VwGH vom 16.12.2015, 2013/17/0257
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, den Hofrat Dr. Mairinger, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Dr. Leonhartsberger sowie den Hofrat Mag. Brandl als Richterinnen bzw Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Schubert-Zsilavecz, über die Beschwerde des Dr. WD in K, vertreten durch Dr. Friedrich Gatscha, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stubenring 24, gegen den Bescheid der Niederösterreichische Landesregierung vom , Zl RU1- BR-1354/003-2012, betreffend Aufschließungsabgabe (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Korneuburg in 2100 Korneuburg, Hauptplatz 39), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom erklärte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde (in der Folge: Bürgermeister) das im Gebiet der mitbeteiligten Stadtgemeinde gelegene Grundstück Nr 34/10 zum Bauplatz und erteilte dem Beschwerdeführer die Baubewilligung zur Errichtung eines Einfamilienhauses mit Garage.
Der Bürgermeister schrieb mit Bescheid vom dem Beschwerdeführer aufgrund der Bauplatzerklärung gemäß § 38 Abs 1 Z 1 Niederösterreichische Bauordnung 1996 - NÖ BauO 1996 eine Aufschließungsabgabe in der Höhe von EUR 13.960,86 vor.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung. Im Grundbuch sei bereits seit mehr als 30 Jahren die Vorschreibung einer Aufschließungsabgabe eingetragen. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass die Aufschließungsabgabe entrichtet worden sei.
Der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde (in der Folge: Stadtrat) gab mit Bescheid vom der Berufung keine Folge und bestätigte die Abgabenvorschreibung. Mit Bescheid vom sei das Grundstück Nr 34/10 neu geschaffen und gleichzeitig die Aufschließungsabgabe in der Höhe von S 31.025,-- vorgeschrieben worden. Mit Haftungsbescheid vom sei die damalige Eigentümerin P zur Entrichtung des Aufschließungsbeitrages aufgefordert worden. In der Kartei des Bauamtes sei die Abgabenschuld als unbeglichen geführt. Nach der Aktenlage sei die Abgabe nicht entrichtet. Der Eintrag im Grundbuch sei so zu interpretieren, dass eine Zahlungsverpflichtung bestehe, und nicht, dass diese Abgabe beglichen worden sei.
Mit Bescheid vom gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Vorstellung Folge und hob den angefochtenen Bescheid auf. Begründend führte die belangte Behörde unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus, dass Bestimmungen, wonach bei der Abgabenberechnung bereits "entrichtete" Beiträge zu berücksichtigen seien, nicht so zu verstehen seien, dass nur tatsächlich entrichtete Beiträge erfasst wären. Vielmehr seien auch Beiträge, die nicht entrichtet worden seien, weil sie verjährt seien, zu berücksichtigen. Der Einmaligkeitsgrundsatz nach § 38 Abs 3 NÖ BauO 1996 erfasse daher alle Aufschließungsleistungen, wie sie früher ua in den §§ 14 und 15 NÖ Bauordnung 1976 vorgesehen gewesen seien. Die Berufungsbehörde hätte die Abgabenvorschreibung nicht ohne Durchführung eigener Erhebungen und entsprechender Feststellungen zur Frage der Verjährung bestätigen dürfen.
Mit Bescheid vom hob der Stadtrat die mit dem Baubewilligungsbescheid vom erfolgte Bauplatzerklärung auf, weil das Grundstück Nr 34/10 bereits mit Bescheid vom neu geschaffen worden sei und damit gemäß § 11 Abs 1 Z 2 NÖ BauO 1996 bereits 2008 Bauplatzeigenschaft besessen habe.
Mit Bescheid vom gab der Stadtrat der Berufung gegen die erstinstanzliche Abgabenvorschreibung insofern Folge, dass dem Beschwerdeführer zwar derselbe Abgabenbetrag, dieser aber nunmehr gemäß § 38 Abs 1 Z 2 NÖ BauO 1996 (aus Anlass der Erteilung der Baubewilligung) vorgeschrieben wurde. Das Grundstück Nr 34/10 sei 1974 durch Teilung geschaffen worden und besitze gemäß § 11 Abs 1 Z 2 NÖ BauO 1996 Bauplatzeigenschaft; es sei zwar ein Aufschließungsbeitrag vorgeschrieben, aber nach den bisherigen Nachforschungen bis dato nicht entrichtet worden, wodurch der Abgabentatbestand des § 38 Abs 1 Z 2 NÖ BauO 1996 verwirklicht worden sei.
Die belangte Behörde gab der dagegen erhobenen Vorstellung mit Bescheid vom abermals Folge. Die Ausführungen im Bescheid vom ließen ein "Aufzeichnungs- bzw Informationsdefizit" erkennen. Das Verfahren sei infolge der unterlassenen Einvernahme der namentlich angeführten Rechtsvorgänger im Eigentum an dem Grundstück Nr 34/10 zur Frage, ob die Aufschließungsabgabe tatsächlich entrichtet worden sei, mangelhaft geblieben.
