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VwGH vom 19.12.2012, 2011/08/0107

VwGH vom 19.12.2012, 2011/08/0107

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des F M in R, vertreten durch Dr. Gernot Pettauer, Rechtsanwalt in 1120 Wien, Hetzendorfer Straße 75a, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 40 - SR 1867/10, betreffend Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom verpflichtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse den Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 10 ASVG, rückständige Beitragsschulden der S. GmbH samt Nebengebühren in Höhe von insgesamt EUR 22.362,45 zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 6,94 % zu bezahlen.

Der Beschwerdeführer sei als Geschäftsführer zur Vertretung der Beitragsschuldnerin berufen. Zu seinen Pflichten gehöre es, dafür zu sorgen, dass die Beiträge, insbesondere die Dienstnehmerbeitragsanteile iSd § 153c StGB, ordnungsgemäß entrichtet und die Melde-, Anzeige- und Auskunftspflichten nach § 111 ASVG erfüllt werden. Da dies schuldhaft unterblieben sei und die Beiträge nicht eingebracht werden hätten können, sei die Haftung für die Beiträge samt Nebengebühren auszusprechen gewesen.

In dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch brachte der Beschwerdeführer vor, er sei lediglich für Finanzierungen und Projektentwicklung zuständig und zu keinem Zeitpunkt mit Personalangelegenheiten befasst gewesen. Im Übrigen sei mit der zweiten Geschäftsführerin, Frau Ing. S., strikt vereinbart gewesen, dass keine Arbeitnehmer beschäftigt würden, sondern nur mit selbständigen "Firmen" auf Basis von Werkverträgen oder im Wege von Subbeauftragungen gearbeitet werde. Es sei dem Beschwerdeführer keine einzige Anmeldung von Arbeitnehmern bei der mitbeteiligten Wiener Gebietskrankenkasse geläufig gewesen. Als er die völlig überraschende Vorschreibung von Sozialversicherungsbeiträgen erhalten habe, habe er unverzüglich mit der zweiten Geschäftsführerin Kontakt aufgenommen, die ihm bestätigt habe, dass die betreffenden Arbeitnehmer (sie selbst, ihr Vater W. S. und der Baufacharbeiter E. S.) nicht bei der Wiener Gebietskrankenkasse, sondern bei der Salzburger Gebietskrankenkasse angemeldet worden seien. Frau Ing. S. übe ihre Tätigkeit als Geschäftsführerin in S aus und habe erklärt, die Sozialversicherungsbeiträge für die Dienstnehmer an die Salzburger Gebietskrankenkasse bezahlt zu haben. Es sei nicht nachvollziehbar, warum bei der Wiener Gebietskrankenkasse, bei der keine Anmeldungen erfolgt seien, Rückstände gegeben sein sollten.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch teilweise statt und stellte fest, dass der Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 10 ASVG verpflichtet sei, der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse rückständige Sozialversicherungsbeiträge der S. GmbH in Höhe von EUR 16.095,26 zu bezahlen.

Die Uneinbringlichkeit der dem Beschwerdeführer (richtig: der S. GmbH) vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge sei dadurch nachgewiesen, dass der Konkursantrag mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen worden sei.

Es wäre Sache des Beschwerdeführers gewesen, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert hätten, die ihm obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden könne. Für nicht abgeführte, aber einbehaltene Dienstnehmeranteile bzw. für Beitragsausfälle, die auf schuldhafte Meldepflichtverletzung zurückzuführen seien, sei im Ausmaß der Uneinbringlichkeit dieser Beiträge grundsätzlich zur Gänze zu haften.

Bei der Beitragsschuldnerin habe nach der Aktenlage im Zeitraum bis eine Erhebung über den Zeitraum 2005 bis 2007 mit dem Erhebungsauftrag "Überprüfung diverser Dienstnehmer" stattgefunden. Dabei seien folgende Meldeverstöße festgestellt worden:

" Herr W. S.:

Wurde von Jänner 2006 bis nachverrechnet mit einer monatlichen Beitragsgrundlage von 485 EUR. Das entspricht dem Durchschnittsverdienst des Jahres 2005, was einen jährlichen Betrag von 5.820 EUR als Beitragsgrundlage sowie 970 EUR Sonderzahlungen ergibt. Es wurden vom Jänner 2006 bis keine Beitragsnachweisungen erstattet. Herr W. S. ist im Februar 2008 verstorben.

