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VwGH 14.02.2013, 2011/08/0212

VwGH 14.02.2013, 2011/08/0212

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
ABGB §1152;
ASVG §4 Abs2;
RS 1
Auf Grund der Bestimmung des § 1152 ABGB ist ein Dienstverhältnis zwar im Zweifel entgeltlich, eine Vereinbarung der Unentgeltlichkeit kann aber ausdrücklich oder schlüssig erfolgen, sofern nur in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise Unentgeltlichkeit gewollt ist. Wurde zulässigerweise Unentgeltlichkeit vereinbart, dann könnte eine Verpflichtung zur Entgeltleistung auch nicht durch Kollektivvertrag begründet werden.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 89/08/0334 E RS 3 (hier nur der erste Satz)

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des E D in R, vertreten durch Mag. Johannes Polt, Rechtsanwalt in 3580 Horn, Prager Straße 5/1/11, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. GS5-A-948/1239-2011, betreffend Beitragszuschlag gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 ASVG (mitbeteiligte Partei: Niederösterreichische Gebietskrankenkasse in 3100 St. Pölten, Kremser Landstraße 3), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom schrieb die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse dem Beschwerdeführer gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG einen Beitragszuschlag in der Höhe von EUR 1.800,--

vor, weil die "Anmeldung/en" zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet worden seien. Nach Wiedergabe des Inhalts der §§ 33 Abs. 1 und 1a sowie 113 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG führte sie aus, im Rahmen der am erfolgten Betretung durch das Finanzamt H./Team KIAB sei festgestellt worden, dass für die zumindest am Versicherten D. L. und M. L. die Anmeldungen nicht vor Arbeitsantritt erstattet worden seien. Spruchgemäß sei der Beitragszuschlag im Ausmaß von EUR 1.800,-- anzulasten gewesen; als Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung wurden EUR 1.000,-- ausgewiesen, als Teilbetrag für den gesonderten Prüfeinsatz EUR 800,--. Eine weitere Begründung enthielt der Bescheid nicht.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Einspruch an die belangte Behörde. Er brachte vor, dass ihm eine Übertretung des ASVG nicht vorgeworfen werden könne. Es habe am kein Arbeitsverhältnis vorgelegen, weshalb der Beschwerdeführer nicht als Dienstgeber anzusehen sei und keine Verpflichtung zur Anmeldung beim zuständigen Krankenversicherungsträger bestanden habe. Zum Beweis beantragte der Beschwerdeführer seine Einvernahme.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse erstattete zum Einspruch einen Vorlagebericht, in dem sie begründete, warum sie vom Vorliegen von versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen ausging.

Die belangte Behörde erließ ohne weitere Verfahrensschritte den angefochtenen Bescheid, mit dem sie dem Einspruch keine Folge gab.

Begründend führte sie nach Darstellung des erstinstanzlichen Bescheides und des Einspruchsvorbringens aus, dass der Beschwerdeführer einen Weingarten besitze, wo Organe des Finanzamtes H./Team KIAB am bei einer Kontrolle gegen 11:30 Uhr die tschechischen Staatsangehörigen D. L. und M. L. beim Rebschnitt in verschmutzter Arbeitskleidung arbeitend angetroffen hätten, ohne für diese Tätigkeit zur Sozialversicherung gemeldet zu sein. Die Betretenen hätten am ab 8 Uhr bis zum Kontrollzeitpunkt gearbeitet und sollten für ihre Tätigkeit Lohn in Form von Essen und Trinken erhalten. In den von den Betretenen persönlich ausgefüllten Personenblättern hätten diese als ihren Chef den Beschwerdeführer angegeben. Bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor der Finanzpolizei hätten sie Folgendes zu Protokoll gegeben:

