VwGH vom 24.02.2012, 2009/02/0205

VwGH vom 24.02.2012, 2009/02/0205

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des C R in München, vertreten durch Dr. Herbert Kofler und Dr. Edgar Pinzger, Rechtsanwälte in 6500 Landeck, Innstraße 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom , Zl. uvs-2008/27/0686- 2, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seiner Anfechtung (Spruchpunkt 2 - Übertretung des § 15 Abs. 4 StVO 1960) wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer u.a. für schuldig befunden, er habe am um 14.15 Uhr an einem näher umschriebenen Ort beim Überholen mit seinem Motorrad keinen der Verkehrssicherheit und der Fahrgeschwindigkeit entsprechenden seitlichen Abstand vom überholten Fahrzeug eingehalten, weil der Abstand weniger als einen Meter betragen habe (Spruchpunkt 2).

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 15 Abs. 4 StVO 1960 begangen; es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Gegen Spruchpunkt 2 dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Beschwerde rügt u.a. unter dem Gesichtspunkt des § 51h VStG, dass der Bescheidspruch und seine wesentliche Begründung nach Möglichkeit sofort zu beschließen und zu verkünden seien, was zwar eine schriftliche Entscheidung nach entsprechender Zustimmung des Beschwerdeführers in zeitlicher Nähe zur letzten Berufungsverhandlung nicht, eine Bescheiderlassung mehr als ein Jahr und zwei Monate nach der letzten Berufungsverhandlung jedoch sehr wohl ausschließe.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer zutreffend eine Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides auf:

Die belangte Behörde hat am eine mündliche Verhandlung abgehalten. Aus der diesbezüglichen Verhandlungsschrift ergibt sich, dass die beiden amtshandelnden Polizeibeamten als Zeugen vernommen wurden. Weiters wurde "festgehalten", dass die Entscheidung schriftlich ergehen werde.

§ 51h VStG lautet (auszugsweise):

"… (4) Hierauf ist die Verhandlung zu schließen. Im Verfahren vor einer Kammer zieht sich diese zur Beratung und Abstimmung zurück. Der Spruch des Bescheides und seine wesentliche Begründung sind nach Möglichkeit sofort zu beschließen und zu verkünden."

Gemäß § 67g Abs. 1 AVG sind der Bescheid und seine wesentliche Begründung auf Grund der Verhandlung, und zwar wenn möglich, sogleich nach deren Schluss zu beschließen und öffentlich zu verkünden. Die Verkündung des Bescheides ist von der Anwesenheit der Parteien unabhängig.

Die Verkündung entfällt gemäß Abs. 2 Z. 2 der genannten Bestimmung, wenn der Bescheid nicht sogleich nach Schluss der mündlichen Verhandlung beschlossen werden kann und jedermann die Einsichtnahme in den Bescheid gewährleistet ist.

Anders als in dem von der belangten Behörde zur Begründung ihres Rechtsstandpunktes in der Gegenschrift zitierten hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/03/0202, zu Grunde liegenden Sachverhalt, wo dies "unter Bedachtnahme auf die besonderen Umstände des vorliegenden Falles, insbesondere im Hinblick auf die Bedeutung der Tatörtlichkeit bzw. der Lage von Verkehrszeichen, wobei auch verschiedene Stellungnahmen des Beschwerdeführers und des Meldungslegers zu berücksichtigen und zu würdigen waren" nicht zutraf, ist der Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Beschwerdefall der Ansicht, dass die Verkündung des Berufungsbescheides sogleich möglich gewesen wäre. Der von der belangten Behörde in der Gegenschrift vorgebrachte Umstand, dass auch eine genaue Auseinandersetzung in rechtlicher Hinsicht für notwendig erachtet worden sei, rechtfertigt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes im Beschwerdefall, in dem allein die Frage des Ausmaßes des vom Beschwerdeführer bei dem ihm vorgeworfenen Überholvorgang eingehaltenen Sicherheitsabstandes (§ 15 Abs. 4 StVO 1960) zu klären war, nicht das Unterbleiben der mündlichen Verkündung. Dies deshalb, weil weder die Subsumption des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes unter die anzuwendenden Normen noch die Beweiswürdigung "reiflicher Überlegungen" (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/03/0269) bedurfte, stand doch den im erstinstanzlichen Verfahren von den Meldungslegern abgegebenen Stellungnahmen, die im Zuge ihrer Zeugenaussage in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde bestätigt wurden, lediglich die sich auf das bloße Leugnen der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung beschränkende Aussage des Beschwerdeführers gegenüber.

Die rechtswidrige Unterlassung der Verkündung durch die belangte Behörde belastet daher ihren (bloß) schriftlich erlassenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2001/02/0052, sowie vom , Zl. 96/03/0045, uvm).

Der angefochtene Bescheid war daher im Umfang seiner Anfechtung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen wäre.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGHAufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am