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VwGH vom 11.04.2022, Ra 2020/02/0166

VwGH vom 11.04.2022, Ra 2020/02/0166

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter und Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revisionen von 1. Ing. B in S und 2. C GmbH in G, beide vertreten durch Mag. Martin Paar und Mag. Hermann Zwanzger, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Wiedner Hauptstraße 46/6, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom , 1. VGW-002/011/11543/2019-3, 2. VGW-002/V/11/11545/2019, 3. VGW-002/011/11790/2019-2, und 4. VGW-002/V/011/11971/2019, betreffend Übertretungen des Wiener Wettengesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat dem Erstrevisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1Mit dem Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom wurde im Spruchpunkt 1. dem Erstrevisionswerber als verantwortlichem Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG der zweitrevisionswerbenden Partei zur Last gelegt, dass diese am um 14:38 Uhr in einer näher genannten Betriebstätte, in der die zweitrevisionswerbende Partei die Tätigkeit als Wettunternehmerin, nämlich als Buchmacherin, durch zwei Wettinfoterminals und einen Wettannahmeschalter ausgeübt habe, insofern die Verpflichtung des § 19 Abs. 2 zweiter Satz Wiener Wettengesetz, wonach in Betriebsstätten ohne ständige Aufsicht durch verantwortliche Personen der Wettunternehmerin oder durch diese selbst durch geeignete Maßnahmen sichergestellt werden müsse, dass bereits der Zutritt zur Betriebsstätte nur volljährigen und nicht selbstgesperrten Personen ermöglicht werde, nicht eingehalten habe, als sie in dieser Betriebsstätte ohne ständige Aufsicht keine geeigneten Maßnahmen getroffen habe, um den Zutritt zur Betriebsstätte nur volljährigen und nicht gesperrten Personen zu ermöglichen, weil bei Zutritt zur Betriebsstätte keine Kontrolle der Identität und des Alters der Kundinnen und Kunden durchgeführt worden sei. Die Ausnahmen des § 19 Abs. 8 Wiener Wettengesetz kämen nicht zur Anwendung.

Zu Spruchpunkt 2. wurde dem Erstrevisionswerber als verantwortlichem Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG der zweitrevisionswerbenden Partei zur Last gelegt, dass diese am um 14:38 Uhr in der näher genannten Betriebstätte, in der die zweitrevisionswerbende Partei die Tätigkeit als Wettunternehmerin, nämlich als Buchmacherin, durch zwei Wettinfoterminals und einen Wettannahmeschalter ausgeübt habe, insofern die Verpflichtung des § 19 Abs. 4 Wiener Wettengesetz, wonach vor dem Eingang zu Räumen, in denen eine Tätigkeit als Wettunternehmerin ausgeübt werde, durch die Wettunternehmerin oder die verantwortliche Person auf das Zutrittsverbot für Kinder und Jugendliche gut sichtbar und dauerhaft hinzuweisen sei, nicht eingehalten habe, als kein Hinweis auf das Zutrittsverbot für Kinder und Jugendliche vor dem Hauptraum (Verkaufsraum), in dem Wetten abgeschlossen werden könnten, angebracht gewesen sei.

Wegen der Übertretung des § 19 Abs. 2 erster Satz Wiener Wettengesetz, LGBl. Nr. 26/2016 idgF zu Spruchpunkt 1., sowie wegen der Verletzung des § 19 Abs. 3 Wiener Wettengesetz, LGBl. Nr. 26/2016 idgF zu Spruchpunkt 2., wurde über den Erstrevisionswerber gemäß § 24 Abs. 1 Z 12 Wiener Wettengesetz, LGBl. Nr. 26/2016 idgF iVm. § 9 Abs. 1 VStG idgF, zu Spruchpunkt 1. eine Geldstrafe von € 2.000,-- (Ersatzfreiheitstrafe 3 Tage und 20 Stunden) und zu Spruchpunkt 2. eine Geldstrafe von € 800,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag und 13 Stunden) verhängt und die Zahlung eines Beitrags zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgeschrieben.

Schließlich wurde ausgesprochen, dass die zweitrevisionswerbende Partei für die über den Erstrevisionswerber verhängte Geldstrafe und die Verfahrenskosten gemäß § 9 Abs. 7 VStG zur ungeteilten Hand hafte.

