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VwGH vom 28.11.2007, 2006/15/0340

VwGH vom 28.11.2007, 2006/15/0340

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kinsky, über die Beschwerde der EH in G, vertreten durch Dr. Christoph Naske, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Parkring 10, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , GZ. RV/0837-L/04, betreffend Familienbeihilfe ab Oktober 2003, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Finanzamt wies den Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung der Familienbeihilfe für ihre an der Universität studierenden Tochter (geboren am ) mit Bescheid vom für die Zeit ab ab. Die Tochter der Beschwerdeführerin habe im zweiten Studienabschnitt die Mindeststudiendauer mit überschritten. Gemäß § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 werde der Antrag daher für den Zeitraum ab Oktober 2003 abgewiesen.

Die dagegen eingebrachte Berufung begründete die Beschwerdeführerin wie folgt: Seit dem Sommersemester 1998 betreibe ihre Tochter an der Universität Wien das Studium "Theaterwissenschaft" und "(sonstige) gewählte Fächer an Stelle einer zweiten Studienrichtung nach § 3 Abs. 2 des Bundesgesetzes für geistes- und naturwissenschaftliche Studienrichtungen" (Fächer aus den Studienrichtungen deutsche Philologie, Geschichte und Völkerkunde - "Fächerkombination"). Eine entsprechende Genehmigung des Studienplanes für diese Studienkombination sei am mit Bescheid der Vorsitzenden der Studienkommission Theaterwissenschaft erfolgt.

Den ersten Studienabschnitt im Hauptfach Theaterwissenschaften habe die Tochter am (im Sommersemester 2001) abgeschlossen. Den ersten Studienabschnitt im Nebenfach "Fächerkombination" habe die Tochter bereits am abgeschlossen. Im Nebenfach "Fächerkombination" sei der zweite Studienabschnitt am beendet worden.

Die nach dem Studienplan vorgesehene Ausbildungszeit im Hauptfach Theaterwissenschaften betrage im ersten und im zweiten Studienabschnitt jeweils vier Semester. Es sei nicht richtig, dass die Tochter die Mindestausbildungszeit im zweiten Abschnitt mit überschritten habe. Die Tochter habe zum fraglichen Zeitraum erst das fünfte Semester des zweiten Studienabschnittes im Hauptfach Theaterwissenschaft absolviert. Somit sei die vorgesehene Studiendauer um nicht mehr als das Toleranzsemester überschritten worden. Auch die Studienbeihilfenbehörde Wien bringe in ihrem Bescheid vom , mit dem der Tochter vorläufig bis Ende Februar 2004 Studienbeihilfe zuerkannt werde, zum Ausdruck, dass die vorgesehene Studienzeit um nicht mehr als ein Semester überschritten sei.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Bei Studienrichtungen mit mehreren Studienabschnitten sei in Bezug auf die Gewährung der Familienbeihilfe jeder Studienabschnitt für sich zu betrachten. Werde in der vorgesehenen Studienzeit (Semesteranzahl laut Studienplan plus Toleranzsemester) ein Studienabschnitt nicht absolviert, falle der Anspruch auf Familienbeihilfe weg. Die Familienbeihilfe könne erst mit Beginn des Monats weiter gewährt werden, in welchem dieser Studienabschnitt erfolgreich vollendet worden sei. Bei kombinationspflichtigen Studienrichtungen gelte ein Studienabschnitt erst dann beendet, wenn die Diplomprüfungen aus beiden Fächern erfolgreich abgelegt worden seien.

Die Tochter der Beschwerdeführerin betreibe seit dem Sommersemester 1998 die kombinationspflichtige Studienrichtung Theaterwissenschaften. Die vorgesehene Studienzeit für den ersten als auch für den zweiten Abschnitt betrage jeweils (inklusive Toleranzsemester) fünf Semester. Der erste Studienabschnitt hätte daher bis zum Ablauf des Sommersemesters 2000 beendet sein sollen. Tatsächlich habe die Tochter der Beschwerdeführerin den ersten Abschnitt erst am (Sommersemester 2001) abgeschlossen. Sodann habe das Finanzamt die Familienbeihilfe ab Mai 2001 weiter gewährt.

