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VwGH vom 23.02.2011, 2008/23/0114

VwGH vom 23.02.2011, 2008/23/0114

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Händschke und die Hofräte Dr. Hofbauer und Dr. Fasching, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des N T, geboren 1971, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 264.391/0/1E-V/15/05, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres),

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Spruchpunkt 3. des angefochtenen Bescheides (Ausweisung des Beschwerdeführers in die Türkei) wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, beantragte am Asyl.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies die belangte Behörde - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - den Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab (Spruchpunkt 1.), erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei gemäß § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 50 Fremdenpolizeigesetz 2005 für zulässig (Spruchpunkt 2.) und wies ihn gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei aus (Spruchpunkt 3.).

Begründend führte die belangte Behörde zur Ausweisung im Wesentlichen aus, dem Bundesasylamt könne nicht entgegengetreten werden, wenn es davon ausgehe, dass Art. 8 EMRK der zwingend vorzunehmenden Ausweisung nach § 8 Abs. 2 AsylG nicht entgegenstehe. Der Beschwerdeführer habe sich nur kurze Zeit aufgrund seines Asylantrages im Bundesgebiet aufgehalten, sämtliche Familienangehörige lebten in seiner Heimat. In Österreich verfüge der Beschwerdeführer über keine familiären Anknüpfungspunkte.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Zu I.:

Hinsichtlich der Ausweisungsentscheidung rügt die Beschwerde unterlassene Erhebungen zum Familienstand des Beschwerdeführers. Dazu wird unter Vorlage eines Auszugs aus dem Heiratseintrag des Standesamtes Wien-Floridsdorf erstmals behauptet, der Beschwerdeführer sei seit mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet, führe mit dieser ein Eheleben, sei in Österreich sozial integriert und spreche gut Deutsch. Eine Ausweisung verstoße gegen Art. 8 EMRK.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde einen relevanten Verfahrensmangel auf.

Im Hinblick auf den seit der Vernehmung des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt am bis zur Erlassung der angefochtenen Entscheidung vergangenen Zeitraum von fast drei Jahren konnte die Asylbehörde nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass sich die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers mittlerweile nicht verändert haben. Es wäre daher geboten gewesen, dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur allfälligen Geltendmachung von unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK relevanten Umständen zu geben. Da die belangte Behörde dies unterließ, unterliegt das (neue) Vorbringen in der Beschwerde nicht dem Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2006/20/0746, vom , Zl. 2006/20/0425, vom , Zl. 2007/20/1043, und vom , Zl. 2006/01/0595).

Es ist nicht auszuschließen, dass die belangte Behörde bei Berücksichtigung der neu vorgebrachten Umstände zu einer anderen - für den Beschwerdeführer günstigeren - Entscheidung hätte gelangen können. Der angefochtene Bescheid war daher in seinem Spruchpunkt 3. (Ausweisung des Beschwerdeführers in die Türkei) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Zu II.:

Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG in Verbindung mit Art. 129c Abs. 1 B-VG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Beschwerde wirft - soweit sie sich auf die Spruchpunkte

1. und 2. des angefochtenen Bescheides bezieht - keine für die Entscheidung dieses Falles maßgeblichen Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen eine Ablehnung der Beschwerdebehandlung sprechen würden, liegen nicht vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerde im Übrigen abzulehnen.

Wien, am

Fundstelle(n):
OAAAE-85721