2Mit dem Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom wurde zu Spruchpunkt 1. dem Erstrevisionswerber als verantwortlichem Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG der zweitrevisionswerbenden Partei zur Last gelegt, dass diese am um 14:09 Uhr in einer näher genannten Betriebsstätte, in der die zweitrevisionswerbende Partei die Tätigkeit als Wettunternehmerin, nämlich als Buchmacherin, durch zwei Wettinfoterminals und einen Wettannahmeschalter ausgeübt habe, insofern die Verpflichtung des § 19 Abs. 2 zweiter Satz Wiener Wettengesetz, wonach in Betriebsstätten ohne ständige Aufsicht durch verantwortliche Personen der Wettunternehmerin oder durch diese selbst durch geeignete Maßnahmen sichergestellt werden müsse, dass bereits der Zutritt zur Betriebsstätte nur volljährigen und nicht selbstgesperrten Personen ermöglicht werde, nicht eingehalten habe, als sie in dieser Betriebsstätte ohne ständige Aufsicht keine geeigneten Maßnahmen getroffen habe, um den Zutritt zur Betriebsstätte nur volljährigen und nicht gesperrten Personen zu ermöglichen, weil bei Zutritt zur Betriebsstätte keine Kontrolle der Identität und des Alters der Kundinnen und Kunden durchgeführt worden sei. Die Ausnahmen des § 19 Abs. 8 Wiener Wettengesetz kämen nicht zur Anwendung.

Mit Spruchpunkt 2. wurde dem Erstrevisionswerber als verantwortlichem Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG der zweitrevisionswerbenden Partei zur Last gelegt, dass diese am um 14:09 Uhr in der näher genannten Betriebstätte, in der die zweitrevisionswerbende Partei die Tätigkeit als Wettunternehmerin, nämlich als Buchmacherin, durch zwei Wettinfoterminals und einen Wettannahmeschalter ausgeübt habe, insofern die Verpflichtung des § 19 Abs. 4 Wiener Wettengesetz, wonach vor dem Eingang zu Räumen, in denen eine Tätigkeit als Wettunternehmerin ausgeübt werde, durch die Wettunternehmerin oder die verantwortliche Person auf das Zutrittsverbot für Kinder und Jugendliche gut sichtbar und dauerhaft hinzuweisen sei, nicht eingehalten habe, als kein Hinweis auf das Zutrittsverbot für Kinder und Jugendliche vor dem Hauptraum (Verkaufsraum), in dem Wetten abgeschlossen werden könnten, angebracht gewesen sei.

Wegen der Verletzung des § 19 Abs. 2 zweiter Satz Wiener Wettengesetz, LGBl. Nr. 26/2016 idgF zu Spruchpunkt 1., sowie wegen der Verletzung des § 19 Abs. 4 Wiener Wettengesetz, LGBl. Nr. 26/2016 idgF zu Spruchpunkt 2., wurde über den Erstrevisionswerber gemäß § 24 Abs. 1 Z 12 Wiener Wettengesetz, LGBl. Nr. 26/2016 idgF iVm. § 9 Abs. 1 VStG idgF, zu Spruchpunkt 1. eine Geldstrafe von € 2.000,-- (Ersatzfreiheitstrafe 3 Tage und 20 Stunden) und zu Spruchpunkt 2. eine Geldstrafe von € 800,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag und 13 Stunden) verhängt und die Zahlung eines Beitrags zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgeschrieben.

Schließlich wurde ausgesprochen, dass die zweitrevisionswerbende Partei für die über den Erstrevisionswerber verhängte Geldstrafe und die Verfahrenskosten gemäß § 9 Abs. 7 VStG zur ungeteilten Hand hafte.

3Mit dem gegenständlich angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung den gegen diese Straferkenntnisse erhobenen Beschwerden nicht Folge (Spruchpunkt I.). Der Haftungsausspruch gemäß § 9 Abs. 7 VStG wurde auf die „gegenständlich“ verhängten Verfahrenskosten erstreckt (Spruchpunkt II.). Auch wurde „der beschwerdeführenden Partei“ ein Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren vorgeschrieben (Spruchpunkt III.). Die ordentliche Revision erklärte das Verwaltungsgericht für unzulässig (Spruchpunkt IV.).

4Das Verwaltungsgericht führte begründend - soweit von gegenständlicher Relevanz - zu beiden Verfahren aus, dass an beiden Tatorten zu beiden Tatzeitpunkten unstrittigerweise einerseits Wettautomaten in Betrieb gewesen seien und andererseits lediglich Personal des jeweiligen Tankstellenpächters eingesetzt worden sei. Es handle sich somit um eine Betriebsstätte ohne ständige Aufsicht. Sonstige geeignete Maßnahmen, um den Zutritt nur volljährigen und nicht gesperrten Personen zu ermöglichen, seien nicht getroffen worden. Für die Etikettierung des Zutrittsverbotes habe ein deutlicher Hinweis auf das Zutrittsverbot für Kinder und Jugendliche gefehlt.

5Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

6Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurück- oder Abweisung der Revision beantragte.

7Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8Die Revision erweist sich im Hinblick auf ihr Vorbringen, das angefochtene Erkenntnis weiche von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z 2 und Z 3 VStG ab, als zulässig.

9Gemäß § 44a Z 2 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, zu enthalten. § 44a Z 2 VStG räumt dem Beschuldigten ein Recht darauf ein, dass im Spruch die richtige und nur die richtige verletzte Verwaltungsvorschrift aufscheint (vgl. , mwN).

10Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird dem Gebot des § 44a Z 2 VStG dann nicht entsprochen, wenn die durch die Tat verletzte Verwaltungsvorschrift nicht unter Zitierung der entsprechenden Norm im Spruch angeführt wird. Hierzu zählt auch die Angabe ihrer - richtigen - „Fundstelle“. Dem Gebot der ausreichend deutlichen Angabe der Fundstelle der verletzten Verwaltungsvorschrift wird nur dann Rechnung getragen, wenn die Fundstelle jener Novelle angegeben wird, durch welche die als verletzt betrachtete Norm ihre zum Tatzeitpunkt gültige Fassung erhalten hat. Ein diesbezüglich unrichtiger oder unvollständiger Ausspruch im Spruch kann durch Ausführungen in der Begründung des Straferkenntnisses nicht ersetzt werden (vgl. , mwN). Entsprechendes gilt auch für die Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmung nach § 44a Z 3 VStG, zumal darunter jene Strafsanktionsnorm (Strafnorm) zu verstehen ist, welche die Strafdrohung enthält, in der die tatsächlich verhängte Strafe Deckung findet und derart bei der Festlegung des Strafmittels und des Strafausmaßes heranzuziehen ist (vgl. , mwN).

11Dem Erstrevisionswerber wurden in der Tatumschreibung im Spruch des behördlichen Straferkenntnisses vom zu Spruchpunkt 1. die Nichteinhaltung des § 19 Abs. 2 zweiter Satz Wiener Wettengesetz und zu Spruchpunkt 2. § 19 Abs. 4 Wiener Wettengesetz vorgeworfen. Die Bestimmungen § 19 Abs. 2 erster Satz (zu Spruchpunkt 1.) und Abs. 3 (zu Spruchpunkt 2.) Wiener Wettengesetz wurden als Übertretungsnormen angeführt, ohne dass dazu weitere Tatumschreibungen im Spruch vorgenommen wurden oder in der Begründung Ausführungen getroffen wurden. Dasselbe gilt für die in beiden bekämpften Straferkenntnissen erfolgte Anlastung als verantwortlichen Beauftragten nach § 9 Abs. 2 VStG und den als Übertretungsnorm genannten § 9 Abs. 1 VStG. Dadurch, dass das Verwaltungsgericht diese Spruchfehler nicht korrigiert hat, hat es sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit belastet (vgl. , mwN).

12Weiters werden den Spruchpunkten der behördlichen Straferkenntnisse als Fundstellen der als verletzte Verwaltungsvorschriften zitierten Normen zum Straferkenntnis vom §§ 19 Abs. 2 erster Satz und Abs. 3 Wiener Wettengesetz LGBl für Wien Nr. 26/2016 idgF, zum Straferkenntnis vom §§ 19 Abs. 2 zweiter Satz und Abs. 4 Wiener Wettengesetz LGBl für Wien Nr. 26/2016 idgF und als Strafsanktionsnorm jeweils zu beiden Straferkenntnissen § 24 Abs. 1 Z 12 Wiener Wettengesetz LGBl für Wien Nr. 26/2016 idgF iVm § 9 Abs. 1 VStG idgF angeführt.

13Die Anführung einer konkreten Bestimmung mit dem Zusatz „idgF“ erfüllt den Anspruch der eben zitierten Rechtsprechung nicht, weil es hiezu der Angabe der Fundstelle jener Novelle bedurft hätte, durch welche die als verletzt betrachtete Norm ihre zum Tatzeitpunkt gültige Fassung erhalten hatte (vgl. , und ). Die in Rede stehenden Bestimmungen des Wiener Wettengesetzes wurden durch LGBl. Nr. 40/2018 geändert.

14Obwohl das Verwaltungsgericht verpflichtet gewesen wäre, den Spruch des behördlichen Straferkenntnisses in seinem Abspruch zu ergänzen, wenn dieser - wie hier - unvollständig ist, hat es durch die Abweisung der Beschwerden die Spruchpunkte der bei ihm in Beschwerde gezogenen Straferkenntnisse unverändert übernommen (vgl. erneut , mwN).

15Vor diesem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war, ohne dass auf das weitere Revisionsvorbringen einzugehen war.

16Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff, insbesondere § 53 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020020166.L00

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