VwGH vom 29.06.2006, 2006/16/0030

VwGH vom 29.06.2006, 2006/16/0030

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der V Aktiengesellschaft in K, vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 49, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , Zl. RV/0731-L/05, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die P Betriebsgesellschaft mbH & Co KG (in der Folge: Betriebsgesellschaft) und die Beschwerdeführerin schlossen am 3./ einen Bestandvertrag mit nachstehendem, auszugsweise wiedergegebenen Inhalt:

"§ 1

Bestandgegenstand

1. Der Bestandgeber gibt in Bestand und der Bestandnehmer nimmt in Bestand in der (Betriebsgesellschaft) ein Geschäftslokal in der oberen Verkaufsebene im Ausmaß von rund 551 m2 sowie 50 % der Fläche für Stiege, Lift und Vorraum in der oberen Verkaufsebene zur gemeinsamen Benützung mit der Firma ... sowie eine Fläche im 2. Obergeschoß im Ausmaß von rund 85 m2, somit insgesamt im Ausmaß von rund 650 m2, wie es im beiliegenden Plan, Beilage/A, durch eine rote Umrandung gekennzeichnet ist.

2. In Bestand gegeben ist der Innenbereich des Bestandgegenstandes.

...

§ 2

Grundausstattung, Zusatzausstattung, behördliche

Bewilligungen

1. Die vom Bestandgeber zu leistende Grundausstattung des Bestandobjektes ist in der beiliegenden Baubeschreibung, Beilage ./B, festgehalten.

...

§ 3

Vorläufige und endgültige Bestandflächen und Ausstattung

1. Alle in diesem Vertrag genannten Flächenangaben sind nach den derzeitigen Plänen erstellt. Für die Berechnung des Bestandentgeltes werden die Flächen laut den endgültigen Bestandplänen zum Zeitpunkt der Übergabe herangezogen.


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2.
3.
Der Bestandnehmer erklärt, dass durch den Bestandplan, Beilage ./A, und die Baubeschreibung, Beilage ./B, der Bestandgegenstand hinreichend spezifiziert ist und verzichtet daher aus diesem Titel gegenüber dem Bestandgeber Ansprüche (wie insbesondere Schadenersatzansprüche und Gewährleistungsansprüche) geltend zu machen.
4. Wenn es im Rahmen der Gesamtplanung oder aus Gründen der Baudurchführung bzw. aufgrund behördlicher Auflagen notwendig wird, kann der Bestandgeber bis zur Übergabe des Bestandobjektes Änderungen vornehmen, was der Bestandnehmer zustimmend zur Kenntnis nimmt, soweit es sich nicht um wesentliche Änderungen handelt.
5.
6.
Maßänderungen der vorläufigen Bestandpläne bis zu 3 % werden vom Bestandnehmer akzeptiert.
7.
8.
Darüberhinausgehende Änderungen bedürfen der Zustimmung des Bestandnehmers.
9.
...
10.
Die Beilage ./A und Beilage ./B werden im Falle von Änderungen bei Übergabe des Bestandgegenstandes durch einen endgültigen Bestandplan und eine endgültige Baubeschreibung ersetzt. Die Beilagen A und B und im Falle deren Änderung deren Neufassung bilden einen integrierenden Bestandteil dieses Vertrages und sind für alle Ansprüche und Verpflichtungen aus diesem Vertrag maßgeblich.
11. Die Höhe des Hauptbestandzinses und der Betriebskostenschlüssel werden bis zum Vorliegen der Bestandpläne, mit denen sie endgültig festgelegt werden, nach den jeweils aktuellen Plänen ermittelt.
...
§ 5
Übergabe des Bestandgegenstandes
1. Die Übergabe des Bestandgegenstandes erfolgt frühestens am und spätestens am . Den tatsächlichen Übergabetermin innerhalb der Gleitklausel hat der Bestandgeber dem Bestandnehmer 8 Wochen vorher schriftlich bekanntzugeben. ...
2. Mit der Übergabe beginnt das Bestandverhältnis.
...
§ 7
Bestandnahmezeit
1. Das Bestandverhältnis beginnt mit dem Tag der Übergabe des Bestandgegenstandes gemäß § 5 Absatz 2) dieses Bestandvertrages. ...
2. Das Bestandverhältnis wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.
...
§ 9
Entgelt
1. Das Entgelt für die Überlassung des Bestandobjektes setzt sich aus dem Baukostenzuschuss, dem Hauptbestandzins, und den Nebenkosten zusammen.
...
§ 11
Hauptbestandzins
...
4. Der Mindesthauptbestandzins für den in § 1 Absatz 1) angeführten Bestandgegenstand beträgt für die Fläche in der oberen Verkaufsebene im Ausmaß von rund 565 m2
monatlich EUR 29,00/m2 vom 1. bis 12. Monat ab Bestandnahmebeginn
monatlich EUR 31,30/m2 vom 13. bis 24. Monat ab Bestandnahmebeginn monatlich EUR 34,20/m2 ab dem 25. Monat ab Bestandnahmebeginn sowie für die Fläche im 2. Obergeschoß im Ausmaß von rund 100 m2 monatlich jeweils 50 % des zum jeweiligen Zeitpunkt aktuellen

