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VwGH vom 02.07.2015, 2013/16/0175

VwGH vom 02.07.2015, 2013/16/0175

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Thoma und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, über die Beschwerde der M GmbH in Liqu. in W, vertreten durch Mag. Guido Zorn, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilerstätte 18-20, gegen den Bescheid des Präsidenten des Handelsgerichtes Wien vom , Zl. Jv 3539/12b-33, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am erließ das Handelsgericht Wien gegen die Beschwerdeführerin ein Versäumungsurteil. Mit Schriftsatz vom begehrte die Beschwerdeführerin die Zustellung der Klage, erstattete eine Klagebeantwortung, stellte einen Wiedereinsetzungsantrag und erhob eine Nichtigkeitsberufung gegen das Versäumungsurteil. Nachdem das Versäumungsurteil der Beschwerdeführerin am zugestellt worden war, erhob sie dagegen mit Schriftsatz vom selben Tag Widerspruch und zog für den Fall der Aufhebung des Versäumungsurteils die mit Schriftsatz vom gestellten Anträge auf Zustellung und auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie die Nichtigkeitsberufung zurück. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom wurde das Versäumungsurteil aufgehoben und mit Schriftsatz vom zeigten die Parteien die Vereinbarung "Ewigen Ruhens" des Verfahrens an.

Nach Einziehung der Pauschalgebühr gemäß TP 2 GGG für die Berufung stellte die Beschwerdeführerin einen Rückzahlungsantrag gemäß § 30 Abs. 3 GGG.

Diesem Begehren gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid nicht statt. Begründend führte sie aus, der Anspruch des Bundes auf die Pauschalgebühr sei mit der Überreichung der Berufung entstanden und erlösche auch dann nicht, wenn über das Rechtsmittel nicht entschieden werde. Das gelte auch, wenn vor Vorlage der Akten an das Rechtsmittelgericht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt oder die Berufung zurückgezogen werde. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass die vor der Zustellung des zu bekämpfenden Urteils erhobene Berufung als inexistent zu werten sei, könne nicht gefolgt werden, weil die Beschwerdeführerin durch telefonische Erhebungen bei Gericht über die Erlassung des Versäumungsurteils das Rechtsmittel bewusst erhoben habe und mit der Zurückziehung der Berufung von einem wirksamen Rechtsmittel ausgegangen sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf "Rückzahlung der zu Unrecht eingezogenen Pauschalgebühr für die zweite Instanz" verletzt erachtet.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte eine Gegenschrift ein, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

Gemäß § 30 Abs. 2 Z 1 GGG sind Gebühren zurückzuzahlen, wenn sie ohne Zahlungsauftrag entrichtet wurden, sich aber in der Folge ergibt, dass überhaupt nichts oder ein geringerer Betrag geschuldet wurde.

Tarifpost 2 (TP 2) GGG legt nach der Höhe des Berufungsinteresses abgestufte Pauschalgebühren für das Rechtsmittelverfahren zweiter Instanz fest. Nach Anmerkung 1 zu TP 2 GGG unterliegen dieser Pauschalgebühr u.a. Berufungsverfahren.

Gemäß § 2 Z 1 lit. c GGG wird der Anspruch des Bundes auf die Gebühr hinsichtlich der Pauschalgebühr für das zivilgerichtliche Verfahren zweiter Instanz mit der Überreichung der Rechtsmittelschrift begründet.

Nach Anmerkung 3 zu TP 2 GGG erlischt die Gebührenpflicht auch dann nicht, wenn über das Rechtsmittel nicht entschieden wird.

Die Beschwerdeführerin trägt vor, die Berufungsfrist beginne gemäß § 464 Abs. 2 ZPO für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Urteils. Erst ab diesem Zeitpunkt bestehe die Möglichkeit zur Erhebung einer Berufung und somit zur Überreichung der Rechtsmittelschrift im Sinn des § 2 Z 1 lit. c GGG. Der mit Schriftsatz vom erklärten Zurückziehung der Berufung komme lediglich deklarative Bedeutung zu und stelle kein - im Übrigen irrelevantes - Anerkenntnis der rechtlichen Existenz des Rechtsmittels dar.

Dem ist entgegenzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes das Rechtsmittel nicht erst nach Zustellung der Entscheidung, sondern schon von dem Zeitpunkt an zulässig ist, in dem die Bindung des Gerichtes an seine Entscheidung eingetreten ist (vgl. RIS-Justiz RS0041679) und die Berufung somit auch vor der Urteilszustellung erhoben werden kann (vgl. RIS-Justiz RS0041748). Da nun das Versäumungsurteil nach den unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid am erlassen wurde, konnte die Beschwerdeführerin dagegen mit Einbringen des Schriftsatzes vom wirksam eine Nichtigkeitsberufung erheben. Das stellt eine Überreichung einer Rechtsmittelschrift dar und es entstand bereits damit nach § 2 Z 1 lit. c GGG der Gebührenanspruch des Bundes.

Gemäß Anmerkung 3 zu TP 2 GGG erlischt die Gebührenpflicht auch dann nicht, wenn über das Rechtsmittel nicht entschieden wird. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Pauschalgebühr für eine gegen ein Versäumungsurteil erhobene Berufung auch dann zu entrichten, wenn die Berufung zufolge stattgebender Erledigung eines unter einem gestellten Wiedereinsetzungsantrages dem Rechtsmittelgericht gar nicht vorgelegt wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2011/16/0093, mwN). Für die Aufhebung eines Versäumungsurteils auf Grund eines dagegen erhobenen Widerspruchs kann nichts anderes gelten. Die Pauschalgebühr ist auch dann zu entrichten, wenn die Berufung wieder zurückgezogen wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 96/16/0088, mwN). Selbst wenn die Nichtigkeitsberufung lediglich als Eventualbegehren erhoben wurde, unterliegt sie der Gebühr nach TP 2 GGG (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 99/16/0186). Somit schuldete die Beschwerdeführerin die vom Gericht eingezogene Pauschalgebühr und es lagen die Voraussetzungen für deren Rückzahlung gemäß § 30 Abs. 2 Z 1 GGG nicht vor.

Daraus folgt aber, dass dem angefochtenen Bescheid die von der Beschwerde behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, weshalb die Beschwerde - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der im Beschwerdefall noch anwendbaren VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am