VwGH vom 22.02.2012, 2011/08/0220

VwGH vom 22.02.2012, 2011/08/0220

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der W Privatstiftung in Wien, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 13, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom , Zl. BMASK-426527/0001-II/A/3/2011, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit der Pflichtversicherung gemäß ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien:

1. L B in H, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in 3100 St. Pölten, Kremser Gasse 4,

2. Niederösterreichische Gebietskrankenkasse in 3100 St. Pölten, Kremser Landstraße 3, 3. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1201 Wien, Adalbert Stifterstraße 65-67,

4. Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 und dem Erstmitbeteiligten in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom stellte die zweitmitbeteiligte Gebietskrankenkasse fest, dass der Erstmitbeteiligte aufgrund seiner Tätigkeit als Gutsarbeiter für die beschwerdeführende Partei in der Zeit vom bis einschließlich der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht als Dienstnehmer gemäß § 4 Abs. 2 ASVG unterlegen sei (Spruchpunkt I); in Spruchpunkt II wurden die Beitragsgrundlagen für die Jahre 1998 bis einschließlich 2005 festgestellt.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Einspruch.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes vom wurde dem Einspruch zu Spruchpunkt I des erstinstanzlichen Bescheides keine Folge gegeben, dieser aber mit der Maßgabe bestätigt, dass der Erstmitbeteiligte aufgrund seiner Tätigkeit als Land- und Forstarbeiter sowie Hausarbeiter in der Zeit vom 1. Oktober bis für Herrn W (Betriebsnachfolgerin sei die beschwerdeführende Partei) und in der Zeit vom bis für die beschwerdeführende Partei der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht als Dienstnehmer gemäß § 4 Abs. 2 ASVG unterlegen sei. Spruchpunkt II des erstinstanzlichen Bescheides wurde ersatzlos behoben.

Der Bescheid des Landeshauptmannes weist folgende Rechtsmittelbelehrung auf:

"Gegen diesen Bescheid ist, insoweit darin über die Versicherungspflicht entschieden wurde (in Spruch-Teil I), die binnen zwei Wochen nach Zustellung bei der NÖ Gebietskrankenkasse … schriftlich, mit Telefax oder per E-Mail einzubringende Berufung zulässig.

Erhebt jedoch der Sozialversicherungsträger, der den Bescheid in erster Instanz erlassen hat, Berufung, so ist diese beim Landeshauptmann von Niederösterreich einzubringen.

Die Berufung hat den Bescheid, gegen den sie sich richtet, zu bezeichnen und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.

Im Übrigen (bezüglich Spruch-Teil II) ist gegen diesen Bescheid eine Berufung nicht zulässig, allerdings kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und ebenso an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Dies muss von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein."

Der Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich wurde der beschwerdeführenden Partei (zu Handen des ausgewiesenen Vertreters) am zugestellt.

Die beschwerdeführende Partei brachte mit Telefax vom (um 17.44 Uhr) gegen diesen Bescheid Berufung beim "Amt der Niederösterreichischen Landesregierung" ein. Es wurde weder Berufung bei der zweitmitbeteiligten Gebietskrankenkasse noch bei der belangten Behörde eingebracht. Die Weiterleitung der Berufung vom Landeshauptmann an die zweitmitbeteiligte Gebietskrankenkasse erfolgte am .

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als verspätet zurück. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Berufungsfrist habe für die beschwerdeführende Partei am geendet. Wäre die Berufung entweder bei der belangten Behörde als Berufungsbehörde oder bei der zweitmitbeteiligten Gebietskrankenkasse eingebracht worden, wäre sie rechtzeitig gewesen. Das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung sei aber keine Einbringungsbehörde für die Berufung. Dazu sei auch auf die zutreffende Rechtsmittelbelehrung des Bescheides des Landeshauptmannes zu verweisen. Auch wenn die Weiterleitung der Berufung von der Einspruchsbehörde versehentlich drei Wochen gedauert habe, sei darauf hinzuweisen, dass selbst eine Weiterleitung am darauf folgenden Tag zu keinem anderen Ergebnis geführt hätte.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen und beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Erstmitbeteiligte hat eine Gegenschrift erstattet und beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Die zweitmitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat eine Gegenschrift erstattet. Die drittmitbeteiligte Unfallversicherungsanstalt hat erklärt, auf die Erstattung einer Gegenschrift zu verzichten. Die viermitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die beschwerdeführende Partei macht geltend, für das Verfahren vor den Versicherungsträgern in Leistungssachen und in Verwaltungssachen würden gemäß § 357 ASVG die dort ausdrücklich angeführten Bestimmungen des AVG gelten, wobei § 63 AVG von diesen ausdrücklich ausgenommen sei. Selbst wenn man aber von der Anwendbarkeit des § 63 AVG ausgehe, ergebe sich aus dessen Absatz 5, dass eine Berufung, die innerhalb der Frist bei der Berufungsbehörde eingebracht werde, als rechtzeitige Einbringung gelte. An einen dreigliedrigen Instanzenzug habe der Gesetzgeber offensichtlich nicht gedacht. Im Einspruchsverfahren komme dem Landeshauptmann die Rechtsstellung einer Rechtsmittelbehörde zu. Im Sinne des § 63 Abs. 5 AVG könne daher der Landeshauptmann in diesem Zusammenhang als Berufungsbehörde verstanden werden, bei dem die Einbringung des Rechtsmittels zulässig sei. § 63 Abs. 5 AVG bezwecke die Straffung des Verfahrens bzw. dessen Beschleunigung. Weshalb dies nur dann gelten solle, wenn die Berufung bei der belangten Behörde, nicht jedoch beim Landeshauptmann eingelangt sei, lasse sich der ratio legis nicht entnehmen, weil auch der Landeshauptmann Behörde zweiter Instanz sei, die gemeinhin als Berufungsbehörde verstanden werde.

