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VwGH vom 23.10.2020, Ra 2020/02/0206

VwGH vom 23.10.2020, Ra 2020/02/0206

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des E B in L, vertreten durch Mag. Klaus Fürlinger, Mag. Hans Peherstorfer und Dr. Bernd Langoth, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Graben 21/9, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom , LVwG-603376/4/JP, betreffend Übertretung des FSG und Übertretungen der StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Oberösterreich),

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird hinsichtlich der Spruchpunkte 1. und 3. der Strafverfügung vom wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 448,80 und das Land Steiermark hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 897,60 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1Mit Strafverfügung der belangten Behörde vom wurde dem Revisionswerber angelastet, er habe jeweils näher konkretisierte Übertretungen des § 4 Abs. 1 lit. c StVO (Spruchpunkt 1.), des § 4 Abs. 5 StVO (Spruchpunkt 2.) sowie des § 37a iVm. § 14 Abs. 8 FSG (Spruchpunkt 3.) zu verantworten, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO, § 99 Abs. 3 lit. b StVO und § 37a FSG Geld- sowie Ersatzfreiheitsstrafen verhängt wurden.

2Der Revisionswerber erhob gegen diese Strafverfügung per E-Mail am Einspruch.

3Die belangte Behörde leitete hierauf mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom das ordentliche Verfahren ein. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom wurden über den Revisionswerber wegen jeweils näher konkretisierter Übertretungen der StVO sowie des FSG drei Geld- sowie Ersatzfreiheitsstrafen verhängt.

4Der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) Folge und behob das Straferkenntnis ersatzlos (Spruchpunkt I.). Es sprach aus, dass der Revisionswerber weder einen Beitrag zu den Kosten des behördlichen Verfahrens noch zu jenen des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe (Spruchpunkt II.) sowie, dass gegen diese Entscheidung eine Revision unzulässig sei (Spruchpunkt III.).

5Begründend führte das LVwG aus, die Strafverfügung der belangten Behörde sei dem Revisionswerber am persönlich zugestellt worden. Der Einspruch gegen die Strafverfügung sei am per E-Mail und somit verspätet erfolgt. Die Strafverfügung sei in Rechtskraft erwachsen. Aus diesem Grund sei der inhaltlichen Entscheidung „mittels Ermahnungsbescheid“ das Hindernis der entschiedenen Sache entgegengestanden. Die belangte Behörde sei daher nicht berechtigt gewesen, das Straferkenntnis zu erlassen, weshalb dieses wegen Unzuständigkeit ersatzlos aufzuheben sei.

6Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, das Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

7Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

8Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9Die vom Revisionswerber angefochtene Strafverfügung der belangten Behörde enthielt - ebenso wie das ersatzlos behobene Straferkenntnis - den Vorwurf, drei verschiedene Verwaltungsübertretungen begangen zu haben, mithin drei voneinander unabhängige Spruchpunkte.

10Liegen - wie hier - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu überprüfen (vgl. z.B. ).

11Soweit sich die Revision gegen das angefochtene Erkenntnis betreffend Spruchpunkt 2. der Strafverfügung richtet, ist auszuführen:

12Gemäß § 25a Abs. 4 VwGG ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache eine Geldstrafe von bis zu € 750,-- und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu € 400,-- verhängt wurde.

13Diese Voraussetzungen treffen für den Abspruch des LVwG zu Spruchpunkt 2. der Strafverfügung zu. Über den Revisionswerber wurde wegen Übertretung des § 4 Abs. 5 StVO gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO eine Geldstrafe von € 150,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) verhängt, wobei der Strafrahmen der anzuwendenden Strafnorm € 726,-- beträgt.

14Bei der im Sinne des § 25a Abs. 4 Z 1 VwGG in der Strafdrohung vorgesehenen „Freiheitsstrafe“ muss es sich um eine primäre Freiheitsstrafe handeln (vgl. etwa ). Eine solche ist hinsichtlich der vorgenannten Übertretung der StVO jedoch nicht vorgesehen.

