VwGH vom 28.05.2008, 2006/15/0322
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des K Z in W, vertreten durch Anzböck & Brait Rechtsanwälte GmbH in 3430 Tulln, Stiegengasse 8, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/1409-W/05, betreffend Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war seit Geschäftsführer der im Jänner 2000 gegründeten K. GmbH, über deren Vermögen mit Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom der Konkurs eröffnet wurde.
Mit Bescheid vom zog das Finanzamt den Beschwerdeführer gemäß § 9 iVm § 80 BAO zur Haftung für Abgabenschulden der K. GmbH, nämlich für im einzelnen aufgeschlüsselte Beträge an Umsatzsteuer und Lohnabgaben im Gesamtausmaß von 33.519,12 EUR zur Haftung heran.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er neben allgemeinen rechtlichen Ausführungen zur Frage, unter welchen gesetzlichen Voraussetzungen die Haftung des Geschäftsführers geltend gemacht werden könne, sachverhaltsbezogen erklärte, bereits geraume Zeit vor Konkurseröffnung sämtliche Zahlungen eingestellt zu haben. Die K. GmbH habe im Zeitpunkt der Fälligkeit der Haftungsschulden nicht mehr über die erforderlichen Mittel zur Abgabenentrichtung verfügt, sodass es dem Beschwerdeführer ohne Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht möglich gewesen wäre, die bestehenden Abgabenschulden zu tilgen. Aus den Forderungsanmeldungen im Insolvenzverfahren ergebe sich, dass auch beträchtliche Lieferantenforderungen nicht beglichen worden seien. Das Finanzamt habe keine Erhebungen darüber angestellt, inwieweit überhaupt freie Mittel zur Bedienung der Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden wären. Auch sei nicht ersichtlich, wie sich die Umsatzsteuerbeträge im einzelnen aufschlüsselten. Hinsichtlich der Lohnabgaben würde der Konkursakt zeigen, dass die Dienstnehmer ebenfalls Forderungen angemeldet hätten und somit eine Gleichbehandlung vorliege. Insgesamt lägen erhebliche Verfahrensmängel vor, bei deren Vermeidung von der Geltendmachung der gegenständlichen Haftung Abstand zu nehmen gewesen wäre.
In einer abweisenden Berufungsvorentscheidung wurde dem Beschwerdeführer vorgehalten, dass er in einem Schreiben an das Finanzamt vom selbst eingeräumt habe, die Forderungen einer Reihe andrängender Lieferanten sowie Dienstnehmer befriedigt zu haben, um den (gastgewerblichen) Betrieb aufrecht erhalten zu können. Anlässlich mehrerer Begehungen durch den Vollstreckungsaußendienst vom , und habe der Beschwerdeführer zu Protokoll gegeben, dass Einnahmen erzielt würden und Zahlungsvereinbarungen getroffen werden könnten. Doch seien diese Vereinbarungen nicht vollständig eingehalten worden, woraus sich die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten ergebe. Auch dem Konkursakt sei zu entnehmen, dass "im Zeitraum bis zumindest drei Monate" vor Konkurseröffnung verschiedenste Zahlungen zur Vermindung der Verbindlichkeiten geleistet worden seien.
In einem solchen Fall obliege es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dem Vertreter nachzuweisen, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre. Werde dieser Nachweis nicht angetreten, könne dem Vertreter die uneinbringlich gewordenen Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden. Der Beschwerdeführer habe zwar ein Verschulden bestritten, es allerdings unterlassen, die zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zur Bezahlung der Abgabenschuld zur Verfügung stehenden Mittel darzustellen. Eine bloß allgemein gehaltene Darstellung des Verhältnisses zwischen Zahlungen und Verbindlichkeiten bezogen auf den Monatsletzten sei nicht ausreichend. Zur verlässlichen Beurteilung der Verschuldensfrage sei es erforderlich, für jede einzelne haftungsgegenständliche Abgabe die an dritte Gläubiger geleisteten Zahlungen vom Zeitpunkt des Entstehens der Abgabenschuld bis zur Fälligkeit sowie den Schuldenstand gegenüber dritten Gläubigern zum Fälligkeitszeitpunkt offen zu legen.
Der Beschwerdeführer stellte einen - nicht weiter begründeten - Vorlageantrag.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung insoweit Folge, als sie die Haftung auf die vor dem fällig gewordenen Abgaben beschränkte und die zur Verteilung gebrachte Konkursquote von 0,75% in Abzug brachte, sodass sich der Haftungsbetrag auf 29.660,11 EUR verminderte.
Die verbleibende Haftung begründete sie im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer in den letzten Monaten vor Konkurseröffnung Lieferanten sofort bar bezahlt, das noch vorhandene "Restpersonal" durch teilweise Lohnzahlungen zum Bleiben bewogen und auch auf das Abgabenkonto näher angeführte Beträge (zuletzt am ) eingezahlt habe. Damit werde das Vorhandensein von Mitteln zur zumindest anteiligen Abgabenentrichtung bestätigt, was mit der Branchenerfahrung übereinstimme, würden doch gerade im Gastronomiebereich die Umsätze typischerweise in bar abgewickelt werden. Ungeachtet der Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung habe es der Beschwerdeführer unterlassen, Berechnungen im Sinne einer von der Abgabenbehörde angesprochenen Liquiditätsrechnung vorzulegen.
Dem Vorwurf des Beschwerdeführers hinsichtlich mangelnder Aufschlüsselung der Umsatzsteuerforderungen sei entgegen zu halten, dass die haftungsgegenständlichen Umsatzsteuerbeträge den Umsatzsteuervoranmeldungen entsprächen und ohnedies - mit Ausnahme der Jahresumsatzsteuer 2000 - nach Monaten aufgeschlüsselt worden seien.