Mit Bescheid vom erließ der Stadtrat eine Berufungsentscheidung, deren Spruch jenem vom entsprach. In der Begründung führte der Stadtrat nunmehr aus, das Ermittlungsverfahren einschließlich der Zeugenbefragung zur Frage der Entrichtung der Aufschließungsabgabe habe ergeben, dass die Abgabe von keinem der Voreigentümer des Grundstückes Nr 34/10 bereits entrichtet worden sei. Daher sei der Abgabentatbestand des § 38 Abs 1 Z 2 der NÖ BauO 1996 verwirklicht.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die dagegen erhobene Vorstellung als unbegründet ab. In ihrer Einvernahme hätten die Zeugen übereinstimmend angegeben, dass sie für die verfahrensgegenständliche Liegenschaft keine Aufschließungsabgabe entrichtet hätten. Das Ergebnis der Zeugenbefragungen sowie des sonstigen Ermittlungsverfahrens (Einsicht in die Kartei über Aufschließungsabgaben, Eigentumsverhältnisse an der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft seit 1979) sei von der Abgabenbehörde im Ergebnisbericht vom zusammengefasst und dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht worden.
Der Abgabentatbestand des § 38 Abs 1 Z 2 der NÖ BauO 1996 (Baubewilligung für die erstmalige Errichtung eines Gebäudes) stelle auf die Vorschreibung und Entrichtung des Aufschließungsbeitrages ab. Die Aufschließungsabgabe sei von der Baubehörde aufgrund dieses Tatbestandes erstmals im Bescheid des Stadtrates vom vorgeschrieben worden. Die Aufschließungsabgabe sei von den früheren Eigentümern der Liegenschaft nicht entrichtet worden. Da sämtliche Voraussetzungen für die Vorschreibung einer Aufschließungsabgabe gemäß § 38 Abs 1 Z 2 der NÖ BauO 1996 vorlägen (Baubewilligung für die erstmalige Errichtung eines Gebäudes, Vorliegen eines Bauplatzes gemäß § 11 Abs 1 Z 2, Vorschreibung und Nichtbezahlung der Aufschließungsabgabe), habe die Berufungsbehörde dem Beschwerdeführer zu Recht die Aufschließungsabgabe vorgeschrieben.
Hinsichtlich der Verjährung des Abgabenanspruches sei auszuführen, dass die Abgabenvorschreibung auf der Rechtsgrundlage des § 38 Abs 1 Z 2 NÖ BauO 1996 erstmals mit dem Bescheid des Stadtrates vom erfolgt sei. Die rechtlichen Ausführungen der Aufsichtsbehörde in ihrem ersten Bescheid vom hätten auf einen anderen Sachverhalt, nämlich eine Abgabenvorschreibung gemäß § 38 Abs 1 Z 1 der NÖ BauO 1996 Bezug genommen. Im zweiten Bescheid der Aufsichtsbehörde (vom ) fänden sich keine Ausführungen zur Verjährung.
Die Ersichtlichmachung der Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages im Grundbuch beziehe sich - nach den damals geltenden baurechtlichen Bestimmungen - nur auf die Vorschreibung, nicht aber auf die Entrichtung der Abgabe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.
Die belangte Behörde legte die Akten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Die mitbeteiligte Gemeinde hat sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht geäußert.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl I Nr 122/2013 die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.
Die im Beschwerdefall anzuwendenden Bestimmungen der NÖ BauO 1996, LGBl Nr 8200 (§ 11 idF LGBl Nr 8200-3 und § 38 idF LGBl Nr 8200-8), lauteten (auszugsweise):
" § 11
Bauplatz, Bauverbot
(1) Bauplatz ist ein Grundstück im Bauland, das
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1. | hiezu erklärt wurde oder |
2. | durch eine vor dem baubehördlich bewilligte Änderung von Grundstücksgrenzen geschaffen wurde und nach den damals geltenden Vorschriften Bauplatzeigenschaft besaß oder |
3. | durch eine nach dem baubehördlich bewilligte oder angezeigte Änderung von Grundstücksgrenzen ganz oder zum Teil aus einem Bauplatz entstanden ist und nach den damals geltenden Vorschriften Bauplatzeigenschaft besaß oder |
4. | am bereits als Bauland gewidmet und mit einem baubehördlich bewilligten Gebäude oder Gebäudeteil, ausgenommen solche nach § 15 Abs. 1 Z. 1 und § 23 Abs. 3 letzter Satz, bebaut war. |
(2) Auf Antrag des Eigentümers ist ein Grundstück im Bauland zum Bauplatz zu erklären, wenn es ...