Frau Ing. S. S.:

Wurde von Jänner 2006 bis nachverrechnet mit einer monatlichen Beitragsgrundlage von 1.323,24 EUR. Das ergibt einen jährlichen Betrag von 15.878,88 EUR und eine Sonderzahlung von 2646,48 EUR. Es wurden vom Jänner 2006 bis keine Beitragsnachweisungen erstattet.

Herr E. S.:

Anhand der Niederschrift vom bei der WGKK wurde die Zeit vom bis bei der Salzburger GKK storniert und laut Angaben des Dienstgebers vom bis mit einem Gehalt vom 1.700 EUR netto nachverrechnet (Angestellter). Laut Angabe des Dienstnehmers in der Niederschrift hat er keinen Lohnbeleg erhalten."

Für die belangte Behörde stehe daher fest, dass der mit dem

3. Nachtrag 06/09 vorgeschriebene Beitragsrückstand auf Meldeverstöße zurückzuführen sei.

Dem Beschwerdeführer sei ein Verschulden an den Meldeverstößen insofern anzulasten, als er verpflichtet gewesen wäre, diese bestimmten, konkreten Meldungen zu erstatten. Das Wissen um diese Meldepflicht sei als vom Grundwissen des Geschäftsführers umfasst anzusehen bzw. das Nichtwissen von ihm zu vertreten.

Sein Vorbringen, dass er von den Anmeldungen sowie der Beschäftigung der Dienstnehmer keine Kenntnis gehabt habe und der Dienstnehmer E. S. ihm absolut unbekannt sei, stehe im Einklang mit der Aussage des E. S. vom . Dieser habe angegeben, den Beschwerdeführer nicht - auch nicht namentlich - zu kennen, wohl aber Frau Ing. S., die Bauleiterin gewesen wäre, und ihren Vater Herrn W. S. Frau Ing. S. habe, so die belangte Behörde weiter, die Agendenteilung zwischen ihr und dem Beschwerdeführer bestätigt; der Beschwerdeführer hätte die Angelegenheiten in Wien vor Ort bearbeitet, sie und ihr Vater in S, wobei ihr Vater verantwortlich gewesen wäre; weiters habe sie ausgeführt, dass sie hauptsächlich für den Bereich Planung und Bauleitung zuständig gewesen wäre und ihr Vater W. S. für Personalangelegenheiten und die Abfuhr der Sozialversicherungsbeiträge. Befragt, wie der Beschwerdeführer seiner Pflicht zur allgemeinen Beaufsichtigung bzw. Überwachung nachgekommen sei bzw. welche geeigneten Überwachungsmaßnahmen er getroffen habe, um Pflichtverstöße ihrerseits zu erkennen, habe sie Folgendes ausgeführt: "Dazu kann ich keine Angaben machen. Zum einen muss ich festhalten, dass ich diese Frage nicht beantworten kann. Mein Vater hat sich regelmäßig mit (dem Beschwerdeführer) getroffen und auch telefonischen Kontakt gehabt. Wenn Fehler passiert sind, dann hätte (der Beschwerdeführer) die Fehler meines Vaters erkennen müssen."

Befragt, ob der Beschwerdeführer im haftungsgegenständlichen Zeitraum gewusst habe, dass Sozialversicherungsbeiträge rückständig seien bzw. Meldeverstöße vorlägen, habe sie ausgeführt, dass sie das nicht mit Sicherheit beantworten könnte. Im Juli 2009 wäre ein Schreiben der Salzburger Gebietskrankenkasse eingegangen, dass von Seiten der S. GmbH keine Sozialversicherungsbeiträge rückständig seien. Die Geschäfte wären zum größten Teil von ihrem Vater W. S. getätigt worden, sie hätte nur den Namen zur Verfügung gestellt, damit im Firmenwortlaut "Ing." aufscheine. Für den Fall, dass der Beschwerdeführer gewusst habe, dass Sozialversicherungsbeiträge rückständig seien, könnte sie nicht angeben, was er unternommen hätte, damit die Beiträge doch noch beglichen würden. Auch entzöge es sich ihrer Kenntnis, warum Dienstnehmer bei der Salzburger Gebietskrankenkasse angemeldet worden seien, die bei der Wiener Gebietskrankenkasse angemeldet hätten werden müssen.