Hinsichtlich der haftungsgegenständlichen Beträge an nicht abgeführter Lohnsteuer verwies die belangte Behörde auf die Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988 und darauf, dass die im Haftungsbescheid ausgewiesenen Lohnabgaben auf Grund der Meldung des Beschwerdeführers am Abgabenkonto gebucht worden seien. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, die Löhne der letzten Monate größtenteils nicht mehr ausbezahlt zu haben, sei abzuleiten, dass teilweise doch Lohnzahlungen erfolgt seien, ohne die darauf entfallende Lohnsteuer der gesetzlichen Verpflichtung gemäß zu entrichten. Die Anmeldung von Lohnforderungen im Konkursverfahren sage nichts darüber aus, welche Löhne bar geflossen seien, um das Personal zum Bleiben zu bewegen. Aus dem Konkursakt ergebe sich aber, dass der Beschwerdeführer zumindest bis drei Monate vor der Konkurseröffnung verschiedenste Zahlungen zur Verminderung der Verbindlichkeiten geleistet habe. Die belangte Behörde gehe (zu Gunsten des Beschwerdeführers) davon aus, dass der Gesellschaft im Zeitraum von drei Monaten vor der am erfolgten Konkurseröffnung keine liquiden Mittel mehr zur Verfügung gestanden seien. Somit sei die Haftung hinsichtlich der ab fällig gewordenen näher angeführten Abgaben "aufzuheben".
Die Beschwerde richtet sich gegen den angefochtenen Bescheid insoweit, als die Berufung des Beschwerdeführers hinsichtlich eines Betrages von 29.660,11 EUR als unbegründet abgewiesen und der Haftungsbescheid in diesem Umfang bestätigt wurde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen ist, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2003/13/0131).
Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden sind, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Dabei ist zu beachten, dass sich der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung auch auf Zahlungen bezieht, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlich sind (vgl. mit weiteren Nachweisen das hg. Erkenntnis vom , 2003/13/0111).
Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter. Auf diesem, nicht aber auf der Behörde, lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote. Vermag der Vertreter nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 96/15/0049, VwSlg. Nr. 7.440/F).
Die Feststellungen der belangten Behörde, die vom Beschwerdeführer vertretene Gesellschaft habe im haftungsgegenständlichen Zeitraum Umsätze erzielt und die Betriebseinnahmen u.a. dazu verwendet, Lieferanten sofort bar zu bezahlen, werden in der Beschwerde nicht bestritten. Der Beschwerdeführer vertritt vielmehr zusammengefasst den Standpunkt, die belangte Behörde hätte dessen ungeachtet nicht von einer Ungleichbehandlung des Abgabengläubigers ausgehen dürfen, weil im haftungsrelevanten Zeitraum ohnedies umgerechnet 22.637,37 EUR auf das Abgabenkonto einbezahlt worden seien. Die belangte Behörde hätte dem Konkursakt nicht nur geleistete Zahlungen, sondern auch den Umstand entnehmen können, dass eine aliquote Befriedigung der Abgabenforderungen stattgefunden habe.
Dieses Vorbringen vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren ungeachtet der einem Vorhalt gleich kommenden Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung keinen Nachweis über die Höhe der liquiden Mittel und deren Verwendung erbracht. Die Tatsache der teilweisen Abgabenentrichtung lässt zwar auf das Vorhandensein liquider Mittel, nicht jedoch auf eine aliquote Befriedigung des Abgabengläubigers schließen. Wie die Gleichbehandlung des Abgabengläubigers dem Konkursakt entnommen werden könnte, lässt auch die Beschwerde im Dunkeln.
Soweit der Beschwerdeführer auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Bezug nimmt, wonach die qualifizierte Mitwirkungspflicht des Geschäftsführers die Behörde nicht von jedweder Ermittlungspflicht entbinde, ist ihm entgegen zu halten, dass mit dem Berufungsvorbringen zur Höhe der im Konkursverfahren angemeldeten Forderungen und das geringe Massevermögen die konkrete finanzielle Situation der Gesellschaft und ihre Gebarung im haftungsrelevanten Zeitraum nicht einmal ansatzweise dargestellt wurde. Dass ein derartiges Vorbringen nicht ausreicht, um die behauptete Gläubigergleichbehandlung aufzuzeigen, wurde dem Beschwerdeführer in der Berufungsvorentscheidung vor Augen geführt. Wusste der Beschwerdeführer diesen Vorhaltungen in seinem Vorlageantrag nichts entgegen zu halten, kann der belangten Behörde nicht vorgeworfen werden, sie hätte den Beschwerdeführer zu weiteren Präzisierungen seines Vorbringens auffordern müssen. Im Übrigen enthält auch die Beschwerde keine ziffernmäßig nachvollziehbare Darstellung in Bezug auf die vom Beschwerdeführer behauptete Gleichbehandlung aller Gläubiger.
Das weitere Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde übersehe, dass bis Juli 2001 die lohnabhängigen Abgaben ohnedies beglichen worden seien, verstößt gegen das vor dem Verwaltungsgerichtshof zu beachtende Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG). Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass Meinungsverschiedenheiten über die Gebarung am Abgabenkonto - in der Gegenschrift der belangten Behörde wird das Fehlen entsprechender Verrechnungsweisungen eingewendet - Gegenstand eines Abrechnungsbescheides (§ 216 BAO) sein können.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am