Bestandzinses für die Fläche in der oberen Verkaufsebene, wobei diese Fläche in die Umsatzbestandzinsberechnung nicht einbezogen wird jeweils zuzüglich Umsatzsteuer und ist jeweils bis zum Fünften eines jeden Monats im voraus fällig."

Mit Gebührenbescheid vom schrieb das Finanzamt Urfahr der Beschwerdeführerin ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von EUR 1,097.754,48 gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 Z 1 GebG eine Gebühr von EUR 10.977,54 vor. Dieser Bescheid wurde rechtskräftig.

Die Betriebsgesellschaft und die Beschwerdeführerin schlossen am eine Ergänzungsvereinbarung zum Bestandvertrag vom mit nachstehendem Inhalt:

"Der Bestandvertrag vom wird wie folgt

geändert:

§ 1-Bestandsgegenstand

wird wie folgt abgeändert:

(1) Der Bestandgeber gibt in Bestand und der Bestandnehmer nimmt in Bestand in der (Betriebsgesellschaft) eine Geschäftsfläche in der unteren Verkaufsebene im Ausmaß von rd. 950 m2 sowie eine Fläche im Untergeschoss im Ausmaß von rd. 110 m2, somit insgesamt im Ausmaß von rd. 1.060 m2, wie es beiliegenden Plan (Blg./A) rot schraffiert gekennzeichnet ist.

(2) bleibt unverändert

§ 11-Hauptbestandzins

wird wie folgt abgeändert:

(1) - (3) bleiben unverändert

(4) Der Mindesthauptbestandzins für den in § 1 Absatz 1) angeführten gesamten Bestandsgegenstand beträgt für die Fläche in der unteren Verkaufsebene im Ausmaß von rd. 950 m2


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monatlich EUR 20,--/m2 ab dem 1. Geschäftsjahr (1.-12. Monat)
sowie
monatlich EUR 22,--/m2 ab dem 2. Geschäftsjahr (13.-24. Monat)
sowie
monatlich EUR 24,--/m2 ab dem 3. Geschäftsjahr (25.-36. Monat)
sowie
monatlich EUR 26,--/m2 ab dem 4. Geschäftsjahr (ab 37. Monat)
sowie für die Fläche im Untergeschoß im Ausmaß von rd. 110 m2
monatlich EUR 7,-- /m2
jeweils zuzüglich Umsatzsteuer.

Sonstige Bedingungen:

Eine Liftverbindung (Lastenlift) zwischen der unteren Verkaufsebene und dem Untergeschoß wird vom Bestandgeber errichtet.