Die Semesterzählung für den zweiten Abschnitt beginne mit dem Wintersemester 2001/2002. Die vorgesehene Studienzeit (inklusive Toleranzsemester) würde daher mit Ende des Wintersemesters 2003/2004 (Februar 2004) ablaufen. Da aber das Finanzamt die Familienbeihilfe bereits ab Mai 2001 wieder gewährt habe, seien die Monate Mai bis September 2001 (also fünf Monate) vom letzten zu gewährenden Semester abzuziehen. Die vorgesehene Studienzeit ende daher nicht erst mit Februar 2004, sondern bereits mit September 2003.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Die Tochter der Beschwerdeführerin sei ab dem Sommersemester 1998 als Studierende des Studiums "Theaterwissenschaft" und "(sonstige) gewählte Fächer an Stelle einer zweiten Studienrichtung (Fächerkombination)" inskribiert gewesen. Die Tochter habe den ersten Studienabschnitt im Hauptfach Theaterwissenschaften am (Sommersemester 2001) abgeschlossen. Den ersten Studienabschnitt im Nebenfach Fächerkombination habe sie bereits am beendet.

Die vorgesehene Studienzeit betrage für den ersten und für den zweiten Studienabschnitt jeweils (inklusive Toleranzsemester) fünf Semester. Der erste Studienabschnitt wäre daher bis zum Ablauf des Sommersemesters 2000 zu beenden gewesen.

In den Durchführungsrichtlinien zum Familienlastenausgleich, Punkt 19.3., werde festgestellt, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe wegfalle, wenn ein Studienabschnitt nicht in der vorgesehenen Studienzeit absolviert werde. Die Familienbeihilfe könne erst mit Beginn des Monats weiter gewährt werden, in dem dieser Studienabschnitt erfolgreich vollendet worden sei. Bei kombinationspflichtigen Studienrichtungen gelte ein Studienabschnitt erst dann als beendet, wenn die Diplomprüfungen aus beiden Fächern erfolgreich abgelegt worden seien. Demnach gebe es bei kombinationspflichtigen Studien auch nur eine einheitliche Studienzeit.

In Punkt 19.6. der genannten Durchführungsrichtlinien sei ausgeführt, dass die Semesterzählung für den folgenden und jeden weiteren Studienabschnitt - unabhängig davon, ob der Studienabschnitt bereits vor Ablauf der hiefür vorgesehenen Studienzeit erfolgreich absolviert worden sei - jeweils mit dem auf den erfolgreich vollendeten Studienabschnitt folgenden Semester beginne. Werde ein Studienabschnitt erst nach Ablauf der vorgesehenen Studienzeit in irgendeinem Monat vollendet, werde die Familienbeihilfe ab diesem Monat weitergewährt. Es würden in diesem Fall aber von dem letzten zu gewährenden Semester jene Monate abgezogen, für die Familienbeihilfe ab erfolgreicher Vollendung des vorigen Studienabschnittes bis zum Beginn jenen Semesters, mit dem die Semesterzählung für den folgenden Abschnitt beginne, gewährt worden sei.

Weiters verwies die belangte Behörde auf einen Erlass des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie, nach welchem die Familienbeihilfe mit Beginn des Monats weiter zu gewähren sei, in dem die für das Ende des Studienabschnittes maßgeblichen Prüfungen erfolgreich abgelegt worden seien. Die Semesterzählung für den zweiten Studienabschnitt beginne auch in einem solchen Fall mit dem auf den erfolgreich vollendeten ersten Studienabschnitt folgenden Semester. Es würden jedoch von dem letzten zu gewährenden Semester jene Monate abgezogen, für die in jenem Semester, in dem der erste Studienabschnitt abgeschlossen worden sei, schon die Familienbeihilfe für den zweiten Studienabschnitt gewährt worden sei.

Die belangte Behörde schließe sich dieser Ansicht des Bundesministers an. Im gegenständlichen Fall sei der Tochter der Beschwerdeführerin die im Gesetz angeführte "vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt" plus ein Semester zu Verfügung gestanden seien. Es ergebe sich daher ein Ende für den Beihilfenanspruch im zweiten Studienabschnitt mit . Die Tochter der Beschwerdeführerin habe den zweiten Studienabschnitt bis dahin nicht beenden können. Ein Anspruch auf Familienbeihilfe stehe ab nicht mehr zu.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

§ 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) idF BGBl I Nr. 23/1999 lautet auszugsweise:

"(1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

...

b) für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Zeiten als Studentenvertreterin oder Studentenvertreter nach dem Hochschülerschaftsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 22/1999, sind unter Berücksichtigung der Funktion und der zeitlichen Inanspruchnahme bis zum Höchstausmaß von vier Semestern nicht in die zur Erlangung der Familienbeihilfe vorgesehene höchstzulässige Studienzeit einzurechnen. Gleiches gilt für die Vorsitzenden und die Sprecher der Heimvertretungen nach dem Studentenheimgesetz, BGBl. Nr. 291/1986. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat durch Verordnung die näheren Voraussetzungen für diese Nichteinrechnung festzulegen. Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres hemmen den Ablauf der Studienzeit. Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden nachgewiesen wird. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß, ..."

