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VwGH vom 24.07.2013, 2011/08/0221

VwGH vom 24.07.2013, 2011/08/0221

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2011/08/0222

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerden der D M in W, vertreten durch MMag. Christoph Doppelbauer, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Vogelweiderstraße 9, gegen die auf Grund von Beschlüssen des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheide der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich

1.) vom , Zl. LGSOÖ/Abt.4/2011-0566-4-000422/423-0 (hg. Zl. 2011/08/0221), und 2.) vom , Zl. LGSOÖ/Abt.4/2011-0566-4-000316-0 (hg. Zl. 2011/08/0222), betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von je EUR 1.106,40, sohin insgesamt EUR 2.212,80, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, zur hg. Zl. 2011/08/0221 angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde gemäß § 24 Abs. 2 AlVG das Arbeitslosengeld der Beschwerdeführerin für den Zeitraum vom 6. Februar bis zum (25 Tage a EUR 37,87) und vom 18. Juni bis zum (110 Tage a 37,87) widerrufen und von ihr gemäß § 25 Abs. 1 AlVG den entstandenen Übergenuss von EUR 946,75 und EUR 3.976,35 (sohin insgesamt EUR 4.923,10) zurückgefordert.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, zur hg. Zl. 2011/08/0222 angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde gemäß § 24 Abs. 2 AlVG das Arbeitslosengeld der Beschwerdeführerin für die Zeiträume vom 14. Juli bis zum (19 Tage a EUR 36,91), vom 11. August bis zum (51 Tage a EUR 36,91) sowie vom 1. Februar bis zum (33 Tage a EUR 36,91) und vom 15. Juni bis zum (108 Tage a EUR 37,87) widerrufen und gemäß § 25 Abs. 1 AlVG von ihr den entstandenen Übergenuss in Höhe von EUR 7.891,69 zurückgefordert.

Die Beschwerdeführerin habe am bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice W (im Folgenden: AMS) Arbeitslosengeld beantragt und dabei Punkt 7 des Antrags (die Frage nach einer früheren selbständigen Erwerbstätigkeit) bejaht (durch das AMS sei dazu angemerkt worden: "Freie Dienstverhältnisse Hauptverband"), die Punkte 6 und 9 (die Fragen nach einer gegenwärtigen selbständigen Erwerbstätigkeit und die Frage nach einem eigenen Einkommen) des Antrags hingegen verneint. Am habe die Beschwerdeführerin neuerlich Arbeitslosengeld beantragt und dabei die Fragen, ob sie selbständig erwerbstätig sei, selbständig erwerbstätig gewesen sei bzw. eigenes Einkommen zu haben, jeweils verneint. Gleiche Angaben habe sie auch in den folgenden Anträgen auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld vom , und gemacht.

Am habe das AMS durch eine Überlagerungsmeldung des Hauptverbandes erfahren, dass die Beschwerdeführerin seit 2008 als "neue Selbständige" tätig sei, weil derartige Zeiten vom bis zum im Hauptverband entsprechend gespeichert gewesen seien.

Ein vom Finanzamt G am ergangener Einkommensteuerbescheid über das Wirtschaftsjahr 2008 weise ein durchschnittliches monatliches Bruttoeinkommen auf, welches über der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze liege und Arbeitslosengeld ausschließe. Diesem Bescheid zufolge habe die Beschwerdeführerin Einkünfte aus selbständiger Arbeit von EUR 7.206,38 erzielt und als Sonderausgaben insgesamt EUR 1.024,-- ausgewiesen. Die festgesetzte Einkommensteuer habe EUR 2.327,59 betragen.

Der vom Finanzamt am ergangene Einkommensteuerbescheid über das Wirtschaftsjahr 2009 weise ebenfalls ein durchschnittliches monatliches Bruttoeinkommen auf, welches über der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze liege und Arbeitslosigkeit ausschließe. Diesem Bescheid zufolge habe die Beschwerdeführerin Einkünfte aus selbständiger Arbeit von EUR 9.856,24 erzielt. Die Sonderausgaben seien mit insgesamt EUR 1.024,-- ausgewiesen. Die festgesetzte Einkommensteuer (für 2009) habe EUR 3.481,32 betragen.