Rechte und Pflichten

Im übrigen, soweit mit dieser Ergänzungsvereinbarung keine neuen Regelungen getroffen werden, bleibt der Bestandvertrag vom mit sämtlichen Rechten und Pflichten unverändert und vollinhaltlich bestehen."

Mit Gebührenbescheid vom schrieb das Finanzamt Freistadt Rohrbach Urfahr der Beschwerdeführerin ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von EUR 1,430.464,32 gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 Z 1 GebG die Gebühr in der Höhe von EUR 14.304,64 vor.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, sie habe den Bestandvertrag vom bereits vergebührt. Aus dem Bestandvertrag könne ersehen werden, dass es sich bei diesem um keine endgültige Bestandfläche gehandelt habe. Die Bestandfläche von insgesamt 650 m2 sei nie übernommen worden und durch den endgültigen Bestandplan ersetzt worden. Die übernommene Bestandfläche von rund 1.060 m2 entspreche dem endgültigen Bestandplan und es sei daher nur mehr ein Differenzbetrag zu vergebühren.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Die belangte Behörde kam in der Begründung dieses Bescheides zum Ergebnis, dass die Ergänzungsvereinbarung vom nicht als Zusatz oder Nachtrag im Sinne des § 21 GebG anzusehen sei, sondern als selbständiger gebührenpflichtiger Bestandvertrag, welcher für sich der Gebühr gemäß § 33 TP 5 GebG unterliege.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht, dass bei einem Nachtrag zu einer bereits ausgefertigten Urkunde im Sinne des § 21 GebG eine Vergebührung nur im Umfang der vereinbarten Änderung des Rechtsgeschäftes gebührenpflichtig sei, verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird im Wesentlichen vorgebracht, es liege ein "klassischer Fall" des § 21 GebG vor.

Werden durch einen Zusatz oder Nachtrag zu einer bereits ausgefertigten Urkunde die darin beurkundeten Rechte oder Verbindlichkeiten ihrer Art oder ihrem Umfang nach geändert oder wird die vereinbarte Geltungsdauer des Rechtsgeschäftes verlängert, so ist dieser Zusatz oder Nachtrag gemäß § 21 GebG im Umfang der vereinbarten Änderung oder Verlängerung als selbständiges Rechtsgeschäft gebührenpflichtig.

Die Beurteilung, ob eine Urkunde in Bezug auf eine andere Urkunde die Qualifikation eines "Zusatzes oder Nachtrages" gemäß § 21 GebG hat, ist ausschließlich durch einen Vergleich der bereits ausgefertigten Urkunde und derjenigen Urkunde vorzunehmen, die den Zusatz oder Nachtrag darstellen soll (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/16/0473).

Wirtschaftliche Überlegungen, die zunächst zum Abschluss des Bestandvertrages vom 3./ und danach zum Ergänzungsvertrag führten, sind daher für die Gebührenbemessung nicht maßgebend.

Voraussetzung für die Anwendung des § 21 GebG ist, dass durch den Zusatz oder Nachtrag das ursprüngliche Rechtsgeschäft nicht aufgehoben oder ersetzt wird. Werden wesentliche Merkmale des Rechtsgeschäftes, das nach § 15 Abs. 1 GebG den Gegenstand der Gebühr bildet, geändert, so entsteht ein anderes Rechtsgeschäft; damit kommt gemäß § 24 GebG für einen solchen Fall eines Neuerungsgeschäftes die Gebühr für jenes Rechtsgeschäft zur Anwendung, in das das frühere Rechtsgeschäft umgewandelt wurde (vgl. Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band I, Stempel- und Rechtsgebühren, Rz 2 zu § 21 samt angeführter Rechtsprechung).