Zusammengefasst ergebe sich aus den Zeugenaussagen, dass von Seiten des Beschwerdeführers keinerlei Aufsichts- bzw. Überwachungsmaßnahmen getätigt worden seien, die ihn dazu befähigt hätten, Pflichtverstöße der anderen Geschäftsführerin überhaupt zu erkennen.

Mit Stellungnahme vom habe der Beschwerdeführer vorgebracht, dass W. S. keinerlei Vertretungsbefugnis für die S. GmbH gehabt hätte und nicht zur Aufnahme von Arbeitnehmern befugt gewesen wäre. Es wäre auch zu keinem Zeitpunkt die Rede davon gewesen, dass das Baumeistergewerbe ausgeübt werden sollte, hiezu hätte die S. GmbH auch keine Gewerbeberechtigung gehabt. Weiters habe der Beschwerdeführer eine Pflicht zur allgemeinen Beaufsichtigung bzw. Überwachung der zweiten Geschäftsführerin negiert. Ihm wäre erst durch die Vorschreibung der Salzburger Gebietskrankenkasse bekannt geworden, dass sich W. S. und Frau Ing. S. angemeldet hätten. Nach einer internen Diskussion hätten sie sich wieder abgemeldet, die Sozialversicherungsrückstände bei der Salzburger Gebietsrankenkasse hätte Frau Ing. S. aus eigenem bezahlt.

Dem sei entgegenzuhalten, so die belangte Behörde weiter, dass die Geschäftsanschrift der S. GmbH laut Firmenbuch in Wien sei und somit die Zuständigkeit der Wiener Gebietskrankenkasse gegeben sei. Weiters sei im Firmenbuch als Geschäftszweig der Gesellschaft Bau- und Baunebengewerbe eingetragen. Eine allfällige fehlende Gewerbeberechtigung sei für die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG irrelevant.

Zum Vorbringen, es habe im strittigen Zeitraum zwischen dem Beschwerdeführer und der zweiten Geschäftsführerin eine Aufgabenteilung bestanden, wonach er nicht mit den abgabenrechtlichen Agenden betraut gewesen sei, sei zu bemerken, dass die Aufgabenverteilung unter Geschäftsführern selbst bei größter Spezialisierung nicht bewirke, dass ein Geschäftsführer sich nur noch auf das ihm zugeteilte Aufgabengebiet beschränken dürfe und sich um die Tätigkeit der anderen Geschäftsführer nicht mehr kümmern müsse. Hinsichtlich der von den anderen Geschäftsführern unmittelbar betreuten Aufgabengebiete bleibe eine Pflicht zur allgemeinen Beaufsichtigung (Überwachung) und gegebenenfalls zur Schaffung von Abhilfe aufrecht. Bestehe der Verdacht, dass im Arbeitsbereich eines anderen Geschäftsführers Missstände vorliegen, dann müsse sich der Geschäftsführer einschalten, um nicht selbst ersatzpflichtig zu werden. Bestehe der Verdacht, dass im Arbeitsbereich eines anderen Geschäftsführers Missstände vorlägen, dann müsse sich der Geschäftsführer einschalten, um nicht selbst ersatzpflichtig zu werden. Eine Verletzung dieser Pflicht liege vor, wenn der von der Wahrnehmung der zu erfüllenden Pflichten entbundene Geschäftsführer trotz Vorliegens konkreter Anhaltspunkte für Pflichtverstöße des anderen Geschäftsführers nichts unternehme, um Abhilfe zu schaffen. Eine haftungsrechtlich relevante Pflichtverletzung könne auch in einer vorwerfbaren Unkenntnis solcher Pflichtverstöße des anderen Geschäftsführers liegen. Dies sei dann anzunehmen, wenn der Geschäftsführer keine geeigneten Überwachungsmaßnahmen getroffen habe, die ihn in die Lage versetzt hätten, Pflichtverstöße des nach der Geschäftsverteilung zuständigen Geschäftsführers überhaupt zu erkennen.

Unter den "den Vertretern auferlegten Pflichten" iSd § 67 Abs. 10 ASVG kämen u.a. die Melde- und Auskunftspflichten in Frage, soweit diese im § 111 ASVG iVm § 9 VStG auch gesetzlichen Vertretern gegenüber sanktioniert seien. Nach § 9 VStG treffe jedoch die Verantwortlichkeit sämtliche Organe der Gesellschaft. Eine Frage der Agendenteilung sei nicht von Relevanz.