Der vom Finanzamt am ergangene Einkommensteuerbescheid über das Wirtschaftsjahr 2010 weise ebenfalls ein durchschnittliches monatliches Bruttoeinkommen auf, welches über der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze liege und Arbeitslosigkeit ausschließe. Diesem Bescheid zufolge habe die Beschwerdeführerin aus selbständiger Arbeit Einkünfte in Höhe von EUR 5.397,69 erzielt. Als Sonderausgaben seien insgesamt EUR 809,51 ausgewiesen. Die festgesetzte Einkommensteuer betrage EUR 1.333,86.

Die belangte Behörde habe die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom und vom darüber informiert, dass sie "auf Grund ihrer Tätigkeit als Sprachtrainerin und der Speicherung im Hauptverband (F3) als neue Selbständige vom bis zu betrachten" sei. Dafür würden auch "die vorgelegten Unterlagen" sprechen. Weiters teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin im Schreiben vom Folgendes mit:

"Auch wenn Sie der Meinung sind, Ihre Tätigkeiten beim WIFI und BFI als freie Dienstnehmerin, sind bei der Beurteilung des Einkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit außer Betracht zu lassen, so liegen nach ihren vorgelegten Unterlagen in den Jahren 2008 und 2009 bei den Firmen m… m… sowie M… Tätigkeiten in den Monaten April, Mai, Juni, Juli, Oktober, November und Dezember 2008 sowie in den Monaten Jänner, Februar, März, April, Mai, Juni, Oktober und November 2009 vor."

Die Speicherung der von der Beschwerdeführerin angeführten Tätigkeiten als freie Dienstnehmerin scheine im Hauptverband nicht auf und sei auch bei den jeweiligen Antragstellungen nicht vorgelegen. In den Jahren 2008 und 2009 sei keine "Speicherung eines Dienstverhältnisses als freie Dienstnehmerin für das WIFI OÖ gespeichert". Eine Speicherung als geringfügig beschäftigte freie Dienstnehmerin nach § 4 Abs. 4 ASVG scheine für den Zeitraum vom 1. Mai bis zum beim BFI auf. Der Zeitraum der gespeicherten mehrfach geringfügigen Beschäftigung vom 1. Mai bis zum stelle keine Speicherung eines Dienstverhältnisses als freie Dienstnehmerin dar, sondern ergebe sich auf Grund der §§ 471f und 471h ASVG. Nach diesen Bestimmungen unterliege bei sich überlagernden ASVG-pflichtigen Beschäftigungen und bei einem Einkommen aus diesen Beschäftigungsverhältnissen über der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze der betreffende Monat der Pensionsversicherung. Die Beschwerdeführerin sei auch vom 6. März bis zum als Angestellte bei der F. GmbH beschäftigt gewesen. Somit ergebe sich eine Überlappung der ASVGpflichten Beschäftigungen für die Monate 1. Mai bis und das Vorliegen einer Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung vom 1. Mai bis zum . Dies würde der "gespeicherte Zeitraum dieser mehrfach geringfügigen Beschäftigung vom bis " darstellen.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, die Geringfügigkeitsgrenzen würden im Jahr 2008 monatlich EUR 349,01 brutto, im Jahr 2009 monatlich EUR 357,74 brutto und im Jahr 2010 monatlich EUR 366,33 brutto betragen. Die belangte Behörde folge

"der Auflistung des Einkommens aus selbständiger Arbeit von Seite 6 Ihres Schreibens vom und zieht ebenfalls von den Einkünften aus selbständiger Arbeit laut Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 mit EUR 7.206,38 das Einkommen von EUR 1.767,57 ab. Nach Abzug der Sonderausgaben von insgesamt EUR 1.024,-- verbleibt ein Einkommen von EUR 4.414,81, welches der Beurteilung ihres Anspruchs auf Arbeitslosengeld zu Grunde gelegt wird."

Die belangte Behörde folge

"auch für das Jahr 2009 der Auflistung aus selbständiger Arbeit von S. 6 ihres Schreiben vom und zieht ebenfalls von den Einkünften aus selbständiger Arbeit laut Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 mit EUR 9.856,24 das Einkommen von EUR 2.972,62 ab. Nach Abzug der Sonderausgaben von insgesamt EUR 1.024,-- ... verbleibt ein Einkommen von EUR 6.883,62, welches der Beurteilung ihres Anspruchs auf Arbeitslosengeld zu Grunde gelegt wird".

