VwGH vom 19.10.2011, 2011/08/0090
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des D T in Tel Aviv, Israel, vertreten durch Scheucher Rechtsanwalt GmbH in 1070 Wien, Lindengasse 39, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 40 - SR 15263/10, betreffend begünstigte Erwerbung von Anwartschaften und Ansprüchen gemäß § 502 Abs 6 zweiter Satz ASVG (mitbeteiligte Partei: Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
1. Die in BGBl. II Nr. 175/2011 gemäß § 38a VwGG kundgemachte Rechtsfrage wird wie folgt beantwortet:
"Die Wendung 'als Verfolgte im Gebiet der Republik Österreich oder in einem anderen Land gelebt haben' in § 502 Abs. 6 zweiter Satz ASVG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 83/2009 ist dahin auszulegen, dass eine nach dem und spätestens am außerhalb der Grenzen Österreichs geborene Person, von der zumindest ein Elternteil am seinen Wohnsitz im Gebiet der Republik Österreich hatte, nur dann Versicherungszeiten nach dieser Bestimmung in Verbindung mit deren letzten Satz nach Vollendung des 15. Lebensjahres erwerben kann, wenn sie auch 'in einem anderen Land' (in dem sie sich aufgehalten hat, nachdem ihre Eltern Österreich verlassen haben) verfolgt wurde oder ihr dort die konkrete Gefahr einer Verfolgung gedroht hat."
Auf die mit der Kundmachung eintretenden, in § 38a Abs. 4 VwGG genannten Rechtsfolgen wird verwiesen.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Spruchpunkts verpflichtet.
2. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu erstatten.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Begünstigung des 1943 geborenen Beschwerdeführers in der Pensionsversicherung nach dem ASVG gemäß § 502 Abs. 4 in Verbindung mit § 502 Abs. 6 ASVG abgelehnt.
Die belangte Behörde führte aus, die erstinstanzliche Behörde habe die beantragte Begünstigung mit der Begründung abgelehnt, dass der Beschwerdeführer bis in einem Land gelebt habe, in dem eine Verfolgung im Sinne des Gesetzes nicht vorgelegen sei.
In dem gegen den erstinstanzlichen Bescheid gerichteten Einspruch habe der Beschwerdeführer vorgebracht, dass das Gesetz nicht explizit die Verfolgung der Nachkommen erwähne. Die Zielrichtung des Gesetzes sei vielmehr, alle Personen zu erfassen, die auf der Flucht bis geboren worden seien. Der Begriff Verfolgte müsse daher so interpretiert werden, dass auch die Nachkommen, die auf der Flucht in Auffanglagern oder am Ort der Zuflucht geboren worden seien, erfasst würden. Beim Ort der Zuflucht "Palästina" müsse festgehalten werden, dass Palästina bis November 1947 britisches Mandatsgebiet gewesen sei. Unter dem britischen Mandat sei jüdische Einwanderung unterbunden worden. Die aus Österreich Geflüchteten hätten somit teilweise illegal nach Palästina einwandern und sich im Untergrund aufhalten müssen. Sie seien zum Teil von der britischen Mandatsmacht aus Palästina ausgewiesen worden, wie z.B. nach Mauritius oder in das Auffanglager "Athlit" in Palästina. Aus diesem Grund sei es weder rechtlich noch moralisch nachvollziehbar, hier nicht von einer Verfolgung auszugehen.
Nach Darlegung der anzuwendenden Rechtsvorschriften stellte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid fest, dass die Eltern des Beschwerdeführers am ihren Wohnsitz in Wien hatten und im Mai 1939 aus Gründen der Abstammung aus Österreich ausgewandert sind. Der Beschwerdeführer sei am in Palästina geboren.
§ 502 Abs. 6 zweiter Satz ASVG in der Fassung des 2. Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2009 (2. SRÄG 2009) sei für jene Personen anwendbar, die "als Verfolgte im Gebiet der Republik Österreich oder in einem anderen Land gelebt haben".
Im gegenständlichen Fall sei die Frage zu beantworten, ob nur eine unmittelbare Verfolgung durch das NS-Regime die Voraussetzung für eine Begünstigung erfülle oder auch eine mittelbare Verfolgung - die Flucht nach Palästina sei aus dem Grund der Verfolgung in Österreich erfolgt - zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 502 Abs. 6 zweiter Satz ASVG genüge.
§ 502 Abs. 6 ASVG sei im Zusammenhang mit den §§ 500 ff ASVG zu verstehen. Diese Bestimmungen fänden auf Personen Anwendung, die in der Zeit vom bis aus politischen Gründen - außer wegen nationalsozialistischer Betätigung - oder religiösen Gründen oder aus Gründen der Abstammung in ihren sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen einen Nachteil erlitten hätten.
Nach Ansicht der belangten Behörde erfordere eine Begünstigung des § 502 Abs. 6 zweiter Satz ASVG eine Verfolgung auch im Ausland durch das Naziregime. Die Unterbindung der Einwanderung durch das damalige britische Mandat in Palästina sei nicht vom Schutzzweck der anzuwendenden Norm umfasst.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit kostenpflichtig aufzuheben.
Im Hinblick darauf, dass im Sinne des § 38a Abs. 1 VwGG Grund zur Annahme bestand, dass beim Verwaltungsgerichtshof eine erhebliche Anzahl von Beschwerden eingebracht werden würde, in denen die im vorliegenden Beschwerdeverfahren wesentliche Rechtsfrage zu lösen sei, hat der Verwaltungsgerichtshof am einen Beschluss gemäß § 38a Abs. 1 VwGG gefasst und dabei festgehalten, dass folgende Rechtsfrage zu lösen sei:
"Ist die Wendung 'als Verfolgte im Gebiet der Republik Österreich oder in einem anderen Land gelebt haben' in § 502 Abs. 6 zweiter Satz ASVG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 83/2009, so auszulegen, dass eine nach dem und spätestens am außerhalb der Grenzen Österreichs geborene Person, von der zumindest ein Elternteil am seinen Wohnsitz im Gebiet der Republik Österreich hatte, nur dann Versicherungszeiten nach dieser Bestimmung in Verbindung mit deren letzten Satz nach Vollendung des 15. Lebensjahres erwerben kann, wenn sie auch 'in einem anderen Land' (in dem sie sich aufgehalten hat, nachdem ihre Eltern Österreich verlassen haben) verfolgt wurde, oder ist diese Wendung so auszulegen, dass es genügt, wenn die betreffende Person (bzw. zumindest einer der Elternteile) sich als Verfolgte in dieses Land begeben hat, d.h. ohne im Emigrationsland selbst einer Verfolgung ausgesetzt gewesen zu sein?"
Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Beschluss, der am vom Bundeskanzler im Bundesgesetzblatt (BGBl. II Nr. 175/2011) kundgemacht wurde, ausgesprochen, dass er diese Rechtsfrage im vorliegenden Beschwerdeverfahren beantworten werde.
Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, der gemäß § 22 VwGG anstelle der belangten Behörde in das Verfahren eingetreten ist, erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen. Die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 500 ASVG werden Personen, die in der Zeit vom bis aus politischen Gründen - außer wegen nationalsozialistischer Betätigung - oder religiösen Gründen oder aus Gründen der Abstammung in ihren sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen einen Nachteil erlitten haben, nach Maßgabe der Bestimmungen der §§ 501, 502 Abs. 1 bis 3 und 5 und 506, Personen, die aus den angeführten Gründen ausgewandert sind, nach den §§ 502 Abs. 4 bis 6, 503 und 506 begünstigt.
§ 502 ASVG in der Fassung des 2. SRÄG 2009 (BGBl. I Nr. 83/2009) lautet (auszugsweise) wie folgt:
"Begünstigte Erwerbung von Anwartschaften und Ansprüchen
§ 502. (1) (…)
(4) Personen, die in der im § 500 angeführten Zeit aus einem der dort angeführten Gründe ausgewandert sind und die vorher in der Zeit seit dem Beitragszeiten gemäß § 226 oder Ersatzzeiten gemäß §§ 228 oder 229 oder Zeiten nach dem Auslandsrenten-Übernahmegesetz zurückgelegt haben, können für die Zeiten der Auswanderung, längstens aber für die Zeit bis , Beiträge nachentrichten. (…)
(6) Abs. 1 und 4 gelten auch für Personen, die vor der Haft, Strafe, Anhaltung, Arbeitslosigkeit, Ausbürgerung oder Auswanderung aus Gründen, auf die der (die) Betreffende keinen Einfluß hatte, keine Beitragszeiten gemäß § 226 oder Ersatzzeiten gemäß den §§ 228 und 229 zurückgelegt haben, sofern der (die) Betreffende am seinen (ihren) Wohnsitz im Gebiet der Republik Österreich hatte und, in den Fällen des Abs. 4, spätestens am geboren wurde. Der erste Satz ist auch auf Personen anzuwenden, die nach dem und spätestens am geboren wurden und als Verfolgte im Gebiet der Republik Österreich oder in einem anderen Land gelebt haben, wenn zumindest ein Elternteil der betroffenen Person am seinen Wohnsitz im Gebiet der Republik Österreich hatte. Eine solche Nachentrichtung, soweit sie für die Zeiten der Auswanderung erfolgt, ist unbeschadet des Abs. 1 letzter Satz frühestens für Zeiten nach der Vollendung des 15. Lebensjahres der in Betracht kommenden Person zulässig.
(…)"
Gemäß § 644 Abs. 1 Z. 1 ASVG trat § 502 Abs. 6 ASVG in der Fassung BGBl. I Nr. 83/2009 mit in Kraft. Gemäß § 644 Abs. 4 ASVG ist für Personen, die erst auf Grund des § 502 Abs. 6 in der Fassung BGBl. I Nr. 83/2009 Beiträge nachentrichten können, § 502 Abs. 4 so anzuwenden, dass auch für die Zeit nach dem Beiträge für insgesamt höchstens 180 Versicherungsmonate nachentrichtet werden können.
Durch das 2. SRÄG 2009 besteht also die Möglichkeit zum begünstigten Erwerb von Anwartschaften aus der Pensionsversicherung für Personen, "die nach dem und spätestens am geboren wurden und als Verfolgte im Gebiet der Republik Österreich oder in einem anderen Land gelebt haben, wenn zumindest ein Elternteil der betroffenen Person am seinen Wohnsitz im Gebiet der Republik Österreich hatte."
2. Der Beschwerdeführer wurde am "in Palästina" (nach den vorgelegten Verwaltungsakten in Tel Aviv) geboren. Außer Streit steht, dass die Eltern des Beschwerdeführers am ihren Wohnsitz im Gebiet der Republik Österreich hatten und aus Gründen der Abstammung im Mai 1939 aus dem Gebiet der (ehem.) Republik Österreich ausgewandert sind.
Strittig ist damit ausschließlich, ob die Wendung "als Verfolgte im Gebiet der Republik Österreich oder in einem anderen Land gelebt haben" in § 502 Abs. 6 zweiter Satz ASVG so auszulegen ist, dass auch der Beschwerdeführer, der nach dem und vor dem außerhalb der Grenzen des Gebiets der Republik Österreich geboren wurde, Anspruch auf begünstigte Erwerbung von Anwartschaften hat, obgleich er im fraglichen Zeitraum in seinem Wohnsitzland nicht durch das NS-Regime verfolgt wurde, wohl aber seine Eltern sich auf Grund der Verfolgung, der sie unter dem NS-Regime ausgesetzt waren, in dieses Land begeben haben.
3. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass § 502 Abs. 6 ASVG im Zusammenhang mit den §§ 500 ff ASVG zu verstehen sei. In Zusammenschau der Bestimmungen des § 500, des § 502 Abs. 1, 4 und 6 erster Satz sowie des § 502 Abs. 6 zweiter Satz sei logisch einzig die rechtliche Schlussfolgerung zulässig, dass unter dem begünstigten Personenkreis gemäß den zitierten Bestimmungen Menschen zu verstehen seien, die auf Grund der Verfolgung durch das NS-Regime in ein anderes Land (hier: Palästina) geflüchtet oder ausgewandert seien. Selbst wenn man davon ausginge, dass im Wege einer rein grammatikalischen Interpretation ausschließlich der Bestimmung des § 502 Abs. 6 zweiter Satz ASVG unklar sein könnte, ob die Wortfolge "als Verfolgte im Gebiet der Republik Österreich oder in einem anderen Land gelebt haben" für sich genommen bedeuten solle, dass hinsichtlich der Begünstigung anspruchsberechtigte Personen in einem anderen Land gelebt hätten, in welchem sie vom NS-Regime verfolgt wurden, oder in einem anderen Land gelebt hätten, weil sie vom NS-Regime verfolgt wurden, ergebe sich in Zuge einer systematischen Interpretation zwingend, dass nur letztere Auslegung mit dem klaren Wortlaut des § 500 ASVG - der Bezug habenden "Grundnorm" - und den Spezialnormen des § 502 Abs. 1, 4 und 6 (insbesondere zweiter Satz) ASVG in Einklang zu bringen sei.
Das Erfordernis einer unmittelbaren Verfolgung durch das NS-Regime im Fluchtland sei weder dem Wortlaut der §§ 500 ff ASVG zu entnehmen noch aus deren Telos ableitbar. Diese zwingende Einsicht werde auch durch einen Blick in die von der belangten Behörde selbst zitierten Erläuterungen zu § 502 Abs. 6 ASVG in der Fassung des 2. SRÄG 2009 gestützt. Die Beschwerde zitiert aus diesen im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (242 BlgNR 24. GP, 3) enthaltenen Erläuterungen wie folgt:
"Die Anlaufstelle der Israelitischen Kultusgemeinde Wien für jüdische NS-Verfolgte in und aus Österreich, das Committee for Jewish Claims on Austria und die Vereinigung der Pensionisten Österreichs in Israel haben darauf hingewiesen, dass nach derzeitiger Rechtslage lediglich jenen Verfolgten die Möglichkeit zu einer begünstigenden Beitragsnachentrichtung eingeräumt wird, die spätestens am geboren wurden und ihren Wohnsitz an diesem Tag in Österreich hatten.
Durch die vorgeschlagene Verbesserung der sozialversicherungsrechtlichen Begünstigungsbestimmungen soll erreicht werden, dass auch jene Opfer des Nationalsozialismus einen Pensionsanspruch erwerben können, die bis zum geboren wurden und im Gebiet der Republik Österreich oder im Ausland als vom Naziregime Verfolgte gelebt haben, wenn zumindest ein Elternteil am seinen Wohnsitz in Österreich hatte."
Die Vereinigung der Pensionisten Österreichs in Israel sei in die Verhandlungen zu dieser Sozialrechtsnovelle durch ihren Vorsitzenden eingebunden gewesen. Diese Vereinigung vertrete zahlreiche Personen, die zwischen dem und dem als Kinder österreichischer jüdischer Eltern im damaligen britischen Mandatsgebiet Palästina, dem heutigen Israel, geboren worden seien. Der Vorsitzende dieser Vereinigung, Gideon Eckhaus, sei selbst ein Überlebender des NS-Terrors und kümmere sich seit Jahrzehnten um alte und pflegebedürftige jüdische AltösterreicherInnen und deren zwischenzeitig sich auch im Pensionsalter befindliche Nachkommen.
Es sei undenkbar, dass die Vereinigung der Pensionisten Österreichs in Israel ausgerechnet die zwischen und in Palästina geborenen Kinder geflüchteter österreichischer jüdischer Eltern in den Verhandlungen mit der Republik Österreich vergessen haben sollte. Dies erscheine umso absurder, als das repressive Immigrationssystem der britischen Mandatsmacht in Palästina jede legale Einwanderung faktisch unmöglich gemacht habe und die Erfahrungen und Erlebnisse dieser Zeit der Illegalität in Palästina sich tief in die kollektive Erinnerung Israels eingegraben hätten. Es erscheine weiters absurd, dass ausgerechnet die Vertreter jüdischer Opferorganisationen, auf deren "Hinweis" (die Beschwerde verweist auf den schon zitierten Ausschussbericht zu § 502 Abs. 6 ASVG) die hier maßgebliche Änderung des § 502 Abs. 6 zweiter Satz ASVG durch das 2. SRÄG 2009 vorgenommen worden sei, eine Unterscheidung in unmittelbar oder mittelbar vom NS-Regime verfolgte Menschen getroffen haben könnte; die Novelle hätte vielmehr auf eine sozialversicherungsrechtliche Verbesserung der Begünstigungsbestimmungen für jene gezielt, die vor dem jenen österreichischen Eltern oder Elternteilen geboren worden seien, die sich auf der Flucht vor den Nazis im Ausland - also nicht in ihrer eigentlichen Heimat Österreich - befunden hätten.
Die belangte Behörde habe dem § 502 Abs. 6 zweiter Satz ASVG durch die Behauptung des Erfordernisses einer "unmittelbaren" NS-Verfolgung im Ausland als Voraussetzung einer sozialversicherungsrechtlichen Begünstigung gemäß § 500 ff ASVG einen rechtswidrigen Inhalt unterstellt.
4. Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz führt in der Gegenschrift aus, dass nach der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang der zweite Halbsatz des zweiten Satzes des § 502 Abs. 6 ASVG nur so zu verstehen sei, dass die Begünstigung auf jene Personen ausgedehnt werden sollte, die "in einem anderen Land" einer Verfolgung ausgesetzt gewesen seien. Betrachte man den Novellentext, so sei nicht der Begriff "Verfolgte" für sich zu lesen und der Satzteil "im Gebiet der Republik Österreich oder in einem anderen Land gelebt haben" zusammenzufassen, sondern der Satz sei so zu lesen, dass sich die folgenden Anwendungsfälle ergeben: "Verfolgte im Gebiet der Republik Österreich" einerseits und "in einem anderen Land (Verfolgte)" andererseits.
