VwGH vom 26.09.2006, 2006/16/0055
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der S in W, vertreten durch Dr. Michaela Iro, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Invalidenstraße 13/1/15, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/0433- W/05, betreffend Erbschaftssteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin erhielt von P. im Oktober 2000 eine Überbringerpolizze der Postversicherung.
Nach Ableben von P. wurde der Beschwerdeführerin die Versicherungssumme von EUR 11.832,44 am ausbezahlt.
Mit Erbschaftssteuerbescheid vom setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien für diesen Erwerb von Todes wegen ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von EUR 11.722,-- (Versicherungssumme abzüglich Freibetrag) die Erbschaftssteuer mit EUR 1.875,52 fest.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, es habe sich bei der Übergabe der Versicherungspolizze um "kein Geschäft von Todes wegen", sondern um ein "Geschäft unter Lebenden, etwa in Form eines Glücksvertrages" gehandelt.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung heißt es, im Beschwerdefall habe die Beschwerdeführerin einen Betrag in Höhe von EUR 11.832,44 von der Postversicherung ausbezahlt erhalten. P. habe die Beschwerdeführerin als bezugsberechtigte Person gegenüber dieser Versicherungsanstalt namhaft gemacht und die Beschwerdeführerin sei daher Schuldnerin der Erbschaftssteuer. Unbeachtlich sei, zu welchem Zeitpunkt die Beschwerdeführerin die Polizze erhalten habe. Der Betrag habe erst nach dem Ableben von P. ausbezahlt werden können.
In dem dagegen eingebrachten Vorlageantrag brachte die Beschwerdeführerin vor, die Abgabenbehörde sei auf das Berufungsvorbringen nicht eingegangen. Die Beschwerdeführerin gehe nach wie vor von einem Vertrag unter Lebenden in Form eines Glücksvertrages aus; die vereinbarten Pflegeleistungen hätten kurz aber auch noch länger erbracht werden können. Das Risiko beider Seiten entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung und es liege kein Umgehungs- oder sittenwidriges Geschäft vor. Die Finanzbehörde sei nicht an die gerichtliche Entscheidung (die Erbin klagte die Beschwerdeführerin erfolglos auf Herausgabe des Versicherungsbetrages) gebunden, wonach die Polizze nicht in die Verlassenschaft falle und die bekämpfte Berufungsvorentscheidung sei mit Aktenwidrigkeit belastet.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung heißt es, mit der Argumentation, es läge ein Glücksvertrag vor, beziehe sich die Beschwerdeführerin offensichtlich auf einen nicht steuerbaren Vorgang, nämlich die Übergabe der Versicherungspolizze im Oktober 2000. Die bloße Übergabe einer auf den Inhaber lautenden Versicherungspolizze ohne Unwiderruflichkeitserklärung stelle jedoch keine Schenkung dar. Steuerschuldbegründend sei im Beschwerdefall nicht bereits die Übergabe der Versicherungspolizze im Oktober 2000, sondern erst der Erwerb nach dem Tod der Versicherten im Jahre 2002 gewesen. Diesem Erwerb fehle jedoch jedes aleatorische Moment, sodass auch von keinem Glücksvertrag gesprochen werden könne. Ein Erwerb durch Erbanfall sei nur dann verwirklicht, wenn der Erwerb auf einem der Berufungsgründe des § 533 ABGB beruhe. Wie sich aus der Heranziehung des § 2 Abs. 1 Z 3 ErbStG als die für die Abgabenfestsetzung entscheidungsmaßgebliche Gesetzesstelle unschwer erkennen lasse, habe die Abgabenbehörde erster Instanz weder die Beschwerdeführerin als Erbin angesehen noch die erwähnte Versicherungssumme als Teil der Verlassenschaft bewertet. Die Rüge der Beschwerdeführerin, wonach die Finanzbehörde an die gerichtliche Entscheidung, dass die Polizze nicht in die Verlassenschaft falle, gebunden sei, gehe daher ins Leere.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der zunächst vor ihm erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom , B 1206/05-3, ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht dadurch verletzt, dass die belangte Behörde "mit der angefochtenen Entscheidung rechtswidrig den Sachverhalt als steuerlich relevanten Tatbestand nach den erbschaftssteuerrechtlichen Bestimmungen beurteilt" habe und macht sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 ErbStG unterliegt der Erwerb von Todes wegen der Steuer nach diesem Bundesgesetz.
Als Erwerb von Todes wegen gilt gemäß § 2 Abs. 1 Z 3 ErbStG der Erwerb von Vermögensvorteilen, der auf Grund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrags unter Lebenden von einem Dritten mit dem Tode des Erblassers unmittelbar gemacht wird.