"Seit Mitte 2010 kennen wir E. D. (Beschwerdeführer). Kennen gelernt haben wir ihn über das Internet. Bisher habe ich bei E. D. immer wieder Wein in 50 l Containern gekauft (Anmerkung: handelt es sich um etwa 50 l). Bisher haben meine Ehegattin und ich bei E. D. nicht gearbeitet. Ich, D. L., habe vor, in Tschechien ein Grundstück zu pachten und (ich korrigiere) ich werde von meinem Großvater eines erhalten und möchte auf einer Länge von 50 m 2 Reihen Weinstöcke auspflanzen. Deswegen habe ich E. D. ersucht, mir zu zeigen, wie der Rebschnitt zu erledigen ist. Ich habe keine Vorstellung wie viele Rebsetzlinge ich auf die genannte Fläche auspflanzen kann. Wenn ich, D. L., gefragt werde, warum ich auch meine Ehegattin zum Rebschnitt mitgenommen habe, so gebe ich an, dass ich keinen Führerschein besitze und meine Gattin sozusagen als Chauffeuse mitgenommen habe. Also hat sie deswegen mitgearbeitet, dass sie nicht im Auto sitzen muss. Heute, , sind wir zum ersten Mal zu E. D. gekommen. Vereinbart war, dass wir so lange bleiben, bis ich diese Arbeit beherrsche. Geld haben wir für die verrichtete Tätigkeit keines erhalten, es war auch keines vereinbart, vielleicht hätte ich von E. D. ein wenig Wein bekommen, das weiß ich aber nicht. Das Arbeitsmaterial (Rebschere) wurde von E. D. zur Verfügung gestellt. Momentan bin ich, D. L., arbeitslos. Wir gehen davon aus, dass wir heute nach Beendigung der Arbeiten von E. D. zu essen und zu trinken bekommen hätten. Mehr können wir dazu nicht angeben."

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, beide Betretenen hätten im Personenblatt als ihren "Chef" E. (Vorname des Beschwerdeführers) bezeichnet. Die belangte Behörde gehe daher davon aus, dass die Betretenen Dienstnehmer des Beschwerdeführers gewesen seien. Die Aussage des D. L., in Tschechien ein Grundstück vom Großvater erhalten zu haben und deswegen den Beschwerdeführer ersucht zu haben, ihm zu zeigen, wie der Rebschnitt zu erledigen sei, stehe im Widerspruch zur Nennung des Beschwerdeführers als Chef im Personenblatt; diese Aussage sei als völlig unglaubwürdige reine Schutzbehauptung zu werten. Das Motiv für die Mitarbeit der M. L. - um nicht im Auto zu sitzen - sei für die Beurteilung des gegenständlichen Arbeitsverhältnisses unwichtig. Bei der von den Betretenen verrichteten Arbeit handle es sich zweifelsfrei um eine Dienstleistung, sodass die Betretenen, wenn auch nur kurzfristig, in einem Dauerschuldverhältnis zum Beschwerdeführer gestanden seien, indem sie ihre menschliche Arbeitskraft für eine bestimmte Zeit zur Verfügung gestellt hätten. Dadurch, dass die Betretenen im Weingarten des Beschwerdeführers gearbeitet hätten, seien sie an den Arbeitsort gebunden gewesen. Es sei nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass die Betretenen auch nicht beliebig über ihre Arbeitszeit bestimmten hätten können, sondern diese durch den Beschwerdeführer festgelegt gewesen sei. Die Betretenen hätten schlüssig ausgeführt, für den Beschwerdeführer von 8 Uhr bis zum Kontrollzeitpunkt gearbeitet zu haben. Dass sie vom Beschwerdeführer Arbeitsanweisungen erhalten hätten und Weisungs- und Kontrollbefugnissen des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit ihrer persönlichen Arbeitspflicht ausgesetzt gewesen seien, sei aus der glaubhaften Aussage der Betretenen zu folgern, wonach ihnen der Beschwerdeführer gezeigt habe, wie der Rebschnitt zu erledigen sei. Da sie laut überzeugender Aussage den Lohn in Form von Essen und Trinken erhalten sollten, sei für ihre Tätigkeit auch Entgelt als Naturalentgelt vereinbart gewesen. Es habe auch wirtschaftliche Abhängigkeit bestanden, weil die Betretenen im Weingarten des Beschwerdeführers gearbeitet hätten und das Werkzeug nach ihrer eigenen glaubhaften Aussage vom Beschwerdeführer zur Verfügung gestellt worden sei. Sie hätten ausschließlich mit Betriebsmitteln des Beschwerdeführers gearbeitet.

