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VwGH vom 20.04.2016, 2013/17/0342

VwGH vom 20.04.2016, 2013/17/0342

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner, Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Dr. Leonhartsberger sowie Hofrat Mag. Brandl als Richterinnen und Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Beschwerde des Dr. H W in Wien, vertreten durch Mag. Kurt Decker, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Opernring 7, gegen den Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom , FMA-UL0001.120/0004-LAW/2012, betreffend Auskunft über Aufsichtsmaßnahmen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Zur Vorgeschichte ist auf den hg Beschluss vom , 2012/17/0473, zu verweisen. Mit diesem hat der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde gegen die Erledigung der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) vom betreffend eine Auskunftserteilung mangels Bescheidqualität dieser Erledigung zurückgewiesen.

2 Mit Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer gemäß § 4 des Auskunftspflichtgesetzes unter Hinweis auf sein Auskunftsbegehren vom (gemeint wohl: ) und die Antwort der FMA vom , wonach keine Auskunft erteilt werde, hierüber einen Bescheid zu erlassen.

3 Das entsprechende Auskunftsbegehren vom lautet im Wesentlichen (vom Verwaltungsgerichtshof anonymisiert):

"Ich ersuche daher die FMA um die Auskunft, welche Aufsichtsmaßnahmen die FMA über die G AG betreffend den Lebensversicherungsbereich des Jahres 2010 gesetzt hat und mit welchem Ergebnis."

4 Mit Bescheid vom wies die FMA den "Antrag vom " hinsichtlich Auskunftserteilung nach dem Auskunftspflichtgesetz zu den Aufsichtsmaßnahmen der FMA gegenüber der G AG betreffend den Lebensversicherungsbereich des Jahres 2010 und deren Ergebnissen ab.

5 Die begehrte Auskunft habe aus Gründen der Amtsverschwiegenheit sowie in Ermangelung eines Rechts des Beschwerdeführers auf Akteneinsicht und auf Rechnungslegung nicht erteilt werden können.

6 Zur Amtsverschwiegenheit führte die FMA nach Darlegung der als relevant erachteten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Rahmen einer vorzunehmenden Interessenabwägung aus, die Interessen der FMA und jene der G AG würden das individuelle Interesse des Beschwerdeführers an Auskunft zu Aufsichtsmaßnahmen der FMA gegenüber der G AG überwiegen. Nach der Judikatur des OGH stünde eine ganz unbeschränkte Offenlegung sämtlicher auf die Überschussbestimmung bezugnehmenden Unterlagen, im Übrigen auch zur Verhinderung einer Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit und der Kreditfähigkeit des Versicherers, den Geheimhaltungsbedürfnissen der Aktionäre und anderer Versicherungsnehmer entgegen. Durch eine Offenlegung (allfälliger) Aufsichtsmaßnahmen gegenüber der G AG, auch wenn diese nur den Lebensversicherungsbereich beträfen, würden sowohl die Interessen des Versicherers als auch der Aktionäre und anderer Versicherungsnehmer beeinträchtigt werden. Detaillierte Informationen zu Prüfungsergebnissen sowie zu unternehmensspezifischen Daten stünden außerdem im Widerspruch zu den allgemeinen Veröffentlichungsrichtlinien der FMA, welche im Jahresbericht lediglich aggregierte Informationen zuließen. Auch bei Marktstudien werde von der FMA stets darauf geachtet, dass Einzelunternehmen nicht identifizierbar seien und folglich nicht öffentlich genannt würden. Prüfpläne der FMA würden nach internen Leitlinien und Gewichtungen erstellt, welche durch Herausgabe der vom Antragsteller gewünschten Informationen (teilweise) offengelegt würden. Die Aufsichtstätigkeit werde in vielen Fällen im Hinblick auf den Gesamtmarkt gestaltet. Die Herausgabe von Prüfungsschwerpunkten könne daher oftmals als Indikator für Verdachtsmomente bei Versicherungsunternehmen angesehen werden. Ergebnisse von Vor-Ort-Tätigkeiten der FMA würden im Regelfall Aussagen über breite Bestandsgruppen bzw ganze Bestände beinhalten. Die Weiterreichung dieser Daten an eine Einzelperson sei nicht rechtfertigbar. Im Übrigen könnten gemäß näher zitierten Regelungen des Versicherungsaufsichtsgesetzes entsprechende Unterlagen direkt beim Versicherungsunternehmen eingesehen werden. Die betroffenen Informationen seien dem Beschwerdeführer im Rahmen der umfangreichen E-Mail-Korrespondenz bereits erteilt worden. Darüber hinausgehende Informationsrechte seien gesetzlich nicht vorgesehen, weshalb es unzulässig sei, weitergehende Informationen über den Umweg eines Auskunftsersuchens von der Aufsichtsbehörde anzufordern.