Entgegen den Ausführungen der Beschwerde werde daher die Auffassung vertreten, dass jene Personen anspruchsberechtigt seien, die im hier entscheidenden Zeitraum in einem anderen Land gelebt hätten, in dem sie vom NS-Regime verfolgt wurden, nicht aber jene, die in einem anderen Land gelebt hätten, weil sie vom NS-Regime verfolgt worden seien. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde beziehe sich die Wendung in § 502 Abs. 6 erster Satz ASVG "aus Gründen, auf die der (die) Betreffende keinen Einfluss hatte" nur auf den Erwerb von Vorversicherungszeiten, die der Betreffende z.B. auf Grund des Alters nicht erwerben habe können, nicht aber auf die Auswanderung. Die Auslegung des Beschwerdeführers widerspreche dem Wortlaut ebenso wie der Satzstellung.
Zur systematischen Interpretation führt der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz aus, dass der hier gegenständliche Abschnitt des ASVG unter dem Aspekt des teilweisen Ausgleichs von sozialversicherungsrechtlichen Nachteilen entstanden sei, die unter anderem durch die Auswanderung entstanden seien. Damit sei grundsätzlich die Personengruppe gemeint, die in ihren sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen unmittelbar einen Nachteil erlitten habe, nicht die zweite Generation, d.h. die Kinder der unmittelbar durch die Nationalsozialisten Verfolgten.
Zwar erweitere das 2. SRÄG 2009 diesen Personenkreis um die zwischen dem und dem Geborenen, aber - im System bleibend - nur um die durch das Naziregime Verfolgten. Es sei der historischen Tatsache Rechnung getragen worden, dass sich das Naziregime nach 1938 auf weitere Länder ausgedehnt habe, und daher die Wendung "oder in einem anderen Land" in den Gesetzestext aufgenommen worden sei. Zu beachten sei auch, dass der Gesetzgeber, hätte er die Begünstigung der zweiten Generation der Emigrantinnen und Emigranten als Zielgruppe im Auge gehabt, diesen Personenkreis nicht mit den bis Geborenen begrenzen hätte dürfen, weil die Tatsache der Emigration wegen der Naziverfolgung der Eltern nach diesem Zeitpunkt fortbestanden habe.
Der Bundesminister verweist darauf, dass durch das Wort "auch" im ersten Teil des zweiten Satzes ein Konnex zum ersten Satz des § 502 Abs. 6 ASVG hergestellt werde. Dieser wiederum besage, dass die Absätze 1 und 4 des § 502 ASVG "auch" auf Personen anzuwenden seien, die keine Vorversicherungszeiten hätten.
Abs. 4 des § 502 ASVG wiederum spreche ausdrücklich von Personen, die "in der im § 500 angeführten Zeit aus einem der dort angeführten Gründe ausgewandert sind". Damit sei der Konnex zwischen dem hier auszulegenden zweiten Satzteil des zweiten Satzes und den Verfolgungsgründen des § 500 ASVG evident. Daher sei die Bestimmung systematisch so auszulegen, dass nur eine direkte Verfolgung durch das Naziregime von der Erweiterung durch die Novelle umfasst sei. Als Beispiel habe der Gesetzgeber unter anderem die nach der Okkupation auch von Südfrankreich 1942 begonnene Verfolgung von aus Österreich nach Südfrankreich emigrierten Personen und der dort geborenen Personen im Auge gehabt.
Zu den Begünstigungsbestimmungen der §§ 500 ff ASVG allgemein führt der Bundesminister aus, dass diese aus dem Wiedergutmachungsgedanken entstanden seien. Sie hätten zum Ziel, die sozialversicherungsrechtlichen Nachteile, die aus der religiösen oder politischen Verfolgung oder einer Verfolgung aus Gründen der Abstammung entstanden seien, teilweise auszugleichen. Mit dem Begünstigungsrecht im Sozialversicherungsrecht werde keine Schadensgutmachung, sondern ein mehr oder weniger pauschaler sozialrechtlicher Ausgleich für Verfolgungsnachteile beabsichtigt. Diese Regelungen zielten darauf ab, die Anrechnung oder den günstigen Erwerb von Versicherungszeiten für jene Zeiträume zu ermöglichen, in denen verfolgungsbedingt wegen Haft, Strafe, Anhaltung, Arbeitslosigkeit, Ausbürgerung oder Auswanderung in Österreich keine Versicherungszeiten hätten erworben werden können. Dem Gesetz liege insoweit die Vermutung zu Grunde, dass bei Unterbleiben der Verfolgung entsprechende Versicherungszeiten erworben worden wären. Bei den aus Abstammungsgründen Verfolgten gehe die Rechtsprechung zutreffenderweise von einer Verfolgungsbedrohung ab der Machtergreifung Hitlers durch den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich am aus.
Der durch mehrere Gesetzesänderungen immer wieder erweiterte Personenkreis, auf den sich die Begünstigungsbestimmungen bezögen, sei im § 500 ASVG festgelegt und umfasse Menschen, die im Zeitraum vom bis aus politischen oder religiösen Gründen oder aus Gründen der Abstammung verfolgt worden seien und die dadurch einen Nachteil in ihren sozialversicherungsrechtlichen Verhältnisse erlitten hätten. Es sei daher einer Auslegung des § 502 Abs. 6 ASVG im Sinne des Beschwerdevorbringens entgegen zu halten, dass damit ein Paradigmenwechsel eintreten würde, da erstmals Personen vom begünstigten Pensionsnachkauf Gebrauch machen könnten, die nicht selbst unmittelbar verfolgt gewesen seien, sondern vielmehr der zweiten Generation, geboren in der Emigration, angehörten. Die Berechtigung zum begünstigten Nachkauf der Pensionsversicherungszeiten würde sich bei dieser Auslegung von der Verfolgung der Eltern ableiten, was einer Öffnung der §§ 500 ff ASVG auf die zweite Generation der Verfolgten gleich käme. Der Wille zur Öffnung der Begünstigungsbestimmungen auf die zweite Generation könne jedoch dem Gesetzgeber unter Berücksichtigung des in den Verhandlungen diskutierten "Mengengerüsts", das in die Erläuterungen zu § 502 Abs. 6 ASVG Einzug gefunden habe, nicht unterstellt werden. Hätte der Gesetzgeber einen solchen Paradigmenwechsel beabsichtigt, hätte er wohl einen anderen Wortlaut und eine andere systematische Stellung gewählt.
