VwGH vom 30.01.2014, 2013/16/0199
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. Michael Brunner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 6-8, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/3519-W/11, betreffend Haftung nach §§ 9 und 80 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war seit 1986 geschäftsführender Gesellschafter der K GesmbH, über deren Vermögen mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom das Konkursverfahren eröffnet wurde.
Mit Schreiben vom forderte das Finanzamt den Beschwerdeführer auf, zu den am Konto der K GesmbH aushaftenden Abgabenschuldigkeiten, welche als Lohnsteuer für 2004, 2005, 2006 und 2007 jeweils mit einem jährlichen Gesamtbetrag und als Dienstgeberbeitrag dieser Jahre mit einem jährlichen Gesamtbetrag sowie Säumniszuschläge mit jährlichen Gesamtbeträgen bezeichnet wurden und welche bei der K GesmbH uneinbringlich seien, für den Fall, dass die K GesmbH zu den jeweiligen Fälligkeitstagen der Abgaben nicht mehr über ausreichend liquide Mittel zur vollen Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügt habe, durch eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen darzulegen.
Mit Schriftsatz vom brachte der Beschwerdeführer dazu vor, die aushaftenden Abgabenbeträge seien für ihn nicht verifizierbar und bestünden aus nicht nachvollziehbaren und nicht aufgeschlüsselten Endbeträgen. Die Wiedergabe von Pauschalsummen ermögliche es ihm nicht, Beträge zu überprüfen. Er habe während seiner Zeit als Geschäftsführer sämtliche geschuldeten Beträge an das Finanzamt abgeführt und bezahlt.
Mit Bescheid vom nahm das Finanzamt den Beschwerdeführer gemäß §§ 9 und 80 BAO zur Haftung für Abgabenschuldigkeiten der K GesmbH in Anspruch. Die Abgabenschuldigkeiten waren als Lohnsteuer für 2004, 2005, 2006 und 2007 jeweils mit einem jährlichen Gesamtbetrag und als Dienstgeberbeitrag dieser Jahre mit einem jährlichen Gesamtbetrag sowie Säumniszuschläge mit jährlichen Gesamtbeträgen bezeichnet.
Mit Schriftsatz vom (wohl irrtümlich datiert mit ) berief der Beschwerdeführer dagegen und bemängelte das Fehlen einer ausreichenden Begründung des bekämpften Haftungsbescheides. Es sei "im gesamten Verfahren" nicht einmal ausgeführt worden, um welche konkreten Steuer- oder Abgabenschulden es sich handle. Die Wiedergabe von Pauschalsummen ermögliche es ihm nicht, die zu den Abgabenarten unter Anführung einer Jahreszahl angeführten Beträge zu überprüfen. Er habe die gesamte Lohnverrechnung der K GesmbH richtig und ordnungsgemäß durchgeführt oder vornehmen lassen. Im Zeitpunkt der termingerechten Abfuhr der jeweiligen Steuern und Abgaben sei eine Mehrbelastung nicht festgestanden und ebenso wenig vorhersehbar gewesen. Die genau errechneten Lohnsteuern seien zeit- und ordnungsgemäß abgeführt worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge und verminderte die Haftung auf einen näher angeführten Betrag. Im Übrigen wies sie die Berufung als unbegründet ab. Nach Schilderung des Verwaltungsgeschehens und rechtlichen Ausführungen zu den §§ 9 und 80 BAO hielt die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer habe konkrete Umstände, aus denen sich ergäbe, dass ihm trotz pflichtgemäßer Überwachung der mit der Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten betrauten Personen die Abgabenrückstände verborgen hätten bleiben können, nicht behauptet. Auf Grund des Umstandes, dass noch am ein Betrag von rund 58.500 EUR auf das Abgabenkonto der K GesmbH bezahlt worden sei, sodass zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung kein Rückstand ausgehaftet sei, bestünden keine Anhaltspunkte für das Fehlen der Mittel zur Entrichtung der Abgaben zum Zeitpunkt ihrer gesetzlichen Fälligkeit. Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch Nichtentrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben bei deren Fälligkeit durch den Beschwerdeführer habe die Abgabenbehörde auch davon ausgehen können, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben gewesen sei. Die Stattgabe der Berufung betreffe Säumniszuschläge, welche erst nach Eröffnung des Konkursverfahrens fällig geworden seien.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich der Beschwerdeführer im Recht verletzt erachtet, nicht für Abgaben und Steuerbeträge einer GesmbH zu haften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte eine Gegenschrift ein, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.
Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen haben nach § 80 BAO alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom , 2011/16/0184).
Der Vertreter haftet für nicht entrichtete Abgaben des Vertretenen auch dann, wenn die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten des Vertretenen nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat, als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Auf dem Vertreter lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Den Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, hat der Vertreter auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel zu diesen Zeitpunkten andererseits bezogen zu führen (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom ).
Gemäß § 79 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 1988 hat der Arbeitgeber die gesamte bei jeder Lohnzahlung an den Arbeitnehmer einzubehaltende Lohnsteuer für einen Kalendermonat spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonats in einem Betrag an das Finanzamt der Betriebsstätte abzuführen.
Gemäß § 43 Abs. 1 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 ist der Dienstgeberbeitrag vom Dienstgeber für jeden Monat bis spätestens zum 15. Tag des nachfolgenden Monats an das Finanzamt zu entrichten.
Der Beschwerdeführer rügt, dass ihm - trotz wiederholtem Ersuchen - nicht bekannt sei, um welche konkreten Abgabenschulden es sich überhaupt handeln solle. Es seien nur Pauschalsummen gefordert worden.
Mit dieser Rüge zeigt der Beschwerdeführer eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens auf.
Nach der Aktenlage wurde dem Beschwerdeführer Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2004 bis 2007 ausschließlich in Jahresbeträgen bekannt gegeben. Anderes wurde auch im angefochtenen Bescheid nicht festgestellt. Dass die seinerzeit an die K GesmbH oder deren Masseverwalter gerichteten Haftungsbescheide (hinsichtlich der Lohnsteuer) und Abgabenbescheide (hinsichtlich der Dienstgeberbeiträge), welche dem Beschwerdeführer mit dem Haftungsbescheid übermittelt worden seien, die jedoch in den vorgelegten Verwaltungsakten nicht enthalten sind, eine nähere Aufgliederung der Abgabenbeträge enthielten, wird - auch in der Gegenschrift - nicht behauptet.
Der Beschwerdeführer wurde damit aber von der Abgabenbehörde nicht in die Lage gesetzt, konkret vorzubringen, weshalb er welche Abgabe nicht (vollständig) abgeführt oder entrichtet habe, und so den ihm auferlegten Entlastungsbeweis zu erbringen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG.
Wien, am