2. Gemäß § 357 ASVG sind auf das Verfahren der Versicherungsträger in Leistungssachen und in Verwaltungssachen die sodann näher genannten Bestimmungen des AVG anzuwenden; § 63 AVG (wie überhaupt der gesamte 1. Abschnitt ("Berufung") des IV. Teils des AVG) findet sich in dieser Aufzählung nicht. Rechtsmittel gegen Bescheide der Versicherungsträger in Verwaltungssachen ist gemäß § 412 Abs. 1 ASVG der Einspruch an den zuständigen Landeshauptmann. Dieser ist gemäß § 412 Abs. 1 dritter Satz ASVG beim Versicherungsträger, der den Bescheid erlassen hat, einzubringen. Nach Satz 4 leg.cit. gilt ein beim Landeshauptmann eingebrachter Einspruch als beim Versicherungsträger eingebracht und ist an diesen unverzüglich weiterzuleiten.

Gemäß § 413 Abs. 1 Z 1 ASVG entscheidet der Landeshauptmann über die bei ihm nach § 412 ASVG eingebrachten Einsprüche. Nach § 415 Abs. 1 ASVG steht die Berufung an das Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz (nunmehr: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz) in den Fällen des § 413 Abs. 1 Z 1 ASVG zu, wenn über die Versicherungspflicht (ausgenommen in den Fällen des § 11 Abs. 2 erster Satz ASVG) oder die Berechtigung zur Weiter- oder Selbstversicherung entschieden wurde. Gemäß § 415 Abs. 2 ASVG hat der Versicherungsträger, der den Bescheid in erster Instanz erlassen hat, die Berufung beim Landeshauptmann einzubringen.

Der Landeshauptmann hat gemäß Art. I Abs. 2 lit. A Z 1 EGVG, der Bundesminister nach Art. I Abs. 3 EGVG als im Instanzenzug übergeordnete Behörde das AVG anzuwenden.

Gemäß § 63 Abs. 5 erster Satz AVG ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Wird eine Berufung innerhalb dieser Frist bei der Berufungsbehörde eingebracht, so gilt dies nach § 63 Abs. 5 dritter Satz AVG als rechtzeitige Einbringung; die Berufungsbehörde hat die bei ihr eingebrachte Berufung unverzüglich an die Behörde erster Instanz weiterzuleiten.

3. Behörde, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat, ist die zweitmitbeteiligte Gebietskrankenkasse. Dem Landeshauptmann kommt im vorliegenden Fall die Rechtsstellung einer Rechtsmittelbehörde, und nicht einer Behörde erster Instanz zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/08/0022), sodass der Landeshauptmann nicht die Einbringungsstelle iSd § 63 Abs. 5 erster Satz AVG ist.

4. Es ist daher zu prüfen, ob der Landeshauptmann - entsprechend dem Beschwerdevorbringen - als "Berufungsbehörde" iSd § 63 Abs. 5 dritter Satz AVG zu beurteilen ist:

Mit BGBl. Nr. 357/1990 war § 63 Abs. 5 AVG, welcher zuvor vorgesehen hatte, dass Berufungen bei der Behörde einzubringen sind, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat, dahin abgeändert worden, dass die Berufung auch bei der Behörde, die über die Berufung zu entscheiden hat, eingebracht werden konnte. Den Gesetzesmaterialien (RV 1089 und AB 1350 BlgNR 17. GP) ist eine Begründung für diese - erst im Verfassungsausschuss vorgenommene - Änderung nicht zu entnehmen (vgl. auch Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, § 63 AVG Anm. 1a).