Die bloße Übergabe einer Versicherungspolizze, die auf den Inhaber lautet, ohne Unwiderruflichkeitserklärung stellt keine Schenkung dar; da eine solche Polizze kein Inhaberpapier ist, kann auch durch Übergabe keine Übertragung stattfinden, nur eine gleichzeitig mit der Übergabe abgegebene Unwiderruflichkeitserklärung kann diese Übertragung zum Übergabszeitpunkt schon rechtswirksam machen und damit steuerrechtlich eine Schenkung begründen. Wird eine solche Erklärung nicht abgegeben, ist trotz der Bestätigung der Versicherungsanstalt, dass die Übergabe zur Kenntnis genommen werde, keine Übertragung und damit auch zu diesem Zeitpunkt keine Schenkung zustande gekommen. Daher tritt die Bereicherung erst mit dem Tod des Versicherungsnehmers ein, sodass ein nach § 2 Abs. 1 Z 3 ErbStG zu beurteilender, im Zeitpunkt des Todes des Zuwendenden angefallener Erwerb von Todes wegen und keine Schenkung gemäß § 3 Abs. 1 ErbStG im Zeitpunkt der Übergabe der Versicherungspolizze vorliegt (vgl. die bei Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band III, in der Rz. 55a zu § 2 ErbStG wiedergegebene Rechtsprechung).
§ 2 Abs. 1 ErbStG umschreibt den Begriff "Erwerb von Todes wegen" und nimmt über die in § 2 Abs. 1 Z 1 ErbStG genannten Fälle eines Erwerbes von Todes wegen hinaus wesentliche Erweiterungen vor, so insbesondere durch die Einbeziehung des Erwerbes von Vermögensvorteilen auf Grund von Verträgen zu Gunsten Dritter, die der spätere Erblasser schon zu Lebzeiten geschlossen hat.
Der Tatbestand nach § 2 Abs. 1 Z 3 ErbStG ist ein Ersatztatbestand, der wesensgleich den echten Zuwendungen von Todes wegen Vermögensübertragungen erfasst, die keine echten Zuwendungen von Todes wegen sind.
Voraussetzung für die Annahme eines Erwerbes von Todes wegen durch einen Vertrag zu Gunsten Dritter ist die Erlangung eines Vermögensvorteils; wie bei Zuwendungen unter Lebenden ist daher Voraussetzung eine objektive Bereicherung.
Mit Rücksicht darauf, dass es sich bei einer Zuwendung im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 3 ErbStG um einen Erwerb von Todes wegen handelt, der auf einem vom Erblasser zu seinen Lebzeiten mit einem Dritten geschlossenen Rechtsgeschäft beruht, ist nicht nur zu prüfen, ob eine Bereicherung des Begünstigten gegeben ist, sondern auch, ob beim Erblasser ein Bereicherungswille bestanden hat (zu den obigen Absätzen vgl. die bei Fellner, aaO, in Rz. 49 und 53 zu § 2 ErbStG wiedergegebene Rechtsprechung).
In der Beschwerde wird behauptet, es treffe nicht zu, dass die Beschwerdeführerin durch den Todesfall bereichert worden sei, da es sich um die Auswirkung eines Glücksvertrages gehandelt habe, in dessen Erfüllung die Beschwerdeführerin Pflegeleistungen erbracht habe.
Entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen Ansicht, es liege ein "Glücksvertrag" vor, ist die belangte Behörde im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom Erwerb eines Vermögensvorteils durch einen Vertrag zu Gunsten Dritter im Zeitpunkt des Todes des Versicherungsnehmers ausgegangen, der steuerlich als ein Erwerb von Todes wegen nach § 2 Abs. 1 Z 3 ErbStG der Erbschaftssteuer unterliegt.
Die Beschwerdeführerin mag zwar, wie sie behauptet, Pflegeleistungen erbracht haben, der Erwerb von Todes wegen setzt grundsätzlich aber nicht voraus, dass die Zuwendung ohne Gegenleistung geschieht (vgl. die bei Fellner, aaO, Rz. 2b zu § 2 ErbStG).
Die vor diesem Erwerb von Todes wegen allfällig erbrachten Pflegeleistungen waren entgegen der Beschwerdebehauptung bei der Bemessung der Erbschaftssteuer nicht zu berücksichtigen und die belangte Behörde war daher auch nicht verhalten, den "Wert" allfälliger Pflegeleistungen von Amts wegen zu erheben.
Das Fehlen eines Bereicherungswillens seitens der Zuwendenden wurde von der Beschwerdeführerin gar nicht behauptet.
Da die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen vermochte, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am