Zur teleologischen Interpretation führt der Bundesminister aus, dass die strittige Wendung ("nach dem und spätestens am geboren wurden und als Verfolgte im Gebiet der Republik Österreich oder in einem anderen Land gelebt haben"), anders als der Beschwerdeführer meine, nicht auf alle Personen anwendbar sei, die auf Grund der eigenen Verfolgung durch das NS-Regime oder auf Grund der Verfolgung der Eltern in ein anderes Land ausgewandert bzw. geflüchtet seien. Wäre das gewollt gewesen, hätte der Gesetzgeber eine andere Formulierung wählen müssen. Es wäre nur die Wendung "die nach dem und spätestens am geboren wurden" ins Gesetz aufzunehmen gewesen. Es hätte bei dieser Auslegung der Wendung "und als Verfolgte im Gebiet der Republik Österreich oder in einem anderen Land gelebt haben" nicht bedurft; dies wäre, wenn man der Interpretation des Beschwerdeführers folge, entbehrlich, weil ein anderer Aufenthalt als entweder im Gebiet Österreichs oder im Ausland schon logisch nicht möglich sei. Nur wenn man annehme, dass der Gesetzgeber mit dieser Wendung auf die Verfolgung des zwischen und geborenen Kindes in einem anderen Land als dem Gebiet der heutigen Republik Österreichs abstellen habe wollen, ergebe dieser Satzteil einen logischen Sinn.
Nach den Erläuterungen zum 2. SRÄG 2009 sei von ca. 450 Personen auszugehen, die mit dieser Gesetzesänderung vom begünstigten Nachkauf Gebrauch machen könnten.
Diese Daten würden auf Erhebungen der Anlaufstelle der Israelitischen Kultusgemeinde Wien für jüdische NS-Verfolgte, des Committee for Jewish Claims on Austria und der Vereinigung der Pensionisten Österreichs in Israel sowie des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus basieren. Die Rechtsänderung sei auch auf Basis dieser Daten erfolgt.
Bei einer Auslegung im Sinne des Beschwerdeführers würde der erfasste Personenkreis in beträchtlichem Ausmaß vergrößert werden. Laut einer Zusammenstellung aus Weinzierl/Skalnik, Die Zweite Republik, hätten sich etwa 120.000 jüdische Verfolgte in die Emigration retten können. Auch wenn davon nur ein Teil im gebärfähigen oder zeugungsfähigen Alter gewesen sei, die Fertilität angesichts der - in allen Exilländern mehr oder weniger - schlechten Umstände niedrig gewesen sei und die Kindersterblichkeit hoch, und wenn man weiter bedenke, dass ein Teil der Emigrierten miteinander Kinder gehabt habe, so sei doch, wenn man von zwei Kindern pro Emigrant oder Emigrantin ausgehe, offensichtlich, dass von bedeutend mehr als ca. 450 in Frage kommenden Begünstigten auszugehen wäre. Es sei dem Gesetzgeber nicht zu unterstellen, dass er eine Regelung habe treffen wollen, die mit dem in den Erläuterungen angeführten "Mengengerüst" bei weitem nicht übereinstimme.
In der Folge führt der Bundesminister zur Entstehungsgeschichte der Bestimmung aus, dass bis zum
2. SRÄG 2009 nur jene Personen unter die Begünstigungsbestimmungen der §§ 500 ff ASVG - von denen nur mehr die "Nachkaufsmöglichkeit" für eine Pension relevant sei - gefallen seien, die spätestens am geboren wurden und die ihren Wohnsitz an diesem Tag in Österreich hatten. Diese Rechtslage sei durch Art. 2 des Entschädigungsfondsgesetzes, BGBl. I Nr. 12/2001, eingeführt worden. Damals sei das "Einkaufsrecht" auf Personen, die zwischen dem und dem geboren wurden, ausgedehnt worden.
Schon damals, anlässlich der im Jahr 2000 in Wien geführten Restitutionsverhandlungen, hätten die Vertreter der Israelitischen Kultusgemeinde und des Committee for Jewish Claims gefordert, die Nachkaufsmöglichkeit auf die nach dem Geborenen auszudehnen. Dazu sei es aber nicht gekommen, vor allem deshalb, weil die damalige österreichische Bundesregierung der Auffassung gewesen sei, dass für nach dem Geborene keine sozialversicherungsrechtlichen Nachteile hätten entstehen können.
Seit dem Jahr 2001 hätten die Vertreter jüdischer Organisationen, vor allem die Israelitische Kultusgemeinde, immer wieder den Wunsch nach einer Verbesserung der Nachkaufsmöglichkeit deponiert. Im Jahr 2007 habe die Anlaufstelle der Israelitischen Kultusgemeinde Wien für jüdische NS-Verfolgte in und aus Österreich grundsätzliche Überlegungen für Verbesserungen im Bereich Sozialleistungen für NS-Verfolgte übermittelt. Darin finde sich im Kapitel Pensionsrecht die Forderung nach Einbeziehung eines neuen Personenkreises in die Pensionsversicherung. Wörtlich sei diesem Papier Folgendes zu entnehmen:
"Nach dem derzeitigen Gesetz werden die bis zu geborenen Verfolgten in die Pensionsversicherung einbezogen. Es sollten aber auch jene NS-Opfer einen Pensionsanspruch haben, die zwischen und in Österreich bzw. bis zur Befreiung in einem Land in Verfolgung geboren wurden und deren Eltern am ihren Wohnsitz in Österreich hatten , wie dies von der Opferfürsorge bereits gehandhabt wird. Es ist schwer verständlich, warum ein/e nach geborene/r Verfolgte/r dessen/deren Eltern am den Wohnsitz in Österreich hatten, schlechter gestellt sein soll, als ein/e bis spätestens geborene/r Verfolgte/r."
Als Lösung sei eine Gesetzesnovelle oder eine Härteregelung vorgeschlagen worden, die es jenen nach dem geborenen Verfolgten ermögliche, einen Pensionsanspruch im Wege der Begünstigung - und damit einhergehend auch einen Pflegegeldanspruch - zu erwerben.