Die Wortfolge ", oder bei der Behörde, die über die Berufung zu entscheiden hat" wurde mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 20-23/94, VfSlg. 13.816, als verfassungswidrig aufgehoben.

Mit BGBl. Nr. 471/1995 wurde sodann § 63 Abs. 5 AVG neu gefasst. § 63 Abs. 5 dritter Satz AVG lautet (seither insoweit unverändert):

"Wird eine Berufung innerhalb dieser Frist bei der Berufungsbehörde eingebracht, so gilt dies als rechtzeitige Einbringung; die Berufungsbehörde hat die bei ihr eingebrachte Berufung unverzüglich an die Behörde erster Instanz weiterzuleiten".

In den Erläuterungen (RV 130 BlgNR 19. GP, 9) wurde hiezu u. a. ausgeführt:

"Mit der Novelle zum AVG des Jahres 1990, BGBl. Nr. 357, wurde § 63 Abs. 5 AVG dahin gehend geändert, daß die Einbringung der Berufung auch bei der Berufungsbehörde möglich ist.

Der Verfassungsgerichtshof hat nun mit Erkenntnis vom , G 20-23/94-6, die Wortfolge ', oder bei der Behörde, die über die Berufung zu entscheiden hat' im ersten Satz des § 63 Abs. 5 als verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebung wurde im BGBl. Nr. 686/1994 kundgemacht. Sie tritt mit Ablauf des in Kraft. (…)

Die 1990 vorgenommene Änderung des § 63 Abs. 5 AVG erfolgte in dem Bestreben, das Risiko der Parteien bezüglich der Versäumung der Berufungsfrist in jenen Fällen herabzusetzen, in denen die Berufung - nach der früheren Rechtslage: verfehlterweise - bei der Berufungsbehörde direkt eingebracht wurde. Es zeigt sich, daß das damals angestrebte Ziel auch auf andere Weise erreicht werden kann. Durch die nun vorgeschlagene Änderung soll die Fristversäumung in den dargestellten Fällen ausgeschlossen werden. Da durch den neuen letzten Satz sichergestellt wäre, daß die irrtümliche (aber fristgerechte) Einbringung bei der Berufungsbehörde nicht zur Fristversäumung führt, kann die Einbringungsregelung in § 63 Abs. 5 AVG wiederum in der bis 1990 geltenden Fassung hergestellt werden. Um die Frage zu klären, ob und inwieweit § 6 AVG in den vorliegenden Fällen anwendbar ist, wird ausdrücklich festgehalten, daß die Berufungsbehörde die bei ihr eingebrachte Berufung an die Behörde erster Instanz weiterzuleiten hat. Damit soll die Schwierigkeit vermieden werden, daß im Fall der Geltung des § 6 AVG bei einer 'Verweisung' des Berufungswerbers 'an die zuständige Stelle' (§ 6 AVG) auslegungsbedürftig wäre, welche Folgen es hätte, wenn der Berufungswerber die Berufung nicht oder erst sehr spät der Behörde erster Instanz vorlegt. Es soll daher im vorliegenden Zusammenhang jedenfalls nur die Verpflichtung zur Weiterleitung an die Behörde erster Instanz bestehen."

Auch wenn nunmehr in § 63 Abs. 5 AVG von der "Berufungsbehörde" (und nicht mehr von der "Behörde, die über die Berufung zu entscheiden hat", so idF BGBl. Nr. 357/1990) die Rede ist, war damit - wie aus den zitierten Materialien hervorgeht, welche schildern, nach der Novelle BGBl. Nr. 357/1990 sei die Einbringung auch "bei der Berufungsbehörde" möglich gewesen - insoweit vom Gesetzgeber keine Abänderung beabsichtigt; "Berufungsbehörde" ist daher als Behörde, die über die Berufung zu entscheiden hat, zu verstehen. Auch § 66 Abs. 2 und Abs. 4 AVG verwenden den Begriff "Berufungsbehörde" offenkundig in der Bedeutung als Behörde, die über die Berufung zu entscheiden hat.