...
Abgaben
§ 38
Aufschließungsabgabe
(1) Dem Eigentümer eines Grundstücks im Bauland ist von der
Gemeinde eine Aufschließungsabgabe vorzuschreiben, wenn mit
rechtskräftigem Bescheid der Behörde nach § 2
1. ein Grundstück oder Grundstücksteil zum Bauplatz
(§ 11) erklärt oder
2. eine Baubewilligung für die erstmalige Errichtung
eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage (§ 23 Abs. 3) auf einem Bauplatz nach § 11 Abs. 1 Z. 2 und 3, für den kein der Höhe nach bestimmter Aufschließungsbeitrag oder keine entsprechende Abgabe vorgeschrieben und entrichtet worden ist, erteilt wird.
...
(3) Die Aufschließungsabgabe (A) ist eine einmal zu entrichtende, ausschließliche Gemeindeabgabe nach § 6 Abs. 1 Z 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, BGBl. Nr. 45, in der Fassung BGBl. I Nr. 194/1999. ...
..."
Im Beschwerdefall ist unbestritten, dass für das gegenständliche Grundstück bereits 1974 ein Aufschließungsbeitrag gemäß § 14 Abs 1 NÖ BauO 1968 vorgeschrieben wurde. Strittig ist nunmehr ausschließlich, ob es auf dessen tatsächliche Entrichtung ankommt, oder ob er auch dann, wenn er in Folge von Verjährung nicht entrichtet wurde, der nunmehrigen Vorschreibung der Aufschließungsabgabe nach § 38 Abs 1 Z 2 NÖ BauO 1996 entgegensteht.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem zu § 38 Abs 1 Z 1 NÖ BauO 1996 ergangenen Erkenntnis vom , 2002/17/0334, mit ausführlicher Begründung, auf die hier gemäß § 43 Abs 2 VwGG verwiesen wird, ausgeführt hat, bewirkt die (nach der dort näher dargestellten Auffassung des Verfassungsgerichtshofes) erforderliche Berücksichtigung einer allenfalls eingetretenen Verjährung des Abgabenanspruchs, dass auf diese jedenfalls Bedacht zu nehmen ist, gleichgültig ob die Abgabenpflicht seinerzeit aufgrund der Verwirklichung desselben Tatbestandes, der aktuell die Abgabepflicht auslöste oder aufgrund eines anderen Tatbestandes eingetreten ist. Daraus folgt, dass ein bereits früher entstandener Abgabenanspruch der Vorschreibung einer Aufschließungsabgabe entgegensteht, selbst wenn diese Abgabe nicht entrichtet wurde und der Abgabenanspruch nunmehr verjährt ist. Dies findet auch im Falle von Aufschließungsbeiträgen, die aufgrund eines anders lautenden Abgabentatbestandes früherer Bauordnungen entstanden sind, Anwendung.
Wenn nun aber nach der hg Rechtsprechung der Grundsatz der Einmaligkeit bereits iZm § 38 Abs 1 Z 1 NÖ BauO 1996 derart verstanden werden muss, dass auch verjährte Abgabenansprüche einer (neuerlichen) Abgabenvorschreibung entgegenstehen, so muss dies umso mehr für den Abgabentatbestand des § 38 Abs 1 Z 2 NÖ BauO 1996 gelten, der schon nach seinem Wortlaut eine Berücksichtigung früher "entrichteter" Abgaben vorsieht. Als "entrichtete" Abgaben gelten somit auch Abgabenansprüche, die wegen des Eintritts von Verjährung nicht mehr geltend gemacht werden können.
Im Beschwerdefall wurden durch den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom für die Grundabteilung, im Zuge derer ua das verfahrensgegenständliche Grundstück Nr 34/10 geschaffen wurde, dem damaligen Abteilungswerber Aufschließungsbeiträge iSd § 14 Abs 1 NÖ BauO 1968 zu den Herstellungskosten der Fahrbahn, des Gehsteiges, der Oberflächenentwässerung und der Straßenbeleuchtung vorgeschrieben. Diese Abgabenvorschreibung steht somit einer neuerlichen Geltendmachung der Aufschließungsabgabe auf Grundlage des nunmehrigen § 38 Abs 1 Z 2 NÖ BauO 1996 entgegen, unabhängig davon, ob sie auch zu einer Entrichtung geführt hat.
Indem die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit; die aufhebende Vorstellungsentscheidung vom erfolgte wegen des Verfahrensmangels der nicht ausreichenden Ermittlungen zum Sachverhaltselement der Nichtentrichtung der Abgaben, nicht jedoch zur Frage der Verjährung, weshalb diese Vorstellungsentscheidung insoweit keine Bindungswirkung entfaltete.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG aF in Verbindung mit § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013, in der Fassung BGBl II Nr 8/2014.
Wien, am