In den Gesprächen mit Vertretern der Kultusgemeinde im Jahr 2007 sei dieses Begehren insoweit präzisiert worden, als es um echte Härtefälle gehe. Primär gehe es um Kinder, die in Deutschland in einem Konzentrationslager oder im Untergrund geboren worden seien. Eine weitere Gruppe beträfe Personen, die zwar emigriert seien, in der Emigration von den Nazis aber wieder eingeholt worden seien. Als typische Länder seien damals die Niederlande, Belgien oder Dänemark genannt worden. Ausdrücklich sei immer wieder betont worden, dass es sich um wenige Fälle (einige Hundert) handle und damit kein großer finanzieller Aufwand verbunden sei. Auf Grund dieser Vorgaben seien die letztlich in einem Abänderungsantrag im Sozialausschuss am beschlossenen Formulierungen zu § 502 Abs. 6 ASVG entstanden.
Diese Entstehungsgeschichte zeige deutlich, dass eine Auslegung in dem Sinne, dass es genüge, wenn die betreffende Person (bzw. einer der Elternteile) in dieses Land geflüchtet sei, d. h. ohne im Emigrationsland selbst einer Verfolgung ausgesetzt gewesen zu sein, niemals beabsichtigt gewesen sei.
Weiters führt der Bundesminister aus, dass die vom Beschwerdeführer vorgenommene Interpretation des § 502 Abs. 6 ASVG mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur "missglückten Emigration" (Erkenntnis vom , Zl. 90/08/0059) nicht vereinbar sei.
Zusammenfassend komme es nach Ansicht des Bundesministers darauf an, dass eine unmittelbare Verfolgung durch das Naziregime im Ausland stattgefunden habe und die andere (vom Beschwerdeführer vertretene) Auslegung eine weder vom Wortlaut noch vom Willen des Gesetzgebers umfasste unsystematische Erweiterung der Begünstigungsbestimmungen bedeuten und einen Paradigmenwechsel darstellen würde, da damit auch die zweite Generation der Emigrantinnen und Emigranten in die Begünstigung aufgenommen werde, für die eine Kausalkette zu einem sozialversicherungsrechtlichen Nachteil auf Grund der Auswanderung wegen der Verfolgung nicht mehr herstellbar sei.
Der Bundesminister schloss seiner Gegenschrift Kopien von Verwaltungsakten an, aus denen Schreiben der Vereinigung der Pensionisten Österreichs in Israel an die damalige Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz sowie weitere Unterlagen im Zusammenhang mit der Vorbereitung der gegenständlichen Gesetzesbestimmung (unter anderem auch die oben ausschnittsweise wörtlich zitierten "Überlegungen für Verbesserungen im Bereich Sozialleistungen für NS-Verfolgte" der Anlaufstelle der Israelitischen Kultusgemeinde Wien für jüdische NS-Verfolgte in und aus Österreich) zu entnehmen sind.
5. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch im öffentlichen Recht bei einer Interpretation nach jenen grundlegenden Regeln des Rechtsverständnisses vorzugehen, die im ABGB für den Bereich der Privatrechtsordnung normiert sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/06/0240). Nach der grundlegenden Auslegungsregel des § 6 ABGB darf einem Gesetz in der Anwendung kein anderer Verstand beigelegt werden, als welcher aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und aus der klaren Absicht des Gesetzgebers hervorleuchtet. Die Auslegung hat bei der "eigentümlichen Bedeutung der Worte" anzusetzen, die diesen "in ihrem Zusammenhang" zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/10/0238).
Bereits die Wortinterpretation in Verbindung mit der grammatikalischen Auslegung ergibt, dass die Begünstigung nach § 502 Abs. 6 zweiter Satz ASVG in der Fassung des 2. SRÄG 2009 nur jenen nach dem und spätestens am Geborenen eingeräumt wird, die selbst verfolgt wurden ("als Verfolgte … gelebt haben"), wobei nicht darauf abgestellt wird, ob sie dieser Verfolgung im Gebiet der Republik Österreich oder in einem anderen Land ausgesetzt waren, sofern nur der Wohnsitz zumindest eines Elternteiles am im Gebiet der Republik Österreich gelegen war.
Diese Bestimmung erweiterte damit die Begünstigung nicht nur auf Personen, die nach dem (und spätestens am ) geboren wurden, sondern setzte im Hinblick auf diesen Personenkreis auch nicht mehr voraus, dass das nationalsozialistische Unrecht im Gebiet der Republik Österreich zugefügt wurde (vgl. demgegenüber das - zur früheren Rechtslage ergangene - Urteil des Obersten Gerichtshofes vom , 10 ObS 2139/96y, wonach der in den Begünstigungsbestimmungen der §§ 500 ff ASVG im Vordergrund stehende, auf sozialversicherungsrechtliche Nachteile bezogene Wiedergutmachungsgedanke nur jenen Männern und Frauen zuteil werden soll, denen das nationalsozialistische Unrecht seinerzeit in Österreich - und nicht in irgendeinem Drittland, aber auch dem außerhalb der Republik Österreich gelegenen ehemaligen Deutschen Reich und damit ebenfalls bezogen auf Österreich im Ausland - zugefügt worden und damit widerfahren ist). Voraussetzung der Begünstigung bleibt aber auch für die mit dem 2. SRÄG 2009 neu erfassten Personen, dass sie "als Verfolgte … gelebt", also persönlich die Verfolgung (durch das NS-Regime) erlitten haben.
Der hier auszulegende Satzteil "Personen (…), die (…) als Verfolgte im Gebiet der Republik Österreich oder in einem anderen Land gelebt haben" beschreibt zwei unterscheidbare Personengruppen. Grundsätzlich ließe eine rein grammatikalische Betrachtung zwar auch das Ergebnis zu, dass dieser Satzteil einerseits Personen meine, "die als Verfolgte im Gebiet der Republik Österreich gelebt haben," und andererseits - ohne Bezug auf eine Verfolgung - alle "Personen, die in einem anderen Land gelebt haben", sodass letztlich nur jene Personen, die im Gebiet der Republik Österreich gelebt haben, ohne dort verfolgt zu werden, nicht erfasst wären. Eine derartige Auslegung würde jedoch im Hinblick auf die zweite Personengruppe (alle Personen, die "in einem anderen Land gelebt haben") den systematischen Zusammenhang der §§ 500 ff ASVG, die den Ausgleich von durch die NS-Verfolgung entstandenen sozialversicherungsrechtlichen Nachteilen regeln, vollkommen außer Acht lassen. Es liegt daher näher, dass mit dem hier auszulegenden Satzteil einerseits "Personen, die als Verfolgte im Gebiet der Republik Österreich gelebt haben" gemeint sind, und andererseits "Personen, die als Verfolgte in einem anderen Land gelebt haben".