Es ist - entgegen dem Beschwerdevorbringen - auch nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber anlässlich der Novelle 1995 an einen mehrgliedrigen Instanzenzug nicht gedacht hätte. Mit der Novelle 1995 wurde nämlich § 64a AVG, welcher zuvor vorsah, dass die Behörde, die den Bescheid in erster Instanz erlassen habe, eine Berufungsvorentscheidung erlassen könne, (im hier interessierenden Teil) dahin abgeändert, dass eine Berufungsvorentscheidung von der Behörde, die den Bescheid erlassen habe, ergehen könne. In den Erläuterungen (aaO, 11) wurde hiezu ausgeführt:

"Überdies wird die bisher enthaltene Einschränkung, daß die Berufungsvorentscheidung nur von der Behörde erster Instanz erlassen werden kann, aufgegeben. Es ist kein Grund ersichtlich, warum in Fällen eines dreigliedrigen Instanzenzuges nicht ebenfalls eine Berufungsvorentscheidung im Fall einer Berufung gegen den Bescheid der Behörde zweiter Instanz möglich sein soll".

Im Rahmen der Auslegung (auch) des Verfahrensrechts ist - insoweit wird in der Beschwerde zutreffend die ratio legis angesprochen - auch nach dem Zweck der Rechtsnorm zu fragen (vgl. - zum Zivilverfahrensrecht - näher Fasching in Fasching/Konecny, I2 Einleitung Rz 89 ff). Im Zweifel ist jene Auslegung vorzuziehen, die der Sacherledigung des Rechtsschutzbegehrens dienlicher ist ( Fasching, aaO Rz 100; vgl. auch Fasching in Fasching/Konecny, II/12, Einleitung, Rz 65: Grundsatz des Vorranges der Sacherledigung). Wie Fasching ebenfalls ausführt (aaO, I2, Rz 101) muss sich eine sacherledigungsfreundliche Auslegung mit dem prozessualen Formalismus auseinandersetzen. Fristvorschriften sind nur teilweise prozessuale Ordnungsvorschriften mit Formalcharakter. Häufig dienen sie der Schaffung neuer Prozesslagen (etwa Rechtsmittelfristen). Bei reinen Ordnungsfristen sei eine worthaftende fristenstrenge Auslegung fehl am Platz; hier seien Ordnungszweck und Rechtsverlust für den Säumigen wertend abzuwägen. Bei Notfristen bleibe dagegen wenig Raum für eine "säumnisfreundliche" Auslegung. Hier müsse sich die sacherledigungsfreundliche Auslegung im Allgemeinen in das Wiedereinsetzungsverfahren verlagern.

Die Berufungsfrist im Verwaltungsverfahren ist keine bloße Ordnungsfrist (oder ein bloßer Formalismus); der Ablauf dieser Frist führt vielmehr zur Schaffung einer neuen Prozesslage, die Entscheidung wird rechtskräftig. Ein Eingriff in die Rechtskraft berührt insbesondere - gerade auch in einem Verfahren wie dem hier vorliegenden - auch rechtlich geschützte Interessen anderer Verfahrensparteien (hier besonders des Erstmitbeteiligten). Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist soll im Verwaltungsverfahren auch durch die Rechtsmittelbelehrung (§ 61 AVG), welche jeder Bescheid zu enthalten hat (§ 58 Abs. 1 AVG), hintangehalten werden. Gegen eine bereits eingetretene Fristversäumung steht einem Rechtsmittelwerber (bei einem nicht mehr als minderen Grad des Versehens) die Möglichkeit eines Antrages auf Wiedereinsetzung (§ 71 AVG) zur Verfügung.

Auch unter Berücksichtigung des Gesetzeszweckes, das Risiko der Parteien bezüglich der Versäumung der Berufungsfrist in bestimmten Fällen auszuschließen, ist daher eine ausdehnende Auslegung der Bestimmung des § 63 Abs. 5 AVG nicht geboten. Ausgehend vom klaren Wortlaut des § 63 Abs. 5 AVG gilt sohin eine Berufung, die im mehrgliedrigen Instanzenzug bei der Zwischeninstanz, die den mit der Berufung anzufechtenden Bescheid erlassen hat, eingebracht wurde, nicht als rechtzeitig (ebenso Walter/Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht9, Rz 519; Hengstschläger/Leeb, AVG § 63 Rz 109, Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht5, 259). Abweichendes gilt nur bei fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung (oder bei rechtzeitiger Weiterleitung gemäß § 6 AVG); die Rechtsmittelbelehrung im vorliegenden Fall war aber - auch in der Beschwerde unbestritten - zutreffend.

Der Verwaltungsgerichtshof findet daher keinen Anlass, von seiner Rechtsprechung abzugehen, wonach der Landeshauptmann, der über einen Einspruch iSd § 413 Abs. 1 Z 1 ASVG entschieden hat, hinsichtlich der gegen diesen Einspruch erhobenen Berufung nicht als "Berufungsbehörde" iSd § 63 Abs. 5 dritter Satz AVG zu verstehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/08/0045; ebenso zu einer Berufung in einem mehrgliedrigen Instanzenzug das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/06/0167).

5. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am