig zu Betriebsausgaben komme. Die Basispauschalierung komme nur für Einkünfte in Betracht, die aus einer im Veranlagungsjahr aktiv ausgeübten Tätigkeit herrührten. Ruhebezüge oder (nachträgliche) betriebliche Einkünfte aus einer ehemaligen aktiven Tätigkeit seien von der Pauschalierung nicht erfasst.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 818/11-4, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abtrat.
In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. § 2 Abs. 1 GSVG in der im verfahrensrelevanten Zeitraum der festgestellten Pflichtversicherung von bis maßgebenden Fassung (BGBl. I Nr. 139/1998; hinsichtlich der Z 1 und 4 durch die Novelle BGBl. I Nr. 131/2006 nicht geändert) auszugsweise wie folgt:
"§ 2. (1) Auf Grund dieses Bundesgesetzes sind, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen pflichtversichert:
1. die Mitglieder der Kammern der gewerblichen Wirtschaft; (…)
4. selbständig erwerbstätige Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, erzielen, wenn auf Grund dieser betrieblichen Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den) entsprechenden Versicherungszweig(en) eingetreten ist. Solange ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid oder ein sonstiger maßgeblicher Einkommensnachweis nicht vorliegt, ist die Pflichtversicherung nur dann festzustellen, wenn der Versicherte erklärt, daß seine Einkünfte aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeiten im Kalenderjahr die in Betracht kommende Versicherungsgrenze (§ 4 Abs. 1 Z 5 oder Z 6) übersteigen werden. In allen anderen Fällen ist der Eintritt der Pflichtversicherung erst nach Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides oder eines sonstigen maßgeblichen Einkommensnachweises im nachhinein festzustellen."
2. Die Beschwerdeführerin führt aus, es sei zwischen ihr und der belangten Behörde strittig, ob auch ohne Vorliegen einer selbständigen Erwerbstätigkeit - nach der endgültigen Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit - bereits die bloße Feststellung der steuerlichen Einkünfte durch die Abgabenbehörde eine Pflichtversicherung der Sozialversicherung als neue Selbständige gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG auslöse.
Dieses Vorbringen geht schon deshalb ins Leere, weil die belangte Behörde entgegen den Beschwerdebehauptungen gerade nicht von einer endgültigen Aufgabe jeglicher selbständigen betrieblichen Tätigkeit ausgegangen ist, sondern vielmehr im angefochtenen Bescheid näher dargelegt hat, aus welchen Gründen sie von einer auch im verfahrensgegenständlichen Zeitraum erfolgten selbständigen betrieblichen Tätigkeit der Beschwerdeführerin ausgeht, die jedoch - mangels Wirtschaftskammerzugehörigkeit - nicht mehr zur Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 1 GSVG führte, sondern zur Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG.
Die belangte Behörde hat dazu festgestellt, dass die Beschwerdeführerin auch im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Betriebsausgaben geltend gemacht hat, und ist - unter anderem unter Hinweis auf die eine aktive betriebliche Tätigkeit voraussetzende Basispauschalierung (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/14/0175) - zum Ergebnis gekommen, dass eine selbständige betriebliche Tätigkeit gegeben war. Die Feststellungen der belangten Behörde wurden von der Beschwerdeführerin in der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen.
3. Es steht damit fest, dass den erzielten Einkünften aus gewerblicher Tätigkeit auch Betriebsausgaben gegenüberstanden, die im verfahrensgegenständlichen Zeitraum angefallen sind, und die - wie die belangte Behörde zutreffend dargelegt hat - eine betriebliche Tätigkeit auch während dieses Zeitraums voraussetzen.
Die Beschwerdeführerin hat zwar die Beendigung ihrer die Wirtschaftskammerzugehörigkeit begründenden selbständigen Tätigkeit behauptet (hätte sie diese Tätigkeit trotz Ruhendmeldung des Gewerbes nicht tatsächlich eingestellt, wäre ungeachtet der Ruhendmeldung weiterhin Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 1 GSVG gegeben, vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/08/0145), kann damit aber die auf die Einkommensteuerbescheide gestützte Beurteilung, dass - wie sich aus den von ihr geltend gemachten Betriebsausgaben ableiten lässt -
im verfahrensgegenständlichen Zeitraum eine betriebliche Tätigkeit entfaltet wurde, nicht entkräften. Auch dass die festgestellten Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit zu einer anderen Pflichtversicherung geführt hätten, wird von der Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht.
Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie im hier relevanten Zeitraum die Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG festgestellt hat.
4. Unter dem Beschwerdegrund der behaupteten Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt die Beschwerdeführerin lediglich vor, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht mit der erforderlichen Sorgfalt und Intensität auf ihre Argumente im Rechtsmittelverfahren eingegangen sei.
Diese pauschale Rüge lässt nicht erkennen, welche konkreten Mängel dem angefochtenen Bescheid nach Ansicht der Beschwerdeführerin anhaften könnten, sodass damit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt werden kann.
5. Die Beschwerde war daher, da schon ihr Inhalt erkennen ließ, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, gemäß § 35 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am