Die Bestimmung begünstigt daher Personen, die während der Zeit der NS-Verfolgung als Kinder von verfolgten Österreichern entweder in Österreich oder in einem anderen Land, in dem die Eltern - und mit ihnen ihr begünstigtes Kind - von der Verfolgung "eingeholt wurden" geboren wurden (vgl. etwa zum Fall einer "missglückten Emigration" in die Niederlande den Sachverhalt, der dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 3256/78, zugrunde lag).
6. Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, eine systematische Auslegung ergebe zwingend, dass nach § 502 Abs. 6 zweiter Satz ASVG nicht (nur) Personen begünstigt seien, die in einem anderen Land gelebt hätten, in welchem sie vom NS-Regime verfolgt wurden, sondern (auch) Personen, die in einem anderen Land gelebt hätten, weil sie vom NS-Regime verfolgt wurden.
Dem ist entgegenzuhalten, dass auch der - am in Tel Aviv geborene - Beschwerdeführer nicht behauptet, selbst (als Angehöriger von Verfolgten) der Verfolgung durch das NS-Regime ausgesetzt gewesen zu sein (seine aus Gründen der Abstammung verfolgten Eltern hatten das Gebiet der Republik Österreich im Mai 1939 verlassen). Der Beschwerdeführer wurde zu einem Zeitpunkt geboren, zu dem seinen Eltern bereits die Auswanderung aus dem vom damaligen Deutschen Reich beherrschten Verfolgungsgebiet endgültig geglückt war; eine Verfolgung aus den in § 500 ASVG genannten Gründen war zwar für die Auswanderung seiner Eltern entscheidend gewesen, der Beschwerdeführer selbst war jedoch einer derartigen Verfolgung, sei es auch als Angehöriger von aus diesen Gründen Verfolgten, nicht mehr selbst ausgesetzt.
7. Auch den Gesetzesmaterialien lässt sich kein Anhaltspunkt für die vom Beschwerdeführer vertretene Auslegung entnehmen. Im Ausschussbericht zur Regierungsvorlage (179 BlgNR 24. GP) für das
2. SRÄG 2009 (242 BlgNR 24. GP), wird die Begründung für den von den Abgeordneten Csörgits und Amon eingebrachten Abänderungsantrag zur Einführung der hier gegenständlichen Bestimmung wiedergegeben; darin heißt es - nach den vom Beschwerdeführer bereits zitierten und oben (3.) wiedergegebenen Ausführungen - wörtlich:
"Die Begünstigungsbestimmungen im ASVG zielen vor allem darauf ab, durch die NS-Verfolgung erlittene sozialversicherungsrechtliche Nachteile auszugleichen. Mit dieser notwendigen Ergänzung wird ein langer legistischer Prozess nunmehr erfolgreich abgeschlossen. Da mit dem (Kriegsende) die NS-Verfolgung endete, besteht künftig für eine weitere Ausdehnung der Möglichkeit des begünstigenden Nachkaufes von Versicherungszeiten auf jüngere Jahrgänge kein Raum mehr.
Erhebungen der Anlaufstelle der Israelitischen Kultusgemeinde Wien für jüdische NS-Verfolgte, des Committee for Jewish Claims on Austria und der Vereinigung der Pensionisten Österreichs in Israel sowie des Nationalfonds der Republik Österreich für die Opfer des Nationalsozialismus haben ergeben, dass derzeit (Stand 2008) rund 450 Personen - fast ausschließlich im Ausland lebend - existieren, die vom begünstigenden Nachkauf Gebrauch machen könnten.
Unter der Annahme, dass alle 450 Personen das maximale Ausmaß von 180 Monaten nachkaufen, ergibt dies in der Pensionsversicherung nach dem ASVG einen Einmalerlös von 2,3 Mio. EUR im Jahr des Nachkaufs. Die Ältesten dieser Personengruppe (Jahrgang 1938) sind bereits 71 Jahre alt, daher kann man für die aus dem Nachkauf zu erwartenden Leistungen eine Bezugsdauer von 10 bis 15 Jahren annehmen.
Bei einer zu erwartenden Leistungshöhe von rund 300 EUR monatlich ergeben sich für die kommenden 10 bis 15 Jahre jährliche Kosten in der Pensionsversicherung von rund 1,9 Mio. EUR. Wenn nur 50 % (rund 225 Personen) davon Gebrauch machen, verringern sich die jährlichen Kosten auf 0,95 Mio. EUR, bei 25 % (rund 110 Personen) entstehen 0,475 Mio. EUR an jährlichen Kosten. In gleicher Weise verringern sich auch die Einmalerlöse auf 1,15 Mio. EUR (50 % Inanspruchnahme) bzw. 0,575 Mio. EUR (25 % Inanspruchnahme). "
Aus diesen Erläuterungen lässt sich zunächst erkennen, dass das 2. SRÄG 2009 nichts an der grundsätzlichen Zielsetzung der Begünstigungsbestimmungen - Ausgleich für sozialversicherungsrechtliche Nachteile aufgrund der NS-Verfolgung - ändern sollte. Der ausdrückliche Hinweis auf das Ende der Verfolgung mit dem Zeitpunkt des Kriegsendes macht deutlich, dass Voraussetzung der Begünstigung auch nach den geänderten Bestimmungen die tatsächliche (unmittelbare) Verfolgung durch das NS-Regime (oder die konkrete Gefahr einer solchen Verfolgung; vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 84/08/0030 uva) geblieben ist (dafür spricht auch, dass in dem - oben unter 3. zitierten - zweiten Absatz der Erläuterungen zu dieser Bestimmung ausdrücklich auf "jene Opfer des Nationalsozialismus" verwiesen wird, die bis zum geboren wurden). Diese Erläuterungen lassen daher nicht erkennen, dass eine Ausweitung der Begünstigung auf Personen, die selbst nicht mehr der Verfolgung durch das NS-Regime ausgesetzt waren, sondern als Kinder von Verfolgten bereits in der Emigration geboren wurden, erfolgen hätte sollte.