7 Aus den dargelegten Erwägungen ergebe sich, dass das Geheimhaltungsinteresse der FMA und der G AG ein allfälliges Interesse des Beschwerdeführers an der begehrten Auskunft zu den Aufsichtsmaßnahmen der FMA über die G AG betreffend den Lebensversicherungsbereich des Jahres 2010 und deren Ergebnissen überwögen. Somit sei der FMA eine Auskunftserteilung aus Gründen der Amtsverschwiegenheit verwehrt.

8 Unter dem Titel des fehlenden Rechts des Beschwerdeführers auf Akteneinsicht führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer begehre Auskunft über Informationen, die in Unterlagen der Behörden und Akten betreffend Verwaltungsverfahren enthalten seien, weshalb eine Beauskunftung im Ergebnis auf eine rechtswidrige Akteneinsicht hinausliefe. Der Verwaltungsgerichtshof vertrete in seiner zu den Auskunftspflichtgesetzen des Bundes und von Bundesländern ergangenen Rechtsprechung die Auffassung, dass die Auskunftspflicht nicht geeignet sei, eine Akteneinsicht durchzusetzen. Im gegenständlichen Fall begehre der Antragsteller Detailinformationen zur Aufsichtstätigkeit der FMA betreffend die G AG. Die Erwartungshaltung des Beschwerdeführers hinsichtlich der Auskunftserteilung finde sich in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof vom , Punkt 3.2.1 ("Wurden alle gesetzlichen Vorschriften eingehalten oder nicht? Erschien es der FMA als erforderlich, irgendwelche Maßnahmen gegen meine allenfalls säumige Versicherung zu setzen, um ein rechtmäßiges Verhalten herbeizuführen usw? Denn es ist für mich von allerhöchstem Interesse, was die Versicherung mit meinem, ihr anvertrauten Geld gemacht hat, wie die Gewinne errechnet und wie sie verteilt wurden."). Damit versuche der Antragsteller implizit detaillierte Informationen über die Geschäftsgebarung der G AG zu erlangen. Diese Informationsrechte stünden jedoch nicht einem einzelnen Versicherungsnehmer zu, sondern allenfalls dem Aufsichtsrat der G AG. Die begehrten Informationen liefen im Ergebnis auf eine "faktische" und im gegenständlichen Fall rechtswidrige Akteneinsicht hinaus.

9 Ein Versicherungsnehmer habe aber gemäß der ständigen Rechtsprechung des OGH auch keinen subjektiven Anspruch auf Rechnungslegung gegenüber dem Versicherungsunternehmen. Soweit der Beschwerdeführer Auskunft darüber begehre, wie die G AG die Gewinne errechnet und verteilt habe, laufe das im Ergebnis auf die Geltendmachung eines Rechnungslegungsanspruchs hinaus. Da der Beschwerdeführer keinen subjektiven Anspruch auf Rechnungslegung habe, bestehe auch kein Anspruch, diese Informationen im Rahmen eines Auskunftsbegehrens von der FMA als Aufsichtsbehörde zu erlangen.

10 Aus den genannten Gründen habe die begehrte Auskunft nicht erteilt werden können. Festgehalten werde, dass im Antrag auf Bescheiderlassung vom kein neues Vorbringen zum bereits "aus dem Verfahren vor dem Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof bekannten Sachverhalt" erstattet worden sei.

11 Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, allenfalls wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

12 Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichte Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

13 Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs 11 VwGG idF BGBl I Nr 122/2013 die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

14 Die §§ 1, 2 und 4 des Auskunftspflichtgesetzes, BGBl Nr 287/1987, die §§ 2 und 4 in der Fassung der Novelle BGBl I Nr 158/1998, lauten wie folgt:

"§ 1. (1) Die Organe des Bundes sowie die Organe der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht.

(2) Auskünfte sind nur in einem solchen Umfang zu erteilen, der die Besorgung der übrigen Aufgaben der Verwaltung nicht wesentlich beeinträchtigt; berufliche Vertretungen sind nur gegenüber den ihnen jeweils Zugehörigen auskunftspflichtig und dies insoweit, als dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht verhindert wird. Sie sind nicht zu erteilen, wenn sie offenbar mutwillig verlangt werden.