Somit hätten auf Grund des Gesamterscheinungsbildes die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwogen, sodass die Betretenen als Dienstnehmer des Beschwerdeführers im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG zu gelten hätten. Eine selbständige Tätigkeit der Betretenen sei im Einspruch weder ausdrücklich behauptet noch begründet worden. Angesichts des für die Beurteilung im gegenständlichen Verfahren bereits ausreichend erwiesenen Sachverhaltes sei aus verfahrensökonomischen Gründen auf den Beweisantrag auf Einvernahme des Beschwerdeführers nicht näher einzugehen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtwidrigkeit seines Inhalts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerde bestreitet das Vorliegen eines - die Meldepflicht nach § 33 ASVG auslösenden - sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses in erster Linie mit dem Argument, dass für die Tätigkeit von D. L. und M. L. ausdrücklich Unentgeltlichkeit vereinbart worden sei. Die Feststellung, dass die beiden Lohn in Form von Essen und Trinken erhalten sollten, sei nicht mit der im Bescheid zitierten niederschriftlichen Aussage vereinbar und daher aktenwidrig. Wesentliche Verfahrensmängel lägen auch darin, dass der Beschwerdeführer nicht einvernommen und ihm kein Parteiengehör gewährt worden sei.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg:

Die Begründung des Bescheides der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse beschränkte sich auf die Feststellung, dass die Anmeldungen für die zumindest am Versicherten D. L. und M. L. nicht vor Arbeitsantritt erstattet worden seien. Worauf sich die Annahme, dass D. L. und M. L. der Pflichtversicherung nach dem ASVG unterlegen sind, gestützt hat, wurde nicht ausgeführt. Vor diesem Hintergrund kann dem Beschwerdeführer nicht entgegen getreten werden, wenn er im Einspruch ebenfalls nur allgemein das Vorliegen von Arbeitsverhältnissen bestritten und auch den auf seine Einvernahme gerichteten Beweisantrag nicht weiter konkretisiert hat. Es wäre in der Folge an der belangten Behörde gelegen, dem Beschwerdeführer den Vorlagebericht der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse, der erstmals konkrete Sachverhaltsannahmen enthielt, vorzuhalten und ihm Gelegenheit zu geben, dazu Stellung zu nehmen. Da sie dem Beschwerdeführer kein Parteiengehör eingeräumt hat, unterliegt das Beschwerdevorbringen, mit dem er auf die ihm erst durch den angefochtenen Bescheid zur Kenntnis gebrachten Ermittlungsergebnisse repliziert, entgegen der Ansicht der belangten Behörde auch nicht dem Neuerungsverbot.

Im fortgesetzten Verfahren wird sich die belangte Behörde insbesondere mit dem Vorbringen, Unentgeltlichkeit sei ausdrücklich vereinbart worden, auseinanderzusetzen haben; die diesbezüglichen Ausführungen in der Gegenschrift vermögen die Bescheidbegründung nicht zu ersetzen.

Sollte tatsächlich eine - in Anbetracht eines nachvollziehbaren Motivs wirksame - Vereinbarung der Unentgeltlichkeit der Arbeitsleistung vorgelegen sein (vgl. in ähnlichem Zusammenhang zu den Gefälligkeitsdiensten etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/08/0262), so wäre die Pflichtversicherung nach dem ASVG als Vorfrage für die Rechtmäßigkeit der Vorschreibung eines Beitragszuschlags nach § 113 Abs. 1 Z 1 ASVG zu verneinen: Die Entgeltlichkeit ist nämlich kein bloßes Merkmal des abhängigen Beschäftigungsverhältnisses, sondern eine weitere Voraussetzung der Pflichtversicherung im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG. Gemäß § 1152 ABGB gilt für den Arbeitsvertrag ein angemessenes Entgelt u. a. dann als bedungen, wenn nicht Unentgeltlichkeit vereinbart ist. Das Dienstverhältnis ist daher zwar im Zweifel entgeltlich, eine Vereinbarung der Unentgeltlichkeit kann aber ausdrücklich oder schlüssig erfolgen, sofern nur in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise Unentgeltlichkeit gewollt ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/08/0334, mwN).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer in den Pauschalbeträgen nach der genannten Verordnung bereits enthalten ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
ABGB §1152;
ASVG §4 Abs2;
Schlagworte
Dienstnehmer Begriff Beschäftigung gegen Entgelt
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2013:2011080212.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
RAAAE-86569