Im Ergänzungsvertrag wurde der Bestandvertrag insofern geändert, als die ursprünglich vereinbarten Bestandflächen erweitert und von der oberen Geschoßfläche in die untere Geschoßfläche und in das Untergeschoß verlegt wurden sowie ein geringerer Mindesthauptbestandzins vereinbart wurde. Im Übrigen blieb der Bestandvertrag unverändert.

Für die gebührenrechtliche Beurteilung dieser Änderungen in der Zusatzvereinbarung ist von entscheidender Bedeutung, ob dadurch das Bestandobjekt ausgetauscht wurde und deswegen nicht mehr von einem Zusatz oder Nachtrag des ursprünglichen Bestandvertrages, sondern von einem Abschluss eines weiteren Bestandvertrages auszugehen ist, weil das ursprüngliche Rechtsgeschäft durch die Zusatzvereinbarung über ein anderes Bestandobjekt ersetzt wurde.

Wenn die Lage und auch das Ausmaß der Bestandflächen innerhalb des Einkaufszentrums von wesentlicher Bedeutung für den Abschluss des Bestandvertrages vom 3./ gewesen waren, weil aus Konkurrenzgründen gerade diese Flächen in Bestand genommen wurden und die Betriebsgesellschaft diese an den Vertragspartner aus diesem Grund in Bestand gegeben hat, dann können mit dem Ergänzungsvertrag durch die Lageveränderung der Bestandflächen wesentliche Merkmale des Bestandvertrages geändert werden. In diesem Fall ist durch die Ergänzungsvereinbarung von einem neu abgeschlossenen Rechtsgeschäft auszugehen, das nach § 33 TP 5 Abs. 1 Z 1 GebG zu vergebühren ist.

Hat einerseits der Betreiber der Betriebsgesellschaft mit dem Abschluss der Bestandverträge sich bestimmte Unternehmen mit Verkaufsflächen in seinem Einkaufszentrum gesichert und hat andererseits der Bestandvertrag bestimmten Unternehmen die Möglichkeit, in diesem Einkaufszentrum Anbieter zu sein, eröffnet, dann waren aber für die Vertragsparteien die Lage und das Ausmaß der Bestandflächen bei Abschluss des Bestandvertrages vom 3./ noch nicht von entscheidender Bedeutung, sondern es handelte es sich zunächst um eine vorläufige Festlegung der Bestandflächen.

Nach dem Inhalt des Bestandvertrages vom 3./ gab es im Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrages erst "vorläufige" Bestandflächen und noch keinen endgültigen Bestandplan. Eine endgültige Festlegung der Bestandflächen und des Hauptbestandzinses sollte nach Vorliegen der Bestandpläne vorgenommen werden. Die Betriebsgesellschaft konnte nach dem Bestandvertrag, wenn sich im Rahmen der Gesamtplanung die Notwendigkeit dafür ergeben sollte, bis zur Übergabe des Bestandobjektes Änderungen vornehmen, was der Bestandnehmer zustimmend zur Kenntnis zu nehmen hat, soweit es sich nicht um wesentliche Änderungen handelt.

Mit der Ergänzungsvereinbarung wurden der Bestandgegenstand und der Hauptmietzins "abgeändert", der Bestandvertrag blieb im Übrigen unverändert. Von der Aufhebung, Ersetzung oder wesentlichen Änderung des Rechtsgeschäftes oder auch einem Austausch des Bestandobjektes innerhalb des Einkaufszentrums kann im Beschwerdefall nach dem Inhalt des Bestandvertrages und der Ergänzungsvereinbarung nicht ausgegangen werden, vielmehr handelt es sich dabei um den nach dem Inhalt des Bestandvertrages beabsichtigten und noch vorzunehmenden Nachtrag zum Bestandvertrag, weil es sich darin beim Bestandobjekt erst um "vorläufige" Bestandflächen gehandelt hat, die endgültig festzulegen waren.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid keine Gründe angeführt und keine Feststellungen getroffen, welche zwingend gegen die Anwendung des § 21 GebG sprechen.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am