§ 2. Jedermann kann schriftlich, mündlich oder telephonisch Auskunftsbegehren anbringen. Dem Auskunftswerber kann die schriftliche Ausführung eines mündlich oder telefonisch angebrachten Auskunftsbegehrens aufgetragen werden, wenn aus dem Begehren der Inhalt oder der Umfang der gewünschten Auskunft nicht ausreichend klar hervorgeht.

§ 4. Wird eine Auskunft nicht erteilt, so ist auf Antrag des Auskunftswerbers hierüber ein Bescheid zu erlassen. Als Verfahrensordnung, nach der der Bescheid zu erlassen ist, gilt das AVG, sofern nicht für die Sache, in der Auskunft erteilt wird, ein anderes Verfahrensgesetz anzuwenden ist."

15 Gemäß § 14 Abs 2 des Finanzmarktaufsichtsbehördengesetzes (FMABG) sind die Arbeitnehmer der FMA über alle ihnen ausschließlich aus ihrer dienstlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist, gegenüber jedermann, dem sie über solche Tatsachen nicht eine behördliche Mitteilung zu machen haben, zur Verschwiegenheit verpflichtet.

16 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom , 2008/17/0151, im Zusammenhang mit einem an die FMA gerichteten Auskunftsbegehren ausgesprochen hat, hat auch die FMA zu beurteilen, ob und inwieweit eine Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit dem Auskunftsbegehren entgegen steht. Sie hat somit die Interessen der Gebietskörperschaft und der Parteien zu beurteilen. Die um Auskunft ersuchte Behörde trifft die Pflicht zur ausreichenden Feststellung des Sachverhaltes, der die Beurteilung der Interessen der Gebietskörperschaft und der Parteien ermöglicht, wobei das Parteiengehör zu gewähren ist, und die Pflicht zu einer gesetzmäßigen Begründung ihrer Entscheidung.

17 Die belangte Behörde hat die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Erteilung von Auskünften weitgehend mit der zu wahrenden Amtsverschwiegenheit und dem fehlenden Recht des Beschwerdeführers auf Akteneinsicht und Rechnungslegung begründet.

18 Dabei ging sie davon aus, der Beschwerdeführer habe die unbeschränkte Offenlegung von Prüfberichten und unternehmensspezifischen Daten, bezogen auf den Lebensversicherungsbereich der G AG, gefordert. Dies schloss die belangte Behörde aus dem Inhalt einer an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde gegen jene Erledigung der FMA, die mit hg Beschluss vom , 2012/17/0473, nicht als Bescheid qualifiziert worden war. Dabei übersieht die belangte Behörde jedoch, dass das Auskunftsbegehren des Beschwerdeführers bloß allgemein auf Auskunft darüber gerichtet war, welche Aufsichtsmaßnahmen die FMA gegenüber der G AG betreffend den Lebensversicherungsbereich des Jahres 2010 mit welchem Ergebnis gesetzt habe. Weder hat der Beschwerdeführer die Offenlegung von Detailinformationen in seinem Auskunftsersuchen ausdrücklich gefordert, noch hat die belangte Behörde begründet, warum dem Auskunftsersuchen nur durch detaillierte Informationen zu Prüfungsergebnissen sowie zu unternehmensspezifischen Daten hätte entsprochen werden können. Falls der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (gegen die Erledigung der FMA vom den Umfang seines Auskunftsbegehrens über dessen Wortlaut hinaus ausdehnte, ist dies für das gegenständliche Verfahren vor der FMA nicht maßgeblich.

19 Indem die belangte Behörde - entgegen dem objektiven Erklärungswert des Auskunftsbegehrens - davon ausging, der Beschwerdeführer habe unternehmensspezifische Detailinformationen begehrt, verkannte sie den Inhalt des Auskunftsbegehrens. Sie hätte das allgemein gehaltene Auskunftsbegehren nicht abweisen dürfen, ohne vorher geprüft zu haben, ob Geheimhaltungsinteressen iSd § 14 Abs 2 FMA-BG einer allgemein gehaltenen Information über durchgeführte Aufsichtsmaßnahmen und deren Ergebnis (beispielsweise über die Tatsache der Anforderung von Auskünften oder Unterlagen, über die Tatsache der Abhaltung allfälliger Vor-Ort-Prüfungen, über die Tatsache der Erlassung allfälliger Anordnungen der belangten Behörde gegenüber der G AG; vgl §§ 99 ff Versicherungsaufsichtsgesetz) entgegen gestanden wären.

20 Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

21 Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013 idF BGBl II Nr 8/2014, weiter anzuwendenden) Verwaltungsgerichtshof-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am