Selbst wenn man das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass die zweite Geschäftsführerin die Aufnahme von Dienstnehmern ohne sein Wissen und gegen seinen ausdrücklichen ihr bekannten Willen durchgeführt hätte, als Behinderung der Geschäftsführertätigkeit deute, sei für den Beschwerdeführer nichts gewonnen, weil er diesfalls die ungehinderte Funktionsausübung hätte erzwingen oder die Geschäftsführerfunktion zurücklegen müssen.

Zusammengefasst sei das Vorbringen bezüglich der Agendenteilung nicht geeignet, eine Exkulpierung des Beschwerdeführers herbeizuführen, weil er keine geeigneten bzw. überhaupt keine Überwachungsmaßnahmen getroffen habe, die ihn dazu befähigt hätten, Pflichtverstöße der anderen Geschäftsführerin überhaupt zu erkennen.

Es sei daher grundsätzlich eine Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG festzustellen gewesen. Da jedoch der Haftungsbetrag auf Grund von Zahlungen auf die Höhe von EUR 16.095,26 eingeschränkt worden und nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes um die Verzugszinsen zu reduzieren gewesen sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die behördliche Annahme, dass - wenn auch gegen seinen Willen und ohne sein Wissen - Dienstnehmer bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse angemeldet worden seien, für die von der

S. GmbH als Dienstgeberin Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten gewesen seien. Er bringt aber - wie schon im Verwaltungsverfahren - vor, dass er die S. GmbH gemeinsam mit Frau Ing. S. als Geschäftsführer vertreten habe, wobei zwischen beiden Geschäftsführern eine strikte Agendenteilung und auch eine räumliche Trennung vorgenommen worden seien (der Beschwerdeführer sei in Wien gewesen, Frau Ing. S. in S). Der Beschwerdeführer habe bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse nicht im Ansatz gewusst, dass entgegen seiner Anweisung und expliziten und wiederholten Erklärung, keine Arbeitnehmer aufzunehmen, Arbeitnehmer bei der Gebietskrankenkasse angemeldet worden und für diese keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden seien. Die belangte Behörde habe niemals geprüft, wie es dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gelangen hätte sollen, dass Arbeitnehmer ohne sein Wissen und Wollen dennoch angemeldet worden seien. Frau Ing. S. und W. S. hätten sich eigenmächtig selbst angemeldet. Die von der belangten Behörde angenommene Kontroll- und Aufsichtspflicht sei bei weitem überspannt. Außerdem habe die zweite Geschäftsführerin Frau Ing. S. ihre Zahlungsverpflichtung anerkannt und eine Ratenvereinbarung getroffen, sodass ausschließlich sie eine Haftung treffe.

2. Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften (u.a.) die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften berufenen Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträgen insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gehört zu den den Vertretern auferlegten Pflichten im Sinne des § 67 Abs. 10 ASVG (nach der zeitraumbezogen hier noch anzuwendenden Rechtslage vor der Änderung des § 58 Abs. 5 ASVG mit der Novelle BGBl. I Nr. 262/2010) nicht auch die allgemeine, die Vertreter der Beitragsschuldner gegenüber den Beitragsgläubigern treffende Pflicht, aus den von ihnen verwalteten Mitteln für die Abfuhr der Beiträge zu sorgen. Vielmehr sind unter den "den Vertretern auferlegten Pflichten" im Sinne dieser Gesetzesstelle im Wesentlichen die Melde- und Auskunftspflichten, soweit diese im § 111 ASVG iVm § 9 VStG auch gesetzlichen Vertretern gegenüber sanktioniert sind, sowie die in § 114 Abs. 2 ASVG (vgl. nunmehr § 153c Abs. 2 StGB) umschriebene Verpflichtung zur Abfuhr einbehaltener Dienstnehmerbeiträge zu verstehen. Ein Verstoß gegen diese Pflichten durch einen gesetzlichen Vertreter kann daher, sofern dieser Verstoß verschuldet und für die gänzliche oder teilweise Uneinbringlichkeit der Beitragsforderung kausal ist, zu einer Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG führen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/08/0190, mwN).

3. Ohne Belang ist es, ob neben dem in Anspruch genommenen vertretungsbefugten Organ weitere vertretungsbefugte Organe in Anspruch genommen werden können bzw. in Anspruch genommen wurden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/08/0099). Das Beschwerdevorbringen betreffend die Haftung der zweiten Geschäftsführerin geht daher ins Leere.