15Die Revision erweist sich daher, soweit das LVwG über Spruchpunkt 2. der Strafverfügung entschied, gemäß § 25a Abs. 4 VwGG als absolut unzulässig.

16Soweit sich die Revision gegen das angefochtene Erkenntnis betreffend die Spruchpunkte 1. und 3. der Strafverfügung richtet, erweist sich die Revision mit ihrem Vorbringen, das LVwG habe den Einspruch entgegen der Rechtslage sowie näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Unrecht als verspätet qualifiziert, als zulässig und berechtigt.

17§ 49 VStG lautet:

§ 49. (1) Der Beschuldigte kann gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

(2) Wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht und nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, ist das ordentliche Verfahren einzuleiten. Der Einspruch gilt als Rechtfertigung im Sinne des § 40. Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, dann hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt durch den Einspruch, soweit er nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, die gesamte Strafverfügung außer Kraft. In dem auf Grund des Einspruches ergehenden Straferkenntnis darf keine höhere Strafe verhängt werden als in der Strafverfügung.

(3) Wenn ein Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig erhoben oder zurückgezogen wird, ist die Strafverfügung zu vollstrecken.“

18Die maßgeblichen Bestimmungen des AVG, die gemäß § 24 VStG und § 38 VwGVG im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden waren, lauten:

5. Abschnitt: Fristen

§ 32. (1) Bei der Berechnung von Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, wird der Tag nicht mitgerechnet, in den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, wonach sich der Anfang der Frist richten soll.

(2) Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

§ 33. (1) Beginn und Lauf einer Frist werden durch Samstage, Sonntage oder gesetzliche Feiertage nicht behindert.

(2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen.

(3) Die Tage von der Übergabe an einen Zustelldienst im Sinne des § 2 Z 7 des Zustellgesetzes zur Übermittlung an die Behörde bis zum Einlangen bei dieser (Postlauf) werden in die Frist nicht eingerechnet.

(4) Durch Gesetz oder Verordnung festgesetzte Fristen können, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nicht geändert werden.“

19Im vorliegenden Fall wurde dem Revisionswerber die Strafverfügung nach den Feststellungen des LVwG am durch persönliche Übernahme zugestellt, die Einspruchsfrist des § 49 VStG begann daher an diesem Tag zu laufen und hätte danach am geendet. Dieser Tag war jedoch der Pfingstmontag, ein gesetzlicher Feiertag (vgl. § 7 Abs. 2 Arbeitsruhegesetz). Aus diesem Grund endete die Einspruchsfrist gemäß § 33 Abs. 2 AVG am nächsten Tag, dem . Der Revisionswerber brachte seinen Einspruch an diesem Tag per E-Mail ein, sodass sein Einspruch gegen die Strafverfügung rechtzeitig erfolgt ist.

20Indem das LVwG den Einspruch, obwohl dieser fristgerecht eingebracht worden war, als verspätet qualifiziert hat, hat es die Rechtslage verkannt und damit das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Es war daher, soweit es die Übertretungen 1. und 3. der Strafverfügung betrifft, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Im Übrigen wird das LVwG darauf hingewiesen, dass es bei einem tatsächlich verspätet eingebrachten Einspruch nicht bloß mit Behebung des Straferkenntnisses vorzugehen, sondern einen solchen verspäteten Einspruch zurückzuweisen gehabt hätte (vgl. ; ).

21Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG, insbesondere § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014. Gemäß § 50 VwGG ist in Fällen, in denen ein Erkenntnis vom Verwaltungsgerichtshof teilweise aufgehoben wurde, die Frage des Anspruches auf Aufwandersatz so zu beurteilen, wie wenn das Erkenntnis zur Gänze aufgehoben worden wäre. Hinsichtlich der Aufteilung der Auferlegung des Aufwandersatzes ist diese daher im Verhältnis von einer Übertretung des FSG gegenüber zwei Übertretungen der StVO, somit wie eins zu zwei, vorzunehmen (vgl. näher , mwN).

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020020206.L00

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