Die belangte Behörde folge

"auch für das Jahr 2010 der Auflistung des Einkommens aus selbständiger Arbeit von Seite 6 ihres Schreibens vom . Mit diesem Schreiben wird gleich dem Einkommensteuerbescheid für 2010 Einkünfte aus selbständiger Arbeit mit EUR 5.397,68 festgelegt. Nach Abzug der Sonderausgaben von insgesamt EUR 809,51 ... verbleibt ein Einkommen von EUR 4.588,18, welches der Beurteilung ihres Anspruches auf Arbeitslosengeld zu Grunde gelegt wird."

Gemäß § 12 Abs. 6 lit. c AlVG seien Sozialversicherungsbeiträge nicht als einkommensmindernd abzuziehen.

Das monatliche Einkommen aus selbständiger Arbeit betrage für das Jahr 2008 EUR 361,86 brutto monatlich, für das Jahr 2009 EUR 565,77 brutto monatlich und für das Jahr 2010 EUR 377,11 brutto monatlich. Die durchschnittlichen monatlichen Bruttoeinkommen dieser Jahre lägen über der jeweils geltenden Geringfügigkeitsgrenze. Arbeitslosigkeit sei nicht vorgelegen.

Die Beschwerdeführerin sei vom bis zum als Sprachtrainerin selbständig erwerbstätig gewesen. Es sei von einer durchgehenden selbständigen Erwerbstätigkeit auszugehen,

"da aus ihren vorgelegten Unterlagen ersichtlich ist, dass neben Ihrer wiederkehrenden Tätigkeit beim WIFI auch bei anderen Instituten als Sprachtrainerin für Englisch tätig waren, so z.B.:

für m… m… jeweils in den Monaten April, Mai, Juni, Juli, Oktober, November und Dezember 2008, für A… Design im Februar 2008 und für M… im Dezember 2008."

Im Jahr 2009 sei die Beschwerdeführerin vom Jänner bis Juni und von Oktober bis Dezember 2009 für m … m … tätig gewesen, im Februar und Juni 2009 für M. und im Jänner bis November 2010 für m … m ….

Beim WIFI sei die Beschwerdeführerin vom bis , vom 30. Jänner bis zum , vom bis , vom 28. Jänner bis und vom bis tätig gewesen.

Die Nachhaltigkeit einer Tätigkeit setze voraus, dass bei der Erwerbstätigen die Absicht bestehe, die Tätigkeit zu wiederholen und daraus eine Erwerbsquelle zu machen. Daher werde allein durch die faktische Einstellung der Tätigkeit (z.B. auf Grund fehlender Aufträge oder Ferienmonate) die Erwerbstätigkeit nicht beendet. Auch wenn ein Kursvortragender während der Ferienmonate mangels Nachfrage keine Vortragstätigkeit anbiete, werde die Regelmäßigkeit seiner selbständigen Tätigkeit dadurch nicht beeinträchtigt, wenn - dem Berufsbild entsprechend - in den Ferienmonaten keine Vortragstätigkeit stattfindet.

Die belangte Behörde gehe von einer regelmäßigen, durchgehenden selbständigen Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin vom bis aus. Mangels Arbeitslosigkeit sei das Arbeitslosengeld in der angegebenen Höhe zu widerrufen. Dadurch seien Übergenüsse in Höhe von EUR 7.891,69 und EUR 4.923,10 entstanden.

Das AMS habe von der seit ausgeübten selbständigen Erwerbstätigkeit erstmals mit der Überlagerungsmeldung vom erfahren. Die Beschwerdeführerin habe zwar im Antrag vom "auf ihre freien Dienstverhältnisse im WIFI abgezielt, jedoch nicht bekannt gegeben, dass sie auch bei anderen Instituten als Sprachtrainerin selbständig tätig war". Die Beschwerdeführerin habe daher dem AMS nicht die Möglichkeit gegeben, die Tätigkeit und das Einkommen der Beschwerdeführerin auf Grund ihrer Angaben rechtlich beurteilen zu können. Dies treffe auch für die anderen Anträge auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld zu. Dem AMS sei jeder noch nicht bekannt gegebene Umstand anzuzeigen, der für das Fortbestehen oder das Ausmaß eines Anspruches aus der Arbeitslosenversicherung relevant sein könne. Es komme nicht darauf an, ob dieser Umstand nach der Auffassung der Beschwerdeführerin den Anspruch auf eine Leistung der Arbeitslosenversicherung beeinflussen könne. Die Beschwerdeführerin habe die Meldepflicht nach § 50 AlVG verletzt und einen Rückforderungstatbestand verwirklicht.