4. Im angefochtenen Bescheid fehlt es jedoch schon an konkreten Feststellungen betreffend die Kausalität der dem Beschwerdeführer angelasteten Meldepflichtverletzungen für die Uneinbringlichkeit der Beiträge. Dazu wäre insbesondere zu erheben gewesen, ob die Zahlung der Beiträge durch die Primärschuldnerin im Fall pflichtgemäßen Verhaltens (d.h. korrekter Meldungen) möglich gewesen wäre, wofür es vor allem darauf ankommt, ob zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung die Einbringlichkeit gegeben war (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/08/0190, mwN).

5. Was die Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers für die Meldepflichtverletzungen betrifft, hat die belangte Behörde nicht in Abrede gestellt, dass er nach der Aufgabenteilung mit der zweiten Geschäftsführerin nicht für abgabenrechtliche Angelegenheiten und Personalmaßnahmen zuständig gewesen sei. Die belangte Behörde ist zwar grundsätzlich damit im Recht, dass die Aufgabenverteilung unter Geschäftsführern selbst bei größter Spezialisierung nicht bewirken kann, dass ein Geschäftsführer sich nur noch auf das ihm zugeteilte Aufgabengebiet beschränken darf und sich um die Tätigkeit der anderen Geschäftsführer nicht mehr kümmern muss. Hinsichtlich der von den anderen Geschäftsführern unmittelbar betreuten Aufgabengebiete bleibt eine Pflicht zur allgemeinen Beaufsichtigung (Überwachung) und gegebenenfalls zur Schaffung von Abhilfe aufrecht. Besteht der Verdacht, dass im Arbeitsbereich eines anderen Geschäftsführers Missstände vorliegen, dann muss sich der Geschäftsführer einschalten, um nicht selbst ersatzpflichtig zu werden. Eine Verletzung dieser Pflicht liegt vor, wenn der von der Wahrnehmung der zu erfüllenden Pflichten entbundene Geschäftsführer trotz Vorliegens konkreter Anhaltspunkte für Pflichtverstöße des anderen Geschäftsführers nichts unternimmt, um Abhilfe zu schaffen. Haftungsbegründend ist auch die vorwerfbare Unkenntnis von Pflichtverstößen des anderen Geschäftsführers (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/08/0193, mwN).

Eine Verpflichtung eines Geschäftsführers zur Überprüfung der Tätigkeit des mit der Erfüllung der genannten Pflichten betrauten anderen Geschäftsführers kommt aber nur dann in Betracht, wenn ein Anlass vorliegt, an der Ordnungsmäßigkeit seiner Geschäftsführung zu zweifeln (vgl. abermals das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/08/0193, mwN).

Der angefochtene Bescheid enthält keine Feststellungen darüber, welche konkreten Umstände beim Beschwerdeführer den Verdacht des Vorliegens von Pflichtverletzungen seiner Mitgeschäftsführerin hätten erregen müssen, was nach dem Gesagten eine besondere Überwachungs- bzw. Überprüfungspflicht hätte nach sich ziehen können. Die belangte Behörde hat vielmehr die Auffassung vertreten, dass den Beschwerdeführer - auch ohne bestimmten Anlass - eine (ständige) Pflicht zur aktiven Überwachung und Überprüfung der Erfüllung der (beitragsrechtlichen) Pflichten durch seine Mitgesellschafterin getroffen hätte, sodass er hätte erkennen müssen, dass sie einerseits einen Dienstnehmer (E. S.) angestellt, aber keine Meldung für den gesamten Beschäftigungszeitraum erstattet hatte, und andererseits Beitragsnachweisungen für sich und ihren ebenfalls bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse als Dienstnehmer angemeldeten Vater schuldig geblieben war. Eine solche initiative Überwachungspflicht besteht jedoch im Verhältnis von Geschäftsführern zueinander nicht (vgl. demgegenüber zur Überwachungspflicht gegenüber Personen, derer sich der Geschäftsführer zur Erfüllung seiner Aufgaben bedient, etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2001/14/0202, und vom , Zl. 2010/08/0076).

6. Der angefochtene Bescheid war somit, weil die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage wesentliche Feststellungen unterlassen hat, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Zuerkennung von Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Ein Ersatz für die Eingabengebühr war wegen der sachlichen Abgabefreiheit gemäß § 110 ASVG nicht zuzusprechen.

Wien, am