VwGH vom 25.04.2022, Ra 2020/08/0123
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen in Wien, vertreten durch Mag. Daniel Kornfeind, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Singerstraße 27/28, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W145 2213059-1/3E, betreffend Pflichtversicherung in der Unfallversicherung nach dem BSVG (mitbeteiligte Partei: Ing. H W in D, vertreten durch die Gruböck & Lentschig Rechtsanwälte OG in 2500 Baden, Beethovengasse 4-6), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1Mit Bescheid vom sprach die Sozialversicherungsanstalt der Bauern (deren Rechtsnachfolgerin die nunmehr revisionswerbende Sozialversicherungsanstalt ist) aus, dass der Mitbeteiligte vom bis in der Unfallversicherung gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 in Verbindung mit § 279 Abs. 5 BSVG pflichtversichert sei. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Mitbeteiligte sei aufgrund des Schenkungsvertrages mit seinem Vater vom Eigentümer näher genannter forstwirtschaftlicher Flächen mit einem Ausmaß von 1,5629 ha geworden. Der vom zuständigen Finanzamt festgestellte Einheitswert für diese Flächen habe ab ATS 2.813,02 bzw. ab € 200,00 betragen. Der Mitbeteiligte habe die Erlangung des Eigentums an den betreffenden Flächen erstmals am der Revisionswerberin schriftlich gemeldet und zugleich angegeben, dass keine Bewirtschaftung erfolgt sei. Da der - durch Umrechnung des Einheitswertes von ATS 2.813,02 in € 204,43 zu ermittelnde und auf € 200,00 abzurundende - sozialversicherungsrechtlich zu berücksichtigende Einheitswert durchgehend über der in § 3 Abs. 2 BSVG festgelegten Grenze von € 150,00 liege, bestehe die Pflichtversicherung in der Unfallversicherung.
2In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde vom brachte der Mitbeteiligte u.a. vor, der im Zuge der Hauptfeststellung der Einheitswerte zum Stichtag neu erlassene Einheitswertbescheid - in dem für die verfahrensgegenständlichen Grundstücke ein Einheitswert von € 200,00 festgestellt worden sei - entfalte aufgrund der Bestimmung des § 363 Abs. 1 BSVG keine Auswirkungen für Zeiträume vor dem . Bis zu diesem Zeitpunkt sei der „ursprüngliche“ Einheitswert in Höhe von € 145,35 maßgebend, womit aufgrund der Unterschreitung der in § 3 Abs. 2 BSVG festgelegten Grenze von € 150,00 die Pflichtversicherung zu verneinen gewesen sei.
3Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde teilweise statt und sprach aus, der Mitbeteiligte sei vom bis in der Unfallversicherung gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 BSVG pflichtversichert. Im Zeitraum vom bis sei der Mitbeteiligte nicht in der Unfallversicherung gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 BSVG pflichtversichert. Es sprach weiters aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4Das Bundesverwaltungsgericht stellte u.a. fest, der vom Finanzamt festgestellte Einheitswert für die verfahrensgegenständlichen Grundstücke habe bis € 145,35 und seit € 200,00 betragen. Der Wert von € 145,35 ergebe sich aus einer Einheitswertabfrage vom . Im Zeitraum bis seien diese Grundstücke „landwirtschaftlich“ (Waldbewirtschaftung) genutzt worden, seit bestehe keine Nutzung mehr.
5Das Bundesverwaltungsgericht führte begründend - auf das Wesentliche zusammengefasst - weiter aus, schon beim Voreigentümer - dem Vater des Mitbeteiligten - sei der Einheitswert unter der relevanten Pflichtversicherungsgrenze von € 150,00 gelegen, womit im Zeitpunkt der Eigentumsübergabe kein Einheitswert vorgelegen sei, der iSd. § 279 Abs. 5 BSVG finanzrechtliche Wirksamkeit erlangt habe. Da die Neufestsetzung des Einheitswertes mit € 200,00 erst mit Bescheid vom erfolgt sei, habe bis zu diesem Zeitpunkt keine Versicherungspflicht, und zwar auch nicht rückwirkend aufgrund der Umrechnung von Schilling in Euro, bestanden. Aus der Systematik der gesetzlichen Bestimmungen und aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich nämlich, dass sich die Pflichtversicherung im Übergangsrecht ausschließlich nach § 279 Abs. 4 BSVG richte.
6Änderungen der Einheitswerte aufgrund der Hauptfeststellung zum seien gemäß § 363 Abs. 1 BSVG für die Zeit vor dem nicht zu berücksichtigen. Der im Zuge der Hauptfeststellung mit Bescheid vom auf € 200,00 angehobene Einheitswert für die verfahrensgegenständlichen Grundstücke sei daher erst ab wirksam, womit in der Zeit von bis keine Pflichtversicherung in der Unfallversicherung bestehe. Eine Prüfung der Verjährung erübrige sich daher.
7Für die Zeit ab dem bis zum (die Meldung der Nichtbewirtschaftung sei durch den Mitbeteiligten am erstattet worden) bestehe aufgrund des Beginns der Wirksamkeit des Einheitswertes von € 200,00 - iVm. der gesetzlichen Vermutung der Bewirtschaftung gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 BSVG - die Pflichtversicherung in der Unfallversicherung.
8Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Amtsrevision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem der Mitbeteiligte und der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz eine Revisionsbeantwortung erstattet haben (wobei sich der Bundesminister inhaltlich allerdings dem Standpunkt der Revision anschloss), in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
9Zur Zulässigkeit und Begründung der außerordentlichen Revision wird - auf das Wesentliche zusammengefasst - geltend gemacht, das Bundesverwaltungsgericht sei von (näher genannter) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es den vom Finanzamt bis zum berechnetem Einheitswert von € 145,35 als für die Pflichtversicherung nach dem BSVG maßgebend ansehe. Die Umrechnung des in Schilling festgestellten Einheitswertes habe aber nach der Bestimmung des § 279 Abs. 5 BSVG zu erfolgen, somit durch Umrechnung des ungerundeten Schillingbetrages in Euro und anschließende Abrundung auf volle hundert Euro. Dabei ergebe sich - bereits vor der Wirksamkeit des neuen Hauptfeststellungsbescheides - ein Einheitswert von € 200,00 (während sich der vom Finanzamt berechnete Betrag von € 145,35 aus einer Umrechnung der schon nach § 25 BewG gerundeten Schillingbeträge ergebe).
10Die Revision ist aus den dargelegten Gründen zulässig. Sie ist auch begründet.
11Das Bundesverwaltungsgericht hat das Nichtvorliegen der Pflichtversicherung des Mitbeteiligten in der Unfallversicherung im Ergebnis damit begründet, dass der Einheitswert der verfahrensgegenständlichen Grundstücke schon beim Voreigentümer des Mitbeteiligten - ausgehend von der Umrechnung des Schillingbetrags des letzten festgestellten Einheitswerts durch das Finanzamt - unter € 150,00 gelegen und im Zeitpunkt der Übergabe kein (höherer) Einheitswert vorgelegen sei, der gemäß § 279 Abs. 5 BSVG „finanzrechtliche Wirksamkeit“ erlangt habe. Daraus hat das Bundesverwaltungsgericht geschlossen, dass der für den Voreigentümer nach dieser Berechnung wirksame Einheitswert von € 145,35 aufgrund der - für die Beurteilung der Pflichtversicherung im „Übergangsrecht“ ausschließlich anzuwendenden - Bestimmung des § 279 Abs. 4 BSVG auch für den Mitbeteiligten gelte.
12Diese Rechtsauffassung entspricht nicht dem Inhalt der vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Bestimmungen: Gemäß § 279 Abs. 4 BSVG bleiben Personen, die nach der am in Geltung gestandenen Versicherungsgrenze des § 3 Abs. 2 BSVG pflichtversichert waren, pflichtversichert, solange jener Sachverhalt unverändert bleibt, der für die Einbeziehung in die Pflichtversicherung am maßgeblich war. Da im vorliegenden Revisionsfall keine Pflichtversicherung des Mitbeteiligten am bestand, ist diese Bestimmung allerdings nicht anzuwenden (vgl. ).
13Im vorliegenden Fall ist hingegen die Übergangsbestimmung des § 279 Abs. 5 BSVG einschlägig, in der - bis zum Wirksamkeitsstichtag neu ergangener Feststellungsbescheide - geregelt ist, dass bei Einheitswertbescheiden mit finanzrechtlicher Wirksamkeit vor dem der seitens der Abgabenbehörde im Vorfeld der endgültigen Einheitswertfeststellung (§ 25 BewG 1955) ermittelte Ertragswert ab dem ungerundet in Schilling heranzuziehen, auf den Cent genau umzurechnen und das Ergebnis sodann auf volle hundert Euro abzurunden ist.
14Entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes lag im vorliegenden Revisionsfall mit dem Einheitswertbescheid vom im Zeitpunkt des Erwerbs ein Einheitswertbescheid „mit finanzrechtlicher Wirksamkeit vor dem “ für die verfahrensgegenständlichen Grundstücke vor. Der in diesem Bescheid festgestellte Einheitswert von ATS 2.813,02 wäre somit gemäß § 279 Abs. 5 BSVG ungerundet auf den Cent genau in Euro umzurechnen - entsprechend den Bestimmungen des Art. 1 der VO (EG) 2866/98 des Rates vom mit dem Euro-Umrechnungskurs von ATS 13,7603 - und dann auf volle hundert Euro abzurunden gewesen, um den gemäß § 3 Abs. 2 BSVG für den Mitbeteiligten maßgeblichen Einheitswert zu ermitteln. Wie in der Revision zutreffend vorgebracht wird, ergibt die Umrechnung des ungerundeten Schillingbetrages einen Wert von € 204,43, die Rundung auf volle hundert Euro den maßgeblichen Einheitswert von € 200,00.
15Indem das Bundesverwaltungsgericht den für die Pflichtversicherung gemäß § 3 Abs. 2 BSVG maßgeblichen Einheitswert entgegen der Bestimmung des § 279 Abs. 5 BSVG ermittelt hat, hat es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
16Das angefochtene Erkenntnis war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020080123.L00 |
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