Der entstandene Übergenuss von EUR 7.891,69 bzw. EUR 4.923,10 sei zurückzufordern.

Gegen diese Bescheide richten sich die Beschwerden mit dem Begehren, sie kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten der Verwaltungsverfahren vorgelegt und Gegenschriften erstattet, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhangs wegen zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbunden und darüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin bringt vor, mit dem zu 1. angefochtenen Bescheid sei ein Betrag von EUR 5.112,45 widerrufen, jedoch nur ein Betrag von EUR 4.923,10 zurückgefordert worden. Schon aus diesem Grund sei der Bescheid nicht nachvollziehbar. Dem ist zu erwidern, dass die Beschwerdeführerin dadurch, dass ein geringerer Betrag zurückgefordert als widerrufen worden ist, nicht in subjektiven Rechten verletzt worden sein kann.

2.1. Des Weiteren macht die Beschwerdeführerin geltend, sie habe in den verfahrensgegenständlichen Zeiten, für die die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes widerrufen worden sei, keine unselbständige oder selbständige Tätigkeit ausgeübt (diese seien jeweils zuvor beendet worden). Die Feststellung der belangten Behörde, wonach sie durchgehend vom bis zum als "neue selbständig Erwerbstätige" anzusehen sei, werde bestritten. Vortragstätigkeiten als Lehrende beim WIFI und BFI seien "im Rahmen eines sozialversicherungsrechtlichen Dienstverhältnisses" außerhalb der streitgegenständlichen Zeiträume, insbesondere in den Jahren 2008 und 2009 erbracht worden. Während der gegenständlichen Zeiten hätten keine Dienstverhältnisse bestanden. Daran ändere nichts, dass mit dem WIFI bzw. BFI vor Ferienbeginn Kurse für Zeiträume nach den Ferien vereinbart worden seien. Im Übrigen seien von den Jahren 2008 bis 2010 außerhalb des streitgegenständlichen Zeitraumes Leistungen für die A. Design, M. und m … m … erbracht worden, wofür § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG, der eine selbständige Erwerbstätigkeit voraussetze, einschlägig sei. Die Beschwerdeführerin habe während der hier relevanten Zeiträume keinerlei Leistungen hinsichtlich dieser Auftraggeber erbracht. Eine selbständige Erwerbstätigkeit sei demnach nicht vorgelegen. Soweit die belangte Behörde in Bezug auf die genannten Kurse für die genannten Auftraggeber eine durchgehende selbständige Erwerbstätigkeit annehme, fehle es an ausreichenden Feststellungen. Die belangte Behörde habe sich mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass sie ihre Leistungen "nicht am Markt" anbiete und sie schon aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sei, ihre Leistungen dauernd anzubieten, eben auch aus dem Grund der festgestellten Behinderung, nicht auseinandergesetzt. Es habe sich um "zufällige" Kontakte zu möglichen Auftraggebern gehandelt. Für die Beschwerdeführerin seien "Ruhepausen" notwendig gewesen. Damit habe sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt. Es mangle dem angefochtenen Bescheid an einer substanziellen Begründung.

2.2. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer (u.a.) der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Nach § 7 Abs. 2 AlVG steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf und arbeitsfähig, arbeitswillig und arbeitslos ist.

Gemäß § 12 Abs. 1 AlVG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 104/2007 ist arbeitslos, wer

"1. eine (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet hat,

2. nicht mehr der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt oder dieser ausschließlich auf Grund des Weiterbestehens der Pflichtversicherung für den Zeitraum, für den Kündigungsentschädigung gebührt oder eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt oder eine Urlaubsabfindung gewährt wird (§ 16 Abs. 1 lit. k und l), unterliegt und

3. keine neue oder weitere (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) ausübt."

Gemäß § 24 Abs. 2 AlVG ist die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes zu widerrufen, wenn die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes gesetzlich nicht begründet war. Nach § 25 Abs. 1 AlVG ist bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Nach § 25 Abs. 1 dritter Satz AlVG ist der Empfänger einer Leistung nach diesem Bundesgesetz auch dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich ohne dessen Verschulden auf Grund eines nachträglich vorgelegten Einkommensteuer- oder Umsatzsteuerbescheides ergibt, dass die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührte; in diesem Fall darf jedoch der Rückforderungsbetrag das erzielte Einkommen nicht übersteigen.