Auch die in den Erläuterungen in der Folge genannten Annahmen über die Zahl der möglicherweise betroffenen Personen geben - auch wenn man den vom Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz in der Gegenschrift dargelegten Berechnungsannahmen nicht im Detail folgen mag - jedenfalls keinen Hinweis darauf, dass mit dem 2. SRÄG 2009 eine Begünstigung (auch) aller in der Emigration geborenen Kinder von Personen, die aus den in § 500 ASVG genannten Gründen aus dem Gebiet der Republik Österreich ausgewandert sind, erreicht werden sollte. Vor allem aber ist der Argumentation des Bundesministers Recht zu geben, wonach es für das in der Beschwerde vertretene Auslegungsergebnis genügt hätte, den begünstigten Personenkreis mit dem Geburtszeitpunkt zwischen dem und dem zu bezeichnen, ohne die Wendung "als Verfolgter im Gebiet der Republik Österreich oder in einem anderen Land gelebt haben", hinzuzufügen.
Die Gesetzesmaterialien bieten daher keine Veranlassung, zu einem den Wortlaut der hier maßgebenden Bestimmung des § 502 Abs. 6 zweiter Satz ASVG korrigierenden Auslegungsergebnis zu kommen.
8. An diesem Ergebnis vermag schließlich auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf die Vorgeschichte der Gesetzwerdung nichts zu ändern. Zwar hat sich der Vorstandsvorsitzende der Vereinigung der Pensionisten Österreichs in Israel nach den vom Bundesminister vorgelegten Unterlagen allgemein für die Begünstigung jener Personen ausgesprochen, "die in der Zeit nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich bis Ende des 2. Weltkrieges geboren wurden", ohne danach zu differenzieren, ob diese Personen in Österreich, in einem anderen Land, in dem sie der NS-Verfolgung ausgesetzt waren, oder außerhalb dieser Gebiete geboren wurden. Ein weiteres Schreiben eines anderen Vertreters der Vereinigung der Pensionisten Österreichs in Israel erwähnt ausdrücklich Kinder, "die auf der Flucht geboren wurden" (wobei auch hier nicht näher differenziert wird, ob Kinder gemeint sein sollten, die noch während der Flucht in einem Land der Verfolgung geboren wurden, oder - nach geglückter Emigration - bereits in einem Land, in dem sie der NS-Verfolgung nicht mehr ausgesetzt waren, ohne dass die Eltern dort schon ihren dauernden Wohnsitz nahmen). Anderen vorgelegten Dokumenten von den in die legistische Vorbereitung einbezogenen Interessengruppen ist zu entnehmen, dass jene Personen begünstigt werden sollten, "die zwischen dem 13.03.1038 und in Österreich bzw. bis zur Befreiung in einem anderen Land in Verfolgung geboren wurden".
Bei diesen vom Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zur Dokumentation der legistischen Entstehungsgeschichte der gegenständlichen Bestimmung vorgelegten Unterlagen handelt es sich aber nicht um Materialien, die ohne Weiteres zur Erforschung des Willens des historischen Gesetzgebers oder des Gesetzeszwecks herangezogen werden könnten (zu berücksichtigen ist auch, dass die hier auszulegende Bestimmung in formaler Hinsicht dem Nationalrat nicht im Wege einer Regierungsvorlage, sondern eines Abänderungsantrags zu einer Regierungsvorlage zugeleitet wurde, wenngleich die vom Bundesminister vorgelegten Unterlagen erkennen lassen, dass die legistische Vorbereitung im Ministerium durchgeführt wurde). Nur in dem Fall, dass Gesetzeswortlaut und -systematik zu keinem eindeutigen Ergebnis führen würden und zudem die den legistischen Vorbereitungsprozess dokumentierenden Unterlagen einen eindeutigen und nicht kontroversiellen Schluss auf ein bestimmtes Auslegungsergebnis zuließen, könnten diese Unterlagen ergänzend zur Auslegung herangezogen werden. Beide Voraussetzungen sind hier jedoch nicht erfüllt: Zum einen lässt schon der Wortlaut der Bestimmung in ihrem Zusammenhang keinen Zweifel, dass auch für die Begünstigung nach § 502 Abs. 6 zweiter Absatz ASVG die persönlich erlittene Verfolgung Voraussetzung ist, zum anderen sind auch die vorgelegten, von verschiedenen Interessengruppen stammenden Unterlagen nicht übereinstimmend (soweit sie konkrete Vorschläge enthalten, stellen sie im Übrigen darauf ab, dass die zu begünstigenden Personen "in Österreich bzw. (…) in einem anderen Land in Verfolgung geboren" wurden).
9. Die im Beschluss vom , kundgemacht in BGBl. II Nr. 175/2011, gestellte Rechtsfrage war daher dahin zu beantworten, dass die Wendung "als Verfolgte im Gebiet der Republik Österreich oder in einem anderen Land gelebt haben" in § 502 Abs. 6 zweiter Satz ASVG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 83/2009 dahin auszulegen ist, dass eine nach dem und spätestens am außerhalb der Grenzen Österreichs geborene Person, von der zumindest ein Elternteil am seinen Wohnsitz im Gebiet der Republik Österreich hatte, nur dann Versicherungszeiten nach dieser Bestimmung in Verbindung mit deren letzten Satz nach Vollendung des 15. Lebensjahres erwerben kann, wenn sie auch "in einem anderen Land" (in dem sie sich aufgehalten hat, nachdem ihre Eltern Österreich verlassen haben) verfolgt wurde oder ihr dort die konkrete Gefahr einer Verfolgung gedroht hat.
10. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am