Gemäß § 6 Universitäts-Studiengesetz (BGBl. I 48/1997) besteht das Studienjahr aus dem Wintersemester, dem Sommersemester und der lehrveranstaltungsfreien Zeit. Es beginnt am 1. Oktober und endet am 30. September des folgenden Jahres.

Die ab geltende Bestimmung des § 52 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002. lautet:

"Das Studienjahr besteht aus dem Wintersemester, dem Sommersemester und der lehrveranstaltungsfreien Zeit. Es beginnt am 1. Oktober und endet am 30. September des folgenden Jahres. Der Senat hat nähere Bestimmungen über Beginn und Ende der Semester und der lehrveranstaltungsfreien Zeit zu erlassen."

Unbestritten ist im gegenständlichen Fall, dass bei dem von der Tochter der Beschwerdeführerin gewählten Studium die "vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt" iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG sowohl in Bezug auf den ersten Studienabschnitt als auch in Bezug auf den zweiten Studienabschnitt jeweils vier Semester beträgt. Unter Einschluss des "Toleranzsemesters" beträgt sohin die in § 2 Abs 1 lit b FLAG vorgesehene Zeit der Berufsausbildung auch für den zweiten Studienabschnitt fünf Semester.

Im Erkenntnis vom , 2003/14/0014, hat der Verwaltungsgerichtshof dargelegt, dass es sich bei den in § 2 Abs 1 lit b FLAG im Zusammenhang mit der Berufsausbildung von Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, angesprochenen Zeiträumen um Semester oder Vielfache von Semestern handelt. Diese Semester (oder Vielfache von Semestern) zählen zur Gänze als Zeiten, in denen sich das Kind in Berufsausbildung befindet. Es sind "vollständige" Semester gemeint, und zwar unabhängig davon, ob die Berufungsausbildung während eines Semesters begonnen hat.

Dass § 2 Abs 1 lit b FLAG auf "Semester" iSd universitätsrechtlichen Bestimmungen abstellt, ergibt sich im Übrigen auch aus In- bzw Außerkrafttretensregelungen zu dieser Bestimmung in § 50g Abs 9, § 50h Abs 3 und § 50l Abs 3 FLAG, die auf konkrete Wintersemester oder konkrete Sommersemester Bezug nehmen. Aus § 6 Universitäts-Studiengesetz ist abzuleiten, dass das Wintersemester mit 1. Oktober beginnt.

Unabhängig davon, ob die erfolgreiche Beendigung eines Studienabschnittes mit dem Ende eines Semesters zusammenfällt, beginnt die in § 2 Abs 1 lit b FLAG angeordnete Semesterzählung für den nächsten Studienabschnitt mit dem

auf den erfolgreich vollendeten Studienabschnitt folgenden Semester (vgl Wittmann/Papacek, Kommentar zum FLAG, C 10).

Die Tochter der Beschwerdeführerin hat den ersten Studienabschnitt ihres Studiums am abgeschlossen. Das erste (vollständige) Semester, das auf diesen Zeitpunkt folgt, ist das Wintersemester 2001/2002. Der oben angesprochene Zeitraum der Berufsausbildung von fünf Semestern im zweiten Studienabschnitt umfasst daher auch noch das Wintersemester 2003/2004.

Somit ist die Beschwerdeführerin im Recht, wenn sie vorbringt, es seien fünf volle Semester für den Abschluss des zweiten Abschnittes zu berücksichtigen und dieser Zeitraum ende erst mit Ablauf des Wintersemesters 2003/2004. Das Gesetz sieht nicht vor, dass dieser das Wintersemester 2003/2004 umfassende Zeitraum der Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG im Hinblick auf Familienbeihilfe, die für davor liegende Zeiträume gewährt worden ist, gekürzt wird.

Der angefochtene Bescheid erweist sich somit als mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet und war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl II 333/2003.

Wien, am