Nach dem Wortlaut des § 12 Abs. 1 AlVG sind die in Z 1 bis 3 dieser Bestimmung festgelegten Voraussetzungen kumulativ zu erfüllen. Es ist daher nicht nur erforderlich, dass die Erwerbstätigkeit beendet ist, sondern dass darüber hinaus (abgesehen von hier nicht relevanten Ausnahmen) auch keine Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung mehr besteht, sowie dass schließlich keine "neue oder weitere" Erwerbstätigkeit ausgeübt wird.

Eine Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung schließt nach § 12 Abs. 1 AlVG idF BGBl. I Nr. 104/2007 Arbeitslosigkeit aus, selbst wenn nur eine iSd § 12 Abs. 6 AlVG "geringfügige Erwerbstätigkeit" ausgeübt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/08/0025, mwN).

Die Ausübung einer neuen oder weiteren Erwerbstätigkeit schließt iSd § 12 Abs. 1 Z 3 AlVG Arbeitslosigkeit hingegen nur dann aus, wenn es sich nicht um eine "geringfügige Erwerbstätigkeit" in den im § 12 Abs. 6 AlVG näher festgelegten Grenzen handelt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/08/0155).

Der Widerruf nach § 24 Abs. 2 AlVG hängt im Beschwerdefall davon ab, ob die Beschwerdeführerin in den gegenständlichen Zeiträumen iSd § 12 Abs. 1 Z 2 AlVG einer Pflichtversicherung unterlegen ist bzw. gemäß § 12 Abs. 1 Z 3 AlVG eine neue oder weitere die Geringfügigkeitsgrenze übersteigende Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) ausgeübt hat.

Um das Vorliegen einer Pflichtversicherung (insbesondere auch deren Beginn und Ende sowie den Zweig, in dem die Pflichtversicherung besteht) bzw. das Vorliegen der genannten unselbständigen oder selbständigen Erwerbstätigkeiten (Beschäftigungen) beurteilen zu können, sind brauchbare Tatsachenfeststellungen über alle relevanten Umstände der in Frage kommenden Erwerbstätigkeiten zu treffen, die eine diesbezügliche rechtliche Beurteilung ermöglichen. Die Behörden des AMS wären zwar an rechtskräftige Bescheide gebunden, die das Vorliegen von versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeiten für die fraglichen Zeiträume bejahen. Eine sonstige Bindung, insbesondere an die beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger tatsächlich geführten Versicherten-Daten kann dem Gesetz, insbesondere auch § 45 AlVG, ebenso wenig entnommen werden, wie ein Verbot der Beurteilung des Vorliegens der Versicherungspflicht eines Beschäftigungsverhältnisses als Vorfrage (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/08/0269, sowie nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 2012/08/0025). Die belangte Behörde, die ihre rechtliche Beurteilung des Vorliegens einer Pflichtversicherung lediglich auf eine "Speicherung im Hauptverband (F3)" gestützt hat, hätte die Frage des Vorliegens einer versicherungspflichtigen unselbständigen Beschäftigung bzw. der Versicherungspflicht einer selbständigen Erwerbstätigkeit als Vorfrage iSd § 38 AVG selbst beurteilen und die erforderlichen Feststellungen dafür treffen müssen.

Dabei wird sie die dazu ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu berücksichtigen haben, insbesondere - zum Bestehen einer Pflichtversicherung von Vortragenden und zur Klassifikation als "tageweise" Beschäftigungsverhältnisse iSd § 4 Abs. 2 ASVG - etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/08/0204. Was die von der belangten Behörde angenommene durchgehende selbständige Erwerbstätigkeit der Beschwerdeführerin in den Jahren 2008 bis 2010 (bzw. die daraus folgende Pflichtversicherung gem. § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG) betrifft, so entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass sich die Versicherungspflicht gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG grundsätzlich nach der Einkommensteuerpflicht richtet. Bei Vorliegen eines rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides, aus dem die Versicherungsgrenzen übersteigende Einkünfte der im § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG genannten Art hervorgehen, besteht nach dieser Bestimmung Versicherungspflicht, sofern die zu Grunde liegende Tätigkeit im betreffenden Zeitraum (weiter) ausgeübt wurde und auf Grund dieser Tätigkeit nicht bereits die Pflichtversicherung nach anderen Bestimmungen des GSVG oder nach einem anderen Bundesgesetz eingetreten ist (vgl. insbesondere auch zur Voraussetzung des Vorliegens einer betrieblichen Tätigkeit das